Die "fremde Sache"
Aus dem Minimagazin Falz Nummer 2 über semiotische Anordnungen im von Privatinteressen beherrschten Popularen.

08/2015

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Falz 2 Cover

... haben lange über die Titelseite diskutiert. Der Plan, sie nach dem
Vorbild von Kreidepieces im Druckverfahren mit Tafellack beschriftbar
zu machen, scheiterte am Papier und an Kosten für eine Druckerei, die
das kann, und an der verworfenen Illusion des Mitmachens inmitten
eines Warenmetropolentums, wie sie von diversen urbanen Biotopiern
performt wird. Eine graue Mauer mit einem Splash? The Splasher,
der/die in New York und anderswo Vandalismus gegen die aufwertende
oder bloß krittelnde, letztlich banal repräsentatorische Street Art
wendete/n, schrieb/en (vermutlich) "Destroy the Museum" und stand/en
damit gegen das Unterhaltungsprogramm des sozial mordenden Bürgertums
und gegen die sich den Oberflächen lustig kreativ, "anders", mit
Legitimität anpassenden Ikonographen. Unterdessen ist der "Aufstand
der Zeichen" (Baudrillard) hier nicht zu Zeichen für reelle Aufstände
geworden. Ihre Paläontologie spricht eher das Schönheitsempfinden und
das Moralische am Schlechten an, dessen so gewonnene Form gut
integrierbar erscheint. Ließ Álvaro Siza Vieira nicht ausdrücklich das
"Bonjour Tristesse" an seinem modernen Bau erneuern? Nicht unweit
davon, an der kurzzeitig vielleicht meistbespielten Brache der
Republik, blieb am vorläufigen Ende "Your City" vom unhistorischen
"Reclaim Your City" übrig. Eine Ansage, die nur Wunsch sein kann, oder
ein Matt? Die Stadt zu lesen oder in ihr den Flaneur zur Literatur zu
machen oder sie (was an ihr?) zu machen, sind ganz unterschiedlich.
Der Paragraph 303 StGB spricht von Sachbeschädigung, fremder Sache und
Erscheinungsbild -- genau von unseren Zer-Störungen, die uns zu
Beschädigten machen, zu wie Sachen Behandelten und kommunikativen
Fremden, die das Bild ihrer Erscheinung unter Strafandrohung jederzeit
per Darlehen verändern müssen dürfen.

Baudrillard bezieht sich in _Kool Killer oder Der Aufstand der
Zeichen_ (später auch Unterkapitel von _Der Symbolische Tausch und der
Tod_) seiner kritischen jedoch semiotik-historisch auch einseitigen
Analyse der New Yorker Graffiti (halb unverstehende Kritik an
Baudrillards Empirie in: Beat Suter. _Graffiti: Rebellion der
Zeichen_), deren von ihm Mitte der 1970er mit-manifestierten
Ursprungs-Mythos später allgemein übernommen wird, zunächst aufs
Wertgesetz, ohne das genauer auszuführen. Mit Wertgesetz wird bei B.
aber nicht in erster Linie der Bezug zu Marx nach Ricardo aufgemacht,
sondern der zu Saussure (vgl. S. 17 in _Der Symbolische Tausch_). Die
Äquivalenzform des Tauschs ist für B. in der "Emanzipation des
Zeichens" aufgelöst und Zeichen werden in einer "totalen
Beziehbarkeit" zur reinen Zirkulation. Für B. ist die Relation vom
_Zeichen von_ zu einem _Zeichen für_ geworden, das für alles stehen
kann. Baudrillards Fehler besteht nun nicht darin, Zeichen zum Wert
in Beziehung zu setzen, sondern die Funktion der Zeichen zu
verabsolutieren, ihnen DEN Wert allein zuzuschreiben -- er verfährt
so, wie er seine analytische Figur versteht (kombinatorische
Zuschreibung in allgemeiner Austauschbarkeit) und löst den Wert von
der Wertsetzung, der Arbeit ab, ähnlich wie spätere Wertkritiker
(vgl. etwa d. Kritik an Michael Heinrich in: _Apologie von links:
Zur Kritik gängiger linker Krisentheorien_ von Guenther Sandleben
und Jakob Schäfer). Kapital ist nunmehr Zirkulation von
Zeichen-Werten und alle Arbeit ist Zeichen unter Zeichen.

