Die SoKo’s gehen verschiedene Wege

von Frank Braun

07-2013

trend
onlinezeitung

Diffus antikapitalistisch, aber ohne Perspektive – ein notwendiger Vorspann:

Für strömungs- und parteiübergreifende antikapitalistischer Bündnisse scheinen die Zeichen der Zeit nicht gut zu sein. Was aus Kreisen der IL, aus ‚UmsGanze’ oder von lokalen Zusammenschlüssen wie ARAB (Berlin) zu vernehmen ist, scheint, zumindest was die Ambitionen dieser Bündnisse anbelangt, nicht geeignet, Hoffnungen auf erfolgreiche Massenaktionen gegen das Troika-Krisenmanagement unter Führung der deutschen Kapitalistenklasse aufkeimen zu lassen und erst recht nicht geeignet, den Kapitalismus ernsthaft in seinem Bestand in Frage zu stellen.
Andererseits sind auch die Hoffnungen derer, die vor Jahren als antikapitalistische Linke in die Partei Die Linke.(PDL) eingesickert sind, auf ein Minimum reduziert, wenn nicht sogar vollends pulverisiert.
Zu diffus sind deren strategische Zielstellungen sowie deren Programmatik in wichtigen taktischen Fragen.
Auch kleinere Zusammenschlüsse, die sich programmatisch - so sie es überhaupt bis zur Formulierung von Programmatik schafften - nur sehr vorsichtig antikapitalistisch gerieren, geraten ins Trudeln oder ins politisch isolierte Abseits.
So ist derzeit ‚naO’ (
1) - ein Zusammenschluß vor allem Berliner Gruppen - auf dem besten Wege, sich zu einem trotzkistisch orientierten Nischenkonstrukt zu profilieren. Andere Gruppen aus diesem Milieu versuchen das Gleiche quasi klassisch-entristisch unter dem Dach der Antikapitalistischen Linken (AKL) in der PDL. Beide Strömungen verheißen vor allem eines: Niederlagen !
Die folgenden Zeilen beschreiben das Ende einer Struktur aus dem Rheinland, der Sozialistischen Kooperation (SoKo )(
2). Einer Struktur, die über den Rahmen einer kleinen Konsultativgemeinschaft nie hinaus gekommen ist, aber über die Jahre wenigstens über ihre Kritik an der PDL punktuell Interesse gefunden hatte.
Der Autor selbst ‚verabschiedet’ sich von diesem Projekt ’SoKo’, weist hiermit aber nachdrücklich darauf hin, daß Wesentliches zur Perspektivlosigkeit des kleinbürgerlichen Antikapitalismus noch aufzuschreiben und zu diskutieren ist.

Nach gut fünf Jahren trennen sich unsere Wege und die Gruppe löst sich in der bisherigen Form auf.

Am Ende sind es gerade noch zehn Aktive, die sich der Sozialistischen Kooperation (SoKo) verpflichtet fühlen. Ein paar Mitglieder aus Köln wollen als lokale SoKo-Gruppe weitermachen, andere orientieren sich neu, weil sie meinen, daß die veränderten Bedingungen eine Kontinuität im alten Sinn nicht zulassen.

Es ist nicht klug, jetzt einfach ein trotziges Weitermachen einzufordern (3). Auch eine aggressive Verbitterung und erst Recht Vorwürfe der Destruktion gegen Einzelne sind fehl am Platz. Besser ist da schon ein Innehalten und Revue-passieren-lassen dessen, was die SoKo meist erfolglos und gelegentlich auch erfolgreich tat. Und auch ein Über-den-Tellerrand-hinausblicken ist nützlich, was andere taten bzw. tun.

Am Anfang ...

... der SoKo stand eine Initiative von Leuten, die nicht davon überzeugt waren, daß mit der Gründung der Partei Die Linke.(PDL) ein erfolgsversprechender massenwirksamer Ansatz antikapitalistischer Politik auf den Weg gebracht war. Gut fünf Jahre danach hat sich zumal unter den Zeichen der kapitalistischen Krise herausgestellt, daß besagter PDL-Ansatz weder großartig massenwirksam noch erst recht irgendwie antikapitalistisch erfolgreich ist.

