Stichwort Enteignung
Vom alliierten Kontrollratsgesetz zur "sozialistischen Nationalisierung"

Definitorisches aus der DDR zusammengetragen von Karl-Heinz Schubert

07/2019

trend
onlinezeitung

„... die Expropriation allein, als juristischer oder politischer Akt, entscheidet bei weitem nicht die Sache, denn es ist notwendig, die Gutsbesitzer und Kapitalisten tatsächlich abzusetzen und sie tatsächlich durch eine andere, von Arbeitern ausgeübte Verwaltung der Fabriken und Güter zu ersetzen."
Lenin
, in: LW, Bd. 28, S. 251

Als der umtriebige Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert sich unlängst positiv über die Forderung nach Enteignung von Wohnraum anläßlich der "Deutsche Wohnen Enteignungskampagne" äußerte und dabei im Überschwang selbstrefenzientieller Zwecke auch Sympathie für eine Enteignung anderer Konzerne zeigte, brach aus den bürgerlichen Medien ein Shitsstorm über ihn herein, wodurch er sich genötigt sah, jeden Vergleich mit dem DDR-Sozialismus weit von sich zu weisen.

Im Arbeitskreis "Kapitalismus aufheben" (AKKA), der schon seit längerem zur Wohnungspolitik arbeitet,  sahen wir uns daraufhin veranlasst, dem sozialistischem Enteigungsbegriff - wie er in der DDR verstanden wurde - nachzuspüren. Dabei entstand nachstehende "Tischvorlage.

 
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Auf der Grundlage der nachfolgenden verfassungsrechtlichen Grundsätze erfolgte in der SBZ/DDR die "Enteignung" von Privateigentum.

Kontrollratsgesetz Nr. 10 (Auszug)
Bestrafung von Personen, die sich Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen den Frieden oder gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht haben.
vom 20. Dezember 1945 - in Kraft getreten am 24. Dezember 1945

Artikel III. 1. Die Besatzungsbehörden sind berechtigt, innerhalb ihrer Besatzungszonen die folgenden Maßnahmen zu treffen:

a) Wer sich innerhalb der Zone befindet und der Begehung eines Verbrechens verdächtig ist, einschließlich derjenigen Personen, die eines Verbrechens seitens einer der Vereinigten Nationen beschuldigt werden, kann verhaftet werden; das in seinem Eigentum stehende oder seiner Verfügungsmacht unterliegende bewegliche und unbewegliche Vermögen soll unter Aufsicht gestellt bis darüber endgültig verfügt wird.

b) Dem Justizdirektorium sollen die Namen aller Personen, die eines Verbrechens verdächtig sind, die Gründe und der Ort der Inhaftnahme, sowie die Namen und Aufenthaltsorte der Zeugen mitgeteilt werden.

c) Geeignete Maßnahmen sollen getroffen werden, damit Zeugen und Beweismittel im Bedarfsfalle verfügbar sind.

d) Die Besatzungsbehörden sind berechtigt, die in Halt genommenen und unter Anklage gestellten Personen zur Verhandlung vor ein dafür geeignetes Gericht zu bringen, soweit nicht ihre Auslieferung an eine andere Behörde nach Maßgabe dieses Gesetzes oder ihre Freilassung erfolgt ist. Für die Aburteilung von Verbrechen, die deutsche Staatsbürger oder Staatsangehörige gegen andere deutsche 5laatsbürger oder Staatsangehörige oder gegen Staatenlose begangen haben, können die Besatzungsbehörden deutsche Gerichte für zuständig erklären.

Für die DDR außer Wirkung gesetzt durch Beschluß des Ministerrats der UdSSR über die Auflösung der Hohen Kommission der Sowjetunion in Deutschland vom 20. September 1955

Quelle: http://www.verfassungen.de/de45-49/kr-gesetz10.htm

Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik
vom 7. Oktober 1949 - aufgehoben durch Verfassung der DDR vom 6. April 1968

Art. 22. Das Eigentum wird von der Verfassung gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen und den sozialen Pflichten gegenüber der Gemeinschaft.

Das Erbrecht wird nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts gewährleistet. Der Anteil des Staates am Erbe wird durch Gesetz bestimmt.

Die geistige Arbeit, das Recht der Urheber, der Erfinder und der Künstler genießen den Schutz, die Förderung und die Fürsorge der Republik.

Art. 23. Beschränkungen des Eigentums und Enteignungen können nur zum Wohle der Allgemeinheit und auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden. Sie erfolgen gegen angemessene Entschädigung, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt. Wegen der Höhe der Entschädigung ist im Streitfall der Rechtsweg bei den ordentlichen Gerichten offenzuhalten, soweit ein Gesetz nichts anderes bestimmt.