Baudrillards "Radikalisierung" der Wertform, der Indertermination von
Wertproduktion und Wertzeichen hin zur Verselbstständigung der
Wertzeichen und dem Ende des Realen, das zugleich den Beginn des
"Hyperrealen" sein soll, wurde in den 1980er Jahren von der frühen
Medienmetatheorie rezipiert und begründet diese in Europa, im Weiteren
als medientheoretischer Apokalyptiker interpretiert, mit. Sein
Aufsatz zum Zeichenaufstand ist dabei auch Teil der "semiotischen
Wende", wie sie gemeinhin mit linguistischen,
post-strukturalistischen Ansätzen, sowie entfernter etwa Talcot
Parsons Soziologie verbunden wird. Zeichen sind hierbei als das
strukturalisiert/strukturalisierende Eigenständige zu verstehen. Der
Einfluss Kants auf Parsons ist dabei zu beachten, etwa dahingehend,
dass Parsons, wie Kant in seiner _Kritik der reinen Vernunft_ im
Bereich der physischen Bedingungen (Raum) und auf diesen
zurückgreifend[1], von transzendenten, unhinterschreitbaren Ordnungen
des Sozialen ausgeht, Normative Bedingungen, welche das Leben
prä-strukturieren -- Kant als der Vorfahre des Strukturalismus,
desjenigen, der ein Apriori sieht, in den Medien. Den Sprung vom
Wertgesetz zur antinormativen Praxis der Semiose, bei Baudrillard eine
Marxkritik, macht Baudrillard aber nur, um einen bestimmten Teil des
Prinzips des Wertgesetzes, oder vielmehr seine gesellschaftliche Form
(auch wenn Prinzip und Form ebenso auf idealistische Denke
zurückgehen), den Tausch, und diesen nämlich als produktives Moment,
ins Medial-Semiotische zu verlagern. Dort wird das moderne
(industrie-technische vorbereitete) Sgraffito zum aufständischen
Moment, das, gerade weil es Unlesbarkeit in Taktik ist, die
herrschaftlichen Zeichenprozesse unterbricht und Tausch
(Zeichentausch!) gegen die Semiokratie der Ware als reziprokes und
nun re-verwirklichtes Verfahren wieder einführt — dies jedoch allein
auf der Ebene der Zeichen, wobei Ware und damit ihre Produktion nicht
ganz vergessen ist, aber als Voraussetzung verabschiedet wird. Das
hat 'Methode', denn für Baudrillard ist Sozialität nicht mehr
vorstrukturiert durch Waren, sondern durch Zeichen.

Nicht Arbeitskraft macht für B. die Stadt (vermutl. bei ihm synonym
mit Gesellschaft) aus, sondern Zeichenoperationen, obwohl der
Alltagsverstand den ganzen Tag von nichts anderem als dem
Geld-_Zeichen_ (!) spricht. Baudrillards Überhöhung des Werts als
Zeichen als Überrealem geht auch tatsächlich auf Missdeutungen der
Mehrwert-Funktionalität zurück, die er als soetwas wie die Zirkulation
des Lebens insgesamt ansieht, die alle Unterschiede und Konflikte von
Arbeit und Kapital ausgelöscht habe (vgl. _Der Symbolische Tausch_
S. 37 ff.), in einen allgemeinen Code hinein, was später bei
Baudrillard dann zum Simulakrum von Gesellschaft insgesamt wird.
Zeichen und Reales drehen sich bei ihm konsequenterweise in ihrer
Hierarchie um: Zeichen werden das Reale selbst und das Reale kann
somit nur noch auf Ebene der Zeichen realisiert werden. Also die
Regel, die man später als Reprogrammierung des Gesellschaftlichen im
universalisierten Hack wiederfindet. Die wilden Zeichen, die sich so
jedem Diskurs entzögen, so Baudrillard, gehen auf diese Weise dann
doch in Aneignungen des Akademischen ... Diskurs ... ein.

Zeichenprozesse wären auch weniger als Tausch mit dem Platzwechsel
äquivalenter also gleichwertiger Items erklärbar. Denn Zeichen
wechseln keine Seiten. Ihre Bedeutung muss materiell-kognitiv erst
erfolgen. Im kognitiven Lese- und Schreibe-Prozess sind Zeichen dann
keine "Transponder" von Inhalten und Verweisungen auf Referenten,
wenn Yolo Beschwerde über die Nichteinhaltung ihres Urheberrechts als
Sprayerin (laut Archiv der Jugendkulturen) einlegt und Naegeli
antiamerikanisch-modernistisch zeichnend gerade gegen "Pieces"
handelte, um umso mehr "Werk" zu schaffen.