Mit diesem Scheitern sind auch alle diejenigen gescheitert, die, sich subjektiv als Sozialisten oder Kommunisten fühlend, die PDL von Innen nach links schieben wollten und sich dabei selbst, bis zur Unkenntlichkeit und hinter Parlamentsmandaten versteckend, ‚ver-sozialdemokratisiert’ haben, wenn sie nicht schon längst vorher ausgetreten waren.

Das kleine Kollektiv der SoKo mußte zur Kenntnis nehmen, daß zwar seine Kritik an der PDL geschätzt wurde, aber sein Gründungsgedanke, die frustrierten Ehemaligen der PDL gleichsam ‚aufsammeln’ zu wollen, funktionierte nicht. Die hatten einfach die Nase voll und privatisierten oftmals einfach.

In der SoKo gab es aber programmatisch, theoretisch und praktisch keine Weiterentwicklung. Das ganze Unternehmen war somit vom Resultat her eine bloß negative Fixierung an der PDL. Folgerichtig gehörte die SoKo dann ähnlich wie die Antikapitalistische Linke (AKL) innerhalb der PDL unfreiwillig auch zu den Verlierern einer rasant abnehmenden Attraktivität dieser Partei.

Als in den vergangenen knapp drei Jahren immer deutlicher wurde, daß auch in anderen Bereichen der außerparlamentarischen antikapitalistischen Linken, die sich nicht am Projekt PDL beteiligt hatten (Interventionistische Linke (IL), UmsGanze (UG), (post)autonome Antifa u.Ä.), ernsthafter über eine antikapitalistische Strategie und Taktik nachgedacht wurde, weil das Hüpfen von Kampagne zu Kampagne nun mal keinen Erfolg verspricht, begannen sich auch bei der SoKo erneut Hoffnungen auf antikapitalistische Kooperation zu entwickeln.

Unter Mitwirkung der SoKo entstand dann vor gut zwei Jahren die Initiative ‚neue antikapitalistische Organisation’ (naO), die dann im Verlauf ansonsten vor allem aus Berliner Gruppen des traditionellen oder post-trotzkistischen Milieus bestand.

Diese Initiative aber vermochte es über zwei Jahre nicht, jenseits von teils abstrusen Diskussionen nennenswerte Elemente kollektiver Praxis und deren Verarbeitung zu realisieren. Weltanschaulich gab es so erhebliche Unterschiede, daß ein Verbleib der SoKo in der ‚naO’-Trägerschaft nicht möglich war und beendet werden mußte.

Am Ende ...

... hat auch die SoKo über die Jahre keine weltanschauliche und politische Kohärenz entwickeln können. Wichtige Fragen der Zeit wurden eher nicht diskutiert oder so kontrovers, daß außer gegenseitiger Konsultation kaum gemeinsame operative Praxis entstand.

Etwa zum Thema ‚Krieg und Frieden’ ist eben nichts Gemeinsames zu gestalten, wenn der eine gegen die imperialistische Aggression in Syrien eintreten will und dem andern fällt nur ‚Assad’ dazu ein. Es ist auch nicht egal, wenn, wie im Fall Opel in Bochum, die Führung der IG-Metall von den einen attackiert, von anderen aber geschont wird.

Viele weitere Beispiele dieser Art lassen sich nennen, wo nicht nur der SoKo sondern auch anderen Vereinigungen ähnlicher Art unverwandt kleine oder größere Spaltpilze entstanden, die unter der Hand nolens-volens zu einer Infragestellung der Strukturen führen. Wo aber die Widersprüche im Substanziellen erheblich sind, ist die bloße Deklaration von Antikapitalismus nicht hinreichend für eine Organisationsplattform. Letzteres ist auch bei SoKo offenbar der Fall: Kaum begann ein mühsamer interner Diskurs um quasi programmatische Leitgedanken, schon offenbarten sich deutliche Widersprüche.

Für mich ist damit ein weiteres Mal bewiesen, daß der weltanschaulich und strategisch unbestimmte, kleinbürgerliche, ‚klassenlose’ Event-Antikapitalismus nicht hinreicht, um den politischen Gegner, die herrschende Klasse in Deutschland und ihren Staatsapparat, ernsthaft zu gefährden.

