Ende August soll nach
dem Willen des Mutterkonzerns, der Aryzta AG, der
Backwarenproduzent Fricopan Back GmbH in Immekath
(Salzlandkreis, Sachsen-Anhalt) für immer schließen.
Das gab die Geschäftsführung Anfang Mai bekannt.
Damit würden 500 Kolleginnen und Kollegen auf der
Straße landen, was auch auf die gesamte
dünnbesiedelte Region katastrophale Auswirkungen
hätte. Die von der Konzernleitung vorgetragen Gründe
für die Schließung sind fadenscheinig und entpuppen
sich bei näherer Betrachtung als vorgeschoben:
Angeblich sei das Werk schlecht an die Infrastruktur
angebunden – doch der Landkreis würde das Werk
zusätzlich mit einer Stichstraße erschließen.
Außerdem konnte das Werk laut Geschäftsführung 2015
nur die eigenen Betriebskosten decken. Allerdings
berichtet der ehemalige
Fricopan-Betriebsratsvorsitzende Andreas Höppner von
der schrittweisen Verlagerung der Produktion in ein
Werk der Klemme AG in Eisleben bereits Mitte 2014.
Die Klemme AG wurde 2013 von Aryzta aufgekauft. Für
das Werk 7 in Eisleben kassierte der Konzern 5
Millionen Euro Fördergelder vom Land Sachsen-Anhalt
und investierte nochmal 100 Millionen Euro. Auch für
Fricopan in Immekath strich man seit der Übernahme
durch Aryzta im Jahr 2001 insgesamt 13 Millionen Euro
Fördergelder ein. Erst Ende 2015 lief die
Bindungsfrist dieser Gelder aus, die eine
Werkschließung verhinderten bzw. eine Rückzahlung der
Fördergelder erzwungen hätte. Angeblich fehlten nun
10 Millionen Euro für die nötige Modernisierung. Der
Konzern hat also ganz bewusst das Fördermittelsystem
ausgenutzt um nicht ein, sondern zwei Mal
Subventionen abzufassen, mit dem Kalkül dabei ein
Werk stillzulegen. Wir nennen das Fördermittelbetrug!
Aryzta: Der
ganz „normale" kapitalistische Wahnsinn
Die Kolleginnen und
Kollegen der Aryzta-Betriebe erleben nicht erst seit
der Fricopan-Schließung die Grausamkeit und
Unmenschlichkeit des Kapitalismus. Eine Kollegin der
Klemme AG berichtet „Arbeit Zukunft" von
Niedriglöhnen, körperlich belastender und
gesundheitsschädlicher Fließbandarbeit, bei hoher
Bandgeschwindigkeit, von zu kurzen Pausenzeiten und
von rüde gebrüllten Kommandos der Vorarbeiter. Nach
ein paar Jahren sind die meisten körperlich am Ende.
Fällt ein Kollege bei der harten Arbeit in Ohnmacht,
wird er schon mal an den Füßen aus der
Produktionshalle geschleift. Aryzta ist mit 53
Produktionsstandorten weltweit vertreten und die
Berichte der Kollegen gleichen sich überall. Ein
US-amerikanischer Arbeiter eines Aryztabetriebs
beispielsweise klagt auf einer Internetplattform über
den niedrigen Lohn und schreibt: „Sie behandeln dich
wie eine Maschine, doch sogar ihre Maschinen brechen
zusammen und brauchen eine Pause". Die Arbeiter
werden in diesem System doppelt und dreifach
ausgebeutet. Zuerst stiehlt man ihnen die Gesundheit,
die Zeit und den Lohn. Von ihren Steuergeldern wird
dem Kapital durch einen korrupten Staat großzügig
Geld geschenkt, was es dann zum Abbau von
Arbeitsplätzen verwenden kann!
