Nicht die mittlerweile sprichwörtlichen polnischen Klempner,
aber aus Polen stammende Werftarbeiter
sorgten in der vergangenen Woche in Frankreich für
Schlagzeilen. Die 13 Arbeiter aus der polnischen
Hafentstadt Szczecin, die im
westfranzösischen Saint-Nazaire auf der Atlantikwerft beschäftigt
waren und von ihrem Arbeitgeber auf einem
Campingplatz in Saint-André-des-Eaux
(sieben Kilometer entfernt) untergebracht waren, führten
vergangene Woche einen sechstägigen
Hungerstreik durch. Drei von ihnen (der 34jährige
Elektriker Pawel Daca mit zweien seiner Kollegen) traten am
vorigen Dienstag noch zusätzlich in den
Durststreik. Ihre Aktion endete am letzten Mittwoch
mit der Durchsetzung ihrer Forderungen.
Alle 13 arbeiteten auf der Atlantikwerft für eine polnische
Sub-Subfirma
(die Gmbh Kliper) der französischen Subfirma Gestal, die
ihrerseits im
Auftrag des italienischen Unternehmens MCS an dem Kreuzfahrtschiff
Musica
baut. Der polnische Sub-Subauftragnehmer war jedoch eine
Briefkastenfirma,
eine Ein-Mann-Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Inhaber
seit Juli
spurlos verschwand. Der Geschäftsführer der GmbH hatte zuerst
Drohungen
gegen die Arbeiter und ihre in Polen gebliebenen Familien
ausgestoßen, als
diese auf Auszahlung der ihnen geschuldeten Löhne bestanden.
Später hatte er
dann "versprochen", die ausstehenden Löhne am 30. August zu zahlen
am
Vorabend des Auslaufens der Arbeitsverträge. "Man sollte uns nicht
für dumm
verkaufen!", kommentiert der Sprecher der Arbeiter, Robert
Pawlowicz.
Seit zwei Monaten ohne Lohn, forderten die polnischen Arbeiter
ihre
Bezahlung von der französischen Gestal ein. Die französische
Subfirma war
zunächst bereit, einen Abschlag für die gearbeiteten Tage vom 1.
bis 20.
Juli auszuzahlen insgesamt 13.700 Euro von einer globalen
Lohnschuld von
33.000 Euro für alle betroffenen Arbeiter zusammen. Danach wollte
ihr
Direktor Alain Allaire aber keinerlei weiteren Lohnausfälle
übernehmen und
verschanzte sich hinter der Verantwortung der polnischen
Sub-Subfirma
Kliper. Ein polnischer Arbeiter auf der Atlantikwerft verdient
1.200 Euro
monatlich; das ist gut doppelt so viel wie in Polen, aber spürbar
weniger,
als französische Kollegen für eine gleichwertige Arbeit verdienen
würden.
Ihre Forderung konnten sie aber erst durch den Hunger- und
Durststreik
durchsetzen, den sie öffentlichkeitswirksam vor dem Rathaus von
Saint-Nazaire abhielten. Nach Informationen von ’Le MondeŒ machte
die
Pariser Regierung schließlich Druck in dieser Hinsicht auf Gestal.
Nachdem
die Arbeitsinspektion eine Anzeige wegen verschleierter
Beschäftigung
entgegen genommen hatte, wuchs der auf der französischen Subfirma
lastende
Druck.
Nach französischem Recht (Artikel L. 125-1 und L. 125-3 des
Arbeitsgesetzbuchs) ist es zwar legal, einen Werkvertrag mit einer
Subfirma
abzuschließen, die einen Arbeitserfolg schuldet und dabei selbst
das
wirtschaftliche Risiko der Erfolgsrealisierung trägt. Dabei muss
jedoch das
Unternehmensrisiko beim Subunternehmer liegen, und dieser muss mit
eigenen
betrieblichen Mitteln handeln (etwa die eigenen Arbeitskräfte
anstellen,
beschäftigen, beaufsichtigen, ggf. ausbilden, mit Arbeitsgerät
ausstatten).
Sofern der Gegenstand des Vertrags zwischen Auftraggeber und
Subfirma aber
lediglich aus dem Zurverfügungstellen von Arbeitskräften besteht,
sofern
also die Subfirma lediglich die Arbeitsleistung ihrer
Lohabhängigen
einbringt (und keine eigene Unternehmensleistung), dann handelt es
sich in
Wirklichkeit um einen "illegalen Arbeitskräftehandel". Diese
Operationist
gesetzwidrig, da sie ausschließlich dazu dient, den wahren
Arbeitgeber der
abhängig Beschäftigten zu verschleiern und es letzteren damit
erschwert,
ihre Rechte geltend zu machen. In diesem Fall sah alles danach
aus, ob ein
solcher illegaler Arbeitskräftehandel vorliegt, da die bankrotte
Ein-Mann-Firma in Polen nicht in der Lage war, den Beschäftigten
auch nur
die geringsten Arbeitsmittel zu verschaffen.
Solidarität war möglich
Der Kampf der polnischen Werftarbeiter war durch die örtliche
CGT aktiv
unterstützt worden, und zahlreiche Einwohner von Saint-Nazaire
hatten ihre
Solidarität demonstriert. Wie auch ’Le MondeŒ berichtet, spendet
Dutzende
von Einwohnern den Streikenden Geld, erkundigten sich über den
Stand der
Dinge oder drückten einfach symbolisch ihre Solidarität aus.
Auf der Atlantikwerft sind seit Jahren ähnliche Fälle bekannt,
in denen
Arbeiter aus Indien, Griechenland und Rumänien für kurze Perioden
zu jeweils
geringen Löhnen angeheuert wurden, aber monatelang um ihre
Bezahlung kämpfen
mussten. In vielen Fällen waren sie in Containern auf dem Gelände
der
Atlantikwerft untergebracht und führten überlange Arbeitswochen
durch.
Die Inhaber der Atlantikwerft, auf der all diese Sub-, Subsub-
und
Subsubsubfirmen tätig sind, haben in dem Plan "Marine 2010" das
Ziel
formuliert, die Produktionskosten im Schiffsbau auf ihrer Werft um
15
Prozent abzusenken. Die CGT macht daher auch das Gesamtunternehmen
Atlantikwerft mit seiner Preispolitik für die Existenz solcher
Überausbeitungsverhältnisse direkt (mit) verantwortlich.
Vgl. auch:
- Informativer Artikel in ’Le MondeŒ vom Samstag, 6. August ("Comment
les
ouvriers polonais de Saint-Nazaire ont eu gain de cause")
- - Reportage über den Sprecher des polnischen
Arbeiterkollektivs, Robert
Pawlowicz, in "L¹Humanité Hebdo" vom Wochenende (6./7. August
- Ausführlich zu den Einsätzen migrantischer Arbeiter und den
Kämpfen in den
Vorjahren, das Buch von Jo Patron: "La mondialisation vécue à
Saint-Nazaire
en l¹an 2003" (Die Globalisierung im Jahr 2003, in Saint-Nazaire
erlebt).
Bibliographische Angaben: Eigenverlag (aber über die örtliche
Sektion der
CGT und über linke Buchläden in Paris erhältlich), 191 Seiten,
15 Euro. Mit
zahllosen Infos über die Kämpfe indischer, kroatischer,
griechischer...
Arbeiter auf der Atlantikwerft in Saint-Nazaire, die jeweils für
kürzere
Dauer dort eingesetzt waren und ihrerseits oft monatelang ohne
Lohn
blieben.
(BhS, Paris)
Editorische
Anmerkungen
Der Autor übergab
uns seinen Artikel in der vorliegenden Fassung am 8.8.2005 zur Veröffentlichung.
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