Die Regierungspartei PDK bot der „Bewegung für Selbstbestimmung“
( VV) eine gemeinsame Regierungsbildung in Kosova an. Die Partei
von Hashim Thaci, scheint im Panik zu verfallen. Das Angebot an
die „Bewegung für Selbstbestimmung“ ist ein Ausdruck von Angst
und Verzweiflung. Die VV gilt bis dato als Hauptkritiker der
Regierung Thaci. Jetzt wurde VV das Angebot unterbreitet, den
Ministerpräsidenten und sechs Minister zu stellen.
Umgehend wies der Sekretär von VV, Dardan Molliqaj, das
provokative Angebot zurück. In der Antwort von VV, wird die PDK,
zum Hauptverantwortlichen für die soziale Lage in Kosova
erklärt. Eine gemeinsame Regierung zwischen PDK und VV steht
nicht zur Debatte. Gegenwärtig versucht die PDK , Abgeordnete
von der LDK, der AAK , sowie von Nisma insgeheim zu kaufen oder
abzuwerben. Die PDK stellt nur noch 37 Abgeordnete im Parlament.
Sie benötigt allerdings um eine neue Regierung zu bilden 61
Stimmen. Um dieses Ziel zu erreichen scheint fast jedes Mittel
recht zu sein. Dennoch gibt es eine Debatte von Freunden und
Sympathisanten bei VV, bezüglich der Teilnahme oder
Unterstützung einer Regierung, bestehend aus dem
Oppositionsblock. Die VV hat insgesamt neun Punkte für die
Unterstützung einer Koalitionsregierung aufgestellt. Darunter
befinden sich so wichtige Punkte , wie der Verzicht auf dem
Verkauf der „Post und Telekommunikation“ ( PTK) dem Verkauf des
Energiegiganten KEK und der Erhalt des Rohstoffgiganten Trepca,
in gesellschaftlicher Hand. Allerdings gibt es eine Debatte, ob
sich VV an einer Regierung direkt beteiligen soll. Dazu will ich
meine persönliche Meinung kurz darstellen.
Reaktion oder Fortschritt ?
Die Parteien LDK, AAK und Nisma
stellen vom Prinzip her keine gesellschaftliche Alternative zur
gegebenen Gesellschaftsordnung dar. Auch in ihren Reihen
herrscht Korruption und Unterwürfigkeit gegenüber
internationalen Mächten vor. Es ist in der Tat extrem wichtig
den kolonialen Status von Kosova aufzuheben. Vor einigen Jahren
forderte der IWF, die Privatisierung der Post und
Telekommunikation ( PTK), um die neue Autobahn nach Mazedonien
finanzieren zu können. Erst unter dem Druck der Arbeiter und dem
Druck der“ Bewegung für Selbstbestimmung“ konnte diese
Privatisierung nicht durchgeführt werden. Die oben genannten
Parteien stimmten erst gegen die Privatisierung, nachdem sich
außerparlamentarischer Widerstand formierte. Letzteres ist im
Kosova extrem wichtig. Ohne die Entwicklung von Massenaktivität,
Arbeiterstreiks und Studentenprotesten, kann es keinerlei
gesellschaftlichen Fortschritt geben. Eine Regierung bestehend
aus dem bisherigen Oppositionsparteien wird unter dem Druck der
imperialen EU, die Verhandlungen mit Serbien weiter führen . Es
sei denn das Volk und die Massen entwickeln Eigenaktivität und
stellen die berühmte „Stabilität“ in Kosova infrage. Eine
Regierungsbeteiligung vor VV kann und wird die Aktivitäten
außerhalb des Parlaments nicht befruchten sondern eher
unterminieren. Bis dato gilt in weiten Teilen der kosovarischen
Gesellschaft , die „Bewegung für Selbstbestimmung“ als
Alternative zur gegebenen Situation, bestehend aus Armut, Not
und Unterdrückung. Eine Regierungsbeteiligung wird VV wird die
selbsttätige Massenaktionen in Kosova nicht stärken sondern
schwächen. Es gilt an der Aufgabe festzuhalten: Das gesamte
System in Kosova und auf dem Balkan elementar infrage zu
stellen. Eine Regierungsbeteiligung liquidiert diese Haltung.
