Rezension: „AltNeuLand“ von Theodor Herzl
„ Wenn ihr wollt ist es kein Märchen“

von Max Brym
08/04

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Zum hundertsten Todestag von Theodor Herzl, Begründer des politischen Zionismus, erschien bei haGalil. com „AltNeuLand“. Der politisch programmatische Roman Herzls wurde erstmals 1902 in deutscher Sprache verlegt. „AltNeuLand“ (in Hebräisch Tel Aviv Frühlingshügel) war in deutscher Sprache seit Jahren nicht mehr erhältlich und für Interessierte nur noch in einigen Bibliotheken zu finden. Der hundertjährige Todestag Herzls und das zu erwartende Interesse der Öffentlichkeit schien für haGalil online Anlaß genug, dieses Standardwerk Off-Line neu zu veröffentlichen. haGalil.com ist das größte jüdische Webportal in deutscher Sprache. Ein umfangreicher redaktioneller Teil, Forum, Chat und viele Hintergrundinformationen sind das Ziel von monatlich 240.000 Besuchern. Der utopische Roman von Theodor Herzl wurde von der haGalil Redaktion veröffentlicht, um in der heutigen Situation sich Herzls Vision erneut zu vergegenwärtigen. Diffamierungen des Zionismus gehören zum Handgepäck jedes gelernten Antisemiten. Die Kenntnis von Quellentexten ist in dieser Auseinandersetzung ein Weg, differenzierte Positionen zu entwickeln Theodor Herzls „AltNeuLand“ ist einer der wichtigsten Grundlagentexte um den Zionismus in seiner historischen Entwicklung zu verstehen. Das Buch von Herzl wieder auf dem deutschen Buchmarkt zu finden, ist schön und wichtig. Eine moderne Gestaltung und Typographie machen dieses Werk, das spannend und unterhaltsam zu lesen ist, auch für jüngere Leser interessant. 

Ein progressiver Herzl 

Wer den Roman ließt, erlebt einen linksliberalen Autor mit glänzender Feder. In Herzls Roman gibt es keinen einzigen rassistischen Satz. Im Gegenteil, Herzl beschreibt in dem Roman eine sozial gerechte Gesellschaft, das Buch enthält teilweise scharfe Angriffe gegen die damalige jüdische Bourgeoisie. In „AltNeuLand“ entsteht eine, wie es Herzl nennt,  „Neue Gesellschaft“, in der die Basis des ökonomischen Lebens genossenschaftlich und solidarisch organisiert ist. Herzl propagiert in dem Roman das „Gemeinschaftlich betriebene große Warenhaus“ sowie eine landwirtschaftliche Produktion, mit moderner Technologie auf der Basis  „großflächiger Bewirtschaftung“. Herzl legt viel Wert auf Wissenschaft und Technik und kommt in dem Roman zu dem Satz: „Noch nie in der Geschichte war die Menschheit so reich wie heute und gleichzeitig so arm“. Herzl äußert sich in einigen Passagen des Romans beinahe sozialistisch. Jedoch geht es ihm darum, mittels einen „dritten Weges“, den Gegensatz Kapitalismus- Sozialismus aufzulösen. Diese Passagen sind utopisch, dennoch sind sie sympathisch. Herzl träumt in dem Roman von einer freien Gesellschaft und gesteht den Juden die Rolle zu, über die Lösung ihrer nationalen Frage ein positives Beispiel für die Welt abzugeben. Für Herzl ist der proletarische Jude und der jüdische Intellektuelle der entscheidende Faktor zur Gründung eines toleranten, sozial gerechten, jüdischen Staates. Herzl propagiert den laizistischen Staat, indem Religion die Privatsache jedes einzelnen Menschen ist. Jerusalem stellt sich Herzl als Muster religiöser Toleranz vor.

