Betrieb & Gewerkschaft 
Warnstreik der Berliner GEW am 20./21. Juni
Solidarität mit dem Streik! Wie können die LehrerInnen siegen?

Gegenwehr! Betriebs- und Gewerkschaftsinfo der Gruppe ArbeiterInnenmacht

07/2016

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Nachdem sich die GEW in Berlin schon in den vergangenen Jahren Arbeitskämpfe mit dem Senat um eine einheitliche tarifliche Eingruppierung für die angestellten Lehrkräfte geliefert hatte, ruft sie nun für den 20. und 21. Juni erneut zu einem längeren Warnstreik auf. Zuvor bekleckerte sich die Streikführung der GEW jedoch nicht mit Ruhm. Nach einem großen Streiktag mit 4.000 streikenden LehrerInnen im Mai war der jetzige zweitägige Streik eigentlich schon Anfang Juni geplant. Als Finanzsenator Dr. Kollatz-Ahnen (SPD) davon Wind bekam, nahm er schnell doch die Gesprächsangebote an, mit dem Vorwand, das Angebot hätte ausgiebig vorher geprüft werden müssen. 

Nach einer weiteren „Absprache“ zwischen dem Finanzsenator und der Berliner Bildungssenatorin Scheeres (SPD) wurden sämtliche Vorschläge der GEW zur Verbesserung der Situation der angestellten LehrerInnen zum vereinbarten Termin am 08. Juni abgeschmettert. Das Ziel, den Streik zu verschleppen und ihn so nah wie möglich an die Sommerferien zu verlagern, ging vonseiten des Senats komplett auf. Die GEW-Streikleitung bewies hier leider kein Standvermögen und sagte den Streik lieber ab: einen Streik, der Anfang Juni und somit in der Prüfungszeit viel effektiver gewesen wäre als nun kurz vor den Sommerferien. Die Forderungen sind aber weiterhin gerechtfertigt und es muss sich darüber unterhalten werden, wie eine Perspektive aufgebaut werden kann, diese im neuen Schuljahr zu erkämpfen! Auch gerade dann, wenn Kollatz-Ahnen die Schuld für neue Streiks den LehrerInnen in die Schuhe schieben möchte und ihnen vorwirft, sie würden einen Konflikt generieren, der dann auf dem Rücken der SchülerInnen und Eltern ausgetragen wird. Wer trägt denn die Schuld an der Unterfinanzierung der Bildungseinrichtungen? Die LehrerInnen oder der Senat? Die gewerkschaftlichen Forderungen würden im Gegenteil die Situation der angestellten Lehrkräfte in Berlin und somit auch die der SchülerInnen verbessern.

Die Auseinandersetzung wird somit nicht vonseiten der LehrerInnen auf dem Rücken der SchülerInnen oder Eltern ausgetragen. Ganz im Gegenteil! Der Senat nimmt seit Jahren eine Blockadehaltung ein und bewegt sich keinen Zentimeter, um ihre Forderungen aufzunehmen! Die  Streikenden kämpfen hingegen für und nicht gegen die Interessen der SchülerInnen und ihrer Eltern.

Welche Ausrichtung?

Seitdem im März letzten Jahres im Alleingang zwischen dem Deutschen Beamtenbund (dbb) und dem Land Berlin ein Tarifvertrag abgeschlossen wurde, wird dieser auf alle neu angestellten LehrerInnen angewendet, auch wenn die Gewerkschaft diesen Vertrag nicht unterzeichnete. Auch ein Richterspruch des Verwaltungsgerichts hat den bestehenden Umgang bestätigt und sich gegen die Streikenden gestellt. Es bleibt daher nur die aktive, politische Gegenwehr!

Im Moment ist die gesamte LehrerInnenschaft, von denen viele gewerkschaftlich organisiert sind, an die Entscheidung einer Minderheitenvertretung (dbb) gebunden, und die Entscheidung über eine Eingruppierung liegt allein beim „Arbeitgeber“ ohne Mitbestimmungsrecht der Gewerkschaften.

Zudem kann jedes Land die Besoldung der LehrerInnen selbst festlegen und damit indirekt auch den Lohn der angestellten Lehrkräfte, ohne dass hier ein Mitspracherecht besteht.

Sie fordern daher richtige Tarifverhandlungen für ihre Interessen! Sie wollen nicht, dass über ihre Köpfe hinweg entschieden wird!

