Marxistische Arbeiterschulung
Kursus Politische Ökonomie

08/04

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IV. Kapital und Mehrwert als historische Kategorien

Wir haben bereits in unserer obigen Darstellung gezeigt, daß das Wesen des Kapitalverhältnisses die Ausbeutung der Lohnarbeit ist. Jetzt, nach der Untersuchung der Teilung des Kapitals in konstantes und variables Kapital, besitzen wir alle Voraussetzungen, die notwendig sind für die Beantwortung der Frage, was eigentlich Kapital ist?

In seiner fortwährenden Bewegung nimmt das Kapital abwechselnd verschiedene Formen an. Zunächst erscheint es in der Form von Geld, dann in der Form von Produktionsmitteln und Arbeitskraft, darauf in der Form. von fertig gestellten Waren und dann wieder in Geldform. Wir sollen uns aber von den verschiedenen Erscheinungsformen des Kapitals nicht täuschen lassen, wir müssen den gemeinsamen Inhalt aller dieser Formen begreifen, wir müssen das Wesen des Kapitals unabhängig von seinen besonderen Erscheinungsformen definieren. Marx stellt und löst diese Frage in folgenden Worten (in seiner Schrift „Lohnarbeit und Kapital", Elementarbücher des Kommunismus, Bd. II, S. 28 ff.):

„Das Kapital besteht aus Rohstoffen, Arbeitsinstrumenten und Lebensmitteln aller Art, die verwandt werden, um neue Rohstoffe, neue Arbeitsinstrumente und neue Lebensmittel zu erzeugen. Alle diese seine Bestandteile sind Geschöpfe der Arbeit, Produkte der Arbeit, aufgehäufte Arbeit. Aufgehäufte Arbeit, die als Mittel zu neuer Produktion dient, ist Kapital.

So sagen die Oekonomen.

Was ist ein Negersklave? Ein Mensch von der schwarzen Rasse. Die eine Erklärung ist die andere wert.

Ein Neger ist ein Neger. In bestimmten Verhältnissen wird er erst zum Sklaven. Eine Baumwollspinnmaschine ist eine Maschine zum Baumwollspinnen. Nur in bestimmten Verhältnissen wird sie zu Kapital. Aus diesen Verhältnissen herausgerissen, ist sie so wenig Kapital, wie Gold an und für sich Geld oder der Zucker der Zuckerpreis ist.

In der Produktion wirken die Menschen nicht allein auf die Natur, sondern auch aufeinander. Sie produzieren nur, indem sie auf eine bestimmte Weise zusammenwirken und ihre Tätigkeiten gegeneinander austauschen. Um zu produzieren, treten sie in bestimmte Beziehungen und Verhältnisse zueinander, und nur innerhalb dieser gesellschaftlichen Beziehungen und Verhältnisse findet ihre Einwirkung auf die Natur, findet die Produktion statt.

Je nach dem Charakter der Produktionsmittel werden natürlich diese gesellschaftlichen Verhältnisse, worin die Produzenten zueinander treten, die Bedingungen, unter welchen sie ihre Tätigkeit austauschen und an dem Gesamtakt der Produktion teilnehmen, verschieden sein ...

Die gesellschaftlichen Verhältnisse, worin die Individuen produzieren, die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse ändern sich also, verwandeln sich mit der Veränderung und Entwicklung der materiellen Produktionsmittel, der Produktionskräfte. Die Produktionsverhältnisse in ihrer Gesamtheit bilden das, was man die gesellschaftlichen Verhältnisse, die Gesellschaft nennt, und zwar eine Gesellschaft auf bestimmter, gesellschaftlicher Entwicklungsstufe, eine Gesellschaft mit eigentümlichem, unterscheidendem Charakter. Die antike Gesellschaft, die feudale Gesellschaft, die bürgerliche Gesellschaft sind solche Gesamtheiten von Produktionsverhältnissen, deren jede zugleich eine besondere Entwicklungsstufe in der Geschichte der Menschheit bezeichnet.

Auch das Kapital ist ein gesellschaftliches Produktionsverhältnis. Es ist ein bürgerliches Produktionsverhältnis der bürgerlichen Gesellschaft. Die Lebensmittel, die Rohstoffe, woraus das Kapital besteht, sind sie nicht unter gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen, in bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen hervorgebracht und aufgehäuft worden? Werden sie nicht unter gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen, in bestimmten gesellschaftlichen Verhältnissen zu neuer Produktion verwandt? Und macht nicht eben dieser bestimmte gesellschaftliche Charakter die zu neuer Produktion dienenden Produkte zu Kapital?

