Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
Kampf um die Wohnung – Kampf ums Recht?
Die Mietenfrage als Klassenfrage


von
Klaus L.

07-2013

trend
onlinezeitung

Antikapitalistische Wohnungspolitik umfaßt Sofortforderungen an den bürgerlichen Staat – etwa nach gefördertem kommunalem Wohnungsbau, nach Mietpreisbindung. Eine Reihe dieser Forderungen gilt der Gesetzgebung. Es ist daher zu fragen, zu welchem Zeitpunkt in der Klassenauseinandersetzung es sinnnvoll ist, Kampfziele in Rechtsform zu fassen.

„Die Internationale erkämpft das Menschenrecht“. Bevor es aber dazu kommt, haben wir dem Recht der herrschenden das Recht der unterdrückten Klasse entgegenzusetzen. Einfordern von Rechten ist auch eine Frage des richtigen Zeitpunkts. Ein Haus besetzen oder das „Recht auf“ Hausbesetzung fordern, zum politischen Streik aufrufen oder das „Recht auf“ politischen Streik fordern, sind verschiedene Dinge. Im gegebenen Moment des Klassenkampfes entscheidet, ob man das eine tut oder bloß das andere fordert. Welche Druckmittel setzen solche „Rechte“ durch? Die Geschichte gibt Beispiele von Massenwiderstand: Mietstreiks (1921), Massenblockaden von Zwangsräumungen (1932), wehrhafte MieterInnenräte. Abschaffung der Mietobergrenzen, Ausstieg aus der Förderung des Sozialen Wohnungsbaus und aus staatlichem Wohnungsneubau, Privatisierung kommunaler Gesellschaften und Orientierung der verbliebenen auf Höchstrenditen könnten vordergründig als Rückzug des Staates interpretiert werden. Jedoch interveniert der Staat aktiv im Sinne des Kapitals, eben auch durch zielstrebigen Abbau hart erkämpfter Mieterrechte. Was in der BRD schrittweise geschah, erfuhr die DDR ab 1990 schlagartig. Sowohl ihr vorzügliches Mietrecht als auch die Mieterräte, wirksame kollektive Kontrollinstrumente, wurden mit dem Einigungsvertrag liquidiert.

Zwiespältige Reformpolitik

Mieterschutz durch den kapitalistischen Staat ist widersprüchlich. Einerseits wuchs mit der Formierung des Monopolkapitalismus die Rolle regulierender staatlicher Eingriffe in die Reproduktionsbedingungen sowohl des Kapitals als auch der Arbeiterklasse. Andererseits konnte eine kampfstarke Arbeiterklasse auch rechtliche Verbesserungen durchsetzen. Der Wiener Gemeindebau ist ein Beispiel für diesen Widerspruch. Ziel der Austromarxisten war, durch Mietdeckelung die Löhne in der exportierenden Industrie niedrig zu halten. Die Bourgeoisie akzeptierte den Deal. Heraus kam ein zwiespältiger Klassenkompromis.

Das Eingreifen des Staates in der Wohnungsfrage wurde durch die imperialistischen Kriege und Krisen provoziert. Nach 1914 kamen in Deutschland staatliche Zwangsmaßnahmen auf. Um der kriegsbedingten Wohnungsnot Herr zu werden und Aufstände abzuwenden, wurden Einigungsämter zur Einweisung Wohnungssuchender geschaffen. Die Novemberrevolution 1918 und die folgenden Klassenkämpfe erzwangen Zugeständnisse an die Arbeiterklasse. Die Mietstreiks 1920/21, auf deren Höhepunkt etwa 300 000 Haushalte die Miete verweigerten, führten 1923 zum Reichsmietengesetz. Als „soziales“ Notrecht von den Herrschenden außerhalb des Bürgerlichen Gesetzbuches und somit auf Widerruf konzipiert, konnten Kernelemente des Mieterschutzes sowohl die Brüningschen Notverordnungen als auch den Faschismus überstehen und wurden in die BRD übernommen. Eingriffe in die „Privatautonomie“ der Eigentümer betrafen: 1. Begrenzung der Miethöhe (Reichsmietengesetz, bis 1950 in Kraft) 2. Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit (Mieterschutzgesetz) 3. „zwangsweise Zuführung von Objekten an den Wohnungsmarkt“ (Wohnraummangelgesetz, Anzeigepflicht leerstehender Wohnungen, Amt legte Mietvertrag fest, Beschlagnahmen und Einweisungen wurden bis lange nach dem II. Weltkrieg praktiziert).

Ab den 60er Jahren sahen das Großkapital und seine Parteien die Möglichkeit, die entscheidende Bresche ins Mietrecht zu schlagen. Sie wurde mit dem “Gesetz zur Aufhebung der Wohnungszwangswirtschaft” ergriffen. Die seitherige Rückentwicklung befördert heute den Irrtum, „Rechte“ als Wiederherstellung vergangener Phasen des monopolkapitalistischen Überbaus zu fordern.

