Sonderseiten zur Bundestagwahl 2013
Stellungnahmen aus dem antikapitalistischen Spektrum

Interview mit dem Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten der MLPD, Stefan Engel

08-2013

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Mit der Offensive die revolutionären Potenziale erweitern

Die MLPD tritt zur Bundestagswahl an. In welcher Situation und mit welchen Zielen findet das statt?

Wir befinden uns in der seit fünf Jahren anhaltenden tiefsten Weltwirtschafts- und Finanzkrise in der Geschichte des Kapitalismus. Fast wöchentlich gibt es in irgendwelchen Teilen der Welt Massendemonstrationen, Massenstreiks oder gar Massenaufstände. Unübersehbar ist auch der Umschlag in eine globale Umweltkatastrophe weitergegangen mit einschneidenden Folgen für das Leben breiter Massen.

In dieser Situation steigt der Anteil der Menschen, die sich vom herrschenden Politiksystem des Kapitalismus nicht mehr vertreten fühlen und daher nach einer grundlegenden Alternative suchen. Das gilt auch für Deutschland, auch wenn die Widersprüche im Allgemeinen noch nicht so offen aufbrechen wie in anderen Ländern.
Die großen bürgerlichen Parteien CDU/CSU und SPD haben seit Anfang der 1990er Jahre 40 Prozent ihrer Mitglieder verloren, die FDP sogar 65 Prozent. Nur noch 42 Prozent – in Ostdeutschland 30 Prozent – der Wahlberechtigten haben bei den letzten Bundestagswahlen 2009 die beiden großen bürgerlichen Parteien gewählt. Der Anteil derer, die nach Umfragen eigentlich keine der bürgerlichen Parteien mehr wählen wollen, steigt kontinuierlich auf 40 bis 50 Prozent
der Wahlberechtigten. Darunter sind die 30 bis 40 Prozent Nichtwähler sowie zirka 10 Prozent, die sich vorstellen können, eine kleine, nicht im Bundestag vertretene Partei zu wählen.

Das Klischee, dass dieses große Potenzial von Nichtwählern weitgehend unpolitisch sei, wurde von einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung gründlich widerlegt: „Nichtwähler sind durchaus politisch interessiert und informiert.“ (1)

Doch löst das Nichtwählen kein Problem. Diese Leute müssen raus aus der politischen Sackgasse einer rein negativen und passiven Kritik. Die zunehmend grundsätzliche Kritik am Kapitalismus muss eine positive und aktive Perspektive gewinnen: für eine radikal linke, revolutionäre und echte sozialistische Alternative! Darauf zielt unsere Offensive für den echten Sozialismus und gegen den modernen Antikommunismus ab!

Die Beteiligung an Bundestagswahlen ist für die MLPD immer eine besondere Kraftanstrengung. Ist es das wert?

Wir machen uns nichts vor: Die bürgerlichen Parlamentswahlen sind eine Methode, mit der das internationale Finanzkapital auch in Deutschland seine Alleinherrschaft über Staat, Wirtschaft und Gesellschaft unter dem Deckmantel von angeblich freien Wahlen verschleiern will. Dafür haben sie erhebliche Hürden gegen die parlamentarische Arbeit durch revolutionäre Kräfte aufgebaut.

Bereits die erste Hürde haben wir mit Bravour genommen: Als einzige linke Partei, die Unterschriften sammeln musste, treten wir in allen 16 Bundesländern mit Landeslisten und in 41 Wahlkreisen mit Direktkandidaten an. Mit 43.000 haben wir mehr als die nötigen knapp 40.000 gültigen Unterschriften gesammelt und bestätigt bekommen. In ungefähr einer halben Million Einzelgesprächen bei Tausenden von Einsätzen und Infoständen haben wir bereits sehr vielfältige und konkrete Erfahrungen sammeln können. Sie ermöglichen es uns, unsere Argumente zu schärfen und unsere Überzeugungsarbeit zu verbessern.

Die zweite Hürde war der Bundeswahlausschuss am 5. Juli. Dort wurde die MLPD diesmal ohne wesentliche Beanstandung zugelassen und damit auch der Parteienstatus der MLPD bekräftigt.

Die dritte Hürde ist die finanzielle Privilegierung der etablierten Parteien durch Steuergelder mit der Rekordsumme von 150 Millionen Euro im letzten Jahr. Wir dagegen finanzieren unseren Wahlkampf allein durch Spenden und die ehrenamtliche Initiative der Massen.

Die vierte Hürde ist die undemokratische 5-Prozent-Klausel: Bei etwa 80.000 Stimmen müssten wir eigentlich ein Abgeordnetenmandat bekommen. Es ist eine große Missachtung des Wählerwillens, dass alle Stimmen unter 5 Prozent den Parteien zugeschlagen werden, die schon im Bundestag sitzen.

Die fünfte Hürde ist die sogenannte „abgestufte Chancengleichheit“. Danach dürfen wir in vielen Städten und Gemeinden nur einen Bruchteil der Plakate der Bundestagsparteien aufhängen.

Die sechste Hürde ist die Medienmanipulation bis zum Medienboykott. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Fernsehen werden von den Bundestagsparteien kontrolliert. Sie sitzen in den Verwaltungs- und Fernsehräten und bestimmen die Leitlinien der Bundestagsberichterstattung. Während wir im Fernsehen täglich stundenlang die führenden Köpfe von CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne und Linkspartei ertragen müssen, wird gerade wieder ein Sammelbeitrag über die „sonstigen Parteien“ vorbereitet, der dann wie beim letzten Mal nachts um 23 Uhr ausgestrahlt wird. So wird das Diktat der bürgerlichen Meinungsführerschaft aufrecht erhalten.

Trotzdem wäre es geradezu eine politische Dummheit, dieses demokratische Recht der Wahlbeteiligung nicht zu nutzen. In Wahlzeiten sind die Massen in besonderem Maße politisiert. Sogar mit unseren wenigen Wahlspots im Fernsehen und Radio erreichen wir Millionen. Unser Trumpf bleibt aber die Straße und das persönliche Gespräch. Das macht uns keiner nach! Zehntausende werden wir bei unseren Informationsständen sowie Kundgebungen und Einsätzen an Betrieben, Berufsschulen, Lehrwerkstätten oder Wohngebieten erreichen.

Die Losung „Radikal links, revolutionär – für den echten Sozialismus“ ist eine pointierte, schon fast provokative Frontstellung gegen den Kapitalismus. Schreckt das die Leute nicht ab?

