„Keiner
verlässt bis 2020 gegen seinen Willen diesen
Konzern!“ hatte noch im März der Stuttgarter IG
Metall-Chef Meinhardt verkündet. Zwei Monate später
werden 650 Beschäftigte der Fabriken in
Plettenberg/Sauerland und Roßwein/Sachsen nicht
gefragt, was sie wollen. Sie sollen verkauft
werden.
Damit sind nicht nur
die Versprechungen von Meinhardt als hohl entlarvt,
sondern auch die Beschäftigungssicherung zwischen IG
Metall, Gesamtbetriebsrat und Management, deren
Abschluss der Anlass für die starken Worte war.
Die sogenannte „Zukunftssicherung“
Länger als ein Jahr war diese „Zukunftssicherung“
verhandelt worden und schon in dieser Zeit hatten die
Mahle-Bosse die Betriebsräte vorgeführt. Die
Schließung von zwei Werken in Schwäbisch Hall und der
Verkauf der Industriefiltration mit Werken in
Öhringen, Hamburg und Schwaikheim wurde über die
Öffentlichkeit auch den Betriebsräten mitgeteilt: als
Tatsache und nicht verhandelbar. Diese empfanden das
zu Recht als Schlag ins Gesicht wie mit einem nassen
Handtuch. Sie brachen einmütig die Verhandlungen ab,
aber nur, um sie ein paar Tage später fortzusetzen.
Damit musste
eigentlich allen klar sein, dass diese Bosse keinen
Funken Respekt weder für die ArbeiterInnen noch für
die Betriebsräte und die Gewerkschaft haben. Zugleich
wurde auch allen damals wie heute bedrohten
Belegschaften klargemacht, dass der Gesamtbetriebsrat
nicht fähig und/oder willens war, sie vor der Willkür
der Bosse zu schützen. Ein harter Schlag für alle,
die wenigstens den Versuch von Widerstand leisten
wollten, wie die Mehrheit der Öhringer Belegschaft –
Wasser auf die Mühlen derer, die Widerstand ohnehin
für zwecklos halten.
Ganz offensichtlich
war dies auch Ansporn für den Konzernchef, die IG
Metall und den Gesamtbetriebsrat erneut vorzuführen.
Gemeinsam wurde die „Zukunftssicherung“ den Medien
vorgestellt, während hinter den Kulissen die
Handtücher bereits wieder eingeweicht wurden, die den
vertrauensseligen BürokratInnen ins Gesicht gehauen
werden.
Einige gehen davon
aus, dass die Pläne für den Verkauf älter als 2
Monate sind. Der Stuttgarter Betriebsratsvorsitzende
Kalmbach äußert dies gegenüber der „Jungen Welt“, der
Gesamtbetriebsratschef Schwarte gegenüber der
Stuttgarter Zeitung. Beide empören sich über das
Vorgehen und Schwarte stellt auch Forderungen auf.
Aber er droht nicht
damit, die „Zukunftssicherung“ zu zerreißen und mit
allen bedrohten Werken in einen Streik zu gehen.
Dabei würde die Schwere des Angriffs der Bosse einen
sofortigen unbefristeten Streik bis zur Rücknahme
alle Schließungs- und Verkaufspläne erfordern! Das
hat für den Apparat schon den Ruch des Illegalen,
auch wenn es keineswegs sicher ist, dass so ein
Streik rechtliche Sanktionen zur Folge hat, falls er
denn erfolgreich ist.
Aber Schwarte
fordert auch nicht einmal einen Streik für einen
Sozialtarif, was er in legaler Weise tun könnte, wenn
er die „Zukunftssicherung“ mit der verständlichen
Begründung zerreißt, dass die Konzernführung ihr die
Grundlage entzogen hat. Er droht noch nicht einmal
mit der völlig legalen Absage der Sonderschichten und
Überstunden, die sofort zu Lieferschwierigkeiten
führen würde. Er redet nicht von Solidaritätsaktionen
aller anderen Werke oder ähnlichem. Er fordert „den
Arbeitgeber auf, uns mitzunehmen“, denn „wir wollen
hier mitgestalten“.
