Kommentare zum Zeitgeschehen
Tönnies enteignen – statt Lebensmittelpreise anheben

Von Tim Losowski

07/2020

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Die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie sind sklavenähnlich, von Tierwohl kann sowieso keine Rede sein. Doch nun will die Landwirtschaftsministerin die Probleme damit lösen, dass Fleisch teurer wird. Also sollen wir VerbraucherInnen für die Verbrechen von Tönnies & Co. bezahlen. Aber wäre es nicht naheliegender und für viele einleuchtend, solchen Leuten die Grundversorgungsindustrie wegzunehmen?

Clemens Tönnies ist ein Milliardär. Sein Vermögen liegt bei derzeit rund 2,3 Milliarden US-Dollar. Erwirtschaftet wird dieser obszöne Reichtum von WerkvertragsarbeiterInnen, die vermutlich rund 80% der Belegschaft stellen und für einen Mindestlohn arbeiten – wenn überhaupt.

Viele von ihnen leben unter sklavenähnlichen Zuständen in unhygienischen Baracken mit der ständigen Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Deshalb schleppten sich viele zur Arbeit – auch mit Corona-Symptomen.

Das Ergebnis dieser Arbeitsbedingungen ist ein krasser Corona-Ausbruch bei Tönnies und ein anschließender Lockdown für den Kreis Gütersloh. Jetzt ist das Leben von tausenden ArbeiterInnen in Gefahr, zehntausende Gütersloher wurden vorübergehend wieder ihrer Freiheit beraubt.

Wer zahlt die Zeche?

Doch obwohl die Sachlage so eindeutig ist, werden jetzt wir VerbraucherInnen ins Visier genommen.

Schon Anfang des Jahres erklärte Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CSU), dass sie Fleisch teurer machen wolle. Jetzt sieht sie die Zeit gekommen, ihr Vorhaben durchzuziehen. Begleitet wird sie dabei medial von tagesschau.de, dem Spiegel und diversen Menschen, die genug Geld haben, um teurere Lebensmittel zu bezahlen.

Doch der Ansatz geht in die völlig falsche Richtung. Stattdessen sollte das Programm heißen:

Enteignung – Verwaltung durch die Beschäftigten – Export-Stopp & Produktionsumstellung

Wieso überlässt man einem skrupellosen Kapitalisten wie Tönnies die Herrschaft über tausende auszubeutende ArbeiterInnen, dessen Gesundheit ihm vollkommen egal ist? Tatsächlich gehört ein solcher Mann nicht nur „haftbar“ gemacht, sondern enteignet. Das heißt, dass ihm sein Betrieb, der immerhin eine zentrale Ader der deutschen Grundversorgung darstellt, weggenommen wird.

Aber wer soll denn dann den Betrieb leiten? Etwa Julia Klöckner? Einfach gesagt sind das die Angestellten, die ArbeiterInnen, die das auch ganz gut ohne Tönnies können – denn sie machen es eh schon jeden Tag. Tönnies ist nur der skrupellose Chef, der sowie so abgesetzt gehört.

Die verwaltenden Beschäftigten könnten dann auch darüber entscheiden wie die Arbeitsbedingungen verbessert werden können, wie eine sichere und auch dem Tierwohl gerechtere Produktion möglich ist. Sie gehören sicherlich zu den ExpertInnen dieser Themen, denn sie erleben es jeden Tag.

Zuletzt könnten sie die absurde Exportorientierung verringern. Denn 50% der Produkte bei Tönnies werden exportiert – das ist ja wohl das Gegenteil von einer sinnvollen wohnortnahen Lebensmittelproduktion.

Dieser Dreiklang an Maßnahmen ist ökonomisch, politisch und moralisch die angemessenste Antwort auf die Tönnies-Verbrechen. Mit diesen Maßnahmen zahlen nicht die ArbeiterInnen, sondern Tönnies die Zeche.

Doch selbstverständlich wird in diese Richtung nicht mal ansatzweise diskutiert. Eigentum bleibt die Heilige Kuh des Kapitalismus. Die aktuellen Planungen der Politik – Verbot von Werksverträgen und Tönnies-Haftung – sind bisher nur Versprechungen. Was dagegen durchaus kommen wird ist, das wir Verbraucher mehr Zahlen sollen.

Doch wo werden diese höheren von uns bezahlten Gelder landen? Höchst wahrscheinlich in den Taschen der Aldi-Besitzer oder eben von Tönnies. Wenn wir ihnen nicht endlich die Macht über unsere Grundversorgungs-Industrie nehmen.

Quelle: https://perspektive-online.net/2020/06/toennies-enteignen-statt-lebensmittelpreise-anheben/

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