Im Gegenteil! Bei anderen Parteien stehen tatsächlich Tagesfragen im Mittelpunkt. Eine grundsätzliche Infragestellung der kapitalistischen Gesellschaft soll dabei gar nicht erst aufkommen. Wir haben auch konkrete Argumente und Antworten auf konkrete Fragen. Unser Wahlkampf zielt dagegen auf eine grundsätzliche, perspektivische Richtungsentscheidung der vielen nach einer gesellschaftlichen Alternative Suchenden und die dringend nötige Stärkung unserer Partei.

Nehmen wir die Lohnfrage: Selbst die CDU, CSU, FDP, SPD und Grünen kommen nicht mehr an dem Thema vorbei angesichts seit fast 20 Jahren sinkender Reallöhne, der massiv verschärften Ausbeutung, acht Millionen Menschen im Niedriglohnbereich, der Skandale um Leiharbeiterlöhne oder Werkverträge. Alle fordern inzwischen in unterschiedlicher Ausgestaltung und Höhe Mindestlöhne. Auch wir bekämpfen die Überausbeutung zu Niedrigstlöhnen z. B. durch Gleichstellung der Leiharbeiter mit den festangestellten Arbeitern. Damit ist das kapitalistische System der Ausbeutung der Arbeitskraft der Arbeiter aber nicht aufgehoben. Jeder Arbeiter weiß aus eigenen Erfahrungen: Nach jedem erfolgreichen Tarifkampf schaffen es die Kapitalisten, die Errungenschaften der Arbeiter wieder rückgängig zu machen. Das Wesen der kapitalistischen Ausbeutung bleibt, solange den Kapitalisten die Produktionsmittel gehören und sie die politische Macht in den Händen haben.

Im übrigen sind keineswegs nur die Arbeiter im Niedriglohnbereich ausgebeutet! Die 29 größten deutschen Konzerne, die zu den 500 größten internationalen Übermonopolen der Welt gehören, erwirtschaften einen durchschnittlichen Jahresumsatz pro Beschäftigten von zirka 342.000 Euro pro Jahr. Unterstellen wir einen jährlichen Bruttoverdienst von gut 30.000 Euro pro Beschäftigten, so haben diese Übermonopole aus jedem Beschäftigten im Jahr 2012 zirka 310.000 Euro Umsatz über den ausgezahlten Lohn hinaus herausgepresst. Die Arbeiter in den internationalen Übermonopolen stehen also sogar ganz besonders im Zentrum der Ausbeutung. Sollen wir uns mit dieser gewaltigen Ausbeutung abfinden? Radikale Änderungen müssen sich gegen das Ausbeutungsverhältnis selbst richten! „Nieder mit dem Lohnsystem!“ – das war schon die revolutionäre Losung von Karl Marx. Erst im echten Sozialismus wird diese Ausbeutung des Menschen durch den Menschen abgeschafft. In diesem Sinn kämpfen wir um jede konkrete Verbesserung, haben überzeugende Forderungen aufgestellt – und zeigen in jedem dieser berechtigten Anliegen auf, warum man heute radikal links, revolutionär und für den echten Sozialismus sein muss!

Wie ist das Verhältnis zur Linkspartei in dieser Offensive?

Seit über zehn Jahren beobachten wir weltweit und auch in Deutschland einen Linkstrend. Die Linkspartei ist das spontane Ergebnis und seitherige Nutznießerin dieses Linkstrends – nicht ihre Ursache, wie sie gerne behauptet. In diesem Linkstrend gibt es zwei Hauptrichtungen: eine radikal linke revolutionäre Richtung und eine linksreformistische Richtung. Die erste Richtung wird in der deutschen Parteienlandschaft vor allem von der MLPD verkörpert. Die zweite Richtung redet vom „demokratischen Sozialismus“ – als ob es auch einen undemokratischen Sozialismus gäbe! Sie verbreitet die Illusion, den Kapitalismus mit radikal-demokratischen, sozialen und ökologischen Reformen zähmen zu können. Das wird dann auch noch als „demokratischer Sozialismus“ verkauft. Hauptträger dieser Richtung, die den Kapitalismus erhalten will, ist die Linkspartei. Auch wenn es viele Mitglieder der Linken ehrlich meinen mögen: Objektiv dient diese Partei heute dazu, den Linkstrend und das erwachende Klassenbewusstsein in den für die Herrschenden annehmbaren bürgerlich-parlamentarischen Rahmen zu lotsen. Dafür bekam der oberste Wahlkämpfer der Linkspartei, Gregor Gysi, in einem ausführlichen „Sommerinterview“ des ZDF am 28. Juli die Tribüne, die Wähler der Linkspartei auf eine eventuelle Koalition mit der SPD und den Grünen einzustimmen. Ein toller Schritt zum „demokratischen Sozialismus“: Steinbrück, Trittin und Gysi als parlamentarische Geschäftsführer der Diktatur der Monopole! Dass er dafür auch gleich wesentliche von der Basis beschlossene Forderungen des Wahlprogramms gekippt hat, zeigt, wohin die Reise geht. Umso mehr: die MLPD setzt in diesem Wahlkampf auf eine wirkliche gesellschaftliche Alternative!

Diesmal findet eine Bundestagswahl in der Situation einer negativen Wirtschaftsentwicklung statt. Hat das Auswirkungen?


Tatsächlich hat die 2008 ausgebrochene Weltwirtschafts- und Finanzkrise trotz umfangreicher weltweiter wirtschaftlicher und finanzpolitischer Maßnahmen seit dem Herbst 2011 wieder eine negative Entwicklung eingeschlagen. Der größte Teil der imperialistischen Länder hat mit seiner Wirtschaftskraft das Vorkrisenniveau noch nicht erreicht. Einige Länder vor allem in Südeuropa oder auch Großbritannien sind weit dahinter zurückgefallen. In der Euro-Zone lag die Industrieproduktion im Mai um 1,3 Prozent unter dem Vorjahr. Auch in Deutschland sank die Industrieproduktion im ersten Quartal 2013 um 1,9, im Mai 2013 um 0,9 Prozent. Die BRICS-Staaten – Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika – haben nach einem vorübergehenden Boom zwischen 2009 und 2011 inzwischen ihre Rolle als Ventil für die weltweite Überproduktion abgegeben.

Mit Billionen an staatlichen Subventionen und billigem Geld aus den Zentralbanken versuchen die Imperialisten bisher vergeblich, die Wirtschaft wieder nachhaltig anzukurbeln.