Repräsentiert das Grau jetzt genauer, was gemeint ist, verweist es auf
eine Referenz? Die Diskussionen um das Asset des Bildes des Dings, am
Eigentum der Abbildung, bestätigen entgegen Derridaschen Vermutungen
die Erkennbarkeit der Sache, aber verfehlen, wenn sie die Sache nur
naiv-realistisch ab-bilden, vielleicht die Möglichkeit, sie zu
negieren. Jede übertünchte Schmiererei in der Linie der Schmiererei
erotisiert sie, (fast) jedes hilflos bereinigte Hakenkreuz enthält es
als Spur, wenn sein photo-graphisches Dokument mit Plakaten und
Guerilla-Marketing, mit seinem an sich selbst gerichteten
détournement (http://spektakel.blogsport.de/broschur/broschur-2/
gebrauchsanweisung-des-detournements) und von Rockefeller bezahlten
sozialistischen (?) Murals konkurriert.

Wir haben uns dann entschieden, den Ausschnitt des Bildes der Wand mit
dem Befehl "Graustufen" noch grauer zu machen, analog zur Verschärfung
der Situation, während wir bei den Ausführungen von
Kreidetafelgraffiti beobachten konnten, wie limitiert das Repertoire
spontaner Zeichner ist (Herzen, Love, Penis). Offensichtlich ist die
vermutete verteilte Produktion von Zeichen eine sozial zerteilte
Literarizität, dem mit keinem ungerichteten "Open Space"
unverbindlicher, lebender oder toter Kultur-Techniken und -Helden und
mit keiner Respektlosigkeit beizukommen ist. Das wäre dann die
Kapitulation vor der Konvention, der Abschied von der Avantgarde, die
Programmatik des "TINA" <There is no alternative> voller super
Wahlalternativen. Alles Semiotische ist entgrenzt und somit
systempraktisch (!, weniger -theoretisch) folgenlos. Oder so: Ästhetik
stützt nun wieder System. Kunst wird seit etwa 25 Jahren von
Karrieristinnen, angekotzt von ihren Lehrern, den frustrierten
Kritikern des Gesellschaftlichen, wieder zur Kunst erklärt. Aus der
Entgrenzung der Bedeutungen (der Abdruck einer Hundetatze wird als Tag
im System Graffiti gelesen) ergibt sich dann systematisch die
institutionelle Ordnung und Zuweisung, was als "befreites Dasein" zu
gelten hat und was nicht, was, postmarxistisch, zum bekämpfbaren
Herrschafts"modell" allein durchanalysiert wird, wie
Professionalisierte aus dem reaktionären Standard des Neo-Werks etwas
heraus schlagen oder Psychogeografie-Tours verkaufen.

Bringen wir, ohne uns als indigen und autochthon <ursprünglich>
auszugeben wie Interbrigadas hinter dem, auch queeren,
Restaurantclub[2], oder kreolisiert, wie die Neubewohner des Lofts[3]
für sich veranschlagen, die urheberrechtslose kleine Meerjungfrau des
bestraften Bedürfnisses im informationellen Raum (Straße/Netze)
zunächst zum Verschwinden, um dann ihre Fläche zu bezeichnen.[4] Auch,
weil Antiimperialistische mit Banksy an der Mauer am Gaza Kopfrevolte
machen und naiv den Beton imaginär aufreißen. Auch, um die immer
fluiden Wünsche, jedoch nun inkarniert, nicht in Romantik zurücksinken
zu lassen, in Figuren, stehend für was man materialiter nicht haben
kann aber begehrt. Schaum ist wiederum die Metapher für Geist (der
bekanntlich -- und vor dem Hintergrund allgemeiner staatlicher
Überwachung für einen der größten nationalen Internethoster, GMX, im
Werbeclip -- als Gedanken frei ist, wie zur Zeit der französischen
Besatzung deutscher Ländern), am Ende ihres leidenden Verlangens ist
die Meerjungfrau in diesen Schaum aufgelöst, der immer dort auftritt,
wo das genormte Mehrarbeits-Leben nicht hinreicht. Das in solcher Form
von Geist erscheinende unfassbare und darum fern-gehaltene und dort
gehaltene Verlangen. Das Märchen der kleinen Meerjungfrau und die
Bronzeskulptur hebt das Verlangen so in mehrfach versetzten
Inhalteschritten auf, bei denen vom Bedürfnis zum Wunsch zum Versatz
es zwar für die Verlangende mythisch-geistig endet (im per Märchen
signifizierten Schaum als Meerjungfrau als Wunsch), der Geist-Schaum
letztlich imaginäre Re-Materialisierung zugleich sein soll und nicht
Zeichen. Mit der Skulptur in Kopenhagen versuchten die dort das
Soziale Bestimmenden körperlich und marketingtechnisch zu verstetigen,
was der Märchenerzähler Andersen längst in naturreligiös belebte
Umwelt verschrieben hatte. Das Verlangen und Begehren und die Lust
als Zeigens-Modi des Bedürfnisses zunächst unspezifisch erfüllten
Lebens im Liebeswunsch wurde so amtlich gemacht und im Zeichen der
Skulptur zurückgedrängt, re- und demystifiziert zugleich:
Demystifiziert wird die nur vorstellbare Märchenfigur zur Bronze, um
remystifiziert in Konkurrenz zu dieser Märchenfigur sichtbar zu
sein.

