Korrupte Griechen?
Das Treiben der deutschen Rüstungskonzerne

von
Franziska Lindner

07/2015

trend
onlinezeitung

Vorbemerkung: Eine der stehenden Redewendungen in den zahllosen Talkshows, die sich derzeit mit Griechenland befassen, lautet, die Athener Regierung solle endlich mal anfangen, die Korruption im Land richtig zu bekämpfen. Dass die Urheber nicht zuletzt auch in der BRD zu finden sind, wies die Autorin in ihrem Artikel vom 2. April 2015 hin, der seine Aktualität nicht verloren hat, gerade weil nach dem  bravourösen Referendum die Syrizia-Anel-Regierung begonnen hat, sich den "Gläubiger"Forderungen vollends zu unterwerfen. / red. trend

Berlin, 5. Februar 2015. Auf einer Pressekonferenz des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis mit seinem deutschen Pendant, Wolfgang Schäuble, meldet sich ein griechischer Journalist zu Wort: „In 90 Prozent aller Korruptionsfälle in Griechenland ist eine deutsche Firma involviert“. Varoufakis selbst spricht auf dem Treffen von „grenzübergreifenden Gesetzesverletzungen“ innerhalb der Euro-Zone. Er fordert Unterstützung für die Regierung in Athen, wenn sich der Bestechung Beschuldigte der griechischen Justiz entziehen. Der Finanzminister spielt damit auf ein schwelendes Korruptionsverfahren gegen frühere hochranginge Mitarbeiter der Siemens AG an. Siemens hat an den entscheidenden Stellen über 60 Mio. Euro bezahlt, um  öffentlich ausgeschriebene Aufträge zu erhalten. Es ging um die Digitalisierung des griechischen Telefonnetzes ebenso wie um Kommunikationssysteme der Streitkräfte und das Sicherheitssystem für die olympischen Sommerspiele im Jahr 2004. Schmiergeldzahlungen durch deutsche Unternehmen sind zuletzt auch bei mehreren milliardenschweren Rüstungsgeschäften öffentlich geworden.

So wird der Panzerhersteller Krauss Maffei Wegmann (KMW) beschuldigt, Schmiergeld in Höhe von 1,7 Mio. Euro gezahlt zu haben; Antonios Kantas, von 1992 bis 2002 Leiter des griechischen Direktorats für Rüstung, hat sich durch ein entsprechendes Geständnis selbst belastet. Als Gegenleistung durfte das Unternehmen Griechenland 170 Leopard-2-Panzern zum Preis von 1,7 Mrd. Euro erkaufen. KMW bestreitet den Korruptionsvorwurf mit dem Hinweis, dass Kantas zum Zeitpunkt des Zustandekommens des Kaufvertrags im Jahr 2003 nicht mehr im Amt gewesen sei. Kantas selbst hingegen betont seine Rolle bei der Zusammenstellung der spezifischen Ausschreibungskriterien und der Vergabe des Auftrags. Die Vorwürfe decken sich mit den Ermittlungen der in Deutschland zuständigen Bremer Staatsanwaltschaft.

Letztere ermittelte auch gegen die Rüstungsunternehmen Rheinmetall und Atlas Elektronik, die 2003 zur Rheinmetall Tochterfirma Rheinmetall Defence Electronics GmbH (RDE) teilfusionierten. RDE musste im Dezember 2014 ein Bußgeld von 37 Mio. Euro an die Stadt Bremen zahlen. Panagiotis Efstathiou, ehemaliger Griechenland-Vertreter von Atlas, sagte aus, 18 Mio. Euro von Rheinmetall und Atlas Elektronik erhalten und mit etwa der Hälfte des Geldes griechische Offiziere und Beamte des Verteidigungsministeriums bestochen zu haben (den Rest habe er versteuert angelegt). Zum einen ging es dabei um den Kauf von 54 Flugabwehrsystemen des Typs ASRAD für Nahbereich und Truppenschutz im Wert von etwa 150 Mio. Euro und zum anderen um die umfassende Modernisierung griechischer U-Boote der Poseidon Klasse. 

In dieses und andere U-Boot-Geschäfte mit Griechenland war auch die Handelsgesellschaft Ferrostaal verwickelt, die ihre Boote auf den Werften des Konzerns ThyssenKrupp gebaut hatte. Seit Ende 2013 ist sie mit 50 Prozent an der Rheinmetall International Engineering GmbH beteiligt. Nach Verurteilung durch die Münchner Staatsanwaltschaft musste Ferrostaal wegen Bestechungsdelikten 140 Mio. Euro Bußgeld zahlen und zwei seiner Manager wurden mit Freiheitsstrafen auf Bewährung belegt.

Kriegs- und Krisengewinnler

Die Ermittlungsanstrengungen bei Bestechungsverdacht, aber auch die Strafverfolgung bei schweren Korruptionsdelikten sind mangelhaft. Häufig ist das Strafmaß im Vergleich zum vorher erreichten Geschäftsgewinn sehr gering, sodass keine besonders große Abschreckung vor Korruption aufgebaut wird. Ferner bedürfen in Deutschland eingegangene griechische Rechtshilfegesuche mit europäischem Haftbefehl der Bewilligung der zuständigen Landesjustizbehörden, die oft nicht erfolgt. Es ist davon auszugehen, dass weit mehr als die öffentlich bekannt gewordenen Korruptionsfälle existieren. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom Februar 2014 (Drs. 18/501) gibt die Bundesregierung an, außerhalb von Presseberichten keine weiteren Informationen über Korruptionsfälle zu haben, sich bei der Verfolgung aber an die Vorgaben des OECD-Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr (1997) zu halten. 

Die grundsätzliche Entscheidung über ein internationales Rüstungsgeschäft wird in der Regel durch den geheim tagenden Bundessicherheitsrat getroffen, ohne Vorlagepflicht bei der Bundesregierung. Diese intransparente Entscheidungsfindung erschwert die frühzeitige Entdeckung von Korruptionsfällen. Auch die immer wieder stattfindenden Firmenfusionen und Gründungen von Tochtergesellschaften beeinträchtigen die Feststellung von konkreten Verantwortlichen und Adressaten der Bußgeldzahlungen. Andererseits sind sie ein Indiz für die Monopolisierungstendenzen im Bereich der stets international agierenden deutschen Rüstungsindustrie.  Wie deutlich geworden ist, ist diese auch durch die Milliardengeschäfte mit Griechenland unwidersprechlich gefördert worden in der Vergangenheit. Die deutsche Rüstungswirtschaft hat sich in den letzten Jahren zu einem großen Exporteur von Waffen entwickelt.  Da erhärtet sich der Verdacht, dass es sich bei der Bestechung nicht um Einzelfälle handelt und dass die Rüstungsindustrie sich ferner zwangsläufig zum Profiteur von bestimmten Konflikten macht. Beispielsweise profitiert Krauss Maffei Wegmann stark von der Ukraine-Krise. Mit skandinavischen und osteuropäischen Ländern hat es zuletzt mehrere Panzeraufträge abschließen können. 

Die Profite aus der Rüstung kommen hauptsächlich den jeweiligen Unternehmen zu Gute. Aber auch die Bundeswehr hat bereits mehrere Millionen Euro durch den Verkauf von Überschussbeständen an Griechenland verdient. Der erwähnten Anfrage der LINKEN Bundestagsfraktion zufolge befinden sich darunter Haubitzen, Leopard- und Gebirgspanzer. 

In den letzten Jahren hatte die Volkswirtschaft Griechenland gemessen an ihrer Wirtschaftsleistung die höchsten Ausgaben für Rüstungsgüter in der Europäischen Union. Das Land ist hoch gerüstet und nicht zuletzt aufgrund dessen hochverschuldet. Dieser Umstand verleiht der aktuellen Behandlung Griechenlands, das durch die anhaltende europäische Finanz- und Wirtschaftskrise schwer gezeichnet ist,  eine weitere Dimension. Seit 2011 werden dem Land als Gegenleistung für EU-Hilfskredite zur Vermeidung des Staatsbankrotts Sozialabbau und Steuererhöhungen für die Unter- und Mittelschicht aufgedrückt, was zu einer humanitären Krise, jedoch nicht zur wirtschaftlichen Konsolidierung des Staates geführt hat. Profitiert von den Hilfskrediten haben allen voran die internationalen Gläubiger, die auf griechische Staatsanleihen gesetzt haben, nicht die griechische Staats- oder Sozialkasse. Zusätzlich bestand Angela Merkel darauf, dass sämtliche Verpflichtungen aus Waffengeschäften eingehalten und bezahlt werden. Versuche der im Januar gewählten linken Syriza-Regierung zur sozialen Krisenlösung – durch Lohnerhöhung, Anhebung der Sozialausgaben und Investitionen in die Realwirtschaft – werden von den sogenannten Institutionen (EU-Kommission, EZB, IWF) mit besonderem Einfluss der deutschen Bundesregierung nach wie vor blockiert. 

Schon kleine Annäherungen bei den Verhandlungen über die Konditionen eines dringend benötigten Kredits für Griechenland werden wie auch auf dem eingangs erwähnten Treffen verhindert. Diese neoliberale Politik ist eine Politik für Großkonzerne und Investmentbanken, sie ist ausgerichtet auf deren Profit, nicht an den Bedürfnissen der Mehrheit der Bevölkerung. Zivile Investitionsmaßnahmen sind notwendig zur Überwindung der wirtschaftlichen Rezession in Griechenland, nicht langfristig abzuzahlende Rüstungsgeschäfte in Milliardenhöhe, die real nur die Verschuldung der Volkswirtschaft vorantreiben – und eben auch Korruption begünstigen, die häufig mit millionenschwerer Steuerhinterziehung Hand in Hand geht. 

Editorische Hinweise

Wir spiegelten den Artikel von http://www.inge-hoeger.de/ wo er am 2.4.2015 veröffentlicht wurde.

Franziska Lindner ist wissenschaftliche Mitarbeiterin von Inge Höger, MdB DIE LINKE.