Das Kapital besteht nicht nur aus Lebensmitteln, Arbeitsinstrumenten und Rohstoffen, nicht nur aus materiellen Produkten; es besteht ebenso sehr aus Tauschwerten. Alle Produkte, woraus es besteht, sind Waren. Das Kapital ist also nicht nur eine Summe von materiellen Produkten, es ist eine Summe von Waren, von gesellschaftlichen Größen.

Das Kapital bleibt dasselbe, ob wir an Stelle von Wolle Baumwolle, an die Stelle von Getreide Reis, an die Stelle von Eisenbahnen Dampfschiffe setzen, vorausgesetzt nur, daß die Baumwolle, der Reis, die Dampfschiffe - der Leib des Kapitals - denselben Tauschwert haben, denselben Preis wie die Wolle, das Getreide, die Eisenbahnen, worin es sich verkörperte. Der Körper des Kapitals kann sich beständig verwandeln, ohne daß das Kapital die geringste Veränderung erlitte.

Aber wenn jedes Kapital eine Summe von Waren, d. h. von Tauschwerten ist, so ist noch nicht jede Summe von Waren, von Tauschwerten Kapital.

Jede Summe von Tauschwerten ist ein Tauschwert. Jeder einzelne Tauschwert ist eine Summe von Tauschwerten. Zum Beispiel ein Haus, das 1000 Frank wert ist, ist ein Tauschwert von 1000 Frank. Ein Stück Papier, das l Centime wert ist, ist eine Summe von Tauschwerten von 100/100 Centimes. Produkte, die gegen andere austauschbar sind, sind Waren. Das bestimmte Verhältnis, worin sie austauschbar sind, bildet ihren Tauschwert, oder, in Geld ausgedrückt, ihren Preis. Die Masse dieser Produkte kann an ihrer Bestimmung, Ware zu sein oder einen Tauschwert darzustellen oder einen bestimmten Preis zu haben, nichts ändern. Ob ein Baum groß oder klein ist, er bleibt Baum. Ob wir das Eisen in Loten oder in Zentnern gegen andere Produkte austauschen, verändert dies seinen Charakter, Ware, Tauschwert zu sein? Je nach der Masse ist es eine Ware von mehr oder minder Wert, von höherem oder niedrigerem Preise.

Wie nun wird eine Summe von Waren, von Tauschwerten zu Kapital?

Dadurch, daß sie als selbständige gesellschaftliche Macht, d. h. als die Macht eines Teiles der Gesellschaft sich erhält und vermehrt durch den Austausch gegen die unmittelbare, lebendige Arbeitskraft. Die Existenz einer Klasse, die nichts besitzt als die Arbeitsfähigkeit, ist eine notwendige Voraussetzung des Kapitals.

Die Herrschaft der aufgehäuften, vergangenen, vergegenständlichten Arbeit über die unmittelbare, lebendige Arbeit macht die aufgehäufte Arbeit erst zum Kapital.

Das Kapital besteht nicht darin, daß aufgehäufte Arbeit der lebendigen Arbeit als Mittel zu neuer Produktion dient. Es besteht darin, daß die lebendige Arbeit der aufgehäuften Arbeit als Mittel dient, ihren Tauschwert zu erhalten und zu vermehren."

Der letzte Gedanke ist von wesentlicher Bedeutung. Die objektive materielle Grundlage des Produktionsprozesses ist die Erhaltung, die Produktion des gesellschaftlichen Lebens. Keine Gesellschaft könnte auf die Dauer existieren, ohne wenigstens die minimalsten Bedürfnisse der Massen in irgendwelcher Weise zu befriedigen. Diese Notwendigkeit besteht auch für den Kapitalismus. „Um eine Klasse unterdrücken zu können - schreibt Marx im Kommunistischen Manifest, S. 33 -, müssen ihr Bedingungen gesichert sein, innerhalb derer sie wenigstens ihre knechtische Existenz fristen kann." Das Wesen der kapitalistischen Produktionsweise besteht aber nicht in der Befriedigung der gesellschaftlichen Bedürfnisse, sondern in der Anhäufung von Mehrwert, ihr liegt zugrunde der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater, kapitalistischer Aneignung. Die Widersinnigkeit der kapitalistischen Produktionsweise besteht darin, daß nicht „aufgehäufte Arbeit der lebendigen Arbeit als Mittel zur neuen Produktion dient", sondern daß „die lebendige Arbeit der aufgehäuften Arbeit als Mittel dient, ihren Tauschwert zu erhalten und zu vermehren". Der Widerspruch zwischen den Bedürfnissen der gesellschaftlichen Produktion und ihrer kapitalistischen Form spitzt sich immer mehr zu, so daß es zur allgemeinen Krise der kapitalistischen Produktionsweise kommen muß. Die folgenden Worte des Kommunistischen Manifestes scheinen, als ob sie speziell für die jetzige Periode der allgemeinen Krise des Kapitalismus mit ihrem ungeheuren Heer der Arbeitslosen geschrieben wären:

„Der Arbeiter wird zum Pauper* und der Pauperismus entwickelt sich noch schneller als Bevölkerung und Reichtum. Es tritt hiermit offen hervor, daß die Bourgeoisie unfähig ist, noch länger die herrschende Klasse der Gesellschaft zu bleiben und die Lebensbedingungen ihrer Klasse der Gesellschaft als regelndes Gesetz aufzuzwingen. Sie ist unfähig zu herrschen, weil sie unfähig ist, ihrem Sklaven die Existenz selbst innerhalb seiner Sklaverei zu sichern, weil sie gezwungen ist, ihn in eine Lage herabsinken zu lassen, wo sie ihn ernähren muß, statt von ihm ernährt zu werden. Die Gesellschaft kann nicht mehr unter ihr leben, "d. h. ihr Leben ist nicht mehr verträglich mit der Gesellschaft." („Kommunistisches Manifest", S. 34.)

Das Kapital ist also nicht nur ein gesellschaftliches Verhältnis, sondern ein historisch begrenztes, vorübergehendes gesellschaftliches Verhältnis, eine historische Kategorie. Die kapitalistische Produktionsweise ist nicht die einzige historisch bekannte Produktionsweise, sogar nicht die einzige historisch bekannte Ausbeutungsform. Die antike Sklavenwirtschaft ist auch eine Ausbeutungswirtschaft gewesen, aber der Sklave war kein Lohnarbeiter, er gehörte seinem Herrn. Die Ausbeutung war offensichtlich. Ebenso in der mittelalterlichen Fronwirtschaft, wo der Fronbauer seinen Frondienst und seine Abgäben leistete, ohne dafür irgendwelchen Lohn zu erhalten. Im Kapitalismus wird die Ausbeutung dadurch verschleiert, daß der Arbeiter persönlich frei ist und gesetzlich mit dem Kapitalisten gleiche Rechte hat, daß er für seine Arbeit einen Lohn erhält, daß er scheinbar nicht die Arbeitskraft, sondern die Arbeit selbst verkauft. Trotzdem bleibt der Lohnarbeiter ein Sklave, ein Lohnsklave.

Der Lohnarbeiter hat das Recht auf Leben nur, weil und wenn er für die Bourgeoisie arbeitet. Marx zeigt,

„daß der Lohnarbeiter nur die Erlaubnis hat, für sein eigenes Leben zu arbeiten, d. h. zu leben, soweit er gewisse Zeit umsonst für den Kapitalisten arbeitet; daß das ganze kapitalistische Produktionssystem sich darum dreht, diese Gratisarbeit zu verlängern durch Ausdehnung des Arbeitstages oder durch Entwicklung der Produktivität bzw. größere Spannung der Arbeitskraft usw.; daß also das System der Lohnarbeit ein System der Sklaverei, und zwar einer Sklaverei ist, die in selbem Maße härter wird, wie sich die gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit entwickeln, ob nun der Arbeiter bessere oder schlechtere Zahlung empfange". (Marx-Engels, „Programmkritiken", S. 33 f.)

Die Lohnsklaverei unterscheidet sich von der gewöhnlichen Sklaverei nur durch ihre Form:

„Der römische Sklave war durch Ketten, der Lohnarbeiter ist durch unsichtbare Fäden an seinen Eigentümer gebunden. Der Schein seiner Unabhängigkeit wird durch den beständigen Wechsel der individuellen Lohnherren und die juristische Fiktion (Scheinbild) des Kontraktes (des Vertrages) aufrechterhalten." („Kapital", Bd. I, S. 536, Ausgabe 1922.)

