Der Hamburger G20-Gipfel und die Riots

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7/2017

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In der Reihenfolge der Zusendung

G 20 - Treffen der menschenfeindlichen Despoten
Die Schlacht von Hamburg

von Siegfried Buttenmüller

Das Treffen der sogenannten G20 in Hamburg ist vorbei, extreme Despoten wie Erdogan, Putin, Xi, Trump und wie sie alle heißen sind in ihren Luxusmaschinen auf dem Heimweg. Deutsche Politiker haben ihnen die blutigen Hände geschüttelt und ihnen auf die Schultern geklopft und gleichzeitig versucht, Proteste gegen Sie und die von ihnen verursachten Zustände zu unterdrücken. Der unbeugsame Protest und Widerstand führte zur Schlacht von Hamburg.

Um eine Schlacht analysieren zu können, schaut man sich am besten zuerst das Schlachtfeld und die Ausgangslage an. Es war eine Schlacht nicht nur in Hamburgs Stadtteilen, sondern vor allem auch in den sozialen Netzwerken. Eine Schlacht der Bilder und Nachrichten um die Realität zu zeigen oder diese zu verfälschen. Es war eine Schlacht die sich die herrschenden Klassen dieser Welt mit ihren Kritikern lieferten.

Der Ort dieses Schlachtfeldes zeigt, dass sich die Klassenauseinandersetzungen zu Ungunsten der herrschenden Klassen entwickeln. Es genügt für sie nicht mehr mit diversen Methoden nur Zeitungsredaktionen und Parteiführungen auf ihre Seite zu zwingen. Sie müssen um einzelne Köpfe kämpfen und sich der Schlacht in den sozialen Netzwerken stellen. Dieses Hauptschlachtfeld macht die vormaligen Schlachtfelder wie Parteien oder Medien zum Nebenkriegsschauplatz und beeinflusst den Schlachtverlauf auch dort wesentlich, sofern diese Nebenkriegsschauplätze überhaupt noch von Bedeutung sind.

Diese Verlagerung des Schlachtfeldes nach unten in der Gesellschaft bedeutet, dass die herrschenden Klassen auf dem Rückzug sind und die Klassengesellschaft an sich in Frage gestellt ist.

Außer dem Ort der Schlacht sind natürlich die Teilnehmer und ihre Mittel und Methoden wichtig für eine Analyse des Verlaufs und des Ergebnisses dieser Schlacht.

Die Welt brennt, Wirtschaftskrisen, Kriege und Kriegsgefahren, Umweltzerstörungen, Verelendung ganzer Regionen, diktatorische Unterdrückung, und im Gefolge Massenfluchtbewegungen kennzeichnen die tiefe Krise in der das kapitalistische Wirtschaftssystem und seine Klassengesellschaft sind.

Die Führer dieser Welt, wie sie auf dem G20 Gipfel vertreten waren, haben diese prekäre Lage der Gesellschaft verursacht und denken nicht daran, etwas zu ändern. In unglaublichem Luxus und totaler Abgehobenheit von der Realität haben sie ihren „Gipfel" durchgeführt. Es ging darum der Weltbevölkerung zu suggerieren, dass alles unter Kontrolle sei und diese menschenverachtenden Despoten die tiefgreifenden Probleme angehen würden.

Die Herrschenden und ihr System sind jedoch herausgefordert von Millionen Menschen, die ihnen nicht mehr glauben, protestieren, Widerstand organisieren und „radikale" Veränderungen der Gesellschaft anstreben. Gerade in Hamburg war daher bereits im letzten Jahr die aufwendig vorangetriebene Olympiabewerbung durch eine Volksabstimmung gestoppt worden. Dies war eine schallende Ohrfeige für die herrschenden Klassen in Hamburg samt seines Senates. Sie waren gewarnt und wollen aber trotzdem nicht darauf verzichten, mit Protz, Pomp und Dekadenz den untergehenden Sonnenkönigen des kapitalistischen Systems ein Forum zu bieten und diese zu stärken. Eine Armee von über 20.000 Polizisten und Geheimdienstlern wurde zu dieser Schlacht nach Hamburg beordert. Allein der Polizeieinsatz hat 170 Millionen gekostet und der ganze Gipfel für diese Despoten soll um die 300 Millionen gekostet haben. Die Polizei ist hochbezahlt und hochgerüstet mit teuren Rüstungen, Helmen, verschiedenen Wasserwerfern, Pistolen, Reizgaspistolen, Schilden, Helmen, Elektronik, Räumpanzern, riesigen Gefängnissen, unzähligen Fahrzeugen inklusive Flugzeugen, Satelliten, Schiffen, U-Booten und weiterer Ausrüstung. Und natürlich auch mit einer großen Zahl verdeckt operierender Einheiten, die unter falscher Flagge den Widerstand diskreditieren oder auch spalten sollen.

