In der Republik
Kongo, jener auf Äquatorhöhe liegenden
Erdölrepublik, die man nicht mit dem Nachbarland
„Demokratische Republik Kongo“ (DRK) verwechseln
sollte, ist Politik weitgehend eine Familiensache.
Jedenfalls an der Spitze des 5,1 Millionen
Einwohner/innen zählenden Staates.
Nicht nur, dass
dasselbe Familienoberhaupt – Denis Sassou Nguesso –
seit rund 35 Jahren an der Macht ist, von den
späten 1970er Jahren bis 1992 und danach erneut
seit 1997; dem Jahr, als er sich auf blutige Weise
an die Macht zurück putschte. Auch an seine
Sprösslinge beiderlei Geschlechts ist gedacht, auch
für ihre Pfründe, pardon: Zukunft wird gesorgt.
Anschaulich wurde
dies anlässlich der jüngsten Wahlen in dem
autokratisch regierten Land illustriert. Am 16. und
30. Juli dieses Jahres wurden die 151 Sitze im
Parlament neu besetzt, aber auch über eintausend
Mandate in den Kommunal- und Bezirksparlamenten
wurden gleichzeitig neu vergeben, Letztere in nur
einem Wahlgang.
Es waren die ersten
Wahlen seit dem Verfassungsputsch von Oktober 2015
und der nachfolgenden – nach verbreiteter
Auffassung manipulierten – Präsidentschaftswahlen
am 20. März 2016, bei denen der Familienpatriach
sich im Amt des Staatsoberhaupts bestätigen ließ.
Theoretisch wäre dies
unmöglich gewesen, da die geltenden Verfassung bis
dahin nur zwei Amtsperioden für einen Präsidenten
sowie eine Altersbeschränkung auf 70 Jahre vorsah,
während Denis Sassous Nguesso bei seiner
„Wiederwahl“ bereits 72 Jahre alt war. Doch wie
mehrere andere autoritär regierende Präsidenten im
französischsprachigen Afrika (Burundi, Djibouti,
Tschad, DRK) ließ Sassou Nguesso einfach die
bisherige Verfassung umschreiben, um die Amtzeit-
und Altersbeschränkungen abzuschütteln, und dieses
Ansinnen bei einer „Volksabstimmung“ vor anderthalb
Jahren offiziell absegnen. Als dieses Referendum
anberaumt wurde, konnte die Opposition unter der
Diktatur in ungewöhnlich starkem Ausmaß
mobilisieren: Am 27. September 2015, also vier
Wochen vor dem Abstimmungstermin, gingen 25.000
Menschen dagegen auf die Straße. Doch der
Machthaber setzte sich über alle Widerstände
hinweg, setzte auf Repression – Dutzende Menschen
starben bis zum Wahltermin -, und verhängte während
der im März vorigen Jahres angesetzten
Präsidentschaftswahl eine mehrtägige totale
Internetsperre über das Land verhängen. Die EU, die
Vereinten Nationen und die Internationale
Organisation französischsprachiger Länder (OIF)
hatten dieses Mal von vornherein auf die Entsendung
von WahlbeobachterInnen verzichtet: Daran, dass
diese Wahl regelmäßig stattfinde und dem
Amtsinhaber eine echte demokratische Legitimation
verschaffe, glaubte ohnehin niemand.
Eineinviertel Jahre
später nun sitzt der Autokrat scheinbar fest im
Sattel. Laut dem offiziellen Ergebnis, das in der
Nacht vom 2. zum 3. August bekannt wurde, holte die
Regierungspartei, die sich „Kongolesische
Werktätigenpartei“ (PCT) nennt, 90 von 151 Sitzen
im Nationalparlament und sicherte sich dadurch die
Mehrheit. Auch auf lokaler Ebene sicherte die
Partei der Machthabenden sich 450 der zu vergebenen
Mandate, und zusammen mit zwei kleineren
Satellitenparteien (RDPS und MCDDI) eine Mehrheit.
Ihren Namen rettete die Staatspartei aus den
siebziger Jahren, als sie sich noch an die
Sowjetunion anlehnte, herüber; ihr außenpolitischer
Verbündeter ist jedoch seit den neunziger Jahre
ohnehin die frühere Kolonial- und heutige
neokoloniale Hegemonialmacht Frankreich.
Dabei kamen dieses
Mal auch die Familienmitglieder ordentlich zum Zug:
Sohnemann Denis Christel Sassou Nguesso holte etwa
rekordverdächtige 99,93 Prozent in der Stadt Oyo,
wo die Familie ursprünglich herkommt. Aber dies war
ihm nicht genug, er musste auch seine Freundin
durchbringen, die „Ministerin zur Förderung der
Frau“ Inès Bertilli Ingani. Diese beförderte
bislang vor allem sich selbst und ihre Karriere und
holte einen Parlamentssitz im Stadtteil Moungali in
der Hauptstadt Brazzaville.