Was soll das
bringen? Das Schlimmste verhindern? Und den Rest
mittragen? Immerhin möchte Betriebsrat Schwarte, dass
die Werke mit neuen Produkten ausgelastet werden. Das
wollen die Bosse sicher nicht. Neue Produkte lassen
sie sicher lieber auf der grünen Wiese in einem
Niedriglohnland fertigen.
Aber ganz sicher
wird es neue Produkte oder einen „Stopp weiterer
Verkäufe und ähnliches“, wie Schwarte fordert, nur
geben, wenn es massiven Widerstand gegen die
profitgeile Konzernspitze gibt.
Elend der Mitgestaltung
Wir halten dieses Bestreben nach Kooperation mit dem
Management für grundfalsch. Es gibt letztlich keine
gemeinsamen Interessen. Es ist eine Illusion zu
glauben, dass mit einer gemeinsamen Stärkung des
Unternehmens auf dem Markt auch die Interessen der
Beschäftigten gesichert werden. Letztlich schwächt
eine solche „Partnerschaft“ – die immer nur eine
Unterordnung unter das Kapital darstellt – die eigene
Kampffähigkeit und vor allem die der
ArbeiterInnenschaft insgesamt. Sie erschwert und
behindert die Solidarität über Betriebs- und erst
recht Ländergrenzen hinweg. Sie fördert eine
Einstellung, seine eigene Haut auch auf Kosten
anderer zu retten, letztlich dann nicht nur des
„eigenen“ Unternehmens, sondern auch des „eigenen“
Werkes oder der eigenen Person.
Aber wir würden
heute jede Widerstandsmaßnahme der Betriebsräte oder
der IG Metall unterstützen, auch wenn sie mit solchen
illusionären Ideen verbunden ist. Deshalb haben wir
auch den Vorschlag nach einem Aktionstag am 17. Juni
in Stuttgart unterstützt, wie er aus Kreisen der IG
Metall ins Spiel gebracht worden ist. Wir haben dafür
vor mehreren Werken Flugblätter verteilt, die wir
gemeinsam mit Mahle-Beschäftigten entworfen hatten.
Sie forderten: „Kein Verkauf von Plettenberg und
Roßwein! Schluss jetzt mit den Angriffen! Alle nach
Stuttgart am 17.6.! Rücknahme aller Schließungs- und
Verkaufsbeschlüsse!“
(http://www.arbeitermacht.de/gegenwehr/mahle01Juni16/mahle.htm
)
Mit einem einzigen Aktionstag kann dieses brutale
Management mitnichten gestoppt werden. Erst recht
nicht nach der Niederlage, die die
Beschäftigungssicherung darstellt, die ihrem Namen
Hohn spricht. Deshalb haben wir unsere Unterstützung
für einen Aktionstag damit verknüpft, dass wir
vorgeschlagen haben, dass alle, die aktiv werden und
kämpfen wollen, schon vorher in ihren Werken und erst
recht am Aktionstag selbst darüber reden und
entscheiden, wie der Kampf dann fortgesetzt werden
kann.
Abgeblasen
Wie nötig es ist, dass die Belegschaften die
Kontrolle über die Aktionen bekommen, zeigt die
Tatsache, dass die IG Metall diesen Aktionstag nicht
durchgeführt hat, sondern es bei ein paar
Ankündigungen blieb. So wurde nach unseren
Informationen in Roßwein lediglich eine Liste
aufgehängt, in die sich Leute hätten eintragen
können. Das ist keine ernsthafte Mobilisierung
seitens des Betriebsrates oder der IG Metall. Da sind
Leute nötig, die dafür werben, die die Namen sammeln
und natürlich erst dann öffentlich machen, wenn es
klar ist, dass es eine bedeutende Zahl ist und nicht
einzelne Leute eine Angriffsfläche bieten. Solche
Leute müssten in die Betriebsräte, in die
Vertrauenskörper, aber wenn es sie gibt, können sie
auch sofort handeln. Sie müssten auch alle
BetriebsrätInnen und Vertrauensleute der IG Metall
auffordern, mitzufahren oder zurückzutreten.
Schlimmer noch das Verhalten der IG Metall und des
Betriebsrates in Plettenberg: Dort wurde wohl
beschlossen, überhaupt keinen Widerstand zu leisten.