Art. 24. Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch darf dem Gemeinwohl nicht zuwiderlaufen.

Der Mißbrauch des Eigentums durch Begründung wirtschaftlicher Machtstellung zum Schaden des Gemeinwohls hat die entschädigungslose Enteignung und Überführung in das Eigentum des Volkes zur Folge.

Die Betriebe der Kriegsverbrecher und aktiven Nationalsozialisten sind enteignet und gehen in Volkseigentum über. Das gleiche gilt für private Unternehmungen, die sich in den Dienst einer Kriegspolitik stellen.

Alle privaten Monopolorganisationen, wie Kartelle, Syndikate, Konzerne, Trusts und ähnliche auf Gewinnsteigerung durch Produktions-, Preis- und Absatzregelung gerichtete private Organisationen sind aufgehoben und verboten.

Der private Großgrundbesitz, der mehr als 100 ha umfaßt, ist aufgelöst und wird ohne Entschädigung aufgeteilt. Nach Durchführung dieser Bodenreform wird den Bauern das Privateigentum an ihrem Boden gewährleistet.

Art. 25. Alle Bodenschätze, alle wirtschaftlich nutzbaren Naturkräfte sowie die zu ihrer Nutzbarmachung bestimmten Betriebe des Bergbaues, der Eisen- und Stahlerzeugung und der Energiewirtschaft sind in Volkseigentum zu überführen.

Bis dahin untersteht ihre Nutzung der Aufsicht der Länder und, soweit gesamtdeutsche Interessen in Frage kommen, der Aufsicht der Republik.

Art. 26. Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird überwacht und jeder Mißbrauch verhütet. Die Wertsteigerung des Bodens, die ohne Arbeits- und Kapitalaufwendung für das Grundstück entsteht, ist für die Gesamtheit nutzbar zu machen. Jedem Bürger und jeder Familie ist eine gesunde und ihren Bedürfnissen entsprechende Wohnung zu sichern. Opfer des Faschismus, Schwer-Körperbehinderte, Kriegsgeschädigte und Umsiedler sind dabei bevorzugt zu berücksichtigen.

Die Erhaltung und Förderung der Ertragssicherheit wird auch durch Landschaftsgestaltung und Landschaftspflege gewährleistet.

Art. 27. Private wirtschaftliche Unternehmungen, die für die Vergesellschaftung geeignet sind, können durch Gesetz nach den für die Enteignung geltenden Bestimmungen in Gemeineigentum überführt werden.

Auf Grund eines Gesetzes kann der Republik, den Ländern, den Kreisen oder Gemeinden durch Beteiligung an der Verwaltung oder in anderer Weise ein bestimmender Einfluß auf Unternehmungen oder Verbände gesichert werden.

Durch Gesetz können wirtschaftliche Unternehmungen und Verbände auf der Grundlage der Selbstverwaltung zusammengeschlossen werden, um die Mitwirkung aller schaffender Volksteile zu sichern, Arbeiter und Unternehmer an der Verwaltung zu beteiligen und Erzeugung, Herstellung, Verteilung, Verwendung, Preisgestaltung sowie Ein- und Ausfuhr der Wirtschaftsgüter nach gemeinwirtschaftlichen Grundsätzen zu regeln.

Die Konsum-, Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften sowie die landwirtschaftlichen Genossenschaften und deren Vereinigungen sind unter Berücksichtigung ihrer Verfassung und Eigenart in die Gemeinwirtschaft einzugliedern.

Quelle: http://www.verfassungen.de/ddr/verf49.htm

Infolge der Herausbildung des "realexistierenden Sozialismus", mit dessen Aufbau laut Beschluss der II. Parteikonferenz der SED 1952 begonnen worden war, musste schließlich 1974 die Verfassung entsprechend den neuen ökonomischen Verhältnissen angepasst werden. Trotzdem hatte das bürgerliche Gesetzbuch des Deutschen Reiches von 1900 weiterhin zivilrechtlich wirksame Bedeutung. Die zivilrechtliche Anpassung an die neue Verfassung erfolgte erst 1976 nach einer entsprechenden Verfassungsänderung im Jahre 1974. In dem neu geschaffenen "Zivilgesetzbuch" der DDR wurde der Eigentumsbegriff entsprechend den veränderten ökonomischen und politischen Verhältnissen novelliert, indem zwischen persönlichem Eigentum (§§ 22 ff.) und sozialistischem Eigentum (§§ 17 ff.) unterschieden wurde.

Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik
vom 9. April 1968 -  geändert durch Gesetz vom 7. Oktober 1974 (GBl. I S. 425)

Artikel 11 (1) Das persönliche Eigentum der Bürger und das Erbrecht sind gewährleistet.
Das persönliche Eigentum dient der Befriedigung der materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Bürger.

(2) Die Rechte von Urhebern und Erfindern genießen den Schutz des sozialistischen Staates.

(3) Der Gebrauch des Eigentums sowie von Urheber- und Erfinderrechten darf den Interessen der Gesellschaft nicht zuwiderlaufen.

Artikel 12 (1) Die Bodenschätze, die Bergwerke, Kraftwerke, Talsperren und großen Gewässer, die Naturreichtümer des Festlandsockels, größere Industriebetriebe, Banken und Versicherungseinrichtungen, die volkseigenen Güter, die Verkehrswege, die Transportmittel der Eisenbahn, der Seeschiffahrt sowie der Luftfahrt, die Post- und Fernmeldeanlagen sind Volkseigentum. Privateigentum daran ist unzulässig.

(2) Der sozialistische Staat gewährleistet die Nutzung des Volkseigentums mit dem Ziel des höchsten Ergebnisses für die Gesellschaft. Dem dienen die sozialistische Planwirtschaft und das sozialistische Wirtschaftsrecht. Die Nutzung und Bewirtschaftung des Volkseigentums erfolgt grundsätzlich durch die volkseigenen Betriebe und staatlichen Einrichtungen. Seine Nutzung und Bewirtschaftung kann der Staat durch Verträge genossenschaftlichen oder gesellschaftlichen Organisationen und Vereinigungen übertragen. Eine solche Übertragung hat den Interessen der Allgemeinheit und der Mehrung des gesellschaftlichen Reichtums zu dienen.

Durch § 11 des Gesetzes vom 7. Oktober 1974 wurde in Artikel 12 Absatz 1 das Wort "größere" gestrichen.

Artikel 13 Die Geräte, Maschinen, Anlagen, Bauten der landwirtschaftlichen; handwerklichen und sonstigen sozialistischen Genossenschaften sowie die Tierbestände der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften und das aus genossenschaftlicher Nutzung des Bodens sowie genossenschaftlicher Produktionsmittel erzielte Ergebnis sind genossenschaftliches Eigentum.

Artikel 14 (1) Die Nutzung und der Betrieb privater Wirtschaftsunternehmen und -einrichtungen zu Erwerbszwecken müssen gesellschaftliche Bedürfnisse befriedigen, der Erhöhung des Volkswohlstandes und der Mehrung des gesellschaftlichen Reichtums dienen.

(2) Das enge Zusammenwirken von sozialistischen mit privaten Wirtschaftsunternehmen und -einrichtungen wird vom Staat gefördert. In Übereinstimmung mit den gesellschaftlichen Erfordernissen können private Betriebe auf Antrag staatliche Beteiligung aufnehmen.

(3) Privatwirtschaftliche Vereinigungen zur Begründung wirtschaftlicher Macht sind nicht gestattet.

Durch § 12 des Gesetzes vom 7. Oktober 1974 erhielt der Artikel 14 folgende Fassung:
"Artikel 14. (1) Privatwirtschaftliche Vereinigungen zur Begründung wirtschaftlicher Macht sind nicht gestattet.
(2) Die auf überwiegend persönlicher Arbeit beruhenden kleinen Handwerks und anderen Gewerbebetriebe sind auf gesetzlicher Grundlage tätig. In der Wahrnehmung ihrer Verantwortung für die sozialistische Gesellschaft werden sie vom Staat gefördert."

Artikel 15 (1) Der Boden der Deutschen Demokratischen Republik gehört zu ihren kostbarsten Naturreichtümern. Er muß geschützt und rationell genutzt werden. Land- und forstwirtschaftlich genutzter Boden darf nur mit Zustimmung der verantwortlichen staatlichen Organe seiner Zweckbestimmung entzogen werden.

(2) Im Interesse des Wohlergehens der Bürger sorgen Staat und Gesellschaft für den Schutz der Natur. Die Reinhaltung der Gewässer und der Luft sowie der Schutz der Pflanzen- und Tierwelt und der landschaftlichen Schönheiten der Heimat sind durch die zuständigen Organe zu gewährleisten und sind darüber hinaus auch Sache jedes Bürgers.

Artikel 16 Enteignungen sind nur für gemeinnützige Zwecke auf gesetzlicher Grundlage und gegen angemessene Entschädigung zulässig. Sie dürfen nur erfolgen, wenn auf andere Weise der angestrebte gemeinnützige Zweck nicht erreicht werden kann.

