Bernard Schmid  berichtet aus Frankreich

Afrikanische Autokraten
Die französische Justiz sorgt für kalte Füße respektive heiße Ohren
 

8/2017

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Das Verteidigungsplädoyer im Pariser Justizpalast hatte erfinderische Züge. « Wenn wir die Nebenklägerpartei mit ihren Massenvernichtungswaffen hier in diesen Saal eintreten lassen, dann flieht das Recht durch die Fenster hinaus. Wenn wir die Politik in den Justizpalast eintreten lassen, dann bleibt dem Recht nur noch, sich ein Hotel zu suchen ! » Der diese Worte aussprach - Sergio Esono Abesio Tomo -, war früher einmal Vorsitzender Richter am Verfassungsgericht seines Landes gewesen.

Es handelt sich um die rund 800.000 Einwohner/innen zählende Erdölrepublik Äquatorialguinea, eine frühere spanische Kolonie, die 1968 unabhängig wurde. Nachdem Spanien allerdings seine Rolle als neokoloniale Hegemonialmacht dort nicht wahrnahm, fiel diese Rolle Frankreich zu, und die französische Sprache wurde in Äquatorialguinea 1997 zur zweiten Amtssprache erhoben. Seit 1979 wird das Land durch denselben Präsidenten regiert, den Autokraten Teodoro Obiang Nguema Mbasogo. Er kann sich seinen megalomanen Führungsstil dank des seit nunmehr zwanzig Jahren ausgebeuteten Ölreichtums vor den Küsten des Landes leisten.

Sein Sohn, Teodorin Obiang, ist ein entsprechender verwöhnter und verkommener Zögling ; und seit jungen Jahren daran gewöhnt, in die Staatskasse greifen zu können, ganz wie es ihm beliebt. Sein Lieblingsort, um dieses Geld auch mit vollen Händen ausgeben zu können, ist dabei Paris. Rund 150 Millionen Euro soll das Präsidentensöhnchen – nebenbei auch zunächst Präsidentenberater, und inzwischen Vizepräsident – in der französischen Hauptstadt liegen gelassen haben. Teodorin Obiang führte sich dort auf wie in einem schlechten Film und ließ auch gerne einmal größere Summen springen, nur um sich ein paar seiner in den USA geparkten Lieblingsautos vom Typ Bentley oder Rolls Royce per Flugzeug über den Atlantik transportieren zu lassen. Der penetrante Geldgeruch, den der Präsidentensprössling über die Jahre ausströmte, lockte allerdings einige gegen Korruption in der Welt aktive NGOs wie Transparency International und Sherpa auf den Plan.

Diese erstatteten Strafanzeige, und hatten damit Erfolg. Die Unterschlagung von Gesellschaftsvermögen (Abus de biens sociaux) ist im französischen Recht ein Delikt, ob sie nun auf Kosten eines privaten Unternehmens oder eines Staates begangen wird. Entgeht dem äquato-guineischen Staat, oder entgeht dessen Bevölkerung aufgrund ausbleibender Befriedigung grundlegender Bedürfnisse etwa im Gesundheits- und Bildungsbereich ein Vermögen, dann geht das die französische Justiz zunächst einmal nichts an – denn der Tatort liegt in Afrika. Anders sieht es jedoch aus, wenn die Straftat der Hehlerei des hinterzogenen Vermögens auf französischem Boden begangen wird: Dann fällt sie aufgrund des Tatorts nämlich unter französisches Recht. Ein Großteil der durch den teuren Junior ausgegebenen 150 Millionen Euro waren jedoch nachweislich nicht légal erworben, und mit dem offiziellen Jahresgehalt Teoodrins Obiang von 100.000 Euro ließ sich ihr Erwerb nicht auch nur im Ansatz légal begründen.

Seit über zehn Jahren kämpfen NGOs wie die vorgenannten, die vor allem für saubere Praktiken im Wirtschaftsverkehr eintreten, aber auch stärker menschenrechtlich organisierte Vereinigungen wie die französische NGO Survie gegen die Praktiken afrikanischer « Kleptokraten »-Regimes. Im Falle Teodor Obiang kam es jedoch erstmals auch zu einer Anklage und zu einem Prozess, auch wenn der beklagte Präsidentensprössling an keinem Verhandlungstag auch nur eine Minute erschien. Einem gerichtlich angeordneten psychologischen Gutachten entzog er sich ebenfalls.