Die staatlichen Subventionen an das internationale Finanzkapital vergrößern bisher lediglich die Staatsschulden. Radikale Kürzungen sozialer Leistungen und Löhne sowie Vernichtung von Arbeitsplätzen vor allem in den völlig überschuldeten Ländern bremsen sowohl den öffentlichen wie den Massenkonsum. Damit vertieft sich die Krise. Tendenziell wird durch die galoppierende Staatsverschuldung die Inflation gefördert, was gegenwärtig durch die niedrige Zinspolitik und schlechte Wirtschaftsentwicklung nur mühsam verhindert wird. Aber wir alle erleben, wie die Energiekosten und zuletzt besonders die Lebensmittelpreise gestiegen sind.

Mit dem billigen Kapital von den Zentralbanken wird zwar die Börse angeheizt – aber zugleich wachsen damit neue, noch größere Spekulationsblasen, die irgendwann mit einem lauten Knall wieder platzen werden.

Die chronische Überakkumulation vertieft nicht nur die Überproduktionskrise. Mit ihrem Zwang zur Kapitalvernichtung beschleunigt sie auch die internationale Strukturkrise: Spekulativ wurden in den letzten Jahren in vielen Branchen riesige Kapazitäten aufgebaut, die jetzt zusammenbrechen: Die deutsche Solarindustrie ist von der chinesischen Konkurrenz weitgehend ruiniert worden. Für Bundesländer wie Brandenburg oder Sachsen-Anhalt eine Katastrophe. Im Automobilbereich tobt ein weltweiter Konkurrenzkampf. Die Pkw-Neuzulassungen sanken in Deutschland im Mai um 10 Prozent, der Export um 5 Prozent und die Produktion um 4 Prozent. Der verschärfte Konkurrenzkampf zwingt zu einer Neuordnung der europäischen Autoindustrie. Schon haben die internationalen Automonopole die Schließung von 16 europäischen Autowerken im Visier.

Die Automobilkrise schlägt auch auf den Stahlbereich durch: Die Stahlwerke wurden nach einer OECD-Studie weltweit auf eine Rohstahlkapazität von 2,2 Milliarden Tonnen – weit über der Produktion
von 1,548 Millionen Tonnen im Jahr 2012 – ausgebaut. ThyssenKrupp verhandelt bereits über seinen Ausstieg aus der Stahlproduktion und gibt immer weitgehendere Pläne der Arbeitsplatzvernichtung bekannt.
Auch der Industrieriese Siemens ist im Schlingern und feuerte seine bisherige Lichtgestalt Peter Löscher.

Die rückläufige Konjunktur wirkt sich auch im Logistikbereich aus: Die Deutsche Bahn erwägt Kurzarbeit im Güterverkehr. Im ersten Quartal 2013 ging das Frachtaufkommen um 10 Prozent zurück.

In den meisten großen Industriebetrieben besteht seit längerem Einstellungsstopp. Die Leiharbeiter werden schleichend entlassen und Zeitverträge nicht verlängert. Die Nichtübernahme der meisten Lehrlinge nach der Ausbildung nimmt nach wie vor zu. Erste Stilllegungen und Entlassungen deuten einen qualitativen Sprung an, der allerdings erst nach den Wahlen deutlich werden wird.

Durch den enorm verschärften Konkurrenzkampf verschieben sich die Gewichte in Weltwirtschaft und Weltpolitik in rasantem Tempo. Der Anteil der internationalen Übermonopole aus der EU an den weltweit 500 Größten ging 2012 auf 97 zurück – 26 weniger als im Jahr 2007. Die Zahl der deutschen Übermonopole ist von 37 im Jahr 2007 auf 29 im Jahr 2012 zurückgefallen. China dagegen hat im gleichen Zeitraum 60 internationale Übermonopole dazugewonnen.

Bei der Entwicklung der Klassenauseinandersetzungen in Deutschland steht zweifellos der Kampf um das Opel-Werk in Bochum im Brennpunkt …

Das stimmt! Von General Motors wurde bereits ein konkreter Taktikwechsel gegenüber der Belegschaft vollzogen, während allgemein noch die Dämpfungspolitik von Monopolen und Bundesregierung in Deutschland vorherrschend ist. Offensichtlich sollen die Bochumer dafür abgestraft werden, dass sie mit ihrem selbständigen siebentägigen Streik 2004 gegen die Werksschließung zu einem Vorbild für die Arbeiterbewegung wurden. „Kämpfen wie bei Opel“ wurde zur gängigen Losung vieler Streiks.

Mit ihrer Abstimmung vom März 2013, in der sich 76,1 Prozent der Belegschaft dafür aussprachen, sich nicht erpressen zu lassen und weder Lohnabbau und Tarifbruch noch die angekündigte Werksschließung zu akzeptieren, haben die Opelaner eine hohe Kampfmoral und sich entwickelnde Klassenselbständigkeit unter Beweis gestellt. In enger Verbindung mit der Kleinarbeit der MLPD und klassenkämpferischer Kolleginnen und Kollegen wird die Opelbelegschaft auch immer besser mit den verschiedensten Varianten der kleinbürgerlich-reformistischen Denkweise wie der Hinhaltetaktik durch die Einigungsstelle fertig. Es bilden sich neue Arbeiterführer heraus, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, sich von der Drohung mit Repressalien nicht einschüchtern lassen. Jede Woche finden kleinere und größere zunehmend selbständig organisierte Versammlungen statt, teils verbunden mit kürzeren Bandstillständen. Obwohl die Mehrheit der Belegschaft schon wiederholt in Abstimmungen für den Streik gestimmt hat, gestaltet sich die Auslösung eines selbständigen Streiks äußerst kompliziert. Eine einfache Wiederholung des selbständigen Streiks von 2004 wird es nämlich nicht geben.

So haben sich die Linksreformisten zwar gegen die offene Klassenzusammenarbeitspolitik der IG-Metall-Führung und der Gesamtbetriebsratsführung gestellt, zeigen jedoch bisher wenig Bereitschaft, sich für die notwendig harte Klassenauseinandersetzung mit dem Weltkonzern General Motors einzusetzen. Ihr eigenes Zurückweichen verbrämen sie mit üblen antikommunistischen Attacken auf die klassenkämpferische Richtung. Die klassenkämpferischen und revolutionären Arbeiterinnen und Arbeiter stehen vor enormen Anforderungen.