Stattdessen will man lieber bei der Auswahl eines
Käufers für das Werk mitreden. Oh welch Glaube an den
guten Onkel Unternehmer, der nur darauf wartet, ein
Werk zu kaufen, um der Belegschaft Gutes zu tun!
Solche Illusionen seitens der dortigen „Führung“ wird
die Belegschaft ganz bitter bezahlen: mit
Arbeitsplatzverlusten, mit Lohnkürzungen und mit
Arbeitszeitverlängerung. Das ist es, was allen
Belegschaften droht, die in den letzten Jahren neue
Eigentümer erhielten. Zu dem Betriebsrat, der da noch
aktiv mitwirken will, kann man nur sagen: „Nur die
allerdümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.“
So erbärmlich das
Verhalten der Betriebsräte in Plettenberg ist, das
wohl von der dortigen IG Metall noch gestützt wird,
so scharf man das verurteilen und bekämpfen muss,
letztlich ist es nur die konsequente Fortsetzung der
Illusionen in Zusammenarbeit mit dem Kapital, wie sie
seitens der gesamten IG Metall-Führung gepflegt
werden.
Andere Strategie nötig
Wer die Zusammenarbeit mit dem deutschen
Exportkapital so schätzt, dass er dafür die Agenda
2010 unterstützt, die Ausweitung der Leiharbeit und
der Niedriglöhne fördert, die dann lediglich
reguliert und mit dem Mindestlohn kosmetisch
behandelt werden, das Streikrecht angreift,
Reallohnsenkungen über 15 Jahre hinnimmt oder gar
vereinbart, der bereitet solchen Kapitulationen den
Weg.
Diese IG
Metall-Strategie der Unterwerfung unter die
Erfordernisse des deutschen Kapitals produziert die
immer schneller aufeinander folgenden Niederlagen im
Großen wie im Kleinen, z.B. Mahle-Konzern und dort
besonders Plettenberg. Sie zeigt allen, die ernsthaft
einen klassenpolitischen Standpunkt vertreten,
nämlich die gemeinsame Interessensvertretung gegen
das Kapital, das ständig unsere Arbeitsplätze, Löhne
und Arbeitsbedingungen angreift, dass ein
organisierter Widerstand gegen diese „Strategie“
nötig ist.
Nur so, durch eine
politische Orientierung an den Interessen der Klasse
ist es möglich, dass die Gewerkschaften auch wieder
zu Instrumenten des Kampfes und nicht des faulen
Kompromisses werden. Nur so ist die nötige Rückkehr
zum gewerkschaftlichen Kampf möglich, der aber mehr
als je zuvor sich nicht auf einen Betrieb beschränken
kann, der übergreifend sein muss; der nicht die
„deutschen Standorte“ gegen die anderen zu sichern
versucht, sondern ausnutzt, dass internationale
Unternehmen wie Mahle auch die Belegschaften in
anderen Ländern angreift.
Diese Rückkehr zum
Kampf darf nicht dabei stehen bleiben, dass mit
Aktionen „Protest“ ausgedrückt wird, wie oftmals in
der Vergangenheit. Nein, das Ziel muss es sein, den
Bossen in den Arm zu fallen, Entscheidungen zu
verhindern oder rückgängig zu machen!
Dieser Kampf muss
auch in der IG Metall selbst geführt werden. Eine
Gewerkschaft ist entscheidendes Mittel in dieser
Schlacht und kann nicht durch irgendwelche
Initiativen und schon gar nicht durch kurzfristige
Aktionen ersetzt werden. Aber nötig ist eine
Gewerkschaft, die kämpft und nicht den Abbau
mitgestaltet.
In diesem Sinne
rufen wir die Kolleginnen und Kollegen bei Mahle –
aber nicht nur dort – auf, für eine oppositionelle
Basisbewegung in der IG Metall zu kämpfen. Das
erfordert einen langen Atem und viel taktisches
Geschick. Wir werden dieses Vorhaben nach Kräften
unterstützen!
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PM per email am
28.6.2016 von ARBEITER/INNEN/MACHT-INFOMAIL
Nummer 890 29. Juni 2016
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