Die äquato-guineeische Staatsmacht ließ unterdessen allerdings wenig unversucht, um doch noch einige Hebel zur Abwehr der Anklage in Bewegung zu setzen. So erfolgte eine Schmutzkampagne gegen den Anwalt der als Nebenkläger auftretenden NGOs, William Bourdon, den ein anonymer Brief bei den französischen Behörden wegen angeblicher steuerlicher Verfehlungen anschwärzte. (An den Vorwürfen war nichts dran, doch die französischen Ermittler hatten sich doch immerhin mit dem US-amerikanischen FBI in Verbindung gesetzt, um ihre Stichhaltigkeit abzuklären… Die Überprüfung ergab allerdings keinen „Treffer“.) Und neben der äquato-guineeischen Oppositionspartei CORED, die in Paris ebenfalls als Nebenklägerin auftrat, baute das Regime ihres Landes eine „falsche“ CORED auf, die als Gegenstück zu der Oppositionskraft auftrat und ihr diametral widersprach...

Am letzten Sitzungstag in Paris, am 05. Juli d.J., forderte die durch das Verhalten des Angeklagten zusätzlich fortlaufend genervte Staatsanwaltschaft nun „immerhin“ ein Strafmaß von drei Jahren Haft, dreißig Millionen Euro und eine Beschlagnahmung der umstrittene Güter und Immbilien. Das Urteil wurde zum 27. Oktober 17 zur Beratung ausgesetzt. Sollte es die Strafforderung der Anklagebehörde bestätigen, dann müssten auch andere, großenteils durch Frankreich unterstützte afrikanische Diktaturen sich erhebliche Sorgen machen.

Zu ihnen zählen jene in den Erdölrepubliken Gabun und Kongo-Brazzaville. In der vorletzten Juniwoche dieses Jahres wurden in Paris etwa Strafverfahren gegen Julienne Sassou-Nguesso und ihren Ehemann Guy Johnson, also die Tochter und den Schwiegersohn des Autokraten in der Republik Kongo-Brazzaville, in ähnlichen Angelegenheiten eröffnet. Damit scheint eine langjährige Ära der Straflosigkeit für die Potentaten und, wie im Falle von Präsident Denis Sassou-Ngessou, Mörder zu Ende zu gehen. Noch unter Präsident Jacques Chirac waren Staatsanwälte mitten in der Nacht aus dem Bett gezogen worden, um gegen drei Uhr früh am 03. April 2004 den damaligen Polizeichef von Kongo-Brazzaville – Jean-François Ndengué – aus der Untersuchungshaft zu holen und ausreisen zu lassen. (Vgl. dazu Christophe Boisbouvier: Hollande L’Africain, Paris – Verlag La Découverte – 2015, Seite 87/88.) Ihm wurde ein « Verbrechen gegen die Menschheit » zur Last gelegt, das auch in Frankreich verfolgt werden kann, nachdem im Mai 1999 rund 350 entwaffnete ehemalige Bürgerkriegsgegner Sassou-Ngessous spurlos « verschwanden ». Die Staatsanwälte bastelten ihm jedoch, damals auf Druck der französischen Exekutive hin, eine « diplomatische Immunität ».

Das Recht könnte nun auch dazu beitragen, dass der Straflosigkeit von Entscheidungsträgen in Frankreich selbst bei Verbrechen in Afrika ein Ende bereitet wird. Am 28. Juni reichten die NGO Sherpa, Survie und Ibuka neue Strafanzeigen gegen französische Instutitionen wegen ihrer Verwicklungen in den Völkermord von 1994 in Rwanda ein. Eine Anzeige zielt dabei auf die Pariser Bank BNP. Diese garantierte im Frühjahr 1994 einen Waffenkauf durch die – international isolierte – rwandische « Interimsregierung » während des laufenden Völkermords. Als offizieller Käufer amtierte ein südafrikanischer Waffenhändler und früherer Berater des Apartheid-Regimes, Willem Tertius Ehler. Die Ermittler gehen jedoch inzwischen davon aus, dass die BNP nicht ignorieren durfte, worum es in Wirklichkeit ging, denn als Garant des Millionenkredits trat die rwandische Nationalbank auf.

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.