Solidarische Warenproduktion als Alternative zur kapitalistischen Warenproduktion

von Wolfgang Hoss

08/2018

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Inhaltsverzeichnis

1. Grundprinzip der solidarischen Warenproduktion, Gründung von

Mitarbeitergesellschaften MAG (sozialistische Genossenschaften).

2. Brutto und Nettolohn

3. Erfolgsmaß der sozialistischen Genossenschaft

4. Solidarischer Beistand für Betriebe die Einkommen unter dem Mindestlohn produzieren

5. Preisbildung

6. Produktionsplanung

7. Regelung von Gesamtangebot und Gesamtnachfrage

8. Überwindung von Massenarbeitslosigkeit

9. Blasenbildung durch exponentiell wachsende Verschuldung

10. Allgemeiner Schuldenerlaß für den Staat und die sozialistischen Unternehmen.

11. Verstaatlichung der Banken. Aufhebung der Börsen

12. Wirtschaftswachstum und Umweltschutz

13. Ausblick

1. Grundprinzip der solidarischen Warenproduktion, Gründung von Mitarbeitergesellschaften MAG (sozialistische Genossenschaften)

Die Suche nach einer Alternative zur kapitalistischen Produktionsweise nach dem Scheitern des Sozialismusversuchs in den ehemaligen Ostblockstaaten hat sich nicht erübrigt, die Probleme in der kapitalistischen Weltwirtschaft spitzen sich vielmehr dramatisch zu. Bürgerkriege, Hungersnöte, Flüchtlingsströme, Wirtschaftskrisen, Schulden- und Finanzblasen, Umweltschädigungen durch Überwachstum der Weltproduktion sind Kennzeichen der Fäulnis des heutigen kapitalistischen Weltsystems. Der Sozialismusversuch in den ehemaligen Ostblockstaaten ist gescheitert, die Versuche die Warenproduktion aufzuheben haben nicht zum Erfolg geführt, aber auch die Wiedereinführung der kapitalistischen Warenproduktion in diesen Staaten hat enttäuschende Resultate mit sich gebracht. Anstatt den versprochenen blühenden Landschaften haben sich heute in den meisten Ländern des Ostens Massenarbeitslosigkeit und Krisensituationen eingestellt und soziales Chaos hat sich in großen Teilen der Welt ausgebreitet. Es fragt sich daher, ob es außer der vollständigen Aufhebung der Warenproduktion (Kommunismus) und außer der kapitalistischen Warenproduktion noch einen „Dritten Weg“ der ökonomischen Grundordnungen gibt. In letzter Zeit bin ich zu der Überzeugung gekommen, daß der vollständigen Aufhebung der Warenproduktion, so wie ich sie in meinem Buch „Modell einer sozialistischen Marktwirtschaft“ beschrieben habe, eine solidarische Form der Warenproduktion vorhergehen muß. Die vollständige Aufhebung der Warenwirtschaft mit der Verteilung der produzierten Güter nach den Bedürfnissen (Kommunismus) gehört in eine spätere auf die solidarische Warenproduktion folgende Entwicklungsetappe.

Im System der solidarischen (sozialistischen) Warenproduktion nach dem vorliegenden Konzept soll das gesamte produzierte Einkommen der Unternehmen die Lohnform, also die Form des Arbeitseinkommens annehmen (produziertes Einkommen gleich Neuwert nach Marxens Begriff, bzw. Nettowertschöpfung im bürgerlichen Begriffssystem). Unternehmen die Güter für den Austausch, also Waren produzieren, und die nur noch Einkommen in Lohnform und damit keinen Gewinn als Kapitaleinkommen produzieren, können Mitarbeitergesellschaften MAG (sozialistische Genossenschaften) genannt werden.

Würde das Einkommen der sozialistischen Genossenschaft (MAG) in Lohn und Gewinn aufgeteilt werden, dann würde sich folgendes Problem ergeben. Steigt der Lohn, dann sinkt, unter sonst gleichen Umständen, der Gewinn. Und umgekehrt, sinkt der Lohn, dann steigt der Gewinn. Was an Gewinn durch Lohnsenkungen gewonnen wird, würde dem Betriebskollektiv an Lohn verloren gehen. Und umgekehrt, was an Gewinn durch Lohnerhöhungen verloren geht, würde an Lohn gewonnen werden. Das Gesamteinkommen der MAG würde sich dadurch nicht ändern. Zur Vermeidung dieser gegenseitigen Abhängigkeit von Lohn und Gewinn gibt es in der sozialistischen Genossenschaft nur einen widerspruchsfreien Ausweg, nämlich die Verwandlung des „Gewinns“ in eine spezifische Form des Lohns.

Es stehen sich damit also nicht mehr die beiden Einkommensformen Lohn und Gewinn gegenüber, sondern das gesamte produzierte Einkommen erhält die Form des Bruttolohns. Damit stehen sich auch nicht mehr die beiden Klassen Lohnarbeiter und Kapitalisten in den Unternehmen gegenüber. Das kapitalistische ökonomische System wird damit aufgehoben.

Steigt in der sozialistischen Genossenschaft das produzierte Einkommen, dann steigt der Bruttolohn (produziertes Einkommen=Bruttolohn). Anstelle der Gewinnmaximierung wird in der sozialistischen Genossenschaft die Bruttolohnmaximierung angestrebt. Der Bruttolohn wird maximiert, indem die Produktionsmittelkosten minimiert werden. Das wichtigste Erfolgsmaß des sozialistischen Betriebskollektivs ist der realisierte Bruttolohn pro Stunde. Bei gleichen Abzügen vom Bruttolohn wird damit auch der Nettolohn maximiert (hierzu mehr im 3. Abschnitt).