Nicht das sexuale und drängende, fast nur noch in Luft aufgelöste
und überall am Meer lesbare Begehren interessierte damals
die Bierverkäufer von Carlsberg. Sie interessierte eine
ortsspezifische Zeichen-Assoziation, eine Verdichtung von aufeinander
bezogenen Signifikanten fürs lokale Kapital und ihren
Tauschwertträger. Baudrillards Zeichen, nun zum eigentlichen Wert
erklärt, für das keine Trägerschaft von Wert am Gebrauchswertding
mehr anerkannt werden kann, geht also ganz in den Kontext dieser
Verdichtungstechniken ein, ohne Differenzierung der Begehren übersetzt
in Interessen bzw. Interessen als Zwang zum Begehren (attac und
Blockupy etwa nennen das Gier). Diese Werttheorie schlägt sofort ins
Gesellschaftliche um (Euro Disney ist realer als Paris), ohne eine
gesellschaftliche Genese von Wert noch feststellen zu können. Das
Duo Signifikant-Signifikat kennt keinen Referenten.

Das "kollektive Pop-Kunstwerk" der "Berliner Mauer" wurde am 3. und 4.
November 1986 neben der Markierung der Teilung "einer" angeblichen
Nation durch einen weißen Strich, aus neo-dadaistischem also
Kommunikation bezweifelnden Umfeld, durch diesen auch zur Markierung
von Realität und zur Attacke aufs Graphoartistische, welches das nicht
nur gedachte und stattdessen wirkliche Materiale überdeckt und
literarisiert. Aber Dada war auf vorliegende Kulturproduktion so
angewiesen, wie es der Remix auf das offizielle Release ist.

"Die Antwort: ALT + 0134 = † ist richtig! ALT + 0128 = € ergibt das
Euro-Zeichen", wie sie in irgendeinem Blog gegeben wurde, ist aber nur
der Zeichenaspekt. Der Druck dieser Nummer ohne Proof entwickelte sich
zur Reklamation ohne den Gebrauchswert zu schmälern: Ein unbedeutender
weißer Rand blieb am rechten und unteren Rand, da der Anschnitt nicht
stimmte und was den illusionären Charakter des vom Realen übergangslos
geschiedenen Bildes aufs Papier zurück brachte. Der kleine
Produktionsfehler, der gar nicht als Zeichenakt implementiert war,
ließ den Unterschied von Medium zu Nichtmedium deutlicher erkennen.
Ein Unterschied, der einem Trend der antimaterialistischen
Subjekt-Objekt-, sowie Außen-Innen-Un-Unterscheidung und auch einem
kultural-medienstrukturalistisch auslotenden Materialismus vielleicht
widerspricht.