Provokationen der Konzernleitung
Doch die Kollegen
wollen die Schließung nicht kampflos hinnehmen. Kurz
nach der Bekanntgabe Mitte Mai versammelten sie sich
zu einem Protestmarsch vor das Werkstor. Der
Betriebsrat begann indes mit den gesetzlich
vorgeschriebenen Verhandlungen über einen
„Sozialplan" und einen „Interessensausgleich", bei
denen die Geschäftsleitung mit einer Provokation nach
der anderen agierte. Den zum medialen Sprachrohr der
Fricopan-Kollegen avancierten ehemaligen Betriebsrat
Andreas Höppner – mittlerweile Mitglied des Landtages
für die Linkspartei – schloss die Konzernleitung von
vornherein von diesen Verhandlungen aus. Obwohl er
von der NGG mit der Betreuung des Betriebes
beauftragt wurde, erhielt er sogar kurz darauf auf
dem Werksgelände Hausverbot. Dies stellt eine
unverschämte Verletzung der bereits stark
eingeschränkten Rechte der Gewerkschaft dar. Am 20.
Juni begleiteten über hundert Arbeiter vor den
Werkstoren die Verhandlungen mit einem Pfeifkonzert.
Unterstützung bekamen sie von IG-Metall-Kollegen aus
Wolfsburg. Trotzdem wischte die Geschäftsführung die
äußerst zurückhaltende Forderung des Betriebsrates
nach Gründung einer Transfergesellschaft barsch vom
Tisch. Auch die Verhandlung über den
„Interessensausgleich" wurden beendet, noch bevor
über die Höhe der Abfindungen gesprochen wurde. Die
Ankündigung einer „Anwesenheitsprämie" wurde
zurückgezogen und mit einer sowieso unerreichbaren
„Erfolgsprämie" ersetzt. Nachdem der Konzern die
Verhandlungen für gescheitert erklärt hat, soll nun
eine Einigungsstelle angerufen werden.
Den
Widerstand gegen die Werksschließung entwickeln!
Diese Provokationen
der Konzernleitung machen deutlich, dass sie nicht
einmal bereit dazu ist, die sonst üblichen Brotkrumen
an die Beschäftigten zu verteilen, um sie vom
Widerstand gegen die Schließung abzuhalten. Auf gar
keinen Fall dürfen sich die Kolleginnen und Kollegen
von den Versprechungen der verschiedenen
Lokalpolitiker wie Wirtschaftsminister Jörg Felgner
(SPD), der Illusionen in die Gründung einer
Transfergesellschaft schürt, einlullen lassen.
Genauso wenig sollten sie vagen Hoffnungen auf einen
plötzlich auftauchenden Investor auf den Leim gehen.
Nur wenn man selbst aktiv wird, kann man den Konzern
zum Einlenken zwingen!
Der Betriebsrat und
die Gewerkschaft (NGG) stehen in der Pflicht, die
Kampfbereitschaft der Fricopaner aufzugreifen und
auch mit Streiks die Werkschließung abzuwenden, oder
zumindest hohe Abfindungen zu erkämpfen. Es stimmt
und ist empörend, dass in Deutschland Streiks gegen
Werkschließungen verboten sind und der Betriebsrat in
diesem Fall auch formell wenig Handlungsspielraum
hat. Doch selbst wenn man sich diesem Legalismus
verpflichtet fühlt, existiert die Möglichkeit der
Gewerkschaft durch Forderung eines
Sozialtarifvertrages (also einem Tarifvertrag mit
Sozialplancharakter) einen legalen Streik zu
ermöglichen. In der Vergangenheit konnten dadurch
mehrfach Werkschließungen zumindest zeitweilig
verhindert werden (z.B. Norgren 2007 und 2009) und
hohe Abfindungen erkämpft werden (z.B. 2005 bei
Infineon). Auch der Betriebsrat alleine kann durch
kreative Maßnahmen, wie sich über Tage oder Wochen
hinziehende Betriebsversammlungen, die Kolleginnen
und Kollegen mobilisieren und Druck aufbauen.
Quelle:
http://www.arbeit-zukunft.de/index.php?itemid=2642
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