Nachdem sich die GEW
in Berlin schon in den vergangenen Jahren
Arbeitskämpfe mit dem Senat um eine einheitliche
tarifliche Eingruppierung für die angestellten
Lehrkräfte geliefert hatte, ruft sie nun für den
20. und 21. Juni erneut zu einem längeren
Warnstreik auf. Zuvor bekleckerte sich die
Streikführung der GEW jedoch nicht mit Ruhm. Nach
einem großen Streiktag mit 4.000 streikenden
LehrerInnen im Mai war der jetzige zweitägige
Streik eigentlich schon Anfang Juni geplant. Als
Finanzsenator Dr. Kollatz-Ahnen (SPD) davon Wind
bekam, nahm er schnell doch die Gesprächsangebote
an, mit dem Vorwand, das Angebot hätte ausgiebig
vorher geprüft werden müssen.
Nach einer weiteren
„Absprache“ zwischen dem Finanzsenator und der
Berliner Bildungssenatorin Scheeres (SPD) wurden
sämtliche Vorschläge der GEW zur Verbesserung der
Situation der angestellten LehrerInnen zum
vereinbarten Termin am 08. Juni abgeschmettert. Das
Ziel, den Streik zu verschleppen und ihn so nah wie
möglich an die Sommerferien zu verlagern, ging
vonseiten des Senats komplett auf. Die
GEW-Streikleitung bewies hier leider kein
Standvermögen und sagte den Streik lieber ab: einen
Streik, der Anfang Juni und somit in der
Prüfungszeit viel effektiver gewesen wäre als nun
kurz vor den Sommerferien. Die Forderungen sind
aber weiterhin gerechtfertigt und es muss sich
darüber unterhalten werden, wie eine Perspektive
aufgebaut werden kann, diese im neuen Schuljahr zu
erkämpfen! Auch gerade dann, wenn Kollatz-Ahnen die
Schuld für neue Streiks den LehrerInnen in die
Schuhe schieben möchte und ihnen vorwirft, sie
würden einen Konflikt generieren, der dann auf dem
Rücken der SchülerInnen und Eltern ausgetragen
wird. Wer trägt denn die Schuld an der
Unterfinanzierung der Bildungseinrichtungen? Die
LehrerInnen oder der Senat? Die gewerkschaftlichen
Forderungen würden im Gegenteil die Situation der
angestellten Lehrkräfte in Berlin und somit auch
die der SchülerInnen verbessern.
Die
Auseinandersetzung wird somit nicht vonseiten der
LehrerInnen auf dem Rücken der SchülerInnen oder
Eltern ausgetragen. Ganz im Gegenteil! Der Senat
nimmt seit Jahren eine Blockadehaltung ein und
bewegt sich keinen Zentimeter, um ihre Forderungen
aufzunehmen! Die Streikenden kämpfen hingegen für
und nicht gegen die Interessen der SchülerInnen und
ihrer Eltern.
Welche Ausrichtung?
Seitdem
im März letzten Jahres im Alleingang zwischen dem
Deutschen Beamtenbund (dbb) und dem Land Berlin ein
Tarifvertrag abgeschlossen wurde, wird dieser auf
alle neu angestellten LehrerInnen angewendet, auch
wenn die Gewerkschaft diesen Vertrag nicht
unterzeichnete. Auch ein Richterspruch des
Verwaltungsgerichts hat den bestehenden Umgang
bestätigt und sich gegen die Streikenden gestellt.
Es bleibt daher nur die aktive, politische
Gegenwehr!
Im Moment ist die
gesamte LehrerInnenschaft, von denen viele
gewerkschaftlich organisiert sind, an die
Entscheidung einer Minderheitenvertretung (dbb)
gebunden, und die Entscheidung über eine
Eingruppierung liegt allein beim „Arbeitgeber“ ohne
Mitbestimmungsrecht der Gewerkschaften.
Zudem kann jedes Land
die Besoldung der LehrerInnen selbst festlegen und
damit indirekt auch den Lohn der angestellten
Lehrkräfte, ohne dass hier ein Mitspracherecht
besteht.
Sie fordern daher
richtige Tarifverhandlungen für ihre Interessen!
Sie wollen nicht, dass über ihre Köpfe hinweg
entschieden wird!