Auch das staatliche Eigentum an den Produktionsmitteln und damit das oberste Entscheidungsrecht des Staates in betrieblichen Angelegenheiten wird durch Gründung sozialistischer Genossenschaften aufgehoben und durch das betriebskollektive Entscheidungsrecht ersetzt. Dem Entscheidungsrecht des Betriebskollektivs ist damit also nicht mehr das Entscheidungsrecht der Partei- und Staatsfunktionäre übergeordnet wie z.B. in den staatlichen Betrieben in der ehemaligen DDR.

Die autonomen Genossenschaften der solidarischen (sozialistischen) Warenproduktion hätten ähnliche Entscheidungsfreiheit wie die privatkapitalistischen Warenproduzenten, sie würden aber nicht im Interesse von privaten Kapitalbesitzern oder im Interesse von Partei- und Staatsfunktionären entscheiden, sondern im Interesse der Mehrheit des Betriebskollektivs. Der Staat würde eine wirklich demokratische Basis erhalten.

Hält das Betriebskollektiv im sozialistischen System einen Teil des produzierten Einkommens zeitweilig in einem Prämienfonds zurück, dann handelt es sich, wie gesagt, nicht um einen Gewinn oder Profit, sondern nur um eine spezifische Form des Lohns. Ein gewisser Eigentumswechsel findet allerdings mit der Prämienauszahlung statt, d.h. ein Teil des betriebskollektiven Eigentums (die Mittel im Prämienfonds) verwandelt sich damit in individuelles Eigentum der einzelnen Mitarbeiter. Letztlich wird damit nur der Lohn in zwei verschiedenen Formen angeeignet (Grundlohn und Prämienlohn), das Gesamteinkommen der MAG ändert sich dadurch nicht. Wichtiger als ein hoher Prämienfonds ist daher für das sozialistische Betriebskollektiv ein möglichst hohes produziertes Gesamteinkommen also ein möglichst hoher Bruttolohn.

Wenn die Kapitalbesitzer enteignet werden und das produzierte Einkommen vollständig auf das Betriebskollektiv als Lohn aufgeteilt wird, dann wird das produzierte Einkommen sofort sehr viel gleichmäßiger verteilt als im Kapitalismus. Die sozialistischen Genossenschaften verteilen das Einkommen also sehr viel gleichmäßiger als die kapitalistischen Unternehmen - für Multimillionäre und Milliardäre ist kein Platz in der sozialistischen Genossenschaft.

Die MAG’s nach dem vorliegenden Konzept sind manchen heute bereits bestehenden Genossenschaften ähnlich. Genossenschaften im allgemeinen gibt es schon lange im Kapitalismus, dies aber unter der Herrschaft des Kapitals in der Volkswirtschaft und zum Teil ohne konsequente Abschaffung des Gewinns als Kapitaleinkommen.

Marx hat für die sozialistische Wirtschaft ebenfalls die Gründung von Genossenschaften gefordert. Hierin stimmt das vorliegende Konzept also mit der Marx’schen Vorgabe überein. Marx forderte allerdings darüber hinaus einen gemeinsamen nationalen Plan der Gesamtheit der Genossenschaften. Er schrieb in „Der Bürgerkrieg in Frankreich“:

“Wenn aber die genossenschaftliche Produktion nicht eitel Schein und Schwindel bleiben, wenn sie das kapitalistische System verdrängen, wenn die Gesamtheit der Genossenschaften die nationale Produktion nach einem gemeinsamen Plan regeln, sie damit unter ihre eigne Leitung nehmen und der beständigen Anarchie und der beständig wiederkehrenden Konvulsionen, welche das unvermeidliche Schicksal der kapitalistischen Produktion sind, ein Ende machen soll – was wäre das andres, meine Herren, als der Kommunismus, der „mögliche“ Kommunismus?“ MEW Band 17, Seite 343.

Der „gemeinsame nationale Plan der Gesamtheit der Genossenschaften“ war in der realen Welt (in den ehemaligen Ostblockstaaten) der staatliche Produktionsplan, der letztlich zu nicht zufriedenstellenden Resultaten geführt hat. Zur Abhilfe in der Zukunft sollen die MAG’s im neuen ökonomischen System ihre Produktion konsequent entsprechend der Nachfrage auf dem Markt planen – der Staat soll sich aus der Produktionsplanung nach Menge und Sortiment prinzipiell heraushalten. Nur bei dauerhaften gesamtwirtschaftlichen Überangeboten oder Übernachfragen, soll der Staat durch geeignete Regelmaßnahmen in die volkswirtschaftlichen Zirkulationsprozesse eingreifen. Ein nationaler Naturalplan wie in einer einzigen großen volkswirtschaftlichen Fabrik wäre zu kompliziert und zu komplex, und er ist zur Überwindung von gesamtwirtschaftlichen Überangeboten oder Übernachfragen gar nicht erforderlich. Vergleiche Abschnitt 7. Regelung von Gesamtangebot und Gesamtnachfrage.

Die MAG’s sollen im neuen ökonomischen System die nationale Produktion dominieren. Erst damit wird der Kapitalismus als volkswirtschaftliches System aufgehoben. Einige wenige MAG’s reichen als volkswirtschaftliche Systemalternative natürlich nicht aus.

Das betriebskollektive Eigentum (genossenschaftliche Eigentum) an den Produktionsmitteln der MAG ist einzelnen Personen gegenüber neutral, d.h. es gehört dem gesamten Betriebskollektiv oder gleichsam sich selbst. Es gibt keinerlei Anteilsscheine. Wer Mitarbeiter der MAG wird, ist automatisch Miteigentümer, wer sie verläßt, verliert alle Eigentümerrechte und Pflichten.

