Der goldene Westen ist
nicht mehr golden – jedenfalls nicht für die, die
ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, um leben zu
können. Die ist immer weniger gefragt. Moderne
Technik ersetzt sie. Überfluss wird produziert, nur
mit der Nachfrage hapert´s. Großen Teilen der
Bevölkerung fehlt das Geld, sich mehr als das
Nötigste zu kaufen. Statt Lohnerhöhung Mieterhöhung,
statt Arbeitsplätze Sklavenarbeit und staatliche
Drangsalierung, statt Gerechtigkeit ein
„Rechtsstaat“, in dem Reiche mehr Rechte haben als
Arme. Über allem schwebt eine Krise, die kein Ende
nimmt.
Die herrschende Politik
hat keine Antworten, geschweige denn Lösungen. Die
Parteien schwätzen und schwätzen und die Medien
vervielfältigen das Geschwätz. Die Menschen
verzweifeln. Das Vertrauen in Demokratie und
Rechtsstaat schwindet. Der Spätkapitalismus ist von
unzähligen Krankheiten befallen. Der
Rechtsradikalismus als Seuche nimmt einen
Spitzenplatz ein.
Als es den Leuten noch
besser ging, war seine Ansteckungsgefahr gering.
Biergetränkter Blechfaschismus, Anbetung alten
NS-Gerümpels, hirnloses Gegröle, primitiver Rassismus
und alltägliche Brutalitäten riefen keine
Massenbegeisterung hervor. Die randdebilen bis
verblödeten neuen Herrenmenschen blieben unter sich
und genossen ihr Höhlendasein. Mit dem Anbruch der
Krise witterten sie wie Aasgeier Morgenluft.
Die Krise hat
gefährliche Formen angenommen. Krieg und
Kriegsdrohung sind alltägliche Themen. Die Menschen,
die nach Europa fliehen, fliehen vor Hunger, Krieg
und Tod. Nicht, weil sie nur besser leben wollen. Es
ist eine menschliche Pflicht, ihnen zu helfen,
anstatt sie zu jagen, sie mit Hetze und Hass zu
überschütten, ihre armseligen Unterkünfte zu
brandschatzen und sie zu ermorden. Die
Willkommensparole lenkt von den Ursachen ab. Die
Verantwortlichen beim Namen zu nennen, wagt die
Regierung nicht.
Die Flüchtlinge werden
als Belastung wahrgenommen. Schließlich gehe es der
eigenen Bevölkerung selbst immer schlechter. Die
Privilegien und Verschwendungen der Reichen und
Mächtigen sind allerdings teurer zu veranschlagen,
aber vor denen haben Nazis Respekt. Das ist ihre
Natur. Die Flüchtlingsströme sind ihre Stunde. Sie
können jetzt nicht nur ihren Drang ausleben, über
Schwächere und Wehrlose herzufallen, sie haben jetzt
das ersehnte massenwirksame Feindbild, mit dem sie
niedrigste Instinkte mobilisieren.
Antifaschistischer
Widerstand ist wirkungslos, ist er zugleich nicht
antikapitalistisch. Faschismus ist eine Staatsform
des Kapitalismus, die demokratische Formen verdrängt,
wenn die Regierenden mit ihrem Latein am Ende sind.
Dann wird der faschistische Bluthund als
Ordnungsfaktor von der Kette gelassen. Es kommt nicht
von ungefähr, dass der neue Nazismus in der aktuellen
Systemkrise nicht nur gedeiht, sondern
staatlicherseits auch geschont wird.
Faschismus wird
brandgefährlich, erlangt er eine Massenbasis. Greift
die Politik zu Ausreden und Lügen, um die Ursachen
für Krise und gesellschaftlichen Niedergang zu
verschleiern, liefern die Nazis vorsintflutliche
Rezepte und handfeste Taten. Diese aber sind
scheußlichste Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Sie ändern nichts an den Verhältnissen, sondern
verderben den Rest. Antworten und Lösungen können sie
nicht vorweisen. Sie haben nichts, was einen Ausweg
weist, auch wenn sie noch so viele Menschen umbringen
und ihre Behausungen in Brand setzen. Ihr Ziel ist so
simpel wie menschenfeindlich. Erlangen sie die Macht,
schaffen sie alle demokratischen und
rechtsstaatlichen Errungenschaften ab. Missstände
beseitigen sie nicht, dafür aber die Freiheit, sie zu
kritisieren. Wer bereit ist, ihnen seine oder ihre
Stimme zu geben, sollte sich die Konsequenzen
überlegen, bevor es zu spät ist.