Diese Ausrüstung und diese bezahlte Armee zeigt schon allein die Gesinnung dieser Freunde der G20 Despoten, Demokratie sieht ganz anders aus.

Materiell waren die Widerständler natürlich stark unterlegen. Jeder der protestierte kam freiwillig und auf eigene Kosten und mit eigenen Mitteln zu diesem Gipfel der Despoten. Fahrkarten mit Bahn und Bus, Zelte für die Übernachtung, Verpflegung, Flugblätter oder kleine PC für die Schlacht im Netz mussten selbst bezahlt werden und mutwillige Beschädigungen durch die Polizei werden nicht ersetzt. Dafür ist der Widerstand jedoch breit und vernetzt, Millionen bilden sich ihr eigenes Urteil und ihre eigene Meinung zu dem Geschehen in Hamburg. Und das ist sehr gefährlich für die herrschenden Klassen, denn nur zu leicht können sich Massenproteste überall entwickeln. Die herrschenden Klassen sitzen mittlerweile auf einem riesigen Pulverfass und können das kaum noch ignorieren, auch wenn sie es mit all dem unnötigen Luxus versuchen. Das Schlachtfeld hat sich bereits bis in ihren Keller vorgeschoben.

Betrachtet man die Schlacht nun ohne Berücksichtigung der Umstände, Kollateralschäden, der eingesetzten Mittel und der gesamten Lage in diesem Krieg der Klassen, kann man sagen, das beide Seiten Erfolge verbuchen konnten. Am Samstag gab es eine sehr gute Massendemonstration die etwa 100.000 Menschen umfasste. Daneben vielfältige Veranstaltungen und Aktionen. Die Einschränkung der Demokratie und das brutale Vorgehen der Polizei nebst der Kumpanei mit Despoten ruft weiteren Protest und Widerstand hervor. Die riesige Polizeiarmee nutzt sich ab durch viele Unfälle, gegenseitigen Beschuss, Verschlechterung der Moral bis hin zu Alkoholexzessen. Es kommt zu Befehlsverweigerungen in diesem unsinnigen Krieg der Herrschenden und ihrer Diktatur. Selbst eine große Hamburger Polizeigewerkschaft, der Bund der Kriminalbeamten, kritisiert die Politik scharf für diesen Gipfel und wehrt sich gegen die Instrumentalisierung der Polizei für politische Zwecke. Die Kriminalbeamten dürfen bei Straftaten nicht ermitteln, weil es nicht um Recht und Gesetz geht, sondern darum demokratische Rechte zu beschneiden, in Misskredit zu bringen und zu unterdrücken.

Auch die Gegenseite hat aus ihrer Sicht Erfolge. Es ist ihr teilweise gelungen die Proteste zu spalten, mit Operationen unter falscher Flagge zu beeinflussen, zu unterdrücken und eine Gegenoffensive in den Netzwerken zu initiieren, die „Solidarität" mit den Despoten, den „armen" Polizisten, die von den eigenen Wasserwerfern und Geschossen ihrer Kollegen getroffen werden, verheizt werden oder in dem Chaos die unvermeidlichen Unfälle erleiden, zu propagieren. Die Diktatur und die Reaktion stellt sich auch im Netz den aufbegehrenden und unterdrückten Massen entgegen. So versuchen die Freunde der Despoten von ihrer Verantwortung für das Chaos abzulenken. Zudem greift man die Demonstranten auch rein körperlich an, versucht sie zu verletzen, auszuschalten, kampfunfähig zu machen und ihr Eigentum und damit ihre Existenz zu zerstören. Sogar die Anwälte der Demonstranten werden auch gezielt körperlich angegriffen und schwer verletzt. Ebenso die Presse die unabhängig berichten möchte. Selbstverwaltete Zentren werden von der Polizei auch mit kriegsähnlichen Methoden angegriffen und besetzt. Diktatur wie sie in den meisten Ländern der hofierten Gipfelteilnehmer längst üblich ist und immer schlimmer wird.