Wenn wir sagen, daß die Lohnarbeit Lohnsklaverei ist, bedeutet es noch nicht, daß jede Ausbeutung kapitalistische Ausbeutung und daher jede Ausbeutungsgesellschaft kapitalistische Gesellschaft ist. Erinnern wir uns daran, daß „das unmittelbare Verhältnis der Eigentümer der Produktionsmittel zu den unmittelbaren Produzenten" jedesmal ,,das innerste Geheimnis, die verborgene Grundlage der ganzen gesellschaftlichen Konstruktion" ausmacht (siehe Heft I, Ende des l. Abschnittes, S. 9). Ebenso wie der Sklave besitzt auch der Lohnarbeiter keine Produktionsmittel, aber während der Sklave selbst dem Sklavenherrn gehört, während er selbst gekauft und verkauft werden kann, ist der Lohnsklave kein persönliches Eigentum seines Lohnherren, er gehört der gesamten Kapitalistenklasse, er verkauft sich selbst pro Tag, Woche usw. und hat dabei das Recht, sich selbst seinen Lohnherrn zu wählen.

Wenn der gewöhnliche Sklave über die für die Erhaltung seiner Existenz notwendige Arbeitszeit hinaus arbeitet, schafft er damit noch keinen Mehrwert. Denn seine Arbeitskraft wie auch die Produkte, die er herstellt, haben ? keinen Wert (Tauschwert),'weil sie keine Waren sind. Auch der kleine Handwerker, der allein, ohne Lohnarbeiter, arbeitet, schafft keinen Mehrwert. Obgleich er Waren produziert, obgleich er einen größeren Wert produziert, als den Wert der für die Wiederherstellung seiner Arbeitskraft notwendigen Lebensmittel, obgleich er unter günstigen Bedingungen diesen Ucberschuß auch realisieren kann (was selten der Fall ist), - bildet doch dieser Ueberschuß keinen Mehrwert. Er mag rechnerisch Mehrwert sein, er ist aber im ökonomischen Sinn kein »Mehrwert", da er von dem Handwerker, der ihn produziert hat, selbst angeeignet wird. Dieser Wertüberschuß drückt hier kein Ausbeutungsverhältnis, keine Aneignung fremder Arbeit, kein Klassenverhältnis aus.

Der Mehrwert beruht auf Warenproduktion und Lohnarbeit. Er ist also eine ökonomische Kategorie, die spezifische, und zwar kapitalistische Produktionsverhältnisse ausdrückt, die Verhältnisse zwischen Lohnarbeiter und Kapitalisten.

Daß der Kapitalismus eine historisch begrenzte Produktionsweise ist, zeigt nicht nur die Vergangenheit und auch nicht nur die theoretisch entdeckte Entwicklungstendenz des Kapitalismus, sondern schon die Gegenwart: in der Sowjetunion haben wir das lebendige Beispiel des sozialistischen Aufbaus, wo dieselben Produktionsmittel, die vor der proletarischen Revolution Kapital waren, jetzt schon kein Kapitalverhältnis in sich verkörpern und deshalb kein Kapital im eigentlichen Sinne dieses Wortes sind. Sie gehören der gesamten Arbeiterklasse. Auch das von der Arbeiterklasse hergestellte Produkt gehört ihr selbst. Ein Teil des Produkts wird unter den Mitgliedern der Arbeiterklasse für die unmittelbare individuelle Konsumtion, der andere Teil wird für den weiteren Ausbau der sozialistischen Wirtschaft verwendet, er wird nicht von einer anderen Klasse angeeignet. In der sozialistischen Wirtschaft existiert daher kein Mehrwert und kein Kapital, weil hier überhaupt keine Ausbeutung existiert.

Die bürgerliche Denkweise ist nicht imstande, den historisch begrenzten Charakter des Kapitals zu begreifen. Die bürgerlichen Oekonomen sind nicht nur subjektiv bestrebt, die kapitalistische Produktionsweise zu rechtfertigen. Wie wir schon im ersten Hefte gezeigt haben, ist ihre Denkweise durch die äußere Erscheinungsform der gesellschaftlichen Verhältnisse befangen. In der Warenwirtschaft sind die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse durch die Verhältnisse zwischen Sachen vermittelt (Warenaustausch). In der bürgerlichen Gesellschaft haben wir „sachliche Verhältnisse der Personen und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen" (Marx), in ihr herrscht daher der Warenfetischismus. Die gesellschaftlichen Verhältnisse erscheinen daher in sachlicher Form. Der Wert - ein gesellschaftliches Verhältnis - erscheint als natürliche Eigenschaft der Ware, und so wird er auch von den bürgerlichen Oekonomen aufgefaßt. Tiefer in die Erscheinungsform einzudringen, durch kritische Analyse das Wesen der in der sachlichen Erscheinungsform steckenden gesellschaltlichen Verhältnisse zu enthüllen, - dazu ist die bürgerliche Oekonomie unfähig, denn sonst wäre sie nicht mehr bürgerliche Oekonomie.