Taktik des Senats durchkreuzen

Um dies zu gewährleisten, reicht es aber nicht aus, nur gerechte Tarifverhandlungen zu fordern. Die Taktik des Senats zeigt, dass er an Verhandlungen interessiert ist. Die GEW-Taktik andererseits hat keine Antwort darauf, hofft die „Arbeitgeber“ doch irgendwie an den Verhandlungstisch zu bringen. Wie ist es sonst zu erklären, dass ohne vorherige Abstimmung die Streikaktionen Anfang Juni abgebrochen wurden, obwohl von Beginn an damit zu rechnen war, dass es sich hierbei nur um eine Verzögerungstaktik handelt? Warum wurden die Streikaktionen während der Prüfungsphase nicht dahin gehend benutzt, um den Druck auf den Senat zu erhöhen und ihn zu Verhandlungen zu zwingen? Hier müsste sich die Streikleitung rechtfertigen und erklären, warum sie sich so verhalten hat.

Die zweitägige Streikaktion - wenn auch aufgrund der Nähe zu den Sommerferien weniger schlagkräftig - ist in jedem Fall ein Schritt in die richtige Richtung. So können zum Ende des Schuljahres zumindest die Kampfkraft unter Beweis gestellt und Strukturen geschaffen werden, die eine Perspektive für das kommende Schuljahr ausarbeiten können. Eine Perspektive, die sich damit beschäftigt, wie der Kampf erfolgreich geführt werden kann.

Ausweitung und Politisierung

Wir als Gruppe ArbeiterInnenmacht schlagen den LehrerInnen vor, dass dazu eine Steigerung sowie Verbreiterung der Aktionen notwendig ist. Um ganze Schulen über Tage, ja Wochen zu bestreiken, muss der „Normalbetrieb“, also der Unterricht, stillstehen. Das wird für angestellte LehrerInnen, die in Berlin rund die Hälfte der 30.000 Lehrkräfte stellen, alleine schwer möglich sein. Es ist daher notwendig, die verbeamteten KollegInnen, vor allem aber auch die Eltern und SchülerInnen, mit in die Aktion einzubeziehen.

Dazu sind neben dem Streik andere Aktionsformen wie ausführliche Personal- und Schulversammlungen eine Möglichkeit zur Mobilisierung. Auch muss der Streik von der Basis organisiert sowie kontrolliert werden. Solche Personal- und Schulversammlungen sollten sich zu Streikkomitees ausbauen, um die bestehenden Forderungen durchzusetzen und eventuell durch weitere zu ergänzen. Auf dieser Basis sollte auch eine demokratisch gewählte und rechenschaftspflichtige berlinweite Streikleitung gebildet werden. Nur so kann verhindert werden, dass unser Arbeitskampf auf dem Verhandlungstisch für einzelne punktuelle Brosamen ausverkauft oder gar ausgesetzt wird. 

An den Schulen sollten Streik- und Aktionskomitees gegründet werden, die auch SchülerInnen und Eltern einbeziehen. UnterstützerInnen-Komitees aus der Bevölkerung und aus anderen Gewerkschaften wären ebenso wichtig, um die Solidarität in der Gesellschaft zu stärken sowie mit gemeinsamen Streikaktionen mit anderen Gewerkschaften und Bereichen zu verbinden.

Dazu wäre es notwendig und sinnvoll, die Kampfperspektive über die tariflichen Anliegen, ja auch über die Tarifrunde hinaus zu erweitern und den Schulterschluss mit Tarifkämpfen anderer Branchen zu suchen. Diese Vernetzung und Koordinierung muss auch von den Gewerkschachaftsführungen eingefordert werden:

  • Sofortige Angleichung der Einkommen der angestellten LehrerInnen an jene der verbeamteten KollegInnen! Reduktion der Arbeitszeit! Rente mit 60 für alle Beschäftigten!
  • Reduktion der KlassenschülerInnenzahl auf 20! Abschaffung des mehrgliedrigen Schulsystems!
  • Gegen jede Form der Privatisierung! Abschaffung aller Schulgebühren! Ausreichende Finanzierung der öffentlichen Schulen durch den Staat, bezahlt durch massive Besteuerung der Unternehmensgewinne und großen Privatvermögen!
  • Kontrolle des Bildungssystems durch LehrerInnen, Gewerkschaften, Eltern und SchülerInnen!  

Quelle: Zusendung per Email durch ARBEITER/INNEN/MACHT-INFOMAIL, Nummer 889, 22. Juni 2016