Der
„Antikapitalismus" ist sozusagen populär geworden.
In der Partei Die Linke gibt es seit wenigen Jahren
eine Plattform mit der Bezeichnung
„Antikapitalistische Linke" und mit der „Neuen
Antikapitalistischen Organisation" (NAO) sollte
sogar eine Partei mit diesem Namen gegründet
werden. Weitere Gruppen tragen den Antikapitalismus
im Namen und in sozialen Netzwerken wie Facebock
gibt es viele Gruppen die sich "Antikapitalistische
Linke" oder ähnlich nennen.
Eine allgemeine
Begriffsbestimmung gibt es jedoch noch nicht, so
dass die Vorstellung vom „Antikapitalismus" meist
nicht klar ist und die Deutung des Begriffes ist
wie immer oft auch Teil der politischen
Auseinandersetzung. Es dient also der
wissenschaftlichen und politischen Klarheit
deutlich zu machen, was man unter dem Begriff
"Antikapitalismus" nun genau versteht, wenn man
sich als "Antikapitalist" bezeichnet, oder solche
Politik einfordert. Hierzu ist es natürlich auch
erforderlich den "Kapitalismus" gegen den sich der
Antikapitalist ja wendet, zu erläutern.
Wenn der Begriff weit
gefasst wird dann wäre die sogenannte „soziale
Marktwirtschaft" bereits kein Kapitalismus mehr und
somit wäre fasst das ganze politische Spektrum als
„antikapitalistisch" zu verstehen. Es wird also
praktisch allgemein geleugnet, dass es den
Kapitalismus überhaupt noch gibt. Dieser wäre
angeblich durch Sozialreformen und Staatseingriffe
überwunden worden, oder man behauptet
wie die vom Kapital gesponserte "Initiative neue
soziale Marktwirtschaft", dass der Kapitalismus
zumindest sozial gestaltet werden könnte und dann
eben kein Kapitalismus mehr wäre. Es gibt in der
Gesellschaft einen ganz breiten Konsens dieser Art
des "Antikapitalismus", dessen fester Bestandteil
staatliche Regulierungen und Eingriffe
sind, ohne die auch Ultra-Neoliberale überhaupt
nicht auskommen. Extreme Beispiele sind die
zeitweiligen und teilweise
Verstaatlichungen der Konzerne und des
Finanzsektors in den USA und in anderen Ländern im
Gefolge der Finanzkrise von 2008. "Systemrelevante"
Sektoren und Teile des Kapitalismus müssen vom
Staat "gerettet" werden oder
"reguliert" werden, damit der Kapitalismus
überhaupt weiter bestehen kann und nicht voll
zusammenbricht. Oder zum
Beispiel die Wirtschaftskrise in Griechenland im
Zuge derer sogar extreme Kapitalverkehrskontrollen
eingeführt wurden. Diese Fakten mussten schon lange
auch Neoliberale zur Kenntnis nehmen und das war der
totale Zusammenbruch all ihrer Theorien und das
totale Scheitern der Politik, die sie Jahrzehnte
betrieben haben.
Staatseingriffe in
den Kapitalismus sind jedoch der Alltag, denn ohne
kann dieses Wirtschaftssystem überhaupt nicht
existieren. Der Kapitalismus ist daher genau
bezeichnet ein Kapitalismus vom und durch den
Staat, ein Staatskapitalismus, aber die politische
Auseinandersetzung geht leider in aller Regel nur
um die Art der Eingriffe des Staates in dieses
Wirtschaftssystem, und nicht um dessen Überwindung,
was der Begriff "Antikapitalismus" ja eigentlich
suggeriert und wofür Antikapitalisten ja eigentlich
stehen müssten.
Der Kern des
Kapitalismus ist ein Gefüge aus Lohnarbeit, Preisen
und Profiten, wie Karl Marx in seinen umfangreichen
ökonomischen Analysen wie den drei Bänden des „Das
Kapital" oder den Vorstudien dazu wie
„Lohn-Preis-Profit" dargelegt hat. Weiterhin hat
Marx in seinen Analysen des Kapitalismus dargelegt,
dass dieses System immer defizitär ist und um dies
auszugleichen immer auf Expansion und das
sogenannte "Wachstum" angewiesen ist. Gäbe es nicht
immer neue und größere Märkte, gäbe es nicht
immer neue Sektoren die vom Kapitalismus, also vom
Lohn-Preis-Profit System erobert und besetzt
werden, gäbe es nicht eine beständige Ausweitung
der Geldmengen und sonstiger künstlicher Werte wie
Aktien, würde der sogenannte "Tendenzielle Fall der
Profitraten" eintreten und sämtliche Blasen auf
denen der Kapitalismus sitzt und die
über viele Generationen aufgeblasen wurden
würden alle platzen. Also versuchen die Verwalter
und Administratoren des Kapitalismus eben immer
neue Blasen zu erzeugen um das Platzen des
Schaumberges, auf dem dieses System beruht, um
jeden Preis zu verhindern, und wenn dieser Preis
ein Krieg oder Weltkrieg ist.
