29. Juni 2015
Vergangene Woche war ich in Kosova
und es war wieder einmal sehr lehrreich. An der Massenarmut , der
fortgesetzten Privatisierung hat sich nichts geändert. Vor dem
Parlament Kosovas gibt es seit einem Jahr und einem Monat, ein Zelt
von ehemaligen Arbeitern einer Stahlröhrenfabrik aus Ferizaj . Die
Arbeiter kämpfen für die ihnen zustehende Abfindung. Nach dem Gesetz
stehen entlassenen Arbeitern 20 % vom
Verkaufserlös privatisierter Betriebe zu. Das Geld wird ihnen
allerdings verweigert und seit mehr als einem Jahr gibt es für die
Arbeiter nur Versprechungen. Generell ist festzustellen, dass bei
jeder Privatisierung im Schnitt 50 % der Arbeitsplätze wegfallen.
Für die übrig gebliebenen Arbeiter existieren Arbeiterrechte nur auf
dem Papier. Es fehlen weiterhin soziale Leistungen, es gibt keine
öffentliche Krankenversicherung oder gar Arbeitslosengeld.
In Kosova regiert Armut,
Perspektivlosigkeit und Verzweiflung. Für die massiv vorhandenen
internationalen Institutionen ist jedoch die Lage in Ordnung, denn
Sie gehen von dem Paradigma der Stabilität aus. Gleichzeitig
arbeiten Sie mit der Regierung Kosovas als verlängerten Arm im EU
Protektorat Kosova zusammen. Am vergangenen Freitag erhielten die
„Internationalen“ und die mit ihnen verbundenen Kollaborateure
allerdings einen Schlag mitten ins Gesicht.
Die EU will ein „Spezialgericht“
explizit für Kosova in Holland, mit einer Filiale in Prishtina
installieren. Dieses Gericht soll außerhalb der Institutionen des
Landes agieren. Der Unmut bei vielen Abgeordneten war groß. Vor dem
Parlament demonstrierten ehemalige Angehörige der UCK gegen das
Gesetzesvorhaben. Die meisten einfachen Kämpfer der UCK leben heute
in Armut oder extremer Armut. Nach dem willen der Regierung Mustafa-
Thaci, soll sich nun ein Spezialgericht außerhalb der Verfassung mit
Ihnen befassen. Der ganze Vorgang belegt den Status Kosovas. Es gibt
kein internationales Spezialgericht gegen die Verbrechen, welche von
Serbien in Bosnien und Kosova ausgingen. Es gibt kein Spezialgericht
in Kroatien. Nur in Kosovo soll es ein solches Gericht außerhalb der
Institutionen des Landes geben. Der Widerstand dagegen ist enorm.
Am vergangenen Freitag fand nun
eine außerordentliche Parlamentssitzung zu diesem Thema statt. Die
Regierung warb massiv für eine Verfassungsänderung. Die Tribüne im
Parlament -auf der ich mich befand- war voll mit internationalen
Beobachtern. In der Cafeteria des Parlaments ereignete sich ein
ernster Zwischenfall. Der holländische Botschafter Boch attackierte
zwei weibliche Abgeordnete der „Bewegung für Selbstbestimmung“ (
VV). Er warf ihnen vor sich völlig falsch zu verhalten, weil sie dem
Gesetz nicht zustimmen. Die beiden Abgeordneten Albulena Haxhiu und
Puhie Demaku widersprachen dem Herrn Botschafter entschieden. Nach
der Parlamentssitzung welche das Gesetzesvorhaben ablehnte forderte
der Botschafter Hollands den Rücktritt der Abgeordneten Haxhiu. Vor
der Abstimmung forderte der Abgeordnete der PDK, Nait Hasani, „eine
geheime Abstimmung“ damit die Abgeordneten nicht unter Druck gesetzt
werden können. Dieses Ansinnen fand keine Mehrheit. Ergo es wurde
offen abgestimmt und die Namen der Abgeordneten aus den Reihen der
PDK , welche dem Gesetzesvorhaben ihre Zustimmung verweigerten
standen am nächsten Tag in allen Zeitungen.
Jetzt wird Druck auf die Abweichler
ausgeübt. Zeitungen in Kosova berichten, dass besonders auch die
deutsche Bundesregierung „enttäuscht sei“. Jetzt will Hashim Thaci ,
in Übereinstimmung mit bestimmten internationalen Faktoren, dennoch
eine Art von Spezialgericht hinbekommen. Das ist allerdings ein
Spiel mit dem Feuer. Der ganze Vorgang belegt, dass es in Kosova
zwar ein Parlament gibt, indem abgestimmt werden darf, aber
internationale Institutionen und Staaten, die Abstimmungsergebnisse
zu ignorieren gedenken.
Die Ablehnung des Spezialgerichts
ist in der Tat verständlich. Normale Menschen auf der Straße sagen
einem: „Warum gibt es kein Spezialgericht für die serbischen
Verbrechen in Kosova und Bosnien.“ In der Tat, diese Leute haben
recht. Bestimmte schlecht informierte Kreise in Deutschland werden
mit Sicherheit die Behauptung aufstellen, dass doch Verbrechen in
Kosova bestraft werden müssen. Damit haben Sie selbstverständlich
recht. Sie sollten sich nur die Frage stellen warum ethnisch
spezifiziert nur Kosova-Albaner beschafft werden sollen. Dieser
Vorgang rehabilitiert die serbischen Tschetniks und ihre Verbrechen.
Zudem ist der Vorgang, um die Abstimmung ein Beispiel dafür wie sich
bestimmte mächtige europäische Staaten, Demokratie in Europa
vorstellen. Letztendlich soll alles durch die großen Mächte in
Europa bestimmt werden. Das ist keine Demokratie sondern ein Diktat
der führenden europäischen Mächte. Die Menschen in Kosova verlangen
Demokratie und Selbstbestimmung. Sie haben auch Interesse an
normalen Gerichten, welche im Land agieren. Einzelne Verbrecher wie
der ehemalige Bürgermeister von Skenderaj, Sami Lushtaku, wurde
kürzlich wegen Mord zu zwölf Jahren Gefängnis in Kosova, durch ein
kosovarisches Gericht verurteilt. Ein „Internationales
Sondergericht“ hat nur die Funktion neuerlich ein koloniales
Instrument in Kosova zu schaffen. Das Verhalten des holländischen
Botschafters im Parlament war absolut inakzeptabel. In jedem
souveränen Staat würde er sofort zur Persona „Non Grata“ erklärt
werden.
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