Betrieb & Gewerkschaft 

Mahle-Konzern: Volle Kapitulation

von Alfred Zenau

07/2016

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„Keiner verlässt bis 2020 gegen seinen Willen diesen Konzern!“ hatte noch im März der Stuttgarter IG Metall-Chef Meinhardt verkündet. Zwei Monate später werden 650 Beschäftigte der Fabriken in Plettenberg/Sauerland und Roßwein/Sachsen nicht gefragt, was sie wollen. Sie sollen verkauft werden.

Damit sind nicht nur die Versprechungen von Meinhardt als hohl entlarvt, sondern auch die Beschäftigungssicherung zwischen IG Metall, Gesamtbetriebsrat und Management, deren Abschluss der Anlass für die starken Worte war.

Die sogenannte „Zukunftssicherung“

Länger als ein Jahr war diese „Zukunftssicherung“ verhandelt worden und schon in dieser Zeit hatten die Mahle-Bosse die Betriebsräte vorgeführt. Die Schließung von zwei Werken in Schwäbisch Hall und der Verkauf der Industriefiltration mit Werken in Öhringen, Hamburg und Schwaikheim wurde über die Öffentlichkeit auch den Betriebsräten mitgeteilt: als Tatsache und nicht verhandelbar. Diese empfanden das zu Recht als Schlag ins Gesicht wie mit einem nassen Handtuch. Sie brachen einmütig die Verhandlungen ab, aber nur, um sie ein paar Tage später fortzusetzen.

Damit musste eigentlich allen klar sein, dass diese Bosse keinen Funken Respekt weder für die ArbeiterInnen noch für die Betriebsräte und die Gewerkschaft haben. Zugleich wurde auch allen damals wie heute bedrohten Belegschaften klargemacht, dass der Gesamtbetriebsrat nicht fähig und/oder willens war, sie vor der Willkür der Bosse zu schützen. Ein harter Schlag für alle, die wenigstens den Versuch von Widerstand leisten wollten, wie die Mehrheit der Öhringer Belegschaft – Wasser auf die Mühlen derer, die Widerstand ohnehin für zwecklos halten.

Ganz offensichtlich war dies auch Ansporn für den Konzernchef, die IG Metall und den Gesamtbetriebsrat erneut vorzuführen. Gemeinsam wurde die „Zukunftssicherung“ den Medien vorgestellt, während hinter den Kulissen die Handtücher bereits wieder eingeweicht wurden, die den vertrauensseligen BürokratInnen ins Gesicht gehauen werden.

Einige gehen davon aus, dass die Pläne für den Verkauf älter als 2 Monate sind. Der Stuttgarter Betriebsratsvorsitzende Kalmbach äußert dies gegenüber der „Jungen Welt“, der Gesamtbetriebsratschef Schwarte gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Beide empören sich über das Vorgehen und Schwarte stellt auch Forderungen auf.

Aber er droht nicht damit, die „Zukunftssicherung“ zu zerreißen und mit allen bedrohten Werken in einen Streik zu gehen. Dabei würde die Schwere des Angriffs der Bosse einen sofortigen unbefristeten Streik bis zur Rücknahme alle Schließungs- und Verkaufspläne erfordern! Das hat für den Apparat schon den Ruch des Illegalen, auch wenn es keineswegs sicher ist, dass so ein Streik rechtliche Sanktionen zur Folge hat, falls er denn erfolgreich ist.

Aber Schwarte fordert auch nicht einmal einen Streik für einen Sozialtarif, was er in legaler Weise tun könnte, wenn er die „Zukunftssicherung“ mit der verständlichen Begründung zerreißt, dass die Konzernführung ihr die Grundlage entzogen hat. Er droht noch nicht einmal mit der völlig legalen Absage der Sonderschichten und Überstunden, die sofort zu Lieferschwierigkeiten führen würde. Er redet nicht von Solidaritätsaktionen aller anderen Werke oder ähnlichem. Er fordert „den Arbeitgeber auf, uns mitzunehmen“, denn „wir wollen hier mitgestalten“.