Der Kapitalismus ist
jedoch nicht nur durch seine defizitäre Struktur,
die ähnlich einem Kettenbrief endlich ist, extrem
bedroht. Löhne, Preise und Profite kann es
natürlich nur dann geben, wenn ein Mangel an Gütern
besteht. Wäre alles umsonst und im Überfluss
vorhanden würde natürlich niemand dafür etwas
bezahlen, da er es ja auch umsonst bekommen könnte.
Das Gleiche ist der Fall wenn jeder große Mengen an
Geld hätte und sich also alle immer alles leisten
könnte, auch dann hätten Löhne, Preise und Profite
gar keinen Sinn mehr und man könnte darauf
verzichten und gleich alles umsonst verteilen.
Eigentlich ist durch
die Überentwicklung der Produktivkräfte der Fall
längst eingetreten, dass es sämtliche Waren im
Überfluss gibt und Löhne, Preise und Profite gar
keinen Sinn mehr machen und es viel einfacher wäre,
jedem alles was er braucht ohne Kapitalismus, also
ohne Löhne, Preise und Profite, zur Verfügung zu
stellen. Zum Überfluss an Waren sind nicht nur die
tatsächlich vorhandenen Waren zu rechnen, sondern
auch alle Waren die produziert werden könnten oder
vernichtet werden, weil sie zum Beispiel wegen
Kaufkraftmangel nicht abgesetzt werden können.
Zahllose Fabriken und Fertigungsanlagen die
stillgelegt oder gedrosselt sind, obwohl großer
Bedarf an den Gütern besteht, bezeugen die Krise
des Kapitalismus und die dringende Notwendigkeit,
das dieses System ersetzt werden muss.
Mangel an Gütern wird
vom Staat oder den Produzenten nur deswegen
künstlich erzeugt um Preise und Profite erhalten zu
können, was bei Überfluss überhaupt nicht möglich
wäre.
Der Kapitalismus
erzeugt viel zu viel und immer mehr
Produktivkräfte, braucht aber gleichzeitig den
Mangel an Gütern und Waren um bestehen zu können.
Nur Reiche Leute, die sich alles leisten können
kann es im Kapitalismus auch nicht geben, weil dann
die Waren wieder wertlos wären und das Geld mitsamt
dem ganzen System überflüssig wäre. Zudem ist
dieses System auf einem Berg von Schaumblasen aus
Schulden, angeblichen und künstlichen Werten
aufgebaut, deren Platzen in naher Zukunft
unvermeidlich ist.
Wer aber angeblich
oder tatsächlich bestrebt ist dieses
Wirtschaftssystem stabil, sozial, demokratisch usw.
zu halten oder zu gestalten, kann also eigentlich
nicht zu den Antikapitalisten gezählt werden,
jedoch ist diese Haltung aber derzeit der
allgemeine und breite Konsens der Gesellschaft, der
auch weite Teile der Linken umfasst.
Antikapitalismus im
tiefen und eigentlichen Sinn bedeutet, das
kapitalistische System mit Löhnen, Preisen und
Profiten durch ein anderes Wirtschaftssystem zu
ersetzen, das auf der direkten Anforderung durch
die Verbraucher beruht. Grob dargestellt kann der
Bedarf an Gütern pro Kopf und zum Beispiel je
Bezirk geschätzt werden, damit der tatsächliche
Bedarf und Verbrauch gedeckt ist. Der tatsächliche
Verbrauch und die Anforderung der Verbraucher
bestimmt die weitere Produktion, deren einziger
Zweck es ist den Bedarf aller zu decken und nicht
etwa Löhne, Preise und Profite zu erzielen. Die
Produktion selbst wird nicht in Lohnarbeit
ausgeführt sondern in freiwilliger und
gemeinnütziger Arbeit, wobei sämtliche Mitglieder
der Gesellschaft einbezogen werden und
mitbestimmend sind. Also auch die Millionen Leute
die heute als Arbeitslos bezeichnet werden,
Rentner, Jugendliche, Hausmänner und Frauen usw.
Durch die zunehmende
Vernetzung ist eine immer engere Verzahnung von
Produzenten, Transportlogistik, Verbrauchern,
Lieferanten usw. bereits in diesem System im Gange,
so viel bräuchte also eigentlich nicht geändert
werden. Die Kriterien eben die für den Kapitalismus
entscheidend sind, also Lohn, Preis und Profit,
müssen überwunden werden damit die Wirtschaft mit
all seinen Produktivkräften auch der Masse der
Menschheit zugute kommt und es wirklich allen immer
besser gehen kann.