Eben deshalb kann sich die bürgerliche Oekonomie nicht von der sachlichen Erscheinungsform des Kapitals loslösen. Das Kapital ist nicht gesellschaftliches Verhältnis schlechthin, sondern versachlichtes gesellschaftliches Ausbeutungsverhältnis; es tritt in der Form von Geld, Produktionsund Lebensmitteln auf. Und diese äußere Erscheinungsform des Kapitals nimmt die bürgerliche Oekonomie für das Wesen des Kapitals. Dadurch verschwindet der soziale und historische Charakter des Kapitals: Kapital ist in dieser Auffassung nicht ein durch die Ausbeutung von Lohnarbeit sich verwertender Wert, sondern Produktionsmittel schlechthin, die der weiteren Produktion dienen. Das soziale Moment wird durch das technische ersetzt, statt der der bürgerlichen Produktionsweise eigentümlichen Charakterzüge tritt der technische Produktionsprozeß hervor, der allen Gesellschaftsordnungen gemein ist. Das Kapital wird also in eine unhistorische, ewige Kategorie verwandelt.

„In dem ersten Stein - schrieb der englische Vulgärökonom R. Torrens 1836 -, den der Wilde auf die Bestie wirft, die er verfolgt, in dem ersten Stock, den er ergreift, um die Frucht niederzuziehen, die er nicht mit den Händen fassen kann, sehen wir die Aneignung eines Artikels zum Zweck der Erwerbung eines anderen und entdecken so - den Ursprung des Kapitals."

In dieser Aeußerung, die Marx im »Kapital", Bd. I, S. 140, zitiert, haben wir ein Musterbeispiel, wie der Fetischcharakter des Kapitals (sachliches Verhältnis der Personen), wie die verkehrte Erscheinungsform des gesellschaftlichen Verhältnisses verkehrte, fetischistische Vorstellungen über das Wesen des Kapitals schafft.

Sehr verbreitet ist da die Unterscheidung des privatwirtschaftlichen und des volkswirtschaftlich-technischen Begriffs des Kapitals. Diese Unterscheidung, die nur eine verfeinerte Form des Kapitalfetischismus ist, wird auch von den schon erwähnten Nöltings durchgeführt. Sie schreiben:

„Kapital in volkswirtschaftlichem Sinn ist nach einem Ausdruck Oppenheimers nichts anderes als das in einer Wirtschaftsgesellschatt vorhandene Beschaffungsoder Werkgut. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß eine absolut kapitallose Produktion selbst für die Anfänge der menschlichen Wirtschaft nicht angenommen werden kann ... Schon die primitivste Form von Jagd setzt gewisse technische Hilfsmittel voraus, mit denen der Mensch die Ergebnisse seiner Arbeit zu sichern, zu vervollkommnen und zu bereichern strebt. Hilfsmittel zu sein für die Erleichterung seiner Arbeit - das ist die Bestimmung des Kapitals im volkswirtschaftlichen Sinn. Seine Urform ist das primitive Werkzeuggerät, mit dem der Wilde an die Beschaffung und die Bearbeitung der Naturstoffe herangeht." („Einführung in die Theorie der Wirtschaft", S. 47 ff.)

Hier wird also das Kapital als sogenanntes „volkswirtschaftliches Kapital" wie bei Torrens zu einer überhistorischen Kategorie. Damit wird die theoretische Grundlage für die Wirtschaftsdemokratie geschaffen, um die sozialdemokratische Politik der Förderung der Kapitalbildung auf Kosten der Arbeiterklasse zu rechtfertigen.

Kontrollfragen:

1. Was ist Kapital?
2. Warum ist das Kapital eine historische Kategorie? Warum ist die Lohnarbeit - Lohnsklaverei?
3. Worin besteht der Fetischcharakter des Kapitals und in welchem Zusammenhang steht er mit dem Warenfetischismus?

Editorische Anmerkungen:

1930 erschienen im 14tägigen Abstand die Hefte der Marxistischen Arbeiterschulung, die insbesondere den kleineren Gruppen und Einzelnen, die nicht eine der MARXISTISCHEN ARBEITERSCHULEN besuchen konnten, zur Selbstschulung dienen sollten.

Herausgegeben wurden die Hefte von Hermann Duncker, Alfons Goldschmidt und K.A. Wittvogel. Sie erschienen im Verlag für Literatur und Politik, Berlin, Wien 1930.

Der OCR-gescannte Text stammt aus dem 2. Heft, S. 59-64 und wurde dem Reprint des Politladens Erlangen in seiner 4. Auflage 1971 entnommen.