Herzl gegen Rassismus und Frauenunterdrückung 

In dem Buch gibt es jüdische Nationalisten  geführt von Dr. Geyer. Gegen ihn steht der Humanist und Demokrat David Littwak. In der Genossenschaft „Neudorf“, läßt Herzl David Littwak eine flammende Rede gegen die Intoleranz und den engstirnigen Nationalismus des Dr. Geyer halten. Littwak bezeichnet die Genossenschaft und die „Technik als internationale Errungenschaft die keinem Volk alleine gehört“. Littwak spricht sich für einen jüdischen Staat aus, „indem der Fremde  seinen gleichberechtigten Platz hat“. In Herzls Roman gewinnt der Demokrat David Littwak gegen die Partei des Nationalisten Dr. Geyer. Bekanntlich sieht die reale Lage im heutigen Israel anders aus, dies steht im Gegensatz zu den Erwartungen von Theodor Herzl. Die Frauen sind in Herzls Roman gleichberechtigt. Für Herzl ist die Emanzipation der Frau eine wichtige Frage. Der Palästinenser Reschid Bey spielt eine wichtige Rolle in dem Buch. Er ist ein enger Mitkämpfer von David Littwak. Herzl ignoriert in seinem Buch keineswegs die in Palästina lebenden Araber. Er ist für deren Emanzipation, dennoch ist Herzl ein Kind des neunzehnten Jahrhunderts, er sieht die Palästinenser nicht als Subjekt der historischen Entwicklung, sondern als zu befreiende Objekte. Die Rolle des Fortschrittsträgers gesteht er den eingewanderten Juden zu, die allerdings tolerant und mit der Mission ausgestattet seien, die Völker in der ganzen Region mit der originären Aufklärung zu verbinden. Imperialistisch oder rassistisch ist die Konzeption von Herzl keinesfalls, höchstens aus heutiger Sicht etwas eurozentristisch. Das letztere an Herzl ist problematisch, jedoch gilt es festzuhalten: „Herzl war ein progressiver Demokrat, Internationalist und jüdischer Patriot, dessen positive Seiten und Analysefähigkeit seine theoretischen Schwächen bei weitem übertreffen.“

Fazit

 Die berufsmäßigen Antizionisten in Deutschland erklären den Zionismus umstandslos zu einer „rassistischen“ oder gar „faschistischen Strömung“. Tatsächlich ignorieren sie weltweit nur das Selbstbestimmungsrecht der Israelis. Ihre Kenntnis der ideologischen Quellen des Zionismus ist vergleichbar mit dem Kenntnisstand eines Ochsen über die Raumfahrt. Jeder der sich mit dem Zionismus auseinandersetzt, sollte das Buch von Herzl  lesen. Erst wem die wesentlichen ideologischen Quellen des Zionismus und seine historische Wurzeln bekannt sind, kann je nach Gusto fundiert und differenziert die Auseinandersetzung mit dieser Strömung gesucht werden. Wer den Israelis das Recht auf einen eigenen Staat abspricht und die Verbrechen des Nazismus als historische Voraussetzung für einen jüdischen Staat ignoriert hat in dieser Debatte nichts verloren. Diesem Typus wird auch die Schrift Herzls nichts bringen. Allen anderen sei der spannende Roman „AltNeuLand“ dringlich ans Herz gelegt.

 Quellen: Theodor Herzl AltNeuLand ISBN: 3-8334-1320-4  

Anmerkung: Theodor Herzl wurde 1860 in Budapest geboren, gestorben ist er am 3. Juli 1904 in Edlach. Herzl gilt als Begründer des modernen Zionismus. Er war der Überzeugung, dass es nur eine Möglichkeit gibt, der im 19. Jahrhundert ständig wachsenden Bedrohung des Antisemitismus zu begegnen: Mit der Gründung eines „Judenstaates“. Der Holocaust das dunkelste Kapitel der jüdischen Geschichte, bestätigte eindringlich den Pessimismus Herzls bezüglich der Assimilationschancen der Juden. Nach der Schoa war die Forderung nach einem Staat Israel nicht mehr zu ignorieren. 

Editorische Anmerkungen:

Max Brym stellte uns diesen Artikel am 10.08.2004 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München.