Demobericht / Köln 21.Juni 2013
"Taksim ist überall - überall ist Widerstand"

von Horst Hilse

07-2013

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….. skandierten einige 10 000de heute in Köln in einer beeindruckenden und kämpferischen Kundgebung auf dem Kölner Heumarkt. Aber ebenso häufig tauchte in Sprechchören die Forderung nach sofortigem Regierungsrücktritt in der Türkei auf.

Dort wo der DGB in Köln jedes Jahr mit 5000 bis 7000 Teilnehmern den Platz am 1. Mai gerade ausreichend füllen kann, reichte heute der Raum nicht mehr aus: Sie standen in den Seitenstraßen, sie standen bis auf die Deutzer Brücke und zum Rhein hinunter.

Auch wenn die Veranstalter die Menge immer wieder dazu aufforderten, in der Platzmitte aus Sicherheitsgründen enger zusammen zu rücken; - es half nichts, da auch in der Mitte kein Quadratmeter mehr frei war. Die Menge stand bis in die den Platz umgebenden Cafes hinein dicht an dicht gedrängt.

Junge Männer und Frauen mit umgehängten Türkenfahnen standen neben anderen mit Halstüchern in den kurdischen Nationalfarben. Eindrucksvoll bewiesen sie, was die vielfach zersplitterten türkischen Linken gemeinsam mobilisieren können. Auch die roten IG-Metallkappen waren häufig sichtbar. Auffällig war die im Vergleich mit anderen Veranstaltungen schwächere Präsenz der maoistisch orientierten Gruppen.

Die Polizei war durch den nicht enden wollenden Zustrom ebenso überrascht, wie die Veranstalter selbst. Ganze Familien waren lärmend mit Kochtöpfen, Bratpfannen und „Küchenschlagzeug“ ausgerückt.

Immer wieder brandeten die Sprechchöre auf und auch die „türkische Intifada“ wurde vielfach beschworen. Die Redner forderten unisono die Bestrafung der Verantwortlichen für die Einsatzbefehle an die Polizei sowie Ermittlungen gegen Polizeibeamte. Alle forderten den Regierungsrücktritt. Sie warfen der AKP vor, einen religiösen Staat errichten zu wollen.

Als Beweis wurde angeführt, dass eine Brücke nach einem religiösen Offizier benannt werden soll, der für ein Massaker an 40 000 Aleviten verantwortlich ist. Außerdem soll auf dem Taksim eine Kaserne aus osmanischer Zeit wieder errichtet werden, die vor Jahrhunderten dort stand. Es ist , vielleicht sogar überwiegend- auch ein Kampf um die Symbolik des Platzes: dort wurden am 1. Mai 1977 über 100 Kollegen auf der Demonstration zum 1. Mai von der Polizei erschossen. Bis heute weigert sich die AKP, eine genauere Untersuchung der damaligen Vorgänge einzuleiten.

Der Vorsitzende der Alevitischen Jugend erntete viel Beifall, als er in seiner kämpferischen Rede betonte, dass die Jugend der Türkei viel zu schade sei, um sie religiösen Fanatikern zu überlassen, die den Mantel des Schweigens über Vertreibungen und Massenmord ausbreiten wollten. Die Völker der Region hätten diesseits und jenseits der Grenzen bereits genug gelitten und leiden noch immer unter ideologisch verbrämten Despoten jeglicher Art. Es sei überall in der Region die Zeit gekommen, um endlich aufzustehen und den Kopf zu erheben. Der Kampf um die Würde sei aufgenommen und keine Tränengasbomben, keine Waffen der Armeen und Polizeien werde diesen Kampf beenden können, der sein Ziel erst erreicht habe, wenn die Tyrannen in der gesamten Region geschlagen seien.

Er lud die türkischen, kurdischen und deutschen Jugendlichen ein, an dem abendlichen Solidaritätskonzert teilzunehmen, das mit Rolly Brings und Kardes Türküler ab 18 uhr auf dem nur wenige 11 Meter entfernten Roncalliplatz am Dom beginnen werde.

Die Solidarität der deutschen Linken zeigte sich sehr zaghaft und verhalten: Vielleicht ein Dutzend Fähnchen deutscher Linker waren in der Menge zu sichten: SDAJ, Linke, und Falken konnte ich ausmachen.

Der Beobachter könnte dazu neigen, anzunehmen dass die Situation der USA uns bereits ereilt hat, wo linke Gruppierungen sich zu unterschiedlichen Anlässen in unterschiedlichen Bevölkerungssegmenten sehr getrennt voneinander mobilisieren. Die unter deutschen linken übliche völlige Unterschätzung der Kämpfe um Symbole sowie die traurige Tatsache, dass die überwiegend dort versammelten Menschen eh bei Wahlen stimmlos sind, mögen als weitere Faktoren eine Rolle spielen.

Editorische Hinweise
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