Taktik des Senats
durchkreuzen
Um dies zu
gewährleisten, reicht es aber nicht aus, nur
gerechte Tarifverhandlungen zu fordern. Die Taktik
des Senats zeigt, dass er an Verhandlungen
interessiert ist. Die GEW-Taktik andererseits hat
keine Antwort darauf, hofft die „Arbeitgeber“ doch
irgendwie an den Verhandlungstisch zu bringen. Wie
ist es sonst zu erklären, dass ohne vorherige
Abstimmung die Streikaktionen Anfang Juni
abgebrochen wurden, obwohl von Beginn an damit zu
rechnen war, dass es sich hierbei nur um eine
Verzögerungstaktik handelt? Warum wurden die
Streikaktionen während der Prüfungsphase nicht
dahin gehend benutzt, um den Druck auf den Senat zu
erhöhen und ihn zu Verhandlungen zu zwingen? Hier
müsste sich die Streikleitung rechtfertigen und
erklären, warum sie sich so verhalten hat.
Die zweitägige
Streikaktion - wenn auch aufgrund der Nähe zu den
Sommerferien weniger schlagkräftig - ist in jedem
Fall ein Schritt in die richtige Richtung. So
können zum Ende des Schuljahres zumindest die
Kampfkraft unter Beweis gestellt und Strukturen
geschaffen werden, die eine Perspektive für das
kommende Schuljahr ausarbeiten können. Eine
Perspektive, die sich damit beschäftigt, wie der
Kampf erfolgreich geführt werden kann.
Ausweitung und
Politisierung
Wir als Gruppe
ArbeiterInnenmacht schlagen den LehrerInnen vor,
dass dazu eine Steigerung sowie Verbreiterung der
Aktionen notwendig ist. Um ganze Schulen über Tage,
ja Wochen zu bestreiken, muss der „Normalbetrieb“,
also der Unterricht, stillstehen. Das wird für
angestellte LehrerInnen, die in Berlin rund die
Hälfte der 30.000 Lehrkräfte stellen, alleine
schwer möglich sein. Es ist daher notwendig, die
verbeamteten KollegInnen, vor allem aber auch die
Eltern und SchülerInnen, mit in die Aktion
einzubeziehen.
Dazu sind neben dem
Streik andere Aktionsformen wie ausführliche
Personal- und Schulversammlungen eine Möglichkeit
zur Mobilisierung. Auch muss der Streik von der
Basis organisiert sowie kontrolliert werden. Solche
Personal- und Schulversammlungen sollten sich zu
Streikkomitees ausbauen, um die bestehenden
Forderungen durchzusetzen und eventuell durch
weitere zu ergänzen. Auf dieser Basis sollte auch
eine demokratisch gewählte und
rechenschaftspflichtige berlinweite Streikleitung
gebildet werden. Nur so kann verhindert werden,
dass unser Arbeitskampf auf dem Verhandlungstisch
für einzelne punktuelle Brosamen ausverkauft oder
gar ausgesetzt wird.
An den Schulen
sollten Streik- und Aktionskomitees gegründet
werden, die auch SchülerInnen und Eltern
einbeziehen. UnterstützerInnen-Komitees aus der
Bevölkerung und aus anderen Gewerkschaften wären
ebenso wichtig, um die Solidarität in der
Gesellschaft zu stärken sowie mit gemeinsamen
Streikaktionen mit anderen Gewerkschaften und
Bereichen zu verbinden.
Dazu wäre es
notwendig und sinnvoll, die Kampfperspektive über
die tariflichen Anliegen, ja auch über die
Tarifrunde hinaus zu erweitern und den
Schulterschluss mit Tarifkämpfen anderer Branchen
zu suchen. Diese Vernetzung und Koordinierung muss
auch von den Gewerkschachaftsführungen eingefordert
werden:
-
Sofortige Angleichung
der Einkommen der angestellten LehrerInnen an
jene der verbeamteten KollegInnen! Reduktion der
Arbeitszeit! Rente mit 60 für alle Beschäftigten!
-
Reduktion der
KlassenschülerInnenzahl auf 20! Abschaffung des
mehrgliedrigen Schulsystems!
-
Gegen jede Form der
Privatisierung! Abschaffung aller Schulgebühren!
Ausreichende Finanzierung der öffentlichen
Schulen durch den Staat, bezahlt durch massive
Besteuerung der Unternehmensgewinne und großen
Privatvermögen!
-
Kontrolle des
Bildungssystems durch LehrerInnen,
Gewerkschaften, Eltern und SchülerInnen!
Quelle: Zusendung per Email durch
ARBEITER/INNEN/MACHT-INFOMAIL, Nummer 889, 22. Juni
2016 |