Aktueller Mietrechtsabbau

Das Mietrechtsänderungsgesetz, das seit dem 1. Mai 2013 gilt, ist die letzte Stufe eines Aushöhlungsprozess. Nun herrscht das „Recht“ der Zwangsräumer, denen nicht im Gerichtssaal, sondern kollektiv auf der Straße entgegenzutreten ist.

Aber gerade jetzt, wo soviele teuer erkämpfte Mieterrechte der Offensive des Kapitals zum Opfer fielen, werden mietenpolitische Forderung zunehmend in „Rechts“-Formeln von unbestimmtester Abstraktheit verhüllt. Immer häufiger lassen reformistische Politiker im Widerspruch zur Wirklichkeit verlauten: „Wohnung ist Menschenrecht“. Wohnung ist aber in dieser Gesellschaft zinstragendes Kapital in Warenform. Dessen Produktion und Zirkulation wird nicht durch Rechtsbegriffe geregelt.

Das postulierte „Recht“ beansprucht Universalität: es soll „für alle“ gelten. Eine mietenpolitische Universalfloskel ist z.B. „Recht auf Stadt (für alle)“. Im Kapitalismus ist die Stadt selbstverständlich nicht für alle da, ebensowenig das Land. Dem steht in beiden Fällen die Hauptfunktion des bürgerlichen Rechts entgegen: der Schutz des Privateigentums, der jedem weiteren „Recht auf xyz“ übergeordnet ist. Eine Änderung der Kräfteverhältnisse, die die Taekker, Deutsche Wohnen, Franell auch in dieser Stadt zurückdrängt, hat in deren Gewinnmacherei mit Wohnraum einzugreifen und Enteignungen durchzuführen, also eben ihre privaten Rechte zu beschränken – nicht „für alle“, sondern für die Mehrheit.

Darum sollte zu denken geben, wenn auch antikapitalistische Forderungen sich zunehmend darauf beschränken, der kapitalistischen Praxis ein „Grund-“ oder „Menschenrecht“ auf Wohnraum entgegenzusetzen. Aus dem „Recht auf Wohnen“ folgt notwendig die Forderung nach Wohnungsbau. Über den Klasseninhalt der Forderung ist aber damit noch nichts gesagt. Damit Wohnungsbau der Arbeiterklasse zugute komme, müssen wir zumindest die Produktionsbedingungen der Bauindustrie analysieren, denn ihre Profite machen einen beträchtlichen Teil der Miethöhe aus. Das bloße „Recht auf“ führt nicht zu Eingriffen in die Profitwirtschaft. Stattdessen sind konkrete Forderungen aus der politisch-ökonomischen Analyse des Verwertungszusammenhangs abzuleiten und entlang der Konfliklinien realer Mieterkämpfe zu stellen.

Dazu gehören selbstverständlich auch rechtliche Maßnahmen wie Umwandlungs- und Zweckentfremdungsverbote. Auch der Kampf der Genossenschaften um Mitentscheidung, z.B. über die Miethöhe, fordert die Wiederherstellung des Genossenschaftsrechts. Ebenso muß die Reorganisation der entrechteten Mieterräte vorangetrieben werden. Für die Mieterbeirräte der sechs Berliner Wohnungsbaugesellschaften stellt sich dies momentan auch als Kampf um ihre rechtliche Verankerung dar. Es ist bezeichnend für die gegenwärtige Zuspitzung, daß selbst dieser “reformistisch” geführte Kampf auf schärfste Abwehrreaktionen von Staatssekretär Gothe (SPD) trifft. (www.mieterbeirat-fas.de).

Das letzte Beispiel zeigt aber auch, wie Mieter zum Spielball von Illusionen werden, wenn der Angriffspunkt auf Rechtsbegriffe verlagert wird. Inhaltlicher Kern des Kampfs der Initiative „Frankfurter Allee Süd“ ist ihre Forderung nach Mitwirkung an der Erstellung des „Mietspiegels“. Die Illusion „gleichberechtigter“ Teilhabe an einem „gerechten“ Mietspiegel stellt die ökonomischen Verhältnisse, die sich darin ausdrücken, auf den Kopf. Die Eigentümer-Website www.vermieter-erfolg.de gibt darüber Auskunft: „Der Mietspiegel ist der sicherste Weg zu Ihrer nächsten Mieterhöhung ... Da Mietspiegel von einer ‚neutralen Instanz‘ oder von Vermieter- und Mieterverbänden gemeinsam erstellt werden ..., werden sie außerdem von den Mietern eher akzeptiert.“

So läßt sich Mietern die eigene Ausplünderung als „ihr gutes Recht“ verkaufen. Solche Konsensbildung ist eine wichtige ideologische Funktion des imperialistischen Staates. Dem ist noch einmal die „Internationale“ entgegenzusetzen: „Es rettet uns kein höhres Wesen“ - auch nicht, wenn „Das Recht“ in persona als solch ideales Wesen die politische Bühne betritt.

Editorische Hinweise

Wir spiegelten den Artikel von http://anstoss.dkp-berlin.info