Das grundsätzliche Verfügungs- und Entscheidungsrecht gebührt in der MAG dem Betriebskollektiv. Die Mitglieder der MAG wählen die Betriebsleitung und können diese jederzeit abwählen. Auch der oberste Betriebsleiter kann durch das Betriebskollektiv jederzeit eingesetzt oder abgesetzt werden. Übermächtige Manager die sich über den Willen der Mehrheit des Betriebskollektivs hinwegsetzen können, sollten nicht zugelassen werden.

MAG’s die auf Grund ungünstiger Bedingungen nur mit Verlust produzieren können, sollen im System der solidarischen (sozialistischen) Warenproduktion prinzipiell durch den Staat durch Umverteilungen gestützt werden. Der Vorwurf, daß zu niedrige Einkommen oder Verluste der Betriebe durch Faulenzerei oder durch Mißmanagement verursacht werden, ist nicht hilfreich. Hauptsächlich bzw. in der großen Mehrheit werden die großen Existenzprobleme der rückständigen Warenproduzenten durch ungünstigere ökonomische Bedingungen im Vergleich zur Konkurrenz verursacht. Eine ökonomische Rückständigkeit kann sich in einem überaus komplizierten Prozeß über Jahrzehnte und Jahrhunderte herausgebildet haben. Oder z.B. in der Landwirtschaft können sehr unterschiedliche natürliche Bedingungen für Ackerbau und Viehzucht gegeben sein. Die unterschiedlichen Bedingungen für die Warenproduktion lassen sich zum größten Teil nicht aus der Welt schaffen. Es müssen demnach Lösungen gefunden werden die die Existenz auch der rückständigen aber erhaltenswerten MAG’s sicherstellen.

2. Brutto- und Nettolohn

Für den Bruttolohn (produziertes Einkommen) gilt allgemein folgende Formel:

N=W-Cc=V+dH-Cc Bruttolohn

W=V+dH Warenproduktion
V =Umsatz
dH=Warenvorratsänderung

Cc=Ca+Cu Produktionsmittelverbrauch (Produktionsmittelkosten)
Ca= Anlageproduktionsmittelverbrauch (Abschreibungen)
Cu= Umlaufproduktionsmittelverbrauch (Vorleistungen) Materialkosten, Brennstoffe, Hilfsstoffe, Elektroenergie, Transportkosten, Gewerbemieten,
Telekommunikation, betriebliche Sozialleistungen und dgl.

Zur Bestimmung des Nettolohns sind folgende Kostenpositionen vom Bruttolohn abzuziehen:


1. Cst Lohnsteuer
2.
Csoz Sozialabgaben
2.1 Abgabe für Rentenkasse
2.2 Abgabe für Krankenkasse
2.3 Abgabe für Pflegefälle
2.4 Abgabe für Arbeitslosigkeit
2.5 Abgabe für Kindergeld
2.6 Abgabe für Stützung rückständiger Unternehmen
3. Cerw Mittel für die erweiterte Reproduktion (Mittel für Zuwachs der Bauten und Ausrüstungen)

Der Nettolohn ist demnach durch folgende Beziehung bestimmt:

Nnetto=N-Cst-Csoz-Cerw Nettolohn

Der Nettolohn ist um so größer, um so kleiner die Abzüge vom Bruttolohn Cst, Csoz, Cerw ausgefallen sind. Andererseits sollten die Steuern, die Sozialabgaben und die Mittel für die erweiterte Reproduktion zufriedenstellend groß gehalten werden.

3. Erfolgsmaß der sozialistischen Genossenschaft

Auf den ersten Blick ist es erstaunlich, daß in der echten warenproduzierenden sozialistischen Genossenschaft prinzipiell kein Gewinn anfällt, sondern nur noch Einkommen in Lohnform produziert wird. Wird ein Prämienfonds angelegt, dann handelt es sich nicht um einen Gewinnfonds, sondern um eine spezielle Form des Lohnfonds. Als allgemeines Erfolgsmaß kann in der sozialistischen Genossenschaft konsequenterweise die Einkommensmaximierung dienen, und da das gesamte Einkommen nur noch in Lohnform auftritt, kann als Erfolgsmaß die Lohnmaximierung dienen. Die Lohnmaximierung ist allen anderen Stimuli für das Betriebskollektiv überlegen. Die Gewinnmaximierung als Ziel würde die Lohnminimierung voraussetzen (sinkt der Lohn, dann steigt unter sonst gleichen Umständen der Gewinn). Eine anschließende vollständige Ausschüttung einer Gewinnprämie würde den Lohn nur wieder auf den Betrag des produzierten Einkommens erhöhen. Es kann daher gleich die Lohnmaximierung als Ziel gesetzt werden, so daß die Probleme des Prämienlohns nicht mehr auftreten (insbesondere das Problem der Bestimmung eines festen Grundlohns, der kleiner sein muß als das produzierte Einkommen, so daß überhaupt Gewinn realisiert werden kann, würde nicht mehr auftreten).

4. Solidarischer Beistand für Betriebe die Einkommen unter dem Mindestlohn produzieren.

Im Verlauf der Höherentwicklung der Warenproduktion sind weltweit, national und regional Produzenten mit großen Entwicklungsunterschieden und zum Teil sehr unterschiedlichen Bedingungen für die Warenproduktion auf gemeinsamen Märkten zusammengeführt worden, und infolge dessen wurde es für viele Produzenten immer schwerer Gewinne oder überhaupt Einkommen zu produzieren. Die unterschiedlichen Bedingungen für die Warenproduzenten lassen sich, wie gesagt, zum großen Teil nicht aus der Welt schaffen. Ohne Subventionen sind Bankrotte großen Teils nicht zu verhindern. MAG’s die auf Grund ungünstiger Bedingungen nur mit Einkommen unter dem Mindestlohn bzw. mit Verlusten produzieren, sollten prinzipiell durch Umverteilungen durch den Staat gestützt werden.