Nur durch ein ganzes System der Kleinarbeit in und außerhalb des Betriebes ist ein solcher Arbeitskampf heute möglich. Dabei entstehen auch neue Organisationsformen wie das überparteiliche Frauenkomitee „Basta!“ oder der Solidaritätskreis. Dieser sammelt bereits vor Beginn des Streiks Geld und ist damit Teil der bundesweiten organisierten Vorbereitung, um diesen Streik zu einer Sache aller Arbeiter zu machen.

Als revolutionäre Arbeiterpartei unterstützen wir bundesweit aktiv den Vorschlag „Einen Stundenlohn für die Streikkasse bei Opel!“ und stellen all unser Know-how und unsere Organisationskraft für die Vorbereitung, Auslösung und Führung eines Streiks zur Verfügung. Dazu gehört auch, mit unserer Offensive für den echten Sozialismus und gegen den modernen Antikommunismus den Arbeitern zu helfen, mit der kleinbürgerlich-antikommunistischen Denkweise fertig zu werden, die sich vor allem in Unsicherheiten oder diffusen Vorbehalten gegen die Zusammenarbeit äußert. Ganz wesentlich geht es auch darum, die Betriebsgruppen der MLPD zu stärken.

Denn eine entscheidende Stärkung der MLPD ist Voraussetzung zum Übergang in die Arbeiteroffensive auf breiter Front. Das Verhältnis der Arbeiterklasse zur MLPD rückt ins Zentrum der Auseinandersetzung auf dem Weg zur Arbeiteroffensive! Der Kampf der Opel-Belegschaft ist Sache der gesamten Arbeiterklasse, weil dies ein Vorgefecht der Herausforderungen ist, die auf alle Arbeiter in Deutschland zukommen!

Immer offener drohen Bankrotte von Staatshaushalten und kommunalen Haushalten. Was kommt da auf uns zu?

Es ist eine weltweite Erscheinung der gegenwärtigen Weltwirtschafts- und Finanzkrise, dass sich das internationale Finanzkapital auf Kosten der Staatshaushalte saniert. Insgesamt haben die EU-Staaten bisher 4,5 Billionen Euro zur „Bankenrettung“ eingesetzt. Das hat die Staatsverschuldung der EU27 seit dem Jahr 2007 – vor Ausbruch der Krise – von 7,3 auf 11,0 Billionen Euro gesteigert. Die chronische Gefahr eines Staatsbankrotts bedroht seitdem eine wachsende Zahl von Staaten der Welt. Auch in Deutschland liegen die öffentlichen Schulden inzwischen bei offiziell über 2,2 Billionen Euro. Das sind immerhin 82 Prozent des gegenwärtigen Bruttosozialprodukts. Diese Quote würde sprunghaft in die Höhe schießen, wenn auch nur einer der mühsam errichteten Rettungsschirme der EU zur Anwendung kommen würde.

Staatliche Aufträge, Subventionen, Bürgschaften und Investitionen vor allem in die Infrastruktur sind heute eine unabdingbare Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Konkurrenzfähigkeit des internationalen Finanzkapitals. Darum wollen sie den Staatshaushalt auch weiterhin in ihrem Sinne umverteilen. Hauptsächlich soll die Sanierung der Staatsschulden daher auf die Kommunen abgewälzt werden, wo es die Massen am unmittelbarsten betrifft. Schon jetzt ist ein Großteil der Kommunen in Nordrhein-Westfalen so verschuldet, dass sie weitgehend den Banken gehören. Straßen und Gebäude verkommen und soziale Errungenschaften werden drastisch abgebaut. Bund und Länder wälzen immer weiter Aufgaben auf die Kommunen ab – ohne zu sagen, wo das Geld herkommen soll. Die Insolvenz der US-Stadt Detroit nach Chapter 9 des Insolvenzrechts macht deutlich, wohin auch bei uns die Reise gehen kann.

Schon seit längerem beantworten die bürgerlichen Politiker die Staatsverschuldung auch mit einem dreisten Griff in die Kassen der Sozialversicherungen bzw. verringern ihre Zuschüsse dafür. Die Folgen hat die Masse der Versicherten zu tragen: mit steigenden Anteilen an der Krankenversorgung, mit real massiv sinkenden Renten auf ein Nettorentenniveau von etwa 43 Prozent im Jahr 2030 usw. Die Folge wird eine wachsende Altersarmut sein – insbesondere bei Alleinerziehenden, Frauen, Migranten und den jetzt schon über 6 Millionen Hartz-IV-Empfängern.

Aber ist das alles nicht zwar bedauerlich, aber eben alternativlos, wie es die Kanzlerin Merkel immer betont?

Unsinn! Natürlich gibt es Alternativen! Die Staatsverschuldung zu überwinden, erfordert allerdings grundlegend andere Machtverhältnisse. Völlig zu Recht wurden bei der sozialistischen Revolution 1917 in Russland und der Revolution 1949 in China von den neu entstandenen sozialistischen Staaten alle Schulden bei den imperialistischen Gläubigern sofort niedergeschlagen. Solange diese Länder sozialistisch waren, haben sie durch die Initiative der Massen im Rahmen einer planmäßigen Entfaltung von Wirtschaft und Gesellschaft ausgeglichene Staatshaushalte aufgebaut. Da gab
es keine Spekulation, keine Inflation und keine Staatsverschuldung (2). Die Sozialversicherungskosten wurden allein aus den Umsätzen der Industrie finanziert. Alle Sozialleistungen waren daher für die Bevölkerung kostenlos. Die Massen mussten, wenn überhaupt, nur geringe Steuern bezahlen. Die materiellen Bedingungen für eine solche sozialistische Gesellschaft sind heute mehr denn je geschaffen.

