Diktatur im Sattel bestätigt
Wahlen in afrikanischer Erdölrepublik Kongo-Brazzaville


von Bernard Schmid

8/2017

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In der Republik Kongo, jener auf Äquatorhöhe liegenden Erdölrepublik, die man nicht mit dem Nachbarland „Demokratische Republik Kongo“ (DRK) verwechseln sollte, ist Politik weitgehend eine Familiensache. Jedenfalls an der Spitze des 5,1 Millionen Einwohner/innen zählenden Staates.

Nicht nur, dass dasselbe Familienoberhaupt – Denis Sassou Nguesso – seit rund 35 Jahren an der Macht ist, von den späten 1970er Jahren bis 1992 und danach erneut seit 1997; dem Jahr, als er sich auf blutige Weise an die Macht zurück putschte. Auch an seine Sprösslinge beiderlei Geschlechts ist gedacht, auch für ihre Pfründe, pardon: Zukunft wird gesorgt.

Anschaulich wurde dies anlässlich der jüngsten Wahlen in dem autokratisch regierten Land illustriert. Am 16. und 30. Juli dieses Jahres wurden die 151 Sitze im Parlament neu besetzt, aber auch über eintausend Mandate in den Kommunal- und Bezirksparlamenten wurden gleichzeitig neu vergeben, Letztere in nur einem Wahlgang.

Es waren die ersten Wahlen seit dem Verfassungsputsch von Oktober 2015 und der nachfolgenden – nach verbreiteter Auffassung manipulierten – Präsidentschaftswahlen am 20. März 2016, bei denen der Familienpatriach sich im Amt des Staatsoberhaupts bestätigen ließ.

Theoretisch wäre dies unmöglich gewesen, da die geltenden Verfassung bis dahin nur zwei Amtsperioden für einen Präsidenten sowie eine Altersbeschränkung auf 70 Jahre vorsah, während Denis Sassous Nguesso bei seiner „Wiederwahl“ bereits 72 Jahre alt war. Doch wie mehrere andere autoritär regierende Präsidenten im französischsprachigen Afrika (Burundi, Djibouti, Tschad, DRK) ließ Sassou Nguesso einfach die bisherige Verfassung umschreiben, um die Amtzeit- und Altersbeschränkungen abzuschütteln, und dieses Ansinnen bei einer „Volksabstimmung“ vor anderthalb Jahren offiziell absegnen. Als dieses Referendum anberaumt wurde, konnte die Opposition unter der Diktatur in ungewöhnlich starkem Ausmaß mobilisieren: Am 27. September 2015, also vier Wochen vor dem Abstimmungstermin, gingen 25.000 Menschen dagegen auf die Straße. Doch der Machthaber setzte sich über alle Widerstände hinweg, setzte auf Repression – Dutzende Menschen starben bis zum Wahltermin -, und verhängte während der im März vorigen Jahres angesetzten Präsidentschaftswahl eine mehrtägige totale Internetsperre über das Land verhängen. Die EU, die Vereinten Nationen und die Internationale Organisation französischsprachiger Länder (OIF) hatten dieses Mal von vornherein auf die Entsendung von WahlbeobachterInnen verzichtet: Daran, dass diese Wahl regelmäßig stattfinde und dem Amtsinhaber eine echte demokratische Legitimation verschaffe, glaubte ohnehin niemand.

Eineinviertel Jahre später nun sitzt der Autokrat scheinbar fest im Sattel. Laut dem offiziellen Ergebnis, das in der Nacht vom 2. zum 3. August bekannt wurde, holte die Regierungspartei, die sich „Kongolesische Werktätigenpartei“ (PCT) nennt, 90 von 151 Sitzen im Nationalparlament und sicherte sich dadurch die Mehrheit. Auch auf lokaler Ebene sicherte die Partei der Machthabenden sich 450 der zu vergebenen Mandate, und zusammen mit zwei kleineren Satellitenparteien (RDPS und MCDDI) eine Mehrheit. Ihren Namen rettete die Staatspartei aus den siebziger Jahren, als sie sich noch an die Sowjetunion anlehnte, herüber; ihr außenpolitischer Verbündeter ist jedoch seit den neunziger Jahre ohnehin die frühere Kolonial- und heutige neokoloniale Hegemonialmacht Frankreich.

Dabei kamen dieses Mal auch die Familienmitglieder ordentlich zum Zug: Sohnemann Denis Christel Sassou Nguesso holte etwa rekordverdächtige 99,93 Prozent in der Stadt Oyo, wo die Familie ursprünglich herkommt. Aber dies war ihm nicht genug, er musste auch seine Freundin durchbringen, die „Ministerin zur Förderung der Frau“ Inès Bertilli Ingani. Diese beförderte bislang vor allem sich selbst und ihre Karriere und holte einen Parlamentssitz im Stadtteil Moungali in der Hauptstadt Brazzaville.