Eine neue Generation von Helden tritt auf den Plan, denn es erfordert bereits Mut der Diktatur zu trotzen. Eine Akrobatin springt auf einen Wasserwerfer der wehrlose und friedliche Demonstranten angreift und sie körperlich schädigen soll. Sehr lange kann sie das Polizeifahrzeug aufhalten und die Besatzung weigert sich loszufahren oder weiter Wasser zu spritzen und damit das Leben der Heldin zu gefährden. Sie ist zu mutig, zu stark, zu flink, zu leicht, denkt schnell, und für den Polizeiapparat sowie ihre schwere Rüstung, und vor allem hat sie gute Moral und das Herz auf dem richtigen Fleck, weicht dem Unrecht, der Gewalt und der Unterdrückung nicht. Solche Heldinnen haben den Herrschenden bereits beim Kampf gegen das Atomkraft Wyhl und an anderen Orten schwere Niederlagen beigebracht.

Sieht man nur diese Schlacht, so ist es vielleicht unentschieden, beide Seiten haben Erfolge aus ihrer Sicht. Aber die Erfolge der verantwortlichen Freunde der Despoten sind Pyrrhussiege, es kostet sie viel mehr als ihnen das nützt. Es kostet sie zu viel Geld ihre Kumpanei mit Despoten im Luxus zu zelebrieren. Es kostet sie zu viel Ansehen die Demokratie zu beseitigen und mit Gewalt vorzugehen. Es kostet ihnen ihre "demokratischen" Masken und Kostüme, die ihnen doch so wertvoll sind. Es kostet sie ihre Polizeiarmee, die nun angeschlagen ist.

Der demokratische Widerstand muss diese Schlacht auswerten, erkennen und sich merken, wie die nächste Schlacht und der ganze Krieg zu führen und zu gewinnen ist.

Wir brauchen weniger Spaltung und mehr Einheit der Kräfte. Gemeinsam hat Hamburg sicher genügend Potential und genügend Kraft, auch 500.000 Menschen zu mobilisieren. Man hätte auch Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften einladen können, gemeinsam einen Beitrag zu leisten und zu mobilisieren. Es hätte ein totales Desaster für die G20 Despoten werden können und ein Signal und Leuchtfeuer in Richtung Zukunft hätte in die ganze Welt hinaus gesendet werden können. Wir brauchen mehr Breite, mehr Vernetzung, mehr Koordination des Widerstandes, mehr Einheitsfront, mehr Strategie.

Wir haben gerade erst angefangen unsere Stärke und unseren Weg zu erkennen, der dieses Wirtschaftssystem und seine Gesellschaft verändern wird. Niemand wird die Geschichte aufhalten können, sie nimmt so oder so ihren Lauf.

9.7.2017

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Zu den "G-20 -  Protesten"

von Anton Holberg
 

1.
Ob die vielfältigen friedliche Proteste gegen das Treffen der Herrn  dieser Welt etwas, und wenn was, gebracht haben, ist noch unklar. Das G2-Treffen konnten sie natürlich nicht verhindern, und das war auch weder nötig noch ihr Ziel. Ob ihre Kritik an einzelnen Punkten oder am Ganzen der imperialistische kapitalistischen Weltordnung, um deren  weitere möglichst reibungslose Organisierung es beim Gipfel ging, bisher noch nicht darum Wissende oder sich nicht davon bedroht Fühlende erreicht und zumindest stückweise überzeugt hat, wird sich erst in weiterer Zukunft zeigen.

2.
Erfolgreich hingegen war zweifellos der gewaltsame „Protest“ des  sogenannten „Schwarzen Blocks“. Dessen „Propaganda der Tat“ hat den Zweck der „Propaganda“ voll erfüllt - - - , der Propaganda für den herrschenden Klassenfeind nämlich. Auf eine – mögliche – Einschränkung  werde ich noch zurückkommen.