Ägypten, Türkei, Brasilien, Bulgarien – der Aufruhr auf der Welt nimmt offensichtlich Fahrt auf …

Wir hatten 2011 einen „Prozess der länderübergreifenden revolutionären Gärung im Mittelmeerraum“ analysiert. Ein Jahr später mussten wir auf unserem IX. Parteitag nüchtern bilanzieren, dass die Aufstandsbewegungen zunächst in eine Sackgasse geraten waren. Aber nur ein halbes Jahr später entwickeln sich erneut Massenaufstände in verschiedensten Ländern der Welt: Ägypten, Türkei, Brasilien, Bulgarien, Tunesien usw. Es geht um Arbeit und Frauenrechte, gegen Hunger und für Demokratie und Freiheit. Oft lösen vergleichsweise kleine Anlässe – wie die geplante Zerstörung des Gezi-Parks in Istanbul oder eine Fahrpreiserhöhung in Brasilien – die Massenbewegung aus. Ähnlich wie bei den Fontänen der Geysire, den heißen Springquellen, bricht sich plötzlich eruptiv die lange aufgestaute Energie Bahn. Immer mehr wollen die Kämpfenden nicht nur einzelne Reformen oder eine Regierung stürzen. Ihr Kampf richtet sich objektiv zunehmend gegen das System. Ihre Kämpfe spiegeln einen schnellen Verarbeitungsprozess unter den Massen wider. Das System der kleinbürgerlichen Denkweise mit seinen reformistischen Illusionen nutzt sich ab. In Ägypten scheiterte schon nach einem Jahr kläglich der Versuch der Herrschenden mit Hilfe der US- und EU-Imperialisten, über bürgerlich-parlamentarische Illusionen oder die reaktionäre Ideologie der „gemäßigten Muslimbrüder“ eine weitere Revolutionierung zu verhindern. In Tunesien bahnt sich gegenwärtig eine ähnliche Entwicklung an.

Dass offene politische Krisen weltweit zunehmend häufiger aufbrechen, zeigt, wie sich das Potenzial einer revolutionären Weltkrise weiter aufbaut. Wir Marxisten-Leninisten haben eine positive Einstellung zu Revolutionen und Aufständen, fürchten sie nicht wie die Herrschenden oder beklagen sie wie die Reformisten. Sie sind berechtigt, gehen dem Übel an die Wurzel und können zu wirklich nachhaltigen gesellschaftlichen Veränderungen führen! Die Ausrichtung auf die Vorbereitung der internationalen sozialistischen Revolution wird ein besonderes Merkmal unseres Wahlkampfes werden.

Ist das gemeint mit der „neuen Qualität des proletarischen Internationalismus“, auf die der IX. Parteitag der MLPD ausgerichtet hat?

Die MLPD kann in ihrer internationalistischen Arbeit wichtige Fortschritte und Erfolge verbuchen. Am bedeutendsten war die Mitarbeit an der Gründung der ICOR (3) im Jahr 2010. Sie hat heute bereits 45 Mitglieder aus 32 Ländern. Mit der Konstituierung und Arbeitsaufnahme der kontinentalen Koordinierung hat sie sich insgesamt gefestigt. Vor allem wurde untereinander ein beeindruckendes Vertrauensverhältnis hergestellt. Die MLPD hat in Deutschland in einer einjährigen Kampagne erfolgreich die ICOR bekannt gemacht und mit 607.222,86 Euro ein hervorragendes Spendenergebnis erzielt. Davon gingen 10 Prozent an die ICOR.
Unter den Losungen „Alle Atomanlagen stilllegen!“ und „Verbot und Vernichtung aller Atomwaffen!“ riefen ICOR und ILPS (4) zum Widerstand auf und entwickelten eine einjährige weltweite Kampagne und in einigen Ländern eine Unterschriftensammlung. Dies war die erste gemeinsame umweltpolitische Aktivität der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung.

Ein großer Schritt vorwärts und Vorbild für die weltweite Koordinierung in der Arbeiterbewegung war die im März 2013 in Peru erfolgreich durchgeführte 1. Internationale Bergarbeiterkonferenz mit 500 Vertretern aus 25 Nationen. Insgesamt waren fast 50 Länder in den Vorbereitungsprozess eingebunden. Einstimmig wurde die internationale Bergarbeiter-Koordination gegründet. Das ist ein großer Schritt zum Zusammenschluss der kämpferischen und klassenkämpferischen Bergleute in der Welt.

Wenn wir von einer „neuen Qualität des proletarischen Internationalismus“ sprechen, geht es aber um mehr. Wir müssen der Entwicklung eines internationalistischen Bewusstseins unter den Massen und insbesondere im internationalen Industrieproletariat und der Jugend höchste Priorität einräumen.

Dem entgegen steht eine ausgeprägte kleinbürgerlich-internationalistische Tendenz, die bei jedem der bisherigen Projekte international auf eine bestimmte Art in Erscheinung trat. So musste zum Beispiel auf der Weltfrauenkonferenz oder bei der Bergarbeiterkonferenz eine Tendenz mancher Akteure zur Trennung von der Kleinarbeit unter den Massen regelrecht niedergerungen werden.

In unserem Wahlkampf wird es darauf ankommen, die internationalistische Arbeit eng mit unserer systematischen Kleinarbeit zu durchdringen.

War die „Energiewende“ der Bundesregierung nur ein Täuschungsmanöver?


Zunächst blieb der Merkel/Rösler-Regierung nach der Atomkatastrophe in Fukushima und den Massenprotesten gegen die Atomkraftwerke nicht viel anderes übrig, als ihr Gesetz zur Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke zurückzuziehen und damit zumindest den Eindruck rastloser Sorge um die Umwelt zu erwecken. Als jedoch die Umstellung auf alternative Energien vor allem durch die Eigeninitiative der Massen viel schneller ging als geplant, da griffen die Energiemonopole ein. Sie fürchteten schon diese Einschränkung ihrer Märkte und Maximalprofite. Der damalige CDU-Umweltminister Norbert Röttgen wurde durch Peter Altmaier ausgewechselt und die Energiewende ausgebremst. Inzwischen geht es nicht mehr nur um ein „Rollback“, sondern um eine Verschärfung. So dürfen die deutschen Kohlekraftwerke im Jahr 2012 sogar 4 Prozent mehr CO2 als im Vorjahr ausstoßen.

Vor allem mit der EEG-Umlage wird der Verbraucherpreis systematisch in die Höhe getrieben, um den Energiemonopolen ihre Höchstprofite zu garantieren und die Massen gegen erneuerbare Energien aufzubringen. Stromintensive Branchen wurden dagegen mit extrem billigem Strom von 4 Cent pro Kilowattstunde subventioniert.

Ein weiterer Skandal ist die Forderung der EU auch unter Energiekommissar Günther Oettinger (CDU), Atomstrom europaweit wieder auszubauen und das sogar staatlich zu subventionieren.
Die weltweite kapitalistische Produktionsweise und der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit stehen sich inzwischen unversöhnlich gegenüber. Um die Umwelt zu retten, muss der Kapitalismus überwunden werden.

Die Umweltarbeit hat für die MLPD eine sehr große Bedeutung bekommen. Wie stellt sich die Partei zurzeit darauf ein?