Der Staat und alle
Staaten sind also allgegenwärtig und in ständiger
Not, dieses eigentlich völlige überkommene,
krisenhafte und sinnlose System, den Kapitalismus
zu retten und am laufen zu halten. „Der Staat" ist
vor allem die Staatsbürokratie aus Politikern,
Parteien und sonstigen Institutionen, die das
System verwalten und ein Interesse daran haben,
dass ihr System weiter erhalten bleibt. Die
bürgerliche Politik selbst ist zu einem Zweig und
Bestandteil des Kapitalismus aus Lohnarbeit und
Profiten geworden. Die eigentlichen
Kapitalisten spielen in der Produktion heute eine
untergeordnete, teilweise auch destruktive Rolle,
da sie selbst von Krediten abhängig und in das
System eingebunden sind. Kapital regiert in der
Form von großen Finanzkonzernen die Geldströme
global lenken und organisieren und von der
eigentlichen Produktion weitgehend unabhängig
und für sie unnötig sind.
Mehr Staat oder
Verstaatlichungen bedeuten nicht das es deswegen
weniger Kapitalismus gibt. Der Kapitalismus mit
Lohn, Preis und Profit ist auch in staatlichen
Unternehmen gegeben, und sogar wenn die gesamte
Industrie eines Landes verstaatlicht ist, wie viele
Beispiele zeigen. Privatkapital durch
Staatsbürokratie weitgehend zu ersetzen, wie das in
der DDR und der Sowjetunion der Fall war, bedeutet
nicht das kapitalistische System abzuschaffen, wie
viele meinen. Auch die sogenannte
"Arbeiterkontrolle" bedeutet nicht, dass es weniger
Kapitalismus gibt. Belegschaften die Betriebe in
eigene Regie übernehmen und selber versuchen Löhne
und Profite mit entsprechenden Preisen zu erzielen,
sind auch kapitalistische Betriebe, wie am
Schicksal der vielen Konsumgenossenschaften,
Baugenossenschaften usw. zu sehe ist. Auch solche
"Genossen" sind im eigentlichen und tieferen Sinn
keine Antikapitalisten sondern eben Teil und
Ergänzung des Kapitalismus.
Wer Antikapitalist
sein will muss eine wirtschaftliche Alternative zum
Kapitalismus aus Lohn, Preis und Profit
propagieren. Dies bedeutet auch, und vor allem für
Bedingungen zu kämpfen, die eine Entwicklung und
Etablierung einer antikapitalistischen Alternative
ermöglichen. Solch eine Alternative kann gar nicht
von oben, vom Staat oder einer Partei zum Beispiel,
entwickelt und etabliert werden, weil es gerade nur
umgekehrt funktionieren kann, nämlich
basisdemokratisch und von unten her aufbauend.
Möglichst große Gleichheit ist daher eine wichtige
Bedingung, die zum Etablieren einer
antikapitalistischen Alternative unbedingt
notwendig ist, weil nur durch die Einbeziehung
aller auch ein System für alle und eine
Gesellschaft für alle entstehen kann. Großer
Reichtum einerseits und Armut und Not andererseits
verhindern die Gleichheit und die Demokratie, denn
mit Geld lässt sich im Kapitalismus alles und fast
jeder kaufen. Die Mitwirkungsmöglichkeiten und
Mitbestimmungsmöglichkeiten müssen auch für alle
gleich sein, Privilegien für Parteien und Politiker
verhindern jedoch die Gleichheit und die Demokratie
ebenso.
Selbstverständlich
ist auch Frieden eine wichtige Bedingung zur
Entwicklung einer antikapitalistischen Alternative
denn jeder Krieg ist ein unnötiger und
verbrecherischer Krieg des Kapitalismus gegen die
Menschen. Der Erhalt der Umwelt und sonstigen
Grundlagen des Lebens sind natürlich ebenfalls eine
sehr wichtige Bedingung, und überhaupt letztlich
auch nur in der Überwindung des Kapitalismus
machbar.
In diesem Sinne ist
es für alle höchste Zeit Antikapitalisten zu
werden, denn die Entwicklung geht durch die
Vernetzungen immer rascher vorwärts. Es gibt keine
Jahrzehnte mehr zum abwarten, auch Jahre der
relativen und begrenzten Stabilität gibt es nicht
mehr. Die nächsten Runden der Finanzkrisen,
Staatskrisen, Umweltkrisen, Flüchtlingskrisen und
Kriege steht uns mit diesem System unmittelbar
bevor.
Antikapitalisten
können und wollen nicht an Stelle der Gesellschaft
regieren und bestimmen, sondern diese in die Lage
versetzen, es selbst zu tun.
Antikapitalismus ist
der Kampf für die Befreiung der Menschheit vom
Kapitalismus und der Spaltung und Zersplitterung
der Gesellschaft, die dieser erzeugt.
Quelle: Zusendung per Email am
05.08.2017 |