Quelle: http://www.verfassungen.de/ddr/verf68.htm

Die ökonomischen Veränderungen in der DDR, die sich in dieser Weise verfassungsrechtlich widerspiegelten, hatten ihr Vorbild in den ökonomischen Umwälzungen in Folge der Oktoberrevolution. Sie wurden unter dem ideologischen Begriff "Sozialistische Nationalisierung" zusammengefasst:

Die sozialistische Nationalisierung ist revolutionäre Beschlagnahme des Eigentums der Ausbeuterklassen durch die proletarische Macht und seine Verwandlung in staatliches, sozialistisches Eigentum — in Volkseigentum. Die sozialistische Nationalisierung führt zur Beseitigung des Grundwiderspruchs des Kapitalismus — des Widerspruchs zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privatkapitalistischen Form der Aneignung.

Entscheidende Bedeutung für den sozialistischen Aufbau hat die Natio­nalisierung der Großindustrie, des führenden Zweiges in der Volkswirt­schaft. Gleichzeitig erfolgt die Nationalisierung der Banken, der Eisen­bahnen, der Handelsflotte, des Post- und Fernmeldewesens, der großen Unternehmen im Binnenhandel sowie die Nationalisierung des Außenhan­dels. Durch die Nationalisierung der Banken verliert die Bourgeoisie eines der wichtigsten Mittel ihrer ökonomischen Herrschaft und gewinnt der proletarische Staat einen zentralisierten und weitverzweigten Wirtschaftsapparat, der nach seiner revolutionären Umgestaltung für den Aufbau des Sozialis­mus ausgenutzt wird. Die Nationalisierung des Außenhandels ist eine not­wendige Bedingung, um die ökonomische Selbständigkeit und Unabhängig­keit des Landes, das den Sozialismus aufbaut, gegenüber der kapitalistischen Welt zu sichern.

Die sozialistische Nationalisierung entzieht erstens den Kapitalisten die Produktionsmittel und beseitigt dadurch die ökonomische Herrschaft der Bourgeoisie im Lande. Sie gibt zweitens der Diktatur des Proletariats die ökonomische Basis, indem sie die Kommandohöhen der Volkswirtschaft, das heißt die führenden Volkswirtschaftszweige, in die Hände der Werk­tätigen legt. In diesen Zweigen wird das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln als Grundlage der sozialistischen Produktionsverhältnisse geschaffen.

Quelle: Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Institut für Ökonomie: Politische Ökonomie Lehrbuch, Berlin 1955, S. 367f  / OCR-Scan TREND 2019

Vergesellschaftung, Enteigung und Entschädigung im DDR-Sozialismus

Im ökonomischen Lexikon der DDR von 1978 wurden diese Zusammenhänge folgendermaßen dargestellt:

Vergesellschaftung der Produktionsmittel — Überführung der Produktionsmittel aus Privateigentum in gesellschaftliches Eigentum; Grundvoraussetzung des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus und Hauptaufgabe der sozialistischen Revolution nach der Erringung der politischen Herrschaft der Arbeiterklasse. Die Formen und Methoden der V. können in den verschiedenen Ländern unterschiedlich sein. Sie sind bedingt durch die Art und Schärfe des Widerstands, mit dem sich die Bourgeoisie der V. widersetzt. In der UdSSR erfolgte die Vergesellschaftung der im Besitz der Monopole und kapitalistischen Großunternehmen befindlichen Produktionsmittel auf dem Wege der entschädigungslosen Enteignung über die sozialistische Nationalisierung der Großindustrie, des Verkehrswesens und der Banken sowie durch die Konfiskation des Bodens der Großgrundbesitzer seitens des sozialistischen Staates, während es die Bedingungen in den volksdemokratischen Ländern bereits zuließen, die V. nicht ausschl. auf dem Wege der entschädigungslosen Enteignung durchzuführen, sondern Formen für Übereinkunft mit Teilen der Bourgeoisie (staatliche Beteiligung u. a.) anzuwenden. In Zukunft werden mit der Entwicklung des sozialistschen Weltsystems solche Formen und Wege der V. noch vielgestaltiger und von größerer Bedeu-sein sein. Die Überführung der Produktionsmittel der einfachen Warenproduzenten in gesellschaftliches Eigentum erfolgt durch deren freiwilligen genossenschaftlichen Zusammenschluß. Durch diese beiden Wege entstehen zwei Formen des sozialistischen Eigentums: das gesellschaftliche VVolkseigentum und das genossenschaftliche Gemeineigentum werktätiger Kollektive. Eine vollständige V. schließt ein, daß die Werktätigen die Produktion beherrschen und ihrer Stellung als Eigentümer und Produzenten durch ihr Handeln gerecht werden. Darin sah Lenin die tatsächliche V. Durch die planmäßige Vervollkommnung der Eigentumsverhältnisse realisiert sich der Zusampenhang zwischen der sozialistischen Vergesellschaftung der Produktionsmittel und der sozialistischen  Vergesellschaftung der Produktion.