Die Gesamtheit aller MAG’s soll im System der solidarischen Warenwirtschaft nach allgemeiner Übereinkunft eine große Gemeinschaft bilden die zu gegenseitigem Bestand in der Not verpflichtet ist. Lohnstützungen zur Erhaltung von Unternehmen und Arbeitsplätzen und zur Armutsbekämpfung sind in diesem System nur recht und billig, und nichts Absurdes.

Aber nach welchen Regeln sollen die MAG’s die unter dem Mindestlohn produzieren gestützt werden?

Im Illustrationsbeispiel A soll die MAG Einkommen weit über dem Mindestlohn produziert haben. Sie ist daher zu Abgaben in den staatlichen Solidaritätsfonds verpflichtet. Folgende Beträge sollen im Beispiel A im Betrieb mit 5000 Beschäftigten realisiert worden sein:

N=W-Cc=300Mill.€ produziertes Einkommen (Bruttolohn) pro Jahr
N=30€/h
produziertes Einkommen (Bruttolohn) pro Stunde

Für die gesamte Volkswirtschaft soll der Mindestlohn Nmin=10€/h festgelegt worden sein. Das produzierte Einkommen im Beispiel A ist größer als der Mindestlohn, und die MAG muß daher eine Abgabe in den Solidaritätsfonds entrichten. Eine Abgabe von 10% des produzierten Einkommens soll festgelegt worden sein. Die Soli-Abgabe der MAG beträgt damit Nabg=0,1* 300Mill.€=30Mill.€. pro Jahr.

Im Beispiel B hat die MAG ein sehr viel kleineres Einkommen pro Stunde realisiert, und zwar:

N=6€/h produziertes Einkommen (Bruttolohn) pro Stunde und
N=W-Cc=60Mill.€
produziertes Einkommen (Bruttolohn) pro Jahr

Das realisierte Einkommen im Beispiel B ist kleiner als der Mindestlohn, und damit hat die MAG-B einen Anspruch auf eine Subvention, die den Lohn auf den Mindestlohn (oder etwas mehr) anheben soll. Folgende Beziehung kann für die Subvention verwendet werden:

Nsub=Nmin-N=10€/h-6€/h=4€/h Subvention pro Stunde Beispiel B
Bei 7,5Mill. Stunden geleisteter Arbeitzeit pro Jahr der MAG-B hat die Jahressubvention den Betrag
Nsub=4€/h * 7,5Mill.h=30Mill.€.

Da durch die reine Subvention Nsub=Nmin-N gerade die Finanzierung des Mindestlohns sichergestellt ist, wäre ein gewisser Aufschlag auf die reine Subvention angebracht um noch differenzierte Leistungslöhne über dem Mindestlohn finanzieren zu können.

Die Formel für die Lohnsubvention Nsub=Nmin-N ist auch dann noch gültig, wenn die Produktionsmittelkosten größer ausgefallen sind als die Warenproduktion des betreffenden Unternehmens, womit ein negatives Einkommen (Verlust) produziert wurde. Ist z.B. das negative Einkommen N=W-Cc= - 4€/h realisiert worden, dann beträgt die zustehende Subvention, beim Mindestlohn Nmin=10€/h,

Nsub=Nmin-N=10€/h-(-4Mill.€/h)=14€/h.

Wenn Kleinunternehmen gestützt werden sollen die keine oder nur wenige Lohnarbeiter beschäftigen und in denen mithelfende Familienmitglieder einen wesentlichen Teil des Einkommens produzieren, dann kann die Arbeitszeit aller Beschäftigten angerechnet werden. Hat das Kleinunternehmen z.B. das Einkommen N=6€/h realisiert, und beträgt der nationale Mindestlohn Nmin=10€/h, dann kann ebenfalls die Beziehung für die Subvention Nsub=Nmin-N angewandt werden. Im Beispiel würde dann die Subvention  Nsub=Nmin-N=10€/h-6€/h=4€/h gewährt werden. Eine allgemeine Regel würde damit auch diesen Subventionen zugrundegelegt werden. Und die Unternehmen könnten mit dem Mindestlohn als Einkommen auch in schlechten Zeiten (z.B. für die Landwirtschaft) ökonomisch existieren.

5. Preisbildung

Im Gegensatz zur Preisfestlegung durch den Staat in den ehemaligen Ostblockländern sollten im Zukunftssozialismus die Preise, ebenso wie in der Warenwirtschaft üblich, gebildet werden (Marktpreise). Die Anbieter sind bestrebt ihre Produkte zu einem möglichst hohen Preis über ihren Kosten (über den Stückkosten) zu verkaufen, die Nachfrager hingegen möchten die Ware zu einem möglichst niedrigen Preis kaufen. Im Spiel von Angebot und Nachfrage und im Konkurrenzkampf auf dem Markt stellt sich schließlich der Marktpreis ein. Überangebote drücken die Preise, und Übernachfragen wirken preissteigernd. Schwankungen des Marktpreises um den Wert der Ware, der durch die gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit bestimmt ist, sind der Normalfall. Wesentliche Unterschiede zur Preisbildung in der kapitalistischen Warenwirtschaft liegen damit also noch nicht vor. Wird eine Ware (z.B. eine 60-Watt-Wolframwendel-Allgebrauchslampe) vom Produzenten an den Händler verkauft, dann liegen normalerweise Erfahrungen über das Käuferverhalten vor. Verlangt der Produzent einen zu hohen Preis vom Handel, oder der Handel einen zu hohen Preis von seinen Kunden, dann versuchen die Kunden von der Konkurrenz billiger zu kaufen, so daß die Ware des zu hohen Preises nicht, oder nicht vollständig verkauft werden kann. Der Preis der Ware des zu hohen Preises muß normalerweise gesenkt werden. Auch die Ware der besseren Qualität und dem gleichen Preis ist im Konkurrenzkampf auf dem Markt im Vorteil.