Die Eigendefinition von VV als „sozialdemokratische Kraft“ ist
bereits eine Hinwendung zu den gegebenen Strukturen. Was Kosova
wirklich benötigt ist eine links radikale Alternative zum
gegebenen Leben. Diese Alternative darf nicht verwechselt werden
mit dem Stalinismus. Es gilt die Begriffe Demokratie und
Sozialismus, in einer dialektischen Einheit zu verbinden. Jede
Bezugnahme auf einen irgendwie geartetes skandinavisches Modell
als Perspektive für Kosova, ist absurd und irreal. In den
skandinavischen Ländern hat auch der Neoliberalismus Einzug
gehalten. Es gibt in Schweden nicht mehr die Pflicht,
Vollbeschäftigung zu garantieren, wie es bis 1993 für die
Nationalbank galt. Auch in den skandinavischen Ländern werden
soziale und demokratische Rechte im Rahmen der allgemeinen Krise
des Kapitalismus abgebaut. Diese Bemerkungen sind nötig, da es
tatsächlich innerhalb von VV eine Strömung gibt, die ein
„skandinavisch sozialdemokratisches Modell“ anstrebt. Kosova ist
das ärmste Land in Europa mit einem Lebensstandard, der sich mit
vielen Gebieten in Afrika vergleichen lässt. Innerhalb der
kapitalistischen Weltordnung ist Kosovas Status der einer
Rohstoffkolonie für die imperialistischen Hauptländer. Es wird
in Kosova keinerlei breite Investitionen im Bereich einer
verarbeitenden Industrie geben. Kapitalistische Konzerne haben
das Interesse Rohstoffe wie Zink, Nickel, Kupfer, Chrom und Blei
aus Kosova mit einigen wenigen billigen Arbeitskräften abzubauen
und abzutransportieren. Eine nachholende Entwicklung zu einem
modernen bürgerlichen Staat ist für die zurückgebliebenen
Gebiete wie Kosova ,im Rahmen der gegebenen Weltordnung
ausgeschlossen. Deshalb ist jede ernst zu nehmende Opposition
dazu verpflichtet ein antikapitalistisches und
antiimperialistisches Programm zu vertreten. Auch das Recht
Kosovas sich mit Albanien zu vereinigen muss gegen den
Imperialismus erkämpft werden. Dabei ist es wichtig soziale und
patriotische Forderungen miteinander zu kombinieren. Es werden
nicht viele Menschen bereit sein für die Vereinigung mit
Albanien zu kämpfen wenn nicht gleichzeitig, die Herstellung von
sozialer Gerechtigkeit und sozialer Gleichheit damit verbunden
sind. Irgendwelche Spielchen mit dem Imperialismus und den
Kolonialherren können dabei nur in die Irre führen.
Übergangsprogramm für Kosovo
Jede Opposition in Kosova muss
grundsätzlich radikal sein . Wenn 18 % der Menschen unter
Kalorienmangel leiden und 36 % der Bevölkerung als arm gelten,
besteht das Bedürfnis noch schnellen und radikalen Lösungen.
Wenn diese Lösungen nicht angeboten werden, wird die Jugend
weiterhin versuchen in bestimmter Staaten der EU zu emigrieren.
Ein anderer Teil wird in Depression und Verzweiflung versinken.