Unterdessen steht
fest, dass im Bezirk Pool, der am Kongo-Strom liegt
und wo sowohl die politische Opposition als auch
die bewaffnete aufständische Bewegung von Frédéric
Bintsamou alias des „Pastors Ntumi“ ihre Hochburg
aufweisen, die Wahl in acht von vierzehn
Wahlbezirken erst gar nicht stattfand. Hier im Pool
verlor sogar eine Präsidententochter: Andrea Carole
Sassou Nguesso fiel in ihrem Wahlkreis gegen einen
Kandidaten der Oppositionspartei Union
des démocrates humanistes (UDH),
Fidèle Kanza, durch. Und in der Hauptstadt
Brazzaville war es in zwei Wahlkreisen (Poto-Poto
und Ouenzé) zu Konflikten gekommen, weil Militärs
ihre Stimmen abgaben, ohne Ausweispapiere
vorzuzeigen – wohl, um die Wählerzahl der
machthabenden Partei künstlich zu steigern. In
Poto-Poto wurden sie daraufhin von Einwohnern mit
Steinen beworfen, woraufhin die Sicherheitskräfte
in die Luft schossen, und in Ouenzé zog sich der
Oppositionskandidat nach dem Auftritt der Soldaten
zurück.
Weniger
rekordverdächtig erschien unterdessen allerdings
die Wahlbeteiligung. Auf dieser Ebene war die
Regierung vorsichtig und veröffentlichte bis zum
Schluss gleich erst gar keine Zahlen zur Teilnahme.
Das offizielle
Frankreich brachte darüber seine „Besorgnis“ zum
Ausdruck und forderte die Behörden der Republik
Kongo dazu auf, so bald wie möglich die Wahl auch
in diesen acht Bezirken noch abzuhalten. Das war es
dann aber auch schon als Opposition gegen die
Praktiken des Regimes in Brazzaville.
Allerdings nimmt dies
auch kein Wunder: Frankreich, allein voran das
größte private Wirtschaftsunternehmen des Landes –
der Ölkonzern TOTAL – ist federführend an der
Ausbeutung der Rohstoffe des Landes beteiligt.
Während des Bürgerkriegs 1997/98, bei dem Sassou
Nguesso sich die Macht zurückholte, unterhielt ELF,
so hieß die Vorgängerfirma von TOTAL, einen eigenen
Krisenstab in ihrem Bürohochhaus in La Défense bei
Paris. Das Unternehmen entschied sich, die
Bürgerkriegspartei unter Sassou Nguesso gegen den
damals amtierenden Präsidenten Pascal Lissouba zu
unterstützen.
Heute kommt eine neue
Offensive des französischen Kapitals hinzu, bei der
es darum geht, nunmehr auch die Wälder des
zentralafrikanischen Staates verstärkt
auszuplündern. Ein 16 Millionen Euro teures
vorgebliches „Entwicklungshilfe“projekt der
französischen staatlichen Entwicklungsagentur AFD,
das eine intensivierte kommerzielle Nutzung des
dortigen Regenwalds vorsieht, stößt auf massiven
Widerstand bei umwelt- und klimapolitisch
engagierten NGOs wie Global Witness. Und
nicht nur dort. Die norwegische Regierung, die die
internationale „Initiative für die
zentralafrikanischen Wälder“ finanziert – die aus
Klimaschutzgründen die dortigen Waldgebiete fördern
möchte, und bei der das AFD-Projekt als vorgebliche
Schutzmaßnahme angemeldet wurde – wies das Vorhaben
bei einem Arbeitstreffen am 18. Juli in Kinshasa
zurück. Dies wurde nicht nur durch eine Reihe von
NGOs, sondern auch durch hochrangige
Wissenschaftler begrüßt, etwa Professor Simon L.
Lewis von der britischen Universität Leeds. Ihm
zufolge bedroht das – vorläufig blockierte –
französische Projekt ein 11.000 Jahre altes
Torfgebiet im zentralen Kongobecken, das erst
jüngst entdeckt wurde. Seine Ausdehnung wird heute
auf 145.000 Quadratkilometer geschätzt, es wäre
damit 16 mal so groß, wie noch 2012 geschätzt
wurde. Es ist in der Lage, CO2-Emissionen zu
absorbieren und zu binden, die zwanzig Jahren
Kohlendioxid-Ausstoß der USA entsprechen und bei
seiner Zerstörung freigesetzt würden.
Editorische
Hinweise
Den Artikel
erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe. Er
wurde erheblich gekürzte Tam 05. August 17 in der
Tageszeitung ,Neues Deutschland’ veröffentlicht.
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