Die praktische Erfahrung in den ehemaligen Ostblockländern hat gezeigt, daß die zur Herstellung einer Ware pro Stück im gesellschaftlichen Durchschnitt aufgewandete Arbeitszeit nicht ermittelt werden kann. Die Versuche in der Praxis der DDR zum Beispiel haben zu einem Preisbildungschaos geführt, so daß letztlich der Staat die Preise festlegen mußte. Die Regelmechanismen des Marktes konnten auch durch die staatlichen Preisfestlegungen nicht zufriedenstellend ersetzt werden.

Marx schrieb in „Kritik des Gothaer Programms“:

„Womit wir es hier zu tun haben, ist eine kommunistische Gesellschaft, … wie sie eben aus der kapitalistischen Gesellschaft hervorgeht, …. Demgemäß erhält der einzelne Produzent …. exakt zurück was er ihr gibt. Was er ihr gegeben hat, ist sein individuelles Arbeitsquantum. … Er erhält von der Gesellschaft einen Schein, daß er soundso viel Arbeit geliefert …. und zieht mit diesem Schein aus dem gesellschaftlichen Vorrat von Konsumtionsmitteln soviel heraus, als gleich viel Arbeit kostet“ MEW Bd. 19, Seite 20

Anstelle des Begriffs „herausziehen“ könnte man den praktischen Begriff „kaufen“ verwenden, d.h. es geht hier um das kaufen von Konsumtionsmitteln mit Arbeitszeitzertifikaten. Die Konsumgüterpreise müßten hierfür in Arbeitszeitmaßen ausgewiesen werden. Aber es hat sich in der Praxis gezeigt, daß die Preise nicht in Arbeitszeitmaßen bestimmt werden können. Diese Schwäche der Theorie der Preisbildung im Sozialismus (erste Phase der kommunistischen Gesellschaft nach Marxens Begriff) hatte in der realen Welt grundsätzliche negative Folgen. Zum Beispiel die Preisbildung der Warenmärkte in Westdeutschland (BRD) war der Preisbestimmung durch den Staat in der DDR klar überlegen. Die Preisbildung der Warenmärkte hätte auch in der DDR beibehalten werden müssen.

Die durch den einzelnen Arbeiter im Betrieb z.B. im Monat geleistete Arbeitszeit kann in der Praxis zwar ermittelt werden und könnte durch den Betrieb sicherlich jedem Arbeiter bescheinigt werden. Aber diese Maßnahme erübrigt sich, wenn die Preise nicht in Arbeitszeitmaßen bestimmt werden können. Die Lohnauszahlungen in Geldbeträgen wurden daher in den ehemaligen Ostblockländern nicht durch Auszahlungen in Arbeitszeitzertifikaten ersetzt.

Nach der klassischen Sozialismustheorie soll der Ersatz des Geldes durch Arbeitszeitzertifikate nötig sein um die Zersetzung der sozialistischen Genossenschaften durch das Finanzkapital zu verhindern (vgl. z.B. Friedrich Engels, MEW Bd. 20, Seite 283/284). Die praktische Erfahrung in den ehemaligen Ostblockländern hat aber gezeigt, daß die Abschaffung des Geldes im Sozialismus unnötig ist. Der Staat konnte in diesen Ländern das Finanzkapital mühelos niederhalten, wenn er es wollte. Die Wirren und Probleme, die die Abschaffung des Geldes in der Praxis mit sich bringen würden, können also von vorn herein vermieden werden. Die Beibehaltung des Geldes im Sozialismus (in der niederen Phase des Kommunismus) ist kein Übel, sondern vielmehr eine positive Errungenschaft. Erst dann, wenn alle produzierten Güter nach den Bedürfnissen verteilt werden (nach der Ablösung des Sozialismus durch den Kommunismus) wird das Geld überflüssig.

Einfluß auf die Preise in der Warenwirtschaft, also auch im Sozialismus, hat auch das Wachstum der für Warenkäufe insgesamt in der Volkswirtschaft aufgewandten (zirkulierenden) Geldmenge. Das Wachstum der zirkulierenden Geldmenge sollte in der solidarischen Warenwirtschaft, abgesehen von einigen Ausnahmen (insbesondere Regelung von Gesamtangebot und Gesamtnachfrage in der Volkswirtschaft, vgl. hierzu Abschnitt 7.) nicht größer werden als das Wachstum der in der Volkswirtschaft neu aufgewandten Arbeitszeit. Wächst die Gesamtarbeitszeit in der Volkswirtschaft z.B. um 1% jährlich, dann sollte im Normalfall auch die insgesamt zirkulierende Geldmenge nur um 1% anwachsen. Damit werden Inflationen weitgehend ausgeschaltet.

Der Geldwert ist durch die neu aufgewandte Gesamtarbeitszeit der Volkswirtschaft und das produzierte Nationaleinkommen festgelegt. Wenn in der Volkswirtschaft im Unternehmenssektor im Jahr z.B. tnges=48Mrd. Stunden Arbeitszeit neu aufgewandt wurden, und wenn damit das Nationaleinkommen Nges=1600Mrd. € produziert wurde, dann liegt den Warenverkäufen in der Volkswirtschaft der Geldwert wG=tnges/Nges=48Mrd.h/1600Mrd.€=0,03 h/€ zu Grunde. Ein € hat damit den Wert im Zeitmaß von 0,03 h. Und eine Stunde Arbeitszeit erzeugt dann im Durchschnitt ein Einkommen (Neuwert) im Geldmaß von 1/0,03 h/€=33,33€/h. Wird das durchschnittliche Stundennationaleinkommen durch Geldzufluß (oder Geldabfluß) zum Gesamtsystem nicht verändert, dann bleibt der Geldwert in der Volkswirtschaft konstant.