Unterdessen steht fest, dass im Bezirk Pool, der am Kongo-Strom liegt und wo sowohl die politische Opposition als auch die bewaffnete aufständische Bewegung von Frédéric Bintsamou alias des „Pastors Ntumi“ ihre Hochburg aufweisen, die Wahl in acht von vierzehn Wahlbezirken erst gar nicht stattfand. Hier im Pool verlor sogar eine Präsidententochter: Andrea Carole Sassou Nguesso fiel in ihrem Wahlkreis gegen einen Kandidaten der Oppositionspartei Union des démocrates humanistes (UDH), Fidèle Kanza, durch. Und in der Hauptstadt Brazzaville war es in zwei Wahlkreisen (Poto-Poto und Ouenzé) zu Konflikten gekommen, weil Militärs ihre Stimmen abgaben, ohne Ausweispapiere vorzuzeigen – wohl, um die Wählerzahl der machthabenden Partei künstlich zu steigern. In Poto-Poto wurden sie daraufhin von Einwohnern mit Steinen beworfen, woraufhin die Sicherheitskräfte in die Luft schossen, und in Ouenzé zog sich der Oppositionskandidat nach dem Auftritt der Soldaten zurück.

Weniger rekordverdächtig erschien unterdessen allerdings die Wahlbeteiligung. Auf dieser Ebene war die Regierung vorsichtig und veröffentlichte bis zum Schluss gleich erst gar keine Zahlen zur Teilnahme.

Das offizielle Frankreich brachte darüber seine „Besorgnis“ zum Ausdruck und forderte die Behörden der Republik Kongo dazu auf, so bald wie möglich die Wahl auch in diesen acht Bezirken noch abzuhalten. Das war es dann aber auch schon als Opposition gegen die Praktiken des Regimes in Brazzaville.

Allerdings nimmt dies auch kein Wunder: Frankreich, allein voran das größte private Wirtschaftsunternehmen des Landes – der Ölkonzern TOTAL – ist federführend an der Ausbeutung der Rohstoffe des Landes beteiligt. Während des Bürgerkriegs 1997/98, bei dem Sassou Nguesso sich die Macht zurückholte, unterhielt ELF, so hieß die Vorgängerfirma von TOTAL, einen eigenen Krisenstab in ihrem Bürohochhaus in La Défense bei Paris. Das Unternehmen entschied sich, die Bürgerkriegspartei unter Sassou Nguesso gegen den damals amtierenden Präsidenten Pascal Lissouba zu unterstützen.

Heute kommt eine neue Offensive des französischen Kapitals hinzu, bei der es darum geht, nunmehr auch die Wälder des zentralafrikanischen Staates verstärkt auszuplündern. Ein 16 Millionen Euro teures vorgebliches „Entwicklungshilfe“projekt der französischen staatlichen Entwicklungsagentur AFD, das eine intensivierte kommerzielle Nutzung des dortigen Regenwalds vorsieht, stößt auf massiven Widerstand bei umwelt- und klimapolitisch engagierten NGOs wie Global Witness. Und nicht nur dort. Die norwegische Regierung, die die internationale „Initiative für die zentralafrikanischen Wälder“ finanziert – die aus Klimaschutzgründen die dortigen Waldgebiete fördern möchte, und bei der das AFD-Projekt als vorgebliche Schutzmaßnahme angemeldet wurde – wies das Vorhaben bei einem Arbeitstreffen am 18. Juli in Kinshasa zurück. Dies wurde nicht nur durch eine Reihe von NGOs, sondern auch durch hochrangige Wissenschaftler begrüßt, etwa Professor Simon L. Lewis von der britischen Universität Leeds. Ihm zufolge bedroht das – vorläufig blockierte – französische Projekt ein 11.000 Jahre altes Torfgebiet im zentralen Kongobecken, das erst jüngst entdeckt wurde. Seine Ausdehnung wird heute auf 145.000 Quadratkilometer geschätzt, es wäre damit 16 mal so groß, wie noch 2012 geschätzt wurde. Es ist in der Lage, CO2-Emissionen zu absorbieren und zu binden, die zwanzig Jahren Kohlendioxid-Ausstoß der USA entsprechen und bei seiner Zerstörung freigesetzt würden.

Editorische Hinweise

Den Artikel erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe. Er wurde erheblich gekürzte Tam 05. August 17 in der Tageszeitung ,Neues Deutschland’ veröffentlicht.