Was soll das bringen? Das Schlimmste verhindern? Und den Rest mittragen? Immerhin möchte Betriebsrat Schwarte, dass die Werke mit neuen Produkten ausgelastet werden. Das wollen die Bosse sicher nicht. Neue Produkte lassen sie sicher lieber auf der grünen Wiese in einem Niedriglohnland fertigen.

Aber ganz sicher wird es neue Produkte oder einen „Stopp weiterer Verkäufe und ähnliches“, wie Schwarte fordert, nur geben, wenn es massiven Widerstand gegen die profitgeile Konzernspitze gibt.

Elend der Mitgestaltung

Wir halten dieses Bestreben nach Kooperation mit dem Management für grundfalsch. Es gibt letztlich keine gemeinsamen Interessen. Es ist eine Illusion zu glauben, dass mit einer gemeinsamen Stärkung des Unternehmens auf dem Markt auch die Interessen der Beschäftigten gesichert werden. Letztlich schwächt eine solche „Partnerschaft“ – die immer nur eine Unterordnung unter das Kapital darstellt – die eigene Kampffähigkeit und vor allem die der ArbeiterInnenschaft insgesamt. Sie erschwert und behindert die Solidarität über Betriebs- und erst recht Ländergrenzen hinweg. Sie fördert eine Einstellung, seine eigene Haut auch auf Kosten anderer zu retten, letztlich dann nicht nur des „eigenen“ Unternehmens, sondern auch des „eigenen“ Werkes oder der eigenen Person.

Aber wir würden heute jede Widerstandsmaßnahme der Betriebsräte oder der IG Metall unterstützen, auch wenn sie mit solchen illusionären Ideen verbunden ist. Deshalb haben wir auch den Vorschlag nach einem Aktionstag am 17. Juni in Stuttgart unterstützt, wie er aus Kreisen der IG Metall ins Spiel gebracht worden ist. Wir haben dafür vor mehreren Werken Flugblätter verteilt, die wir gemeinsam mit Mahle-Beschäftigten entworfen hatten. Sie forderten: „Kein Verkauf von Plettenberg und Roßwein! Schluss jetzt mit den Angriffen! Alle nach Stuttgart am 17.6.! Rücknahme aller Schließungs- und Verkaufsbeschlüsse!“ (http://www.arbeitermacht.de/gegenwehr/mahle01Juni16/mahle.htm )
Mit einem einzigen Aktionstag kann dieses brutale Management mitnichten gestoppt werden. Erst recht nicht nach der Niederlage, die die Beschäftigungssicherung darstellt, die ihrem Namen Hohn spricht. Deshalb haben wir unsere Unterstützung für einen Aktionstag damit verknüpft, dass wir vorgeschlagen haben, dass alle, die aktiv werden und kämpfen wollen, schon vorher in ihren Werken und erst recht am Aktionstag selbst darüber reden und entscheiden, wie der Kampf dann fortgesetzt werden kann.

Abgeblasen

Wie nötig es ist, dass die Belegschaften die Kontrolle über die Aktionen bekommen, zeigt die Tatsache, dass die IG Metall diesen Aktionstag nicht durchgeführt hat, sondern es bei ein paar Ankündigungen blieb. So wurde nach unseren Informationen in Roßwein lediglich eine Liste aufgehängt, in die sich Leute hätten eintragen können. Das ist keine ernsthafte Mobilisierung seitens des Betriebsrates oder der IG Metall. Da sind Leute nötig, die dafür werben, die die Namen sammeln und natürlich erst dann öffentlich machen, wenn es klar ist, dass es eine bedeutende Zahl ist und nicht einzelne Leute eine Angriffsfläche bieten. Solche Leute müssten in die Betriebsräte, in die Vertrauenskörper, aber wenn es sie gibt, können sie auch sofort handeln. Sie müssten auch alle BetriebsrätInnen und Vertrauensleute der IG Metall auffordern, mitzufahren oder zurückzutreten.
Schlimmer noch das Verhalten der IG Metall und des Betriebsrates in Plettenberg: Dort wurde wohl beschlossen, überhaupt keinen Widerstand zu leisten. Stattdessen will man lieber bei der Auswahl eines Käufers für das Werk mitreden. Oh welch Glaube an den guten Onkel Unternehmer, der nur darauf wartet, ein Werk zu kaufen, um der Belegschaft Gutes zu tun! Solche Illusionen seitens der dortigen „Führung“ wird die Belegschaft ganz bitter bezahlen: mit Arbeitsplatzverlusten, mit Lohnkürzungen und mit Arbeitszeitverlängerung. Das ist es, was allen Belegschaften droht, die in den letzten Jahren neue Eigentümer erhielten. Zu dem Betriebsrat, der da noch aktiv mitwirken will, kann man nur sagen: „Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Metzger selber.“