Letzteres machte sich bei den Wahlen am 8. Juni bemerkbar. Nur
42 % der Bevölkerung nahmen an den Wahlen teil. Für die Masse
ist die Politik, die Debatte in der politischen Szene Kosovas
uninteressant. Nur ein radikales sozialistisches Programm kann
die Massen mobilisieren. Mit Koalitionen mit wem auch immer
haben die Armen und die Verzweifelten nichts am Hut. Es ist
daher nötig, die elementaren Nöte der Bevölkerung aufzugreifen
und grundlegende Lösungen anzubieten . Welches sind die Elemente
einer solchen Programmatik. Es gilt sämtliche Privatisierungen
rückgängig zu machen . Die Arbeitslosigkeit muss sofort bekämpft
werden. Ein Mittel dazu ist die Arbeitszeitverkürzung bei vollem
Lohnausgleich, solange bis alle Arbeit haben. Es würde bei der
KEK bedeuten: Gegenwärtig arbeiten knapp 6000 Arbeiter und
Arbeiterinnen im Schnitt wesentlich mehr als 40 Stunden pro
Woche. Eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden ohne dass sie
Arbeitsintensität zunimmt würde schnell 6000 Arbeitsplätze
zusätzlich bei der KEK bringen. Die Rücknahme sämtlicher
Privatisierungen muss verbunden werden mit der Forderung,
sämtliche Entlassungen, die dieser Prozess mit sich brachte,
zurückzunehmen. Es würde bedeuten: 76.000 Arbeitsplätze
zusätzlich. Die Beschlagnahmung des Vermögens der Reichen in
Kosova, würde die Mittel bereitstellen, um eine
Krankenversicherung, sowie generell kostenlose medizinische
Versorgung zu garantieren. Auch ein kostenloses Bildungssystem
wäre damit locker finanzierbar. Den Privatbanken müssen ihre
Kreditforderungen, speziell an die Bauern sofort gestrichen
werden . Die Privatbanken wie die österreichische Raiffeisenbank
oder die deutsche Pro Credit Bank haben, die Bauern zum Teil mit
einer Zinslast von 19 % faktisch in den Ruin getrieben. Die
Schulden der Bauern müssen sofort und ersatzlos gestrichen
werden . Anstelle der Privatbanken müssen öffentliche Banken im
Interesse speziell der Landwirtschaft installiert werden. Es
gilt die Produktion von landwirtschaftlichen Saatgut sofort
aufzunehmen. Die stillgelegten Produktionsanlagen dafür, müssen
sofort wieder in Betrieb genommen werden. Es gilt in jedem
Betrieb in jeder Genossenschaft, die Kontrolle der Produzenten
über die Produktion herzustellen. Jegliches Management hat sich
der Kontrolle und der Wählbarkeit durch die Beschäftigten zu
unterwerfen. Kosova benötigt sofort Geld für die Armen
Behinderten und Rentner. Das Geld liegt auf den Konten der
Reichen und Spekulanten in Kosova herum. Es gilt das Prinzip zu
verwirklichen: Die Reichen sollen zahlen.
Opposition und Macht
Klar ist, dass ein radikal
sozialistisches Programm mit keiner traditionellen Partei in
Kosova verwirklicht werden kann . Die „Bewegung für
Selbstbestimmung“ hat sich zu entscheiden zwischen einem
sozialdemokratischen Irrweg und einer realistischen Machtoption.
Diese realistische Machtoption kann nur eine linke und radikale
Option sein. Alles andere akzeptiert gegebenen Zustände und
führt damit zur weiteren Zunahme von Verzweiflung und Depression
in der Gesellschaft. Es ist wichtig, diese Debatte in VV zu
führen. In allen anderen Parteien ist jegliche politisch
programmatische Debatte absolut sinnlos. Denn PDK,LDK,AAK und
Nisma aber in Wirklichkeit keinerlei eigenständige Programmatik.
Im Gegenteil die Programmatik in diesen Organisationen ist
austauschbar. Es geht den genannten Kräften nur um egomanische
Claninteressen. Das einzige reale politische Subjekt in Kosova
ist die „Bewegung für Selbstbestimmung“ nur dort kann Aktivität
und Debatte stattfinden.

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