Kommentare zum Zeitgeschehen
Milliarden Subventionen für die Stahlindustrie

von "gp" (rf-news)

07/2020

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Auf ihrer Kabinettssitzung letzte Woche hat die Bundesregierung ein „Handlungskonzept Stahl“ beschlossen, das 1:1 die Forderungen der deutschen Stahlmonopole umsetzt, und klare Arbeitsanweisungen und Zusagen der Bundesregierung enthält.

Deshalb wundert es nicht, wenn Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl das Konzept überschwänglich begrüßt. Für Jürgen Kerner, Hauptkassierer der IG Metall und für die Stahlindustrie zuständiges geschäftsführendes Vorstandsmitglied ist das Konzept „ein wichtiges Signal in Richtung grüner Stahl“ und zum Erhalt der 85.000 Arbeitsplätze in der Stahlindustrie. Was ist davon zu halten?

Positionen auf dem Stahl-Weltmarkt verloren

Die deutsche und die europäische Stahlindustrie haben in den letzten Jahren vor allem durch China und das Aufkommen anderer neuimperialistischer Länder Positionen auf dem Stahl-Weltmarkt verloren und drohen durch die aktuelle Weltwirtschafts- und finanzkrise weiter zurückzufallen. Mit dem Handlungskonzept Stahl hofft die deutsche Stahlindustrie mit der Bundesregierung und der EU als Dienstleister, die Weichen für eine „nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit zu stellen.“ Angesichts der Verschärfung der zwischenimperialistischen Widersprüche wollen Bundesregierung, EU und die europäischen Monopole aus politischen und machtpolitischen Gründen die Versorgung mit Stahl als „Schlüsselbranche“ sichern. Mit dem „Konzept“ wollen sie beweisen, dass „freier Welthandel, Klimaschutz und der Erhalt einer wettbewerbsfähigen energieintensiven Industrie gegenseitig (sich) sinnvoll ergänzen können.“

30 Prozent der CO2-Emissionen

Die Stahlindustrie erzeugt mit 58.4 Mill. t CO2-Ausstoß im Jahr 30 Prozent der CO2-Emissionen der Industrie und gehört damit zu den größten CO2-Emittenten. Seit Jahren fordern Stahlarbeiter, Umweltschützer, die Stahlbetriebsgruppen der MLPD einen Umstieg auf CO2-arme Produktionsverfahren. Sie wurden dafür lange als „Träumer“ verspottet. Auf dem Hintergrund eines beschleunigten Umschlags in eine globale Umweltkatastrophe ist das Umweltbewusstsein auch unter den Stahlarbeitern gewachsen und zwingt die Stahl-Monopole zu einem Kurswechsel. Der Sinneswandel resultiert aber nicht aus der Einsicht in den Schutz der Umwelt, sondern die Stahlmonopole sehen in der Umstellung der Produktionsverfahren eine Chance, auf diesem Gebiet die Technologieführerschaft auf dem Weltmarkt zu erringen. Außerdem dient das Ziel einer CO2-neutralen oder CO2-freien Stahlerzeugung bis 2050 dazu, die Milliarden staatlichen Subventionen in der Öffentlichkeit zu rechtfertigen und die Unterstützung dafür zu gewinnen.

Die wesentlichen Ziele des Konzeptes:

  • Verteuerung ausländische Importe durch zusätzliche Zölle (wenn Importe aus Drittländern steigen bzw. auf „dreckigen“ Stahl),
  • kostenfreie Zuteilung von CO2-Zertifikaten,
  • staatliche Subventionierung der Preise für Strom, Gas und Wasserstoff,
  • staatliche Garantien für einen CO2-Preis, anteilige oder gänzliche Übernahme der Differenzkosten zum aktuellen CO2-Preis durch den Staat,
  • staatliche Subventionen in Forschung und Entwicklung. Bereits jetzt stehen der Stahlindustrie 2,435 Mrd. Euro zur Verfügung,
  • staatliche Subventionierung der auf 30 Mrd. Euro veranschlagten Investitionen „sollte die Branche den Investitionsbedarf nicht alleine finanzieren können“. 

Wie sieht es mit dem Umweltschutz und den Arbeitsplätzen aus?

  • Die Umstellung auf eine weitgehend C02 freie Stahlproduktion auf 2050 zu verschieben, ist angesichts des beschleunigten Umschlags in eine globale Umweltkatastrophe viel zu lang. Zwischen 2025 und 2030 müssen ein Drittel der Hochöfen neu zugestellt werden. Durch die Umstellung auf wasserstoffbasierte Produktionsverfahren könnten stattdessen bereits 34 Prozent der CO2 Emissionen eingespart werden!
  • Zur Verringerung des CO2-Ausstoßes plant die Stahlindustrie u.a. auch die Speicherung von CO2 unter der Erde. Das muss abgelehnt werden, weil damit CO2 nicht von der Erde verschwindet!
  • Die Gewinnung von Stahl mit dem Direktreduktionsverfahren auf Wasserstoffbasis führt zur Vernichtung von mehr Arbeitsplätzen als neue entstehen. Deshalb ist es eine Illusion, durch Um- und Weiterbildung das auffangen zu können. Deshalb ist der Kampf um die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich notwendig.

Das „Handlungskonzept Stahl“ ist ein Dokument des Bankrotts und der Überlebtheit der auf privatkapitalistischer Grundlage organisierten kapitalistischen Produktionsweise. Die Entwicklung der Produktivkräfte führt zu einer Vergesellschaftung von Forschung, Entwicklung und Investitionen. Im Kapitalismus geschieht dies aber nicht im Interesse der Gesellschaft, wie dies im Sozialismus der Fall wäre, sondern im Interesse eines Teils des internationalen Finanzkapitals, das über die Produktionsmittel verfügt. Der technische Fortschritt dient nicht dem gesellschaftlichen Fortschritt, sondern ausschließlich den Profitinteressen. Deshalb ist es notwendig, die private Verfügungsgewalt über die Produktionsmittel revolutionär zu überwinden und durch den proletarischen Staat im Sozialismus in gesellschaftliches Eigentum zu überführen.

Erstveröffentlicht bei https://www.rf-news.de/2020/kw30/milliarden-subventionen-fuer-die-stahlindustrie

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