Die Bewegungen zu ‚Castor Schottern’, zu ‚S21’ und auch ähnliche Ein-Punkt-Bewegungen liefen oft sehr gut, mit teilweise überraschender Massenbeteiligung; Krisenproteste, Blockupy, Gaza-Flotte, Syrien-Solidarität u.ä. mit Kapitalismus- und Imperialismuskritik laufen schon deutlich weniger gut; strategische Bündnisse wie kommunistische Zusammenschlüsse oder andere revolutionäre Organisationen haben dagegen große Probleme als Attraktionspole Massenwirksamkeit zu gewinnen. Aber auch nach Innen, in bezug auf die eigene weltanschauliche Standortbestimmung, sehen sich solche Projekte großen Schwierigkeiten gegenüber.

Sollten da ausgerechnet die zehn aufrechten Aktiven der SoKo genau jene pressure group abgeben, die eine zeitgemäße, werbewirksame sozialistische Strategie und Taktik ausarbeiten, praktisch erproben und weiter entwickeln kann - nach den Erfahrungen der letzten fünf Jahre ?

Die Konsequenzen

Ich habe da erhebliche Zweifel. So erheblich, daß ich denen, welche die SoKo-Idee einer politischen Arbeit in strömungs- und parteiübergreifenden Strukturen weiter verfolgen wollen, empfehle, doch eher kleinere Brötchen zu backen: Man muß nicht zwanghaft seinen ‚eigenen Laden’ aufziehen oder aufrecht erhalten.

Es existieren andere, deutlich größere übergreifende Strukturen - Attac, die AKL, die IL u.a.m. -, welche die Möglichkeit einer solchen strömungsübergreifenden Zusammenarbeit bieten. Sicher, es gibt dort neben starken Inszenierungen von Revolutionsoperetten auch ebenso verbreitete sozialdemokratische Ladenhüter, es gibt klassenmäßige Unbestimmtheit und nur vage formulierte gesellschaftliche Ziele. Aber die Mühe des Meinungsstreits muß man sich schon machen und vage waren die gesellschaftlichen Ziele der SoKo doch ebenfalls ...

Es gilt jetzt, jenseits aller Enttäuschung eine Atmosphäre zu schaffen, die eine wenigstens ausreichende Aufarbeitung der fünf SoKo-Jahre und eine ordentliche, eine solidarische Auflösung bewerkstelligen läßt.

Ein paar aus der SoKo, ich selbst gehöre dazu, werden den Weg in eine kommunistische parteiförmige Struktur gehen oder zumindest dahin orientieren. In diesem Feld bieten sich derzeit neue und interessante Perspektiven auch im Sinne der praktischen Kritik des kleinbürgerlichen Antikapitalismus.

Für eine Weiterarbeit in der SoKo und ein Aufrechterhalten dieses Projekts stehe ich nicht zur Verfügung.

Anmerkungen

1 ‚naO’ steht für ‚neue antikapitalistische Organisation’ und ist unter www.nao-prozess.de erreichbar.

2 Vgl. dazu die noch existierende website der Gruppe unter www.sozialistische-kooperation.de. Nur leider war dort bis Redaktionsschluß von trend-online 07/13 von SoKo-Perspektiv-Diskussion überhaupt nicht die Rede. Da mauern welche...

3 Das von Horst Hilse, SoKo-Köln, am 07.06.13 unter dem Betreff „Du bist gefordert! Aufbau von SoKo !“ intern versandte Arbeitspapier, wofür er im SoKo-Verteiler um Zustimmung bittet, kommt mit forscher Attitude daher, dessen Substanz indes ist ein wenig sehr dünn. Erstens erweist sich sein Vorschlag bei genauerem Hinsehen als ein selektiver Rückblick in Rosarot mit einem Resümee, das, zweitens, nur noch Willen im Sinne von „Augen zu und durch !“ kennt. Da macht sich einer was vor.

Editorische Hinweise

Der Autor verfasste diesen Artikel zunächst für die interne SoKo-Debatte. Frank Braun ist z. Z. noch Mitglied im Arbeitsausschuss der SoKo, Köln.

Anregungen, Kritik oder Nachfragen direkt an: frank.braun@netcologne.de