Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Mehrere Kurznachrichten vom Zustand der französischen Rechten

07-2013

trend
onlinezeitung

Wahlkreis von Ex-Finanzminister Jérôme Cahuzac: 46 % für den FN

Mit erheblicher Spannung blickte ganz Frankreich an den vergangenen beiden Sonntagen, 16. und 23. Juni 2013, auf den Wahlkreis von Villeneuve-sur-Lot im Südwesten des Landes. Dort fand eine Nachwahl (französisch „Teilwahl“, élection partielle) für einen einzelnen freigewordenen Parlamentssitz in der Pariser Nationalversammlung statt. Ihn hatte im April dieses Jahres der (rechts)sozialdemokratische Ex-Finanzminister Jérôme Cahuzac räumen müssen, - nachdem sein Eingeständnis, entgegen zuvor Monate lang verbreiteten Lügen doch ein illegales Konto in der Schweiz besessen zu haben, zu seinem Rücktritt geführt hatte. Entsprechend aufgeheizt war das politische Klima vor Ort. Die Sozialdemokratie rauschte, wie von vielen erwartet, schon durch den ersten Wahlgang durch und erhielt nicht genügend Stimmen, um in die Stichwahl einziehen zu können. (Dazu sind 12,5 % der Stimmen der eingeschriebenen Wähler/innen erforderlich. Mit 23 % der abgegebenen Stimmen, doch bei einer Stimmenthaltung von gut 54 %, fiel der sozialdemokratische Kandidat Bernard Barral deswegen durch.)

Die Stichwahl trugen deswegen der Kandidat der konservativ-wirtschaftsliberalen UMP, Jean-Louis Costes, und der erst knapp 24jährige Kandidat des rechtsextremen FN – Etienne Bousquet-Cassagne – unter sich aus. Nicht wenige Beobachter/innen gingen davon aus, dass sogar der junge rechtsextreme Kandidat hohe Siegeschancen habe. Zwar rief die sozialdemokratische Parteiführung zur Stimmabgabe für die UMP auf, doch zeichnete sich ab, dass es auf Seiten von keiner der etablierten Parteien stärkere Ambitionen für eine gemeinsame Frontbildung gegen die extreme Rechte gebe. Im Endeffekt scheiterte der FN-Bewerber, doch erzielte er mit 46,24 % ein stattliches Achtungsergebnis und erhöhte sein Ergebnis aus der ersten Runde (26,04 %) beträchtlich. Viele bürgerliche Medien zitierten deswegen am Montag früh seinen Ausspruch: „Eine Wahlniederlage, doch ein ideologisch-moralischer Sieg.“ Der Front National verfehlt dabei seinen dritten Abgeordnetensitz im Pariser Parlament nur knapp. / BS, Paris

Märtyrer“ der Bewegung gegen die Homoehe

Die fanatisierten Gegner/innen der Homosexuellenehe in Frankreich haben einen „Märtyrer“ für ihre Sache gefunden: Der 23jährige Student Nicolas Bernard-Busse (in den folgenden Zeilen: NBB) wurde vergangene Woche zu zwei Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt und im Anschluss an die Verhandlung inhaftiert worden. NBB war vor Gericht geladen worden, weil er zum zweiten Mal in Folge an einer ungenehmigten, illegalen Demonstration teilgenommen und – infolge seiner polizeilichen Ingewahrsamnahme zweck Personalienfeststellung – eine Fantasieidentität angegeben hatte. Ferner hatte er die Mitwirkung an einer Speichelprobe zwecks (gegenwärtiger oder künftiger) Identitätsfeststellung verweigert. Daraufhin hatten die Pariser Richter die zweimonatige Freiheitsstrafe über ihn verhängt.

Dass überhaupt aufgrund solcher Delikte „wider die öffentliche Ordnung“ Haftstrafen verhängt werden können (und nicht nur Geldstrafen), liegt an der „Sicherheits“gesetzgebung, die durch die regierende Rechte unter Nicolas Sarkozy v.a. in den Jahren 2007-2012 eingeführt wurde. Doch dieselbe Rechte spielt jetzt, auf heuchlerische aber öffentlichkeitswirksame Weise, die Empörten. Der auf dem rechten Flügel der UMP angesiedelte Abgeordnete Hervé Mariton will NBB in der laufenden Woche, zusammen mit weiteren Mandatsträgern, in der Haftanstalt besuchen. Unterdessen fanden am Abend des Samstag, 22. Juni in Paris (einige Hundert Teilnehmer/innen) und in Lyon mit 1.500 Personen kurzfristig anberaumte Demonstrationen für die Freilassung von NBB statt. / BS, Paris

Le Pen: Nicht länger immun?

Am 02. Juli 13 wird das Europäische Parlament über eine Aufhebung der parlamentarischen Immunität von FN-Chefin Marine Le Pen abstimmen. Der Rechtsausschuss des EP empfahl vergangene Woche mehrheitlich die Annahme eines solchen Votums. Beantragt hatte einen solchen Beschluss im Dezember 2012 die französische Justiz: Aktuell läuft gegen Marine Le Pen ein Strafverfahren, das zwei antirassistische Organisationen wegen Aussprüchen in Lyon vom 10. Dezember 2010 gegen sie anstrengten. Damals hatte sie angebliche Straßengebete von Moslems in Frankreich explizit mit der Besatzung durch NS-Deutschland verglichen. / BS, Paris

Editorische Hinweise

Wir erhielten die Texte vom Autor für diese Ausgabe.