Der IX. Parteitag beschloss die Umweltarbeit als zweitwichtigste Kampflinie für die Vorbereitung der internationalen sozialistischen Revolution.

In der MLPD, aber auch unter den Massen ist ein Kampf um die notwendige neue Qualität und strategische Veränderung der Umweltbewegung entbrannt. Es wurden eine Reihe neuer Umweltgruppen gegründet und das umweltpolitische Profil der MLPD gestärkt und weiterentwickelt. Die „Strategiekonferenz Umweltbewegung“ am Pfingstmontag in Schwerte mit 320 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, darunter viele Vertreter wichtiger Umweltinitiativen und -verbände, war sicherlich erfolgreich. Es wurde ein Gründungskongress der Umweltgewerkschaft und die Gewinnung von mindestens 5.000 Initiatoren bis Herbst 2014 beschlossen. Ohne Zweifel wird aber weiterhin massiv unterschätzt, dass wir eine ganz neue Qualität der Umweltbewegung brauchen, um diese schon begonnene Katastrophe zu stoppen.

Die MLPD bezeichnet die Lösung der sozialen und der Umweltfrage als ihr Markenzeichen. Was ist darunter zu verstehen?

Für uns erschöpft sich die soziale Frage nicht in sozialpolitischen Reformen. Für uns hat sie zwei grundlegende Seiten: die Ausbeutung durch die Lohnarbeit in den Betrieben und die doppelte Ausbeutung und Unterdrückung der Masse der Frauen durch die bürgerliche Staats- und Familienordnung.

Dieses soziale Frage ist ebenso wie die Umweltfrage heute nur im Sozialismus zu lösen! Die Umweltkrise ist inzwischen mit der kapitalistischen Produktionsweise gesetzmäßig verbunden. Das bedeutet die Gefahr einer Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen allen (menschlichen) Lebens, wenn der Imperialismus weiter wüten kann. Im notwendigen revolutionären Sturz des Imperialismus werden die soziale Frage und die Umweltfrage identisch. Sie können heute nur in Einheit miteinander und in gegenseitigem Wechselverhältnis gelöst werden.

Das internationale Industrieproletariat ist die entscheidende Kraft zum Sturz des internationalen Finanzkapitals und damit für die Lösung der sozialen Frage sowie der Umweltfrage.

Die durch die Umweltkatastrophe Bedrohten sind zur größten Gruppe aller Unterdrückten geworden. Unsere Losung „Proletarier aller Länder und Unterdrückte, vereinigt euch!“ zielt auf die Schaffung einer dem Imperialismus überlegenen Kraft. Die herkömmliche Umweltbewegung ist stark davon geprägt, auf besonders einschneidende Entwicklungen zu reagieren. Sie prangert an, sie ist sachkundig und entwickelt von Fall zu Fall kämpferische Aktivitäten. Sie ist aber damit der Gefahr der globalen Umweltkatastrophe nicht gewachsen!

Eine überlegene Kraft zu werden, ist nicht denkbar ohne dauerhafte Organisiertheit – ohne Überwindung antikommunistischer und arbeiterfeindlicher Vorbehalte, nationaler Beschränktheit, der Anbetung der Spontaneität und des Vertrauens in die Lernfähigkeit der Herrschenden. Das ist ein tiefgehender Selbstveränderungsprozess gegenüber einer 40-jährigen Prägung der Umweltbewegung, der sich auch in den Auseinandersetzungen in unserer Partei widerspiegelt.

Gibt es solche weitreichenden Auseinandersetzungen um die Selbstveränderung der Parteiarbeit nur im Umweltbereich?

Nein! Die Beschlüsse des IX. Parteitags gaben auf dem Hintergrund der höchst komplizierten Situation auf der Welt weitreichende Impulse für die Selbstveränderung aller Bereiche der Parteiarbeit. Das übersteigt angesichts der gewachsenen Verantwortung der MLPD die Dimension aller bisherigen Parteitage!

Nehmen wir nur unsere Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, die ja ein anerkanntes Qualitätsmerkmal der MLPD ist. Doch die notwendige neue Qualität der Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit geht weit über das hinaus, was wir im Revolutionären Weg 11 und 12 „Gewerkschaften und Klassenkampf“ als Fundament unserer Arbeit ausgearbeitet und erkämpft haben. Inzwischen haben sich eine ganze Reihe neuer Wesensmerkmale der Arbeit an der Hauptkampflinie herausgebildet, die erkannt, erprobt und gegen kleinbürgerliche Prägungen hart erkämpft werden müssen. Allein schon der Begriff „Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit“ ist dafür im Grunde inzwischen schon zu eingeengt!

Zu ihren neuen Merkmalen gehören die Notwendigkeit einer konkreten Strategie und Taktik im Kampf um die Denkweise oder die Herausforderungen aus der Internationalisierung des Klassenkampfs. Die soziale Frage kann nicht nur auf das System der Lohnarbeit beschränkt werden, sondern muss den ganzen Umfang der Produktion und Reproduktion des menschlichen Lebens einbeziehen. Das bedeutet, die Lebensverhältnisse der Arbeiter und ihrer Familien, den Kampf um die Befreiung der Frau als Bestandteil der sozialen Frage zu begreifen. Ebenso gehört heute der Kampf um die Rettung der Umwelt vor der Profitwirtschaft unabdingbar zum unspektakulären System der Kleinarbeit in Betrieb und Gewerkschaft!

Die Hauptarbeit zur Führung von Streiks muss heute schon vor ihrer Auslösung erfolgen. Die Betriebsgruppen müssen gestärkt, neue Organisationsformen in der überparteilichen Zusammenarbeit mit den Arbeitern – wie die Redaktionen der Betriebs- und Konzernzeitungen – müssen beharrlich aufgebaut werden. Über all dem darf niemals die schöpferische Initiative in der positiven Gewerkschaftsarbeit oder den inzwischen zahlreichen betrieblichen Vertrauensfunktionen vernachlässigt werden. Das ist ganz schön viel Holz und wir führen darüber lebhafte und schöpferische Auseinandersetzungen.

Wie weit ist die theoretische Arbeit des Zentralkomitees am Revolutionären Weg 35 „Der Klassenkampf und der Kampf um die Einheit von Mensch und Natur“?

