Alternative für Deutschland
Erzkonservative Politik braucht autoritäre Führung

von Frank Behrmann

08-2013

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Die zahlreichen Streitereien innerhalb der Alternative für Deutschland (AfD), die autoritären Umgangsformen, mit der diese entschieden werden (s. AN 11/13), haben ihre Ursache in der Konstruktionsproblematik der Partei. Ziel war es von Anfang an, eine neue erzkonservative und neoliberale Partei aufzubauen. Hieran diskutierten verschiedene think tanks und Netzwerke der Rechten schon lange. Zu nennen wäre hier das „Freie Welt“-Netzwerk; eingebracht haben sich Mitwirkende der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft; und auch aus CDU-Kreisen, die mit der modernisierten Variante des deutschen Konservatismus nicht mehr einverstanden waren, erwuchs Unterstützung.

Nach außen wird gerne behauptet, man sei weder rechts noch links, oder man stelle die breite Mitte dar, doch z.B. Wilfried Jacobi, Kreisverbandsvorsitzender der AfD-Soest verortet seine Partei „dort, wo ´die CDU mal war´. Die Christdemokraten seien in vielen Fragen wie der Familien-, Integrations- und Energiepolitik SPD und Grünen gefolgt und nach links gedriftet.“ (Soester Anzeiger, 25.6.13)

Geburtsstunde einer neuen Partei

Einer der Kreißsäle der AfD waren „wertkonservative Kreise“ in der CDU. Michael Brück war seinerzeit dabei (inzwischen hat er die AfD wieder verlassen), er schildert die Vorgänge: Die CDU „ist in meinen Augen mit Angela Merkel zu einer sozialdemokratischen Partei degeneriert und hat einen heftigen Linksschwenk vollzogen. Nicht umsonst haben sich parteiintern auch Kritiker formiert. In diesem Zusammenhang zu erwähnen ist die ´Aktion Linkstrend stoppen´ und der ´Berliner Kreis´, zu dessen ursprünglichen Mitbegründern ich gehöre. Die Idee zu einer neuen, eurokritischen Partei kam dann auch von Mitgliedern des ´Berliner Kreises´. Zwei der drei Gründer der Alternative, Alexander Gauland und Konrad Adam, gehörten dem Kreis an (… und) haben dann zusammen mit Bernd Lucke die fragwürdige Eurorettung zum Hauptthema zunächst der Wahlalternative 2013, später dann der AfD gemacht.“ (nach „alternativer newsletter“ auf Facebook-Anti-AfD-Seite, s. unten)

Das „Freie Welt Netzwerk“ – ein Zusammenschluss reaktionärer pressure groups wie „Zivile Koalition“ oder „Initiative Familienschutz“ unter Führung von Beatrix von Storch (Listenplatz 2 in Berlin) – mischt ebenfalls mit. „Bereits 2012 kooperierten beide Seiten (Lucke und die Zivile Koalition, F) bei der Gründung der `Wahlalternative 2013´. Aus dieser ging im Frühjahr die `Alternative für Deutschland´ hervor. Mit der Bündelung der bürgerlichen Kräfte sind die AfD-Chancen spürbar gestiegen.“ (Webseite „Die Freie Welt“, 26.4.13) Aus dem einstigen „Bund Freier Bürger“ stieß u.a. Joachim Starbatty dazu (Listenplatz 1 in Berlin). Ex-BDI-Präsident und Marktschreier des Sozialabbaus Hans-Olaf Henkel unterstützt die AfD ebenfalls.

Schon in den beiden Jahren zuvor hatte es unterschiedliche Sammlungsbemühungen aus dem rechts-bürgerlichen Lager gegeben, die sich gegen die Euro-„Rettungspolitik“ wandten, aber nicht etwa wegen der katastrophalen Folgen, die diese Politik in den südeuropäischen Ländern hatte, sondern weil für Deutschland dabei nichts heraus springe. Zu nennen wären hier die „Bogenberger Erklärung“, das „Bündnis Bürgerwille“ oder auch das „Aktionsbündnis Direkte Demokratie“. Diese genannten Strömungen und Sammlungen beteiligten sich dann in unterschiedlicher Weise an der Gründung der Wahlalternative 2013, dem direkten Vorgänger der AfD (s. Antifaschistische Nachrichten (AN) 7/12, 24/12).

Das Problem dieser neuen Formation war, genügend Anhang zu gewinnen, um in den Bundestag einziehen zu können. Hier sollte die Ablehnung des Euros in seiner jetzigen Form die Klammer nicht nur für das konservative Spektrum bilden, sondern auch einen breiteren Anhang gewinnen helfen, wenn man nur die eigentlichen, rückwärtsgewandten und arbeitnehmerfeindlichen Ziele nicht ruchbar werden ließe (s. AN 9/13, 10/13).