6. Produktionsplanung

Im System der zukünftigen sozialistischen Warenproduktion sollte die Einmischung des Staates in die Planung der Betriebe nach Menge und Sortiment ihrer Produkte vollständig aufgegeben werden. Die sozialistischen Betriebe (MAG’s) sollten ihre Produktion konsequent nach der Nachfrage auf dem Markt planen. Die Produktion für die Nachfrage in einer heutigen hochkomplexen Volkswirtschaft hat enorme kaum zu überschätzende ökonomische Vorteile im Vergleich zur staatlichen Naturalproduktionsplanung in den ehemaligen Ostblockstaaten. Die staatliche Naturalproduktionsplanung (in der DDR gab es einen zentralen Artikelkatalog von etwa 100Mill. Erzeugnistypen) überfordert den Zentralstaat bzw. führt zu keiner zufriedenstellenden Nachfragebefriedigung im einzelnen bzw. in der Mehrheit der Einzelfälle.

Eventuellen Überproduktionskrisen im Sozialismus kann durch geeignete Regelmaßnahmen des Staates entgegen gewirkt werden. Eine aufwendige gesamtstaatliche Naturalproduktionsplanung ist hierzu nicht erforderlich. Vgl. folgenden Abschnitt.

7. Regelung von Gesamtangebot und Gesamtnachfrage

7.1 Abbau eines volkswirtschaftlichen Überangebots

Bei einem Überangebot ist die Nachfrage kleiner als das Angebot, durch welche Umstände auch immer das Überangebot verursacht wurde. Die an sich naheliegende Gegenmaßnahme bei einem volkswirtschaftlichen Überangebot (Überproduktion), nämlich die Erhöhungen der Löhne und Sozialeinkommen aus der Geldschöpfung scheitert im kapitalistischen System an der Preisbildung der Warenmärkte, d.h. allgemein steigende Löhne und Sozialeinkommen führen in diesem ökonomischen System zu allgemein steigenden Preisen, was der Erhöhung der Nachfrage real entgegen wirkt.

Wenn hingegen in der Volkswirtschaft die solidarische Warenproduktion dominiert, dann kann der Staat vorübergehend Preisänderungen untersagen, und er kann die Löhne und die Sozialeinkommen aus der Geldschöpfung erhöhen. Und bei allgemein steigenden Einkommen und konstanten Preisen steigt die Nachfrage real.

Wenn sich also in der sozialistischen Volkswirtschaft eine schwere und dauerhafte Überproduktion eingestellt haben sollte, gekennzeichnet durch massenhaft überfüllte Erzeugnislager und hohe Nichtauslastungen der Produktionsanlagen sowie durch ständige Massenarbeitslosigkeit, dann können erstens, die Preise vorübergehend eingefroren werden, d.h. Preisänderungen können bis auf Widerruf untersagt werden, und zweitens, kann der sozialistische Staat den Betrieben zusätzlichen Lohn aus der Geldschöpfung zuteilen. Der Lohn soll für diesen Zweck also erhöht werden, bei konstanten Preisen. Auch die Renten und anderen Sozialeinkommen können aus der Geldschöpfung erhöht werden. Im sozialistischen Staat könnte die Zentralbank geschöpftes Geld in die Lohnfonds der Betriebe einzahlen mit der Verpflichtung der Betriebe die Löhne um einen bestimmten Prozentsatz zu erhöhen. Und die Zentralbank könnte ferner geschöpftes Geld an die Sozialversicherungen auszahlen mit der Verpflichtung die Sozialeinkommen zu erhöhen. Alle Verkaufpreise aller Unternehmen, einschließlich aller Handelsunternehmen, könnten hingegen bis auf Widerruf konstant gehalten werden.

In Folge der Lohnerhöhungen bzw. der Einkommenserhöhungen bei konstanten Preisen steigt in der Volkswirtschaft zunächst die Nachfrage der Haushalte nach Konsumgütern in den Naturalmengen. Damit steigt schließlich auch die Konsumgüterproduktion real, und damit steigt auch die Nachfrage der Konsumgüterproduzenten nach Produktionsmitteln. Es steigt schließlich die Gesamtnachfrage real nach Produktionsmitteln und Konsumtionsmitteln in der Volkswirtschaft. Und wenn die Nachfrage real allgemein steigt, dann wird eine gegebene Überproduktion abgebaut.

Falls die Steigerung der Nachfrage real in Folge der Einkommenserhöhungen bei konstanten Preisen auch zu einer Steigerung der Produktion real, also zu einer Steigerung auch des gesamtwirtschaftlichen Angebots real führen sollte, kann der sozialistische Staat auch zeitweilig Produktionssteigerungen untersagen.

Sobald die Überproduktion im großen und ganzen abgebaut ist, können die Preisfixierungen aufgehoben und die Einkommenserhöhungen gestoppt werden.

