Burundi: Die Wahlfarce vom 21. Juli 15
Mit schlechtem Beispiel voran, für die ganze Region

von Bernard Schmid

08/2015

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Geh gefälligst dahin zurück, wo Du Dich mal aufhieltest: Das ist, was die marokkanischen Behörden offiziell von dem missliebigen Journalisten ’Ali Lmrabet fordern, und wodurch sie ihn zum Ausweis- und Dokumentenlosen im eigenen Land machen. Am 24. Juni 15 begann Lmrabet deswegen mit einem Hungerstreik in einem Zelt vor dem UN-Sitz in Genf, den er damit begründet, dieser symbolische Gang vor die Vereinten Nationen sei der letzte Ausweg, der ihm noch geblieben sei. Am Montag, den 27.07.15 wurde vorübergehend vermeldet, er sei aufgrund der Folgen seines Hungerstreiks ins Krankenhaus eingeliefert worden – die Meldung dazu verschwand binnen kürzester Zeit von der Webseite der marokkanischen Zeitschrift Telquel und war nicht länger auffindbar. Mittlerweile wurde dies jedoch dementiert: Lmrabet erhielt eine ambulante ärztliche Behandlung, entschied sich jedoch dafür, seinen Hungerstreik unter dem Zeltdach fortzusetzen.

Seit April dieses Jahres weigern die Behörden und das Innenministerium in Rabat sich beharrlich, ihm eine Meldebestätigung auszustellen, die er benötigt, um seine – mittlerweile abgelaufenen – Ausweispapiere erneuern zu lassen. Oder um eine Zeitung neu anzumelden. Ihre offizielle Begründung lautet, bis im Herbst 2011 sei Lmrabet ja in Barcelona angemeldet gewesen. Dorthin hatte er sich infolge eines zehnjährigen Berufsverbots und diverser Repressionsdrohungen in Marokko vorläufig zurückgezogen. Zwar ist er beim marokkanischen Konsulat in Spanien mittlerweile nicht mehr als Auslandsmarokkaner gemeldet. Aber dies liege ja möglicherweise auch daran, dass Lmrabet dort - als Auslandsfranzose gemeldet sei, suggerierte das staatstreue marokkanische Webportal Le360.ma am vergangenen Sonntag. Es unterstellt, Lmrabet sei mindestens Doppelstaatsbürger, wenn nicht ohnehin Ausländer.

Der 56jährige wurde in Tétouan, einer Stadt im äußersten Norden Marokkos, geboren und konnte eine marokkanisch-jüdische Schule besuchen. Als Journalist hatte er den Sinn für Tabubrüche. Er interviewte in den späten 1990er Jahren einen früheren Staatsfeind Nummer 1, Abraham Serfaty – der Marxist-Leninist und antizionistische Jude war vor Jahrzehnten durch die marokkanische Monarchie unter Hassan II.; dem Vorgänger des jetzigen Königs Mohammed VI., ausgebürgert und kurzerhand zum Brasilianer erklärt worden. Aber auch den israelischen Premier Benjamin Netanyahu interviewte er. Im Sommer 2000 setzte er als erster Journalist mit einem brüchigen Boot wie „illegale“ Migranten über die Meerenge von Gibraltar. 2003 wurde er wegen „Majestätsbeleidigung“ zu drei Jahren Haft verurteilt. Kaum begnadigt, absolvierte er 2005 eine Reportage aus einem Lager für Flüchtlinge aus der Westsahara im algerischen Tindouf. Neben der Staatsreligion ist die seit 1975 anhaltende marokkanische Besetzung der Westsahara eines der größten nationalen Tabus in der Monarchie Marokko.

Sein zehnjähriges Berufsverbot lief am 11. April dieses Jahres ab. Seit Ende April kämpft er um eine Meldebestätigung an der Adresse seines Elternhauses in Tétouan. Diese soll er nicht bekommen, um nur ja nicht wieder beruflich tätigen werden zu können. Kurz bevor sein Reisepass im Juni auslief, kam Lmrabet nach Genf, um dort unter den Augen der internationalen Öffentlichkeit die Repression in Marokko zu thematisieren. Diese hat auch sonst in den letzten Monaten erheblich zugenommen. Binnen eines Dreivierteljahres wurden etwa 75 angemeldete Aktivitäten der marokkanischen Menschenrechtsvereinigung AMDH behördlich verboten.

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.

Ursprünglich verfasst für die Berliner Wochenzeitung ,Jungle World’. Dort erschien der Artikel in leicht gekürzter Fassung am 30. Juli 2015