Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
Für einen grundsätzlichen Kurswechsel in der Wohnungspolitik
Zur Aktualität wohnungspolitischer Vorschläge aus vergangener Zeit

von Karl-Heinz Schubert

08-2014

trend
onlinezeitung

Wir berichteten in der 5/6-2014 von der Gründung einer  "Initiative neuer kommunaler Wohnungsbau" in Berlin. Die INKW nennt in ihrer Erklärung zwei zentrale Prinzipien für einen neuen kommunalen Wohnungsbau, wodurch sie sich von einer kapitalistischen Vernutzung von Wohnraum und bisheriger staatlicher Wohnungsbau(förderung)spolitik abgrenzt.

1) Damit staatliche Fördermittel nicht zur „kapitalistischen Bereicherung“ verwendet werden können, muss Wohnraum geschaffen, „der dauerhaft und garantiert im öffentlichen Eigentum verbleibt“. Der Einstieg dazu soll durch eine Veränderung der Rechtsform und Eigentums der städtischen Wohnungsgesellschaften ermöglicht werden, in deren Regie und Eigentum neuer preisgünstiger Wohnraum errichtet werden soll.

2) Die INKW favorisiert gegenwärtig „die Form eines Eigenbetriebs oder einer Anstalt öffentlichen Rechts“ und hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass „die politische Kontrolle durch das Parlament und durch die Mieterinnen und Mieter in Form von entsprechenden Vertretungen in den Aufsichtsgremien gewährleistet sein“ (S.4) muss.

So alt wie die ungelöste Wohnungsfrage im Kapitalismus ist, so alt sind die Versuche der Arbeiter_innenbewegung und anderer sozialer Bewegungen, durch staatliche Regulierungen - speziell durch kommunalen Wohnungsbau - Wohnungsnot und Mietpreistreiberei, die auf dem Rücken der lohnabhängigen und schlecht bezahlten Massen lasten, durch entsprechende kapitalbeschränkende Gesetzgebungen zu dämpfen oder gar zurückzudrängen. Der letzte Versuch in diese Richtung wurde meines Wissens letztmalig in (West-) Berlin in der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und AL 1989 formuliert.

Wenn nun heute nach 25 Jahren wieder der Ruf nach einer kommunalen Wohnungsversorgung ertönt, der, wie es in der INKW-Erklärung (S.4) heißt, das neue kommunale Wohnungsbauprogramm „nicht den Renditeerwartungen von privaten Investoren, sondern der sozialen Wohnraumversorgung verpflichtet“ sehen will, dann bedarf es zur Erfüllung dieses Anspruchs aussagekräftiger programmatischer Konturen, die nicht nur bisher Gesagtes und Versuchtes aufnehmen, sondern diese wohnungspolitischen Erfahrungen schöpferisch weiterentwickeln.

Die in der westberliner AL/SPD-Koalitionsvereinbarung aufgenommene Idee der Wiederbelebung des kommunalen Wohnungsbaus kam nicht von ungefähr. Bereits 1985 hatte die Alternative Liste in ihrem Wahlprogramm detaillierte Reformvorschläge zu Eindämmung der Wohnungsnot vorgelegt. Damit verarbeitete sie Vorschläge, wie sie seit Mitte der 1970er Jahre in der marxistischen Linken ausgearbeitet worden waren. 

Eine Art reformistischer Zusammenfassung des Debattenstandes befand sich damals im MEMORANDUM 81, "Demokratische Wirtschaftspolitik gegen Marktmacht und Sparmaßnahmen", erschienen bei  Pahl-Rugenstein Verlag, Köln 1981, in dem Sonderbeitrag  "Krise und Alternativen im Wohnungsbau" (S. 87-204). 1983 referierten die Sozialistischen Studiengruppen(1) dessen Kernausssagen, die es lohnt, heute wieder in die Debatte einzuführen:

"Als Mittel zur Durchsetzung eines derartigen Kurswechsels werden im Memorandum 81 vorgeschlagen:

  • Bereitstellung kommunaler Grundstücke für den sozialen Wohnungsbau sowie Veränderungen im Boden- und Steuerrecht, die die Bodenspekulation und die Hortung unbebauter innerstädtischer Grundstücke eindämmen sollen.
     
  • Kommunale Beteiligung an Baufirmen und/oder Einrichtung kommunaler Baubetriebe, durch die eine Senkung der Baukosten und eine langfristig konzipierte Technisierung der Bauproduktion ermöglicht werden sollen.
     
  • Einrichtung kommunaler Baufonds, die die Finanzierung von Modernisierung und Neubau zu niedrigen Zinssätzen ermöglichen sollen. Diese Fonds sollen aus verschiedenen Quellen gespeist werden, z. B. aus der Umschichtung der gegenwärtigen Subventionsstruktur, Erhöhung der Gewerbesteuerhebesätze und des kommunalen Anteils der Einkommenssteuer, aus einer neu einzuführenden Bodenwertzuwachs-und Hauszinssteuer sowie der Einführung einer Zwangsabgabe der Kapitalsammelstellen gemäß § 104 II. WoBauG.

Die veränderten Zielorientierungen sollen insgesamt einhergehen mit einer breiteren Beteiligung der Mieter an allen wohnungspolitischen Entscheidungen. Als Sofortprogramm wird schließlich die kurzfristige kreditfinanzierte Subventionierung von 100 000 WE im sozialen Wohnungsbau gefordert."

Der Herausarbeitung dieser drei Forderungsebenen lag die marxistische Auffassung zugrunde, dass  beim Wohnungsbau und der Wohnungsvermietung im Kapitalismus ökonomisch drei aufeinander wirkende Prozesse der Kapitalverwertung zusammen unabhängig von der Nachfrage den bestimmenden Grund des Mietpreises bilden:

  • Der Boden als stoffliche Produktionsvoraussetzung für den Wohnungsbau, dessen Preis die kapitalisierte Grundrente ist.

  • Der Produktionsprozeß der Wohnung, d. h. die Höhe des vorgeschossenen Kapitals (die Höhe der Baukosten)

  • Das Vermieten der Wohnung als Leihkapital in Warenform und die damit verbundene Verzinsung des dafür vorgeschossenen Kapitals.

Jede wohnungspolitische Reform zugunsten der Arbeiter_innenklasse, die im Kapitalismus nur den Hauch einer Chance auf strukturverändernde Wirkung haben will, muss darauf abzielen, diese drei Prozesse der Kapitalverwertung zu beinflussen. D.h. eine wirklich "neuer" kommunaler Wohnungsbau muss durch regulierende und gestaltende Eingriffe sowohl in den Bodenmarkt und den Baumarkt als auch in den Kapitalmarkt bestimmt sein. Wenn bei diesem Wohnungsbau die Arbeiter_innen nicht die entscheidenden Akteur_innen sind, muss jedoch mit einem Scheitern gerechnet werden.

Anmerkungen

1) Sozialismus, marxistische Zeitschrift, Nr. 1-1983, hrg. v. Sozialistische Studiengruppen, Hamburg 1983, S. 101