In der DDR z.B. gab es das Problem des permanenten allgemeinen gesamtwirtschaftlichen Überangebots nicht. Der Staat hielt die Preise in der Masse konstant bzw. die staatliche Preisbildung war aufwendig und träge. (Bei der Riesenzahl der Erzeugnistypen (in der DDR gab es einen zentralen Artikelkatalog mit etwa 100 Millionen Typen) und damit bei der Riesenzahl der Preise wäre eine ständige Änderung der Preise durch den Staat mit viel zu großem bürokratischen Aufwand verbunden gewesen. Weitgehend konstante Preise waren daher in der DDR unvermeidlich, solange der Staat für die Preisbildung zuständig war.) Und die Einkommen, insbesondere Löhne und Renten, wurden in der DDR in der Tendenz moderat gesteigert. Die Gesamtnachfrage wurde auf diese Weise großenteils über dem Gesamtangebot gehalten, so daß sich in der DDR eher massenhafte Übernachfragen (Kaufkraftüberhänge) einstellten. Schwere mittel- und langfristige Überproduktionskrisen gab es in der DDR nicht. Die staatliche Produktionsplanung in den einzelnen Naturalmengen war nicht der entscheidende Grund für die Überwindung der Überproduktionskrisen, sondern vielmehr das weitgehende Konstanthalten der Preise bei steigenden Einkommen.

Im Privatkapitalismus hingegen gehen die mittel- und langfristigen Überproduktionskrisen naturwüchsig ihren Gang, d.h. im kapitalistischen System können die Überproduktionskrisen nicht verhindert werden. Das zeigt die Erfahrung über zwei Jahrhunderte. In den Krisenzeiten kann der privatkapitalistische Staat auch keine allgemeinen Lohnerhöhungen bei konstanten Preisen durchsetzen. Der privatkapitalistische Staat ist insbesondere gegenüber der Großbourgeoisie und ihre Lobby schwach. Wäre hingegen die sozialistische genossenschaftliche Produktion Grundlage des Wirtschaftssystems dann könnte der Staat zeitweilige allgemeine Preisstopps, sowie Lohnerhöhungen anweisen und kontrollieren (die Käufer, die Preiserhöhungen weitermelden würden, wären gewissermaßen die Kontrolleure). Die Marktregulationen würden nur bis auf Widerruf, also nur zeitweilig außer Kraft gesetzt werden, und auch nur dann, wenn sich schwere Überangebote oder Übernachfragen in der Gesamtheit einstellen würden.

Die Gründung einer einzigen großen volkswirtschaftlichen Fabrik zur Überwindung der zyklischen Krisen nach Marx’ens Vorgabe hat sich in der Praxis nicht bewährt. An die Stelle immer wiederkehrender zyklischer Überproduktionskrisen wie z.B. in der BRD ist im vermeintlichen Sozialismus der DDR eine permanente Übernachfrage getreten, die als Mangelwirtschaft empfunden wurde.

7.2. Abbau einer volkswirtschaftlichen Übernachfrage

Falls sich in der solidarischen Warenwirtschaft eine permanente Gesamtübernachfrage einstellen sollte, gekennzeichnet durch massenhafte Engpässe, „Käuferschlangen“ bzw. allgemein durch Kaufkraftüberhänge, dann können, bei konstant gehaltenen Löhnen und Sozialeinkommen, alle Marktpreise durch eine Vorschrift des Staates um einen bestimmten Prozentsatz erhöht werden. Das gleiche Einkommen kauft bei höheren Preisen eine kleinere Gütermenge, womit die Nachfrage real sinkt. Durch die sinkende Nachfrage real wird, bei gegebener Produktion real (Angebot) ein Teil der Übernachfrage abgebaut. Die Preise könnten solange erhöht werden, bis Gesamtnachfrage und Gesamtangebot annähernd übereinstimmen.

Wenn die Kaufkraftüberhänge weitgehend abgebaut worden sind, dann können weitere Preisaufschläge unterlassen werden und es kann den Marktregulationen wieder freien Lauf gelassen werden.

Ein Widerstand gegen die Preiserhöhungen bei gleichen Löhnen und Sozialeinkommen ist ungerechtfertigt, wenn durch die staatlichen Regelmaßnahmen massenhaft unbefriedigte Nachfragen (Kaufkraftüberhänge) verhindert werden.

Denkbar ist auch, daß in der solidarischen (sozialistischen) Warenwirtschaft allgemeine permanente Übernachfragen gar nicht erst entstehen.

8. Überwindung von Massenarbeitslosigkeit

Falls sich in der sozialistischen Volkswirtschaft (solidarische Warenproduktion) eine hohe permanente Massenarbeitslosigkeit einstellen sollte die sich nicht kurzfristig von selbst behebt, dann kann als Gegenmaßnahme die Arbeitszeit pro Arbeitskraft gesenkt werden. Zum Beispiel eine Verkürzung der Arbeitszeit pro Arbeitskraft um 10% würde, unter sonst gleichen Umständen, zu einem um 11,11% größerem Arbeitskräftebedarf führen (der Arbeitskräftebedarf steigt, unter sonst gleichen Umständen, umgekehrt proportional zur sinkenden Arbeitszeit pro Arbeitskraft). Die Sache ist formal an sich recht einfach, aber bei gleichem Lohn pro Arbeitskraft würde die Lohnsumme für die größere Zahl der beschäftigten Arbeitskräfte steigen, was im Kapitalismus den Profit senken würde. Die geballte Macht der Kapitalistenklasse steht diesem Vorhaben daher im Weg. Die Arbeitszeitverkürzung läßt sich in dieser Situation im privatkapitalistischen System nicht allgemein durchsetzen. Im System der solidarischen Warenproduktion hingegen könnte der Staat die Arbeitszeitverkürzung (z.B. eine Wochenarbeitszeitverkürzung) allgemein anweisen.