Blu, Dietmar Dath, Roger Behrens, Katja Diefenbach, Diedrich
Diederichsen, Susi Meyer, Meredes Benz, Jürgen Elsässer, Alexander
Kluge Jr., Harun Farocki, Tino Sehgal, Jochen Schweizer, Dorothea von
Hantelmann, Dirk von Lowtzow, Yolo, Michael Heinrich (†), Harald
Naegeli, Axel Thiel (†), Riza
_________________________
[1] Vgl. Richard Munch. "Talcott Parsons and the Theory of Action. I.
The Structure of the Kantian Core". American Journal of Sociology
Vol. 86, No. 4 (Jan., 1981), pp. 709-739.
[2] Hier behaupten die Lateinamerika-Aktivisten für Anwohner eine
"angestammte Wohngegend" entgegen der Metropole, die keine Siedler
und Stämme mehr kennen kann: www.interbrigadas.org/de/report_kotti
_und_co_der_protest_und_ein_grosses_wandbild_am_kottbusser_tor.htm
[3] Landesfriedensbruch gegenüber Mietern, die jeden Fensterglasbruch
einzeln versuchen ihrerseits kreativ zu signifizieren, mit darüber
gelegtem weißen Klebband in Kreuz-Pflasterform und sauber
gesetzten Sätzen wie "Denkmal für das Zusammenleben verschiedener
Menschen". Menschenverschiedenheit basierte hierbei jedoch auf dem
"Anderssein" gehobener Mittelschichten in Absetzung zu
Unterschichten, demnach Trennungen der Positionen innerhalb einer
(, der arbeitenden) Klasse. Das hier kulturalistisch waltende
Projekt der Vermischung und des Zusammenlebens geht bereits nicht
mehr von produktiv konfliktösen Zusammenstößen aus, es präferiert
friedliche Hybridisierung (Kreolisierung) und will soziale
Trennungen als kulturale, post-strukuralistisch und damit
kulturell veränderbar, verstehend dynamisieren und mögliche
Aufhebungen dieser Trennungen abweisen. Kreolisierung verfolgt
ein ganz anderes gesellschaftliches Programm als die Beendigung
von ökonomisch verstandenen Klassen, es ist ethnisch angelegt und
kennt keine Ausbeutung und keine gesellschaftlichen Verwerfungen.
Im Gegenteil zeichnet es sich dadurch aus, wirtschaftliche
Problematik ins kulturelle Mixtum zu ziehen. Doch die Zeichen
der Farbbeutelflecke und Steinwürfe sind gar keine Zeichen
einer feindlichen Ethnie, sie sind reale und nicht lediglich
symbolische Zerstörungsversuche des Auftretens einer Schicht
einer Klasse (inn einem Schachtelmodell von Sozietät), dem
Wohnhaus mit Gewerbeeinheiten, welches doch das gleiche Signum
beinhaltet wie die gelobte Kreuzberger Alternative der
metropolischen Dorfgemeinschaft aus Arbeiten und Wohnen am
gleichen Ort. Denkmal ist hier von den Baugruppen-Millionären
ernst gemeint, bekommt aber eine gewisse Ironie der Geschichte,
denn das von Taut entworfene Gebäude aus den späten 1920er
Jahren Adalbertstraße Ecke Engeldamm war damals das der
Transportarbeitergewerkschaft und steht als Architektur unter
Denkmal- und als Haus mit Menschen darin immer mal wieder unter
Polizeischutz. Das hybride kreolische Nebeneinander sieht aus
wie die einseitige Idee Privilegierter.
[4] Günther Oettinger muss als Kommissar der EU für Digitale
Wirtschaft und auch noch Gesellschaft Mobilitätsströme des
touristischen Binnenmarkts auf dem europäischen Kontinent fördern
und zugleich den Einfluss US-amerikanischer Kulturindustrien
zurückdrängen. Wenn es darum ginge, Urheberrechte an Gebäuden und
öffentlichen Figurinen (öffentlich für die, die sich den Ort
reisend kaufen können) zu regeln, spricht er von einem blendenden
Individualismus des Konsumenten: "Ich vertrete den Grundsatz, dass
das, was man mit dem Auge sehen kann, nicht bezahlt werden muss.
Das muss auch für das digitale Auge, also die Kamera gelten."
(HNA, 7. Juli 2015) Scheinbar technisch wie ökonomisch naiv,
jedenfalls populistisch unterteilt er so, den Kapital-Interessen
folgend, in den konsumerisch privat-individualen Bereich des
natürlichen wie medialen Sehens des Einzelnen (diesen
aussprechend) und den professionellen privat-kapitalistischen
Bereich des Sehen-machens (diesen nicht aussprechend) der
"Industrie", wobei letzterer schon die Vorstufe der
Vergesellschaftung des Sehens und Bildens darstellt, wie man an
den Reaktionen gegen eine Verschärfung des sog. Kulturschutzes in
der BRD ablesen kann. Alle Ausfuhr von Bildwerken im Geldwert von
über 150.000 EUR soll staatlich kontrolliert werden. Rebellen
gegen dieses Gesetz sind Bildwerker, die mit eben diesen
Geldwerten von über 150.000 EUR rechnen und ihre vorab
vergesellschafteten Kosten ihrer Ausbildung mitbilanzieren, aber
privat, um sie dann den Museen wieder demokratisch zu leihen.
Baselitz etwa studierte an Hochschulen in Berlin-Ost und
Berlin-West, Museen in denen Bilder von ihm hängen, werden von
Löhnen finanziert, von Revenues aus Kapital, verwaltet von
Connaisseur-Sub-Eliten.

Falz 2 zum kompletten Download: http://www.n0name.de/falz/falz2.pdf