Die Arbeit geht planmäßig voran, sodass wir noch in diesem Monat einen ersten Rohentwurf für das Manuskript vorlegen werden. Wenn nichts Wichtigeres dazwischenkommt, wird das Zentralkomitee über die Herausgabe dieser Nummer des theoretischen Organs bis Ende 2013 beschließen können. Sie wird eine Reihe grundlegender Erkenntnisse und Analysen enthalten, die uns helfen werden, mit der Unterschätzung der Umweltfrage fertig zu werden. Weltanschaulich mussten wir erst zurück zu Marx und Engels. Wir mussten die in der internationalen marxistisch-leninistischen und Arbeiterbewegung weitgehend verschütteten grundlegenden Erkenntnisse über die Einheit von Mensch und Natur vollständig begreifen und auf die neue Situation anwenden. Politisch mussten wir unsere Analysen über die Entwicklung der globalen Umweltkrise vorantreiben. Wir sind bereits zu dem einschneidenden Ergebnis gekommen, dass wir nicht mehr erst am Beginn des Umschlags in eine globale Umweltkatastrophe stehen, sondern uns inzwischen bereits mitten drin befinden. Vier Faktoren veranlassten uns, seit den 1990er Jahren vom begonnenen Umschlag in die globale Umweltkatastrophe zu sprechen: der Treibhauseffekt, das wachsende Ozonloch, die beschleunigte Vernichtung tropischer Regenwälder und die drastische Zunahme regionaler Umweltkatastrophen. Sie haben sich beschleunigt weiterentwickelt.

Zum anderen sind neue Faktoren der Umweltkrise dazugekommen, die in ihrem Zusammenwirken eine neue Qualität ausmachen: die Versauerung, Verschmutzung und Erwärmung der Weltmeere; die Zerstörung von regionalen Ökosystemen und das daraus folgende Artensterben; der Raubbau fossiler Rohstoffe sowie die Verschwendung von Energie bis zur Erschöpfung der natürlichen Ressourcen und schließlich die Vermüllung und Vergiftung der natürlichen Umwelt – so auch mit Millionen Tonnen von verstrahltem Atommüll.

Diese Entwicklung erfordert dringend, mit den strategischen Beschlüssen des IX. Parteitags der MLPD ernst zu machen und jede Zögerlichkeit bei ihrer Umsetzung zu überwinden.

Wie beurteilst du die aufgedeckte gigantische Bespitzelung der Massen sowie die wachsende Militarisierung und Kriegsgefahr?

Eine revolutionäre Entwicklung möglichst frühzeitig zu erkennen und im Keim zu ersticken, das ist die Aufgabe der Geheimdienste. Wenn es gegen die zunehmende Kritik der Massen und deren begonnenen Widerstand geht, dann sind sich die Geheimdienste aller imperialistischen Mächte einig und arbeiten eng zusammen. Daher ist es eine pure Heuchelei, wenn die jetzige Regierung – allen voran Kanzlerin Merkel – angesichts der aufgedeckten Bespitzelungsaffäre und Zusammenarbeit aller Geheimdienste die Ahnungslose spielt. Und es ist genauso eine Heuchelei, wenn die Opposition aus SPD und Grünen jetzt die Empörten spielt. Denn diese Geheimdienstzusammenarbeit funktioniert schon seit Jahrzehnten und wurde unter „rot-grüner“ Regierung seit dem 11. September 2001 noch einmal intensiviert.

Pikanterweise wurde jetzt eine wichtige Parallele zwischen diesem Bespitzelungsskandal und dem Drohnen-Skandal um die Euro-Hawk bekannt: Die Euro-Hawk ist vor allem eine Spähdrohne. Und die Verschlüsselungsgeräte samt Software für die ausspionierten Mobilfunkgespräche usw. hat ausgerechnet die NSA geliefert! Neben dieser Überwachung von Massenkämpfen können Drohnen auch gezielt töten. Die Merkel-Regierung hält an der Anschaffung von Kampfdrohnen fest, die besonders für die Aufstandsbekämpfung und die gezielte Liquidierung von Revolutionären im In- und Ausland geeignet sind. Dass diese skrupellose Aufstandsbekämpfungs- und Kriegspolitik der Bundesregierung entgegen allen Verschleierungsversuchen ein Stück weit aufgedeckt worden ist und am Pranger steht, darin liegt die eigentliche politische Brisanz dieses Drohnen-Skandals. Wer wie die bürgerliche Opposition nur auf die Hunderte Millionen verschleuderter Kosten zeigt, lenkt von diesem politischen Kern ab. In mutigen Leuten wie Edward Snowden, weltweiten Demonstrationen gegen die Massenbespitzelung und auch Erfolgen wie der erkämpften Entlassung von Gustl Mollath aus der Psychiatrie zeigt sich die Entschlossenheit der Massen, der reaktionären, dekadenten Unterdrückung entgegenzutreten.

Die Offensive zielt auch gegen den modernen Antikommunismus. Was ist damit gemeint?

Einer massenhaften Zuwendung zum Sozialismus stehen noch zwei große Barrieren im Wege:
Zum einen die Erfahrungen mit der Restauration des Kapitalismus in den ehemaligen sozialistischen Ländern und die Entartung der ehemals kommunistischen Parteien. Die antikommunistische Propaganda schiebt diesen Verrat am Sozialismus der Idee des Sozialismus in die Schuhe. In den Köpfen vieler hat sich daher eine Haltung festgesetzt: „Sozialismus ist eigentlich eine gute Idee, aber es hat halt nirgendwo funktioniert.“ Daher ist die offensive Verbreitung unserer Lehren aus der Restauration des Kapitalismus über die entscheidende Rolle der Kontrolle der Denkweise in Partei, Wirtschaft und Staat eine ausschlaggebende Bedingung, um dem Sozialismus wieder massenhaft neues Ansehen zu verschaffen.

Die zweite Barriere ist der moderne Antikommunismus als regelrechter „weltanschaulicher Staatsterror“ unseres kapitalistischen Staates. Er gibt sich kritisch gegenüber dem Kapitalismus, verbreitet aber Tausende von Vorbehalten, Halbwahrheiten und Lügen, um die Massen abzuschrecken. Er bombardiert die Massen aus allen Medien, aus Vorbehalten, aus der Gepflogenheit scheinbar selbstverständlicher antikommunistischer Prinzipien vieler Massenorganisationen. Er wirkt in erster Linie als subtiler Einfluss der kleinbürgerlich-antikommunistischen Denkweise. Das macht die Auseinandersetzung damit besonders kompliziert. Denn oft wird das erst mal von den Leuten gar nicht so thematisiert – sie sehen sich ja selbst nicht
als Antikommunisten. Aber die kleinbürgerlich-antikommunistische Denkweise wirkt in subtilen Ängsten, lieber nicht allzu eng mit Marxisten-Leninisten zusammenzuarbeiten: Man könnte ja vielleicht Schwierigkeiten bekommen; es könnte vielleicht doch was an der Hetze des Verfassungsschutzes dran sein; oder man weiß nicht so recht, worauf man sich da wirklich einlässt usw.