Nur dann wenn eine andauernde gravierende Überproduktion in der Volkswirtschaft besteht kann ein Großteil der vorhandenen Arbeitskräfte, trotz bestmöglicher nachholender Qualifikation und Berufsausbildung, nicht beschäftigt werden. Gelingt es hingegen das gesamtwirtschaftliche Angebot mit der Gesamtnachfrage annähernd in Übereinstimung zu bringen, oder wird eine Gesamtübernachfrage realisiert, dann dürfte es möglich sein eine Massenarbeitslosigkeit schnell abzubauen.

Zum Beispiel im System der Warenproduktion der DDR gab es das Problem der Massenarbeitslosigkeit nicht, es war vielmehr ein permanenter Arbeitskräftemangel zu verzeichnen. Aber die staatliche Naturalproduktionsplanung, anstelle der Planung nach der Nachfrage auf dem Markt durch autonome Betriebe, senkte die volkswirtschaftliche Arbeitsproduktivität in der DDR im Vergleich zur privatkapitalistischen Warenproduktion in der BRD. Das Problem der Massenarbeitslosigkeit wurde in der DDR also gelöst, aber auf Kosten einer sinkenden volkswirtschaftlichen Arbeitsproduktivität. Die Produktion für die Nachfrage auf dem Markt hätte nicht durchgängig aufgegeben werden dürfen.

Gelingt es durch zeitweilige Preisfixierung und expansive Lohnpolitik ein gesamtwirtschaftliches Überangebot zu überwinden, dann kann auch eine Massenarbeitslosigkeit im allgemeinen Prinzip überwunden werden. Sobald die expansive Lohnpolitik bei konstanten Preisen erfolgreich ist, können die Preisfixierungen aufgehoben werden. Die Preise können dann wieder durch das freie Spiel von Angebot und Nachfrage und den Konkurrenzkampf auf dem Markt bestimmt werden.

9. Blasenbildung durch exponentiell wachsende Verschuldung

Im kapitalistischen Wirtschaftssystem wächst die Staatsverschuldung in der langen Frist exponentiell (siehe z.B. Schuldenwachstum der USA nach Abb 1.)

Weltweit hat sich der Schuldenstand der öffentlichen Hand seit Ende 2007 auf mehr als 60 Billionen Dollar verdoppelt (bis 2016). Eine riesige Finanzblase ist „aufgepumpt“ worden. Es gibt bereits etliche Autoren die ein platzen der rezenten Anleiheblase, der „Mutter aller Blasen“, in der nahen Zukunft vorhersagen. „Absurderweise muß die Anleiheblase weiter aufgeblasen werden, weil sie ansonsten platzt. Zum Platzen wird es dennoch kommen, allerdings weiß niemand, ob schon bald, in wenigen Monaten oder erst in Jahren.“ (Robert Halver).


Abb 1

Eine Geldschwemme aus der Notenpresse wurde in letzter Zeit weltweit ausgelöst, aber das zusätzliche Geld ist nicht bei den Warenkäufern angekommen, riesige Finanzblasen im spekulativen Bereich wurden statt dessen aufgepumpt. Würde diese zusätzliche riesige Geldmenge jedoch ganz oder zum großen Teil für Warenkäufe verwendet werden, dann würden in der kapitalistischen Warenwirtschaft die Preise rapide steigen - eine Hyperinflation wäre die Folge. Ein Ausweg aus der Schuldenfalle ohne schwere Krisenerscheinungen ist im kapitalistischen System, bei objektiver Betrachtung, nicht in Sicht.

Die durch die Banken gepriesene Staatsverschuldung hält nicht das was sie verspricht. Nur kurzfristig kann der Staat durch Schuldenaufnahmen an Finanzkraft gewinnen, langfristig hingegen verliert er Geld durch das Schuldenmachen. Der Staat muß, wie  alle Schuldner, das geliehene Geld mit Zinsen zurückzahlen, d.h. er muß langfristig mehr Geld zurückzahlen als er erhalten hat. Zum Beispiel der deutsche Staat (BRD, alle öffentliche Haushalte) hat in der Zeit von 1962 bis 2009 nur kurzzeitig durch das Schuldenmachen an Finanzkraft gewonnen (vgl. Abb2, gefüllte Flächen über der Nullinie). Der Schuldendienst (Kredittilgungen und Zinsausgaben) war aber letztlich von 1962 bis 2009 in der Summe um 284 Mrd. Euro größer als die Kreditaufnahmen.

Abb2 Deutschland, Differenz zwischen Schuldenaufnahmen und Schuldendienst

Ohne Kreditsystem bzw. ohne Schuldenmachen wäre die Finanzkraft des Staates um eben diese 284 Mrd. Euro größer gewesen. Der Staat gewinnt durch das Schuldenmachen langfristig also nicht nur kein Geld, sondern er verliert Geld, und er läßt darüber hinaus Blasenbildungen zu die langfristig das Finanzsystem mit dem Zusammenbruch bedrohen. Nullzinsen oder Negativzinsen sind Verzweiflungsmaßnahmen – sie können die Probleme nicht lösen.

Nicht nur die USA sind in die Schuldenfalle getappt, das Problem der Überschuldung greift auch global. Besonders hart trifft es die rückständigen Länder. Über die angeblichen Hilfsinstitutionen IWF und Weltbank treiben die Industrienationen die dritte Welt immer weiter in die Schuldenfalle – um sie dann hemmungslos auszubeuten und zu kontrollieren.

10. Allgemeiner Schuldenerlaß für den Staat und die sozialistischen Unternehmen.

Im Zuge der Einführung der solidarischen Warenproduktion wie sie oben skizziert wurde sollen alle Schulden des Staates vollständig erlassen werden. Und neue Schuldenaufnahmen sollen untersagt werden. Sowohl der Zentralstaat als auch die Kommunen sollen prinzipiell keine Kredite aufnehmen dürfen. Die