So erbärmlich das Verhalten der Betriebsräte in Plettenberg ist, das wohl von der dortigen IG Metall noch gestützt wird, so scharf man das verurteilen und bekämpfen muss, letztlich ist es nur die konsequente Fortsetzung der Illusionen in Zusammenarbeit mit dem Kapital, wie sie seitens der gesamten IG Metall-Führung gepflegt werden.

Andere Strategie nötig

Wer die Zusammenarbeit mit dem deutschen Exportkapital so schätzt, dass er dafür die Agenda 2010 unterstützt, die Ausweitung der Leiharbeit und der Niedriglöhne fördert, die dann lediglich reguliert und mit dem Mindestlohn kosmetisch behandelt werden, das Streikrecht angreift, Reallohnsenkungen über 15 Jahre hinnimmt oder gar vereinbart, der bereitet solchen Kapitulationen den Weg.

Diese IG Metall-Strategie der Unterwerfung unter die Erfordernisse des deutschen Kapitals produziert die immer schneller aufeinander folgenden Niederlagen im Großen wie im Kleinen, z.B. Mahle-Konzern und dort besonders Plettenberg. Sie zeigt allen, die ernsthaft einen klassenpolitischen Standpunkt vertreten, nämlich die gemeinsame Interessensvertretung gegen das Kapital, das ständig unsere Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen angreift, dass ein organisierter Widerstand gegen diese „Strategie“ nötig ist.

Nur so, durch eine politische Orientierung an den Interessen der Klasse ist es möglich, dass die Gewerkschaften auch wieder zu Instrumenten des Kampfes und nicht des faulen Kompromisses werden. Nur so ist die nötige Rückkehr zum gewerkschaftlichen Kampf möglich, der aber mehr als je zuvor sich nicht auf einen Betrieb beschränken kann, der übergreifend sein muss; der nicht die „deutschen Standorte“ gegen die anderen zu sichern versucht, sondern ausnutzt, dass internationale Unternehmen wie Mahle auch die Belegschaften in anderen Ländern angreift.

Diese Rückkehr zum Kampf darf nicht dabei stehen bleiben, dass mit Aktionen „Protest“ ausgedrückt wird, wie oftmals in der Vergangenheit. Nein, das Ziel muss es sein, den Bossen in den Arm zu fallen, Entscheidungen zu verhindern oder rückgängig zu machen!

Dieser Kampf muss auch in der IG Metall selbst geführt werden. Eine Gewerkschaft ist entscheidendes Mittel in dieser Schlacht und kann nicht durch irgendwelche Initiativen und schon gar nicht durch kurzfristige Aktionen ersetzt werden. Aber nötig ist eine Gewerkschaft, die kämpft und nicht den Abbau mitgestaltet.

In diesem Sinne rufen wir die Kolleginnen und Kollegen bei Mahle – aber nicht nur dort – auf, für eine oppositionelle Basisbewegung in der IG Metall zu kämpfen. Das erfordert einen langen Atem und viel taktisches Geschick. Wir werden dieses Vorhaben nach Kräften unterstützen!

  • PM per email am 28.6.2016  von ARBEITER/INNEN/MACHT-INFOMAIL
    Nummer 890 29. Juni 2016