Damit richtig umzugehen, wird ein wichtiges Thema unserer Offensive. „Klare Kante“ mit der Polarisierung gegen den modernen Antikommunismus zu zeigen, erleichtert den Massen, mit der kleinbürgerlich-antikommunistischen Denkweise fertig zu werden. Mit den Ängsten und Sorgen der Leute muss freimütig, überzeugend, solidarisch und gefühlvoll umgegangen werden.

Dabei müssen wir den Klassencharakter des modernen Antikommunismus aufdecken und ihn selbstbewusst und offensiv angreifen. Die Polarisierung gegen den modernen Antikommunismus muss dann aufs Engste mit einer intensiven Überzeugungsarbeit verbunden werden. Deshalb ist eine regelrechte Offensive unseres Literaturverkaufs wichtig, um das wachsende Interesse auch zu fundieren. Auch unsere Veranstaltungsreihe über die Klassiker des Marxismus-Leninismus wird dazu beitragen. Sie wird übrigens nächste Woche in der „Horster Mitte“ in Gelsenkirchen eröffnet.

Ihr legt größten Wert auf die Arbeit eurer Wählerinitiativen. Warum?

Wir machen einen Wahlkampf, um die Menschen zu mobilisieren, selbst – gemeinsam mit uns – neue Politikerinnen und Politiker zu werden. Dazu haben die Wählerinitiativen eine herausragende Bedeutung. Während sie bei den letzten Wahlen ein Instrument waren, den Wahlkampf zu organisieren, wird jetzt über die Wählerinitiativen der gesamte Wahlkampf der MLPD organisiert. Das steigert natürlich die Anforderung, darin mitzuarbeiten – macht sie aber auch reizvoller. Zurzeit sind es 61 Wählerinitiativen mit etwa 3.000 Mitgliedern. Nach den Erfahrungen der letzten Wahlen gehen wir davon aus, dass diese Anzahl sich im Laufe des Wahlkampfes deutlich vergrößern wird. Jeder hat darin die Chance, unsere Kandidaten, unsere Partei mit ihrem System der Kleinarbeit, unsere Ziele, unser Arbeitsweise und nicht zuletzt unser solidarisches Miteinander und unsere Festkultur aktiv kennen zu lernen und sich einzubringen. Damit wird zugleich auch antikommunistischen Vorbehalten der Boden entzogen beziehungsweise können sie gegebenenfalls freimütig geklärt werden. Jede Wählerinitiative ist mit grundlegenden Diskussionen über Kernfragen des Klassenkampfs und des Wahlkampfs verbunden. Die Menschen können dort lernen, organisiert, bewusst und planmäßig zu denken und zu handeln. Als besonderes Ziel haben wir uns auch einen Anteil von 20 Prozent Jugendlichen gestellt.

Welche Rolle spielt die Jugendarbeit dabei?

In unserer Offensive für den echten Sozialismus richten wir uns besonders an Jugendliche und Kinder, selbst aktiv zu werden und sich im REBELL und bei den Rotfüchsen zu organisieren. Jugendliche rebellieren weltweit gegen die drastischen Auswirkungen der Weltwirtschafts- und Finanzkrise. Es kommt darauf an, sie als praktische Avantgarde der Vorbereitung der internationalen Revolution zu gewinnen und auszubilden. Es ist wichtig, dass die Wählerinitiativen die Jugendarbeit zu ihrer Sache machen, auch wenn das nicht so einfach ist. Derzeit arbeiten noch wenige Jugendliche wirklich organisiert und dauerhaft mit. Das ist einerseits sicher auch ein gesellschaftliches Phänomen, dem wir zu Leibe rücken müssen. Andererseits aber auch eine Herausforderung an die Partei, jede Distanz, aber auch Opportunismus und Sektierertum gegenüber der Jugend zu überwinden.

Unser Jugendverband REBELL hat in Verbindung mit der neuen Qualität des proletarischen Internationalismus und als rebellischer Akteur des Kampfes gegen den modernen Antikommunismus in den letzten Monaten an Anziehungskraft gewonnen. Diese Merkmale müssen wir in der Offensive weiter ausbauen und damit voll auftrumpfen!
Wer der Jugend gerecht werden will, der darf sie nicht verhätscheln! Sondern wir müssen sie herausfordern, selbst Politik zu machen, müssen sie gründlich dafür ausbilden und ihnen helfen, mit der kleinbürgerlich-antiautoritären Denkweise fertig zu werden. Auch das ist einer der wesentlichen Selbstveränderungsprozesse unserer Parteiarbeit.

Die revolutionären Potenziale erweitern – in Deutschland und international – das ist das erklärte Ziel unserer Offensive im Zusammenhang mit den Bundestagswahlen. Dazu gehört in erster Linie die Stärkung unserer Partei und unseres Jugendverbandes. In den Mittelpunkt rückt jetzt der Kampf um jede Stimme. Die Stimme für die MLPD bei den Wahlen hat zwar angesichts des manipulativen bürgerlichen Wahlkampfbetriebs nur eine relative Bedeutung für das Wahlergebnis. Sie hat aber doch eine hohe Aussagekraft als wichtiges Merkmal für die Entwicklung des Bewusstseins der Massen. Denn jede Stimme für die MLPD ist eine bewusste Zustimmung zu einem revolutionären sozialistischen Ausweg und für die Unterstützung der MLPD und ihrer Kandidaten. Das wird sich mit Sicherheit – früher oder später – auch in einer Stärkung der revolutionären Kräfte und einem Aufschwung des Übergangs zur Arbeiteroffensive auf breiter Front ausdrücken.

Viel Erfolg dabei und vielen Dank für das Interview!


Quellen:
(1) Manfred Güllner, „Nichtwähler in Deutschland“ – eine Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung, 17. 6. 2013
(2) s. zum Beispiel „Das erste Vierteljahrhundert des neuen China“, Peking 1975, S. 60 ff.
(3) Internationale Koordinierung revolutionärer Parteien und Organisationen
(4) Internationaler Bund des Kampfs der Völker

 

Editorische Hinweise

Wir spiegelten das Interview von der Website der MLPD.