Inwieweit die Abschaffung des Euros, wie er heute besteht, tatsächliches Herzensanliegen der AfD-Granden ist, oder aber nur ein Vehikel zur Anhangbildung, bleibt unentschieden. Jedenfalls hatte Bernd Lucke noch im Februar 2011 das Euro-System trotz der Überschuldung einzelner Staaten nicht in Gefahr gesehen und sich sogar für Kredite der EU ausgesprochen: „Eine Umschuldung erfordert nicht, dass das insolvente Land aus dem Euro ausscheidet und sie gefährdet auch nicht die Stabilität des Eurosystems. Weiterhin ist es notwendig, dass die Europäische Union nach dem vollständigen Abschluss einer Umschuldungsvereinbarung Kredite an die betroffenen Mitgliedstaaten vergibt...“ (Webseite „Plenum der Ökonomen“, 17.2.11)

Die Partei startet

In den ersten Monaten hat das Konzept hervorragend funktioniert. Die Medien berichteten ausführlich und meist ohne kritische Untertöne, die Mitgliederzahlen explodierten förmlich und bestanden bei Weitem nicht nur aus den reaktionären Stieseln, die man gemeinhin in solchen Formationen antrifft, und die Unterstützungsunterschriften für die Wahlbeteiligung konnten auch beigebracht werden.

Eigentlich war es gut durchdacht: Die konservative Connection übernimmt die Vorstandsposten in Bund und Ländern und lässt sich auf die vorderen Listenplätze wählen. Das Fußvolk darf sich auf der Facebook-Seite austoben, und jeder konnte annehmen, dass genau sein Anliegen in der AfD gut vertreten sei. Das Parteiprogramm ist in seiner Kürze ebenfalls auf diesen Zweck zugeschnitten. Neben der Gegnerschaft zur Euro-Politik und der Forderung nach Einführung von Volksentscheiden enthält es überwiegend unverbindlich gehaltene Allgemeinplätze, in die jeder hineininterpretieren kann, was er hören möchte.

Doch wer mit der Forderung nach mehr Demokratie auf WählerInnenfang geht, muss damit rechnen, dass Mitglieder auch auf ihre innerparteilichen Mitwirkungsrechte pochen. Und so entfalteten sich bald die ersten Widersprüche: Viele dachten in einer demokratischen Alternative zu den etablierten Parteien zu sein; viele wollten eine bessere, sozialere Gesellschaft. Alles Themen, die anzusprechen sich die Partei-Oberen aus guten Gründen weigerten. Eine Positionierung in diesen Fragen, würde automatisch das Wegbrechen ganzer politischer Strömungen mit sich bringen.

Sobald einzelne oder gar Gruppen ihr Mitbestimmungsrecht einforderten, musste es zum Knall kommen. Denn der Vorstand kann nicht zulassen, dass Menschen, die nicht „auf Linie“ sind bzw. noch nicht einmal gemerkt haben, dass es solch eine Linie gibt, in wichtige Positionen kommen. Sonst würden die inhaltlichen Widersprüche noch vor der Bundestagswahl aufbrechen und alles wäre in Frage gestellt.

Der erste große Krach

Bei der „Homosexualitäts-Debatte“ im Anschluss an eine Sammelaktion auf einem schwul-lesbischen Fest in Berlin kam das einmal an die Oberfläche. Auf diesem Fest wurden Unterschriften für die Wahlzulassung der AfD mit der Behauptung gesammelt, man unterstütze Forderungen nach Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften. Ein Widerspruch zum konservativen Menschenbild, und so sah sich der Bundesvorstand gezwungen, ein Machtwort zu sprechen: „Der Vorstand der Alternative für Deutschland distanziert sich ausdrücklich (…). Die Ehe ist aber eine Marke unseres Wertekanons, den wir schützen müssen!“ (AfD-Facebook-Seite, 21.6.13) Etliche liberale Mitglieder traten aus.

Jedoch ist hier das Parteiprogramm in klassisch konservativem Tonfall gehalten: „Wir stehen für den Schutz der Familie als Keimzelle der Gesellschaft.“ Diese Position wird u.a. von der schon erwähnten „Initiative Familienschutz“ präzisiert nach dem Motto ihrer Sprechern Hedwig Freifrau von Beverfoerde: „Die Familie – das Fundament unserer Gesellschaft – ist heute in vielfältiger Weise existentiell bedroht. Recht und Freiheit der Familie, die im Naturrecht begründet sind, finden nicht mehr die selbstverständliche Achtung, die ihnen zukommt.“ (Webseite „Familienschutz“)