Quelle: Ökonomischer Lexikon Q-Z, Berlin 1978, S.432f / OCR-Scan TREND 2019

Enteignung, Expropriation — 1. revolutionäre Maß­nahme der Arbeiterklasse und ihrer Verbündeten zur ökonomischen Entmachtung der Ausbeuterklas­se durch entschädigungslosen Entzug des Eigen­tumsrechts an Produktionsmitteln. In der damaligen Sowjetischen Besatzungszone wurden die seque­strierten Betriebe der Kriegsverbrecher und Nazi­aktivisten 1946 auf der Grundlage des Volksent­scheides im Lande Sachsen entschädigungslos ent­eignet und in Volkseigentum überführt. Die demo­kratische Bodenreform brachte die entschädigungs­lose E. des gesamten Großgrundbesitzes über 100 ha Betriebsfläche, der weitgehend an landarme und landlose Bauern, Landarbeiter und Umsiedler übereignet wurde. Damit wurden dem Imperialis­mus in einem Teil Deutschlands die ökonomischen Machtmittel genommen und die Grundlage für eine antifaschistisch-demokratische Entwicklung ge­schaffen. Demgegenüber verhinderten die im­perialistischen Kräfte in Westdeutschland mit Hilfe der imperialistischen Besatzungsmächte die in westdeutschen Ländern und in Westberlin de­mokratisch beschlossene E. — 2. gegen Entschä­digung erfolgender Entzug des Eigentumsrechts in bezug auf bestimmte Sachen durch Entscheidung zuständiger staatlicher Organe, soweit dies und die Übernahme der betreffenden Gegenstände in Volkseigentum im gesellschaftlichen Interesse unumgänglich ist. Eine solche E. kann z.B. bei städtebaulichen Maßnahmen oder zur Sicherung der Verteidigungsfähigkeit notwendig werden.  3. Zusatzstrafe im Rahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Sie kann sich auf einzelne Gegenstände, den durch ihre Veräußerung erzielten Erlös oder — in be­grenztem Umfang — auf das gesamte Vermögen beziehen. Diese Form der E. wird als Einziehung bezeichnet.

Quelle: Ökonomischer Lexikon A-G, Berlin 1978, S.543f / OCR-Scan TREND 2019

Entschädigungsgesetz rechtliche Regelung, die bei Überführung von nichtvolkseigenen Grund­stücken in Volkseigentum einheitlich zur An­wendung gelangt. Das E. (GB1. I Nr. 26/1960) regelt in Verbindung mit seinen Durchführungs­bestimmungen insbes. den Kreis der Entschädi­gungsberechtigten (Grundstückseigentümer sowie Inhaber der in Anspruch genommenen Rechte), die Art und Höhe der Entschädigung (i. allg. Geld­entschädigung, unter bestimmten Voraussetzun­gen auch Naturalentschädigung), die Rechtswirkungen der Inanspruchnahme (Entstehen von Volkseigentum und Erlöschen der Belastungen), das Entschädigungsverfahren (Feststellungsbe­scheid) und das Auszahlungsverfahren (Begrün­dung einer Einzelschuldbuchforderung, über die jährlich in Höhe bis zu 3.000 M verfügt werden kann). — Das E. gut direkt für alle Fälle der Inanspruchnahme (Enteignung) nichtvolkseigener Grundstücke für gesellschaftlich notwendige Maß­nahmen des Städte- und Industriebaus, des Berg­baus, der Errichtung von Talsperren u. a. was­serwirtschaftlicher Objekte, der Bereitstellung für Zwecke der Landesverteidigung u. a. Seine Grund­sätze gelten entsprechend für den Grund­stückskaufvertrag, wenn der Erwerb durch den Investitionsträger für die genannten Zwecke auf rechtsgeschäftlichem Wege erfolgt. Die Regelun­gen des E. finden schließlich (durch erfolgte Übernahme der Grundsätze in diesbezügliche spezielle Rechtsvorschriften) auch bei Ausübung des staatlichen Vorerwerbsrechts Anwendung.

Quelle: ebenda, S.545