3.
Die Kritik an „Strategie und Taktik“ dieser Kräfte darf nicht mit einer grundsätzlichen Ablehnung von Militanz und Gewalt verwechselt werden. Spätestens seit der Entwicklung der Klassengesellschaften und damit des  Staates ist die Gewalt ein unverzichtbarer Faktor der  geschichtlichen Entwicklung (und selbst unsere „Angie“ kann nicht  leugnen, dass sie das nicht nur weiß, sondern auch billigt, wenn sie beispielsweise das Ergebnis des Kiewer „Maidan“ oder den Kampf der „gemäßigten Rebellen“ in Syrien und natürlich auch die Bombardierung von  Rakkah und Mossul unterstützt). Aber Militanz und Gewalt sind kein Selbstzweck, wenn sie denn politische Mittel sein wollen. Stets muss gefragt werden: Nützt es dem Ziel? Besteht ein Kräfteverhältnis, das einen Sieg denkbar macht? Sind Ort und Zeitpunkt richtig gewählt? Im Zusammenhang mit der jüngsten Randale in Hamburg ist und war es von  Anbeginn an unverkennbar, dass all diese Fragen mit einem eindeutigen “Nein“ zu beantworten sind. Weder gab es irgendwelche Aussichten, den G20-Gipfel zu verunmöglichen (wenn das denn überhaupt ein sinnvolles, weil irgendwas am Zustand der Welt änderndes Ziel gewesen wäre), noch besteht in relevanten Teilen der werktätigen Bevölkerung eine Stimmung,  die Verständnis für die mit einem solchen Versuch notwendigerweise einhergehenden Maßnahmen und Zerstörungen mit sich bringen könnte.

4.
Es fragt sich also, wer jene sind, die all das als Ergebnis jahrtausenderaller politischer Erfahrungen ignoriert haben. Man kann wohl  davon ausgehen, dass sich das kleine „Heer“ der randalierenden Streetfighters aus mehreren Fraktionen zusammensetzt:

a) gutmeinende  Spätpubertäre mit infantilistischem  Politikverständnis; Super-Rrrrrevolutionäre, die glauben, einfach das Gegenteil von dem zu tun, was der Klassenfeind vermeintlich möchte, mache sie schon zu Revolutionären. Einer, der nachweisbar von Revolution mehr verstand als wir alle, war Leo Trotzki, und er sagte in diesem Zusammenhang, dass die Arbeiter meistens ein Minuszeichen dort machen, wo die Bourgeoisie ein Pluszeichen macht, dass aber die Idee, ganz einfach automatisch immer so vorzugehen, bedeute, den wildesten Sektierer zum Revolutionär zu erklären. Diese Leute machen aber sichtlich gar keine Politik. Die nicht zu ihnen gehörenden Mitmenschen interessieren sie nicht. Was sie interessiert, ist ihre eigene Identität;

b) Agents  Provocateurs der Herrschenden (was erfahrungsgemäß wahrscheinlich, aber zunächst einmal in diesem Fall noch nicht bewiesen ist);

c) Abschaum, der die Situation nutzt, im Schutze des allgemeinem Durcheinanders seinen kriminellen Raubzügen und Gelüsten nachzugehen. Bei ihnen handelt es sich schließlich keineswegs um am Existenzminimum lebende  Slumbewohner, die Supermärkte plündern, um sich endlich einmal satt essen zu können, sondern eben um asoziale Feinde der arbeitenden Bevölkerung – die Stadtviertel der Reichen sind ihnen eh zu weit entfernt.

5.
Um zu den im Punkt 2 angesprochenen möglichen Einschränkungen zurückzukommen: Es ist denkbar, dass Teile der unmittelbar vom Riot betroffenen Bevölkerung sich fragen werden, warum denn der Staat durch seine Polizei alles daran setzt,die Teilnehmer des Gipfels rundum zuschützen, aber nicht in der Lage – oder Willens? – ist, ihr Hab und  Gut und gegebenenfalls physische und psychische Unversehrtheit zu schützen. Eine solche Frage wäre dann schon ein Schritt zum Aufbruch der herrschenden Ideologie vom Staat als eine klassenneutrale Einrichtung. Dieser für weitere positiv gesellschaftliche Entwicklungen  unverzichtbare ideologische Klärungsprozess ist natürlich keineswegs der intendierte Zweck der Randale gewesen. Genau so gut möglich ist es aber, dass „die“ Bevölkerung – insbesondere auch deren weit vom Ort des Geschehens entfernt lebende und von den bürgerlichen Medien informierte Mehrheit zu einem ganz anderen Schluss kommt, nämlich dem, dass sie sich  z.B. fragen, weshalb Polizeieinheiten mit Maschinenpistolen anwesend waren, und den Umtrieben von Vermummten, die Pflastersteine aus Fenstern warfen oder kleine PKW anzündeten, nicht einfach durch 1, 2 gezielte Schüsse ein Ende bereitet haben. Dann könnte der„Schwarze Block“ mit etwa mehr Recht von den “faschistischen Bullenschweinen“ reden – was für ein  Erfolg!!!!

11.7.2017