Eine strikt traditionelle Familienpolitik dürfte vielen AfDlerInnen ein wichtiges Anliegen sein. Der Duisburger AfD-Vorstand Holger Lücht meint, Deutschland werde geführt von „Parteien, die Mindermeinungen zum Maßstab machen und ein Klima, in dem Schwule, Lesben, Alleinerziehende und Ausländer die Richtung vorgeben. (…) Seinen Familienbegriff möchte er daher auch recht eng ausgelegt wissen, nämlich bestehend aus Mann und Frau und Kind. Lücht weiter: Das könne man erst überdenken, wenn es Homosexuellen gelänge, sich auf natürlichem Wege fortzupflanzen.“ (Webseite „lokalkompass“, 13.7.13) Das wird der eingangs zitierte Jacobi genauso sehen. Er verhinderte die Kandidatur einer Aktivistin, weil „unsere Wähler (ihre) Transsexualität nicht verstehen“ würden. (Soester Anzeiger, 25.6.13)

Genau solche Auseinandersetzungen, in denen er Farbe zu bekennen gezwungen ist, fürchtet der AfD-Vorstand. Je mehr die Partei als das kenntlich wird, was sie ist, ein reaktionärer Haufen, desto mehr schwinden ihre Möglichkeiten, eine breite Anhängerschaft an sich zu binden. Daher auch die rabiaten Methoden, wenn es darum geht, Parteioppositionelle auszuschalten.

Es gibt eine Seite von Parteioppositionellen, in denen über die Machenschaften der AfD-Vorstände berichtet wird: http://alternativernewsletter.wordpress.com/ . Infos bietet auch eine Anti-AfD-Seite bei Facebook: https://www.facebook.com/GegenDieAlternativeFuerDeutschland sowie http://afdwatch.de/

Nachtrag: Am 15.7. hat die AfD eine Pressekonferenz abgehalten, in denen sie die Ergebnisse ihrer Arbeitsgruppen zur Verteidigungs-, Gesundheits- und Energiepolitik vorstellte. Die Partei stört sich sehr daran, als „Ein-Themen-Partei“ wahrgenommen zu werden; und so sollte diese Pressekonferenz ein Befreiungsschlag werden. Stattdessen wurde sie ein Rohrkrepierer!

Womit wir bei der Verteidigungspolitik wären. Hier wurde ein Arbeitspapier vorgestellt, das aus ein paar Allgemeinplätzen besteht, wie dem, Soldaten seien von der Bundeswehrreform verunsichert oder die Ausrüstungs- und Waffenbeschaffung müsse verbessert werden. Die BuWe solle sich auf die Landesverteidigung konzentrieren, und sollte es doch zu Einsätzen außerhalb des NATO-Gebietes kommen, müsse das Grundgesetz angepasst werden.

Wenig überraschend ist, dass die AfD mehr Konkurrenz unter den Krankenkassen wünscht und dass sie in Worten zwar gegen eine Zweiklassenmedizin eintritt, aber dennoch für die Beibehaltung von gesetzlichen und (besser gestellten) Privatkrankenkassen ist. Schlechte Arbeitsbedingungen und Bezahlung im Gesundheitsbereich werden genau so wenig thematisiert wie die Riesengewinne der Pharmakonzerne. Einige AfDlerInnen sprachen sogar von einem FDP-liken Konzept.

Zur Energiepolitik ebenfalls das schon sattsam bekannte Sowohl-als-auch. Einerseits ist man für fossile Energieträger, andererseits will man den CO2-Ausstoß verringern; Atomkraftwerke müssen nicht unbedingt sein, aber kerntechnische Forschungen auf jeden Fall; erneuerbare Energiequellen werden bejaht, dürfen aber nichts kosten; die Energiewende soll für die Bürger billiger werden, aber die Billigtarife für die Industrie werden nicht angegriffen.

Beim Thema Klimawandel sah sich Bernd Lucke gezwungen, seinem „Fachreferenten“ über den Mund zu fahren, als der die Gelegenheit nutze, endlich einmal seine ganz speziellen Gedanken auszubreiten. So sagte Stephan Boyens, der Klimawandel sei nicht Menschen gemacht, und derzeit existiere er gar nicht. Lucke bezeichnete das dann als Privatmeinung und erklärte, dass der Klimawandel Menschen gemacht sei.
Alles in allem: In den seltenen Fällen, in denen unmissverständlich Positionen bezogen werden, sind diese neoliberal geprägt. Fachkompetenzen, so sie denn vorhanden sind, treten immer wieder hinter dem Wunsch zurück, extravagante Thesen zu äußern. Lucke als unangefochtener Chef im Ring sucht das sofort wieder gerade zu biegen und zeigt sich dabei meist angepasst. Viel Sprengsatz für die AfD!

Editorische Hinweise
Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.