Wie wahr: das Schicksal der
griechischen Linksreformisten zeigt einmal mehr, dass in der
gegenwärtigen Epoche des Kapitalismus nennenswerte
Reformen im Interesse der
Bevölkerungsmehrheit (Arbeiterklasse
und Kleinbürgertum) nicht mehr möglich sind. Aber was
ist die in überschauberer Zukunft praktisch mögliche
Alternative? Sozialismus? „Sozialismus in einem Land“? Das
ist schließlich sogar in der großen SU und
ihrer ost– und mitteleuropäischen
Glacis gescheitert. Wie würde es wohl in Griechenland
aussehen?
Die Oktoberrevolution von 1917
konnte sich, wenngleich nicht ihrem sozioökonomischen Programm
(Sozialismus) nach, so doch politisch ca. 70 Jahre halten. Eine
wesentliche Grundlage war die Tatsache, dass die Bolschewiki über
eine bewaffnete Macht (die aus dem für Russland verlorenen
1.Weltkrieg zurückkehrenden überwiegend bäuerlichen Soldaten)
verfügten, die vermutlich überwiegend bestenfalls diffuse
Vorstellungen von einer sozialistischen Zukunft hatten, aber im
Bürgerkrieg für „Brot und Frieden“ gegen die Koalition derer
kämpften, die ihnen Beides nicht zu geben bereit waren.
Worüber verfügt der „Genosse“
Tsipras und seine heterogenes Parteibündnis Syriza in einem
Ländchen wie Griechenland — sollte er systemfremde, also
revolutionäre Maßnahmen durchführen wollen? Was hätte er der
putscherfahrenen griechischen Armee und ihren ausländischen
(NATO-)Verbündeten entgegenzusetzen? Gibt es in Griechenland eine
organisierte oder kurzfristig organisierbare Bevölkerungsgruppe,
die groß genug wäre, der zweifellos nicht auf sich warten
lassenden und alle ökonomischen und militärischen Werkzeuge
nutzenden Konterrevolution auch nur nennenswerten Widerstand zu
leisten? Darauf deutet nichts hin.
Gibt es außerhalb Griechenlands
erwähnenswerte revolutionäre Kräfte, die den griechischen
Revolutionären mehr als verbale Hilfe leisten könnten? Darauf
deutet nichts hin. Die spanische „Podemos“ wird jetzt hoffentlich
niemand, der nicht im Wolkenkuckucksheim lebt, nennen wollen, um
von "unserer" PDL erst gar nicht zu reden, die in Gestalt des
Herrn Gysie die vermeintlichen Werte und Versprechungen der EU
gegen ihre unübersehbare Praxis verteidigt statt sie als das zu
benennen, was sie ist: das "Europa des Großkapitals"
So bleibt letztlich nur die
Frage, ob die Syriza-Führung um Herrn Tsipras etwas für oder gegen
die Möglichkeit einer zukünftigen revolutionären Entwicklung tut,
indem sie im Amt bleibt und von ihr selbst als unbrauchbar
kritisierte Maßnahmen des europäischen Finanzkapitals und seiner
politischen Ausschüsse (Regierungen) durchsetzt? Das bezweifele
ich, denn Niederlagen im Kampf für Fortschritte führen selten zu
einem Linksruck — aber angesichts der allgemein verbreiteten
Bewußtseinverwirrung in der Arbeiterklasse müssen wir auch hier
wieder einmal abwarten.
Editorische
Hinweise
Wir erhielten den
Text vom Autor per Email.
"Kommentare zum
Zeitgeschehen" geben nicht unbedingt die Meinung von Redaktion
und Herausgeber wieder. Sie dienen der freien Meinungsäußerung
und stehen in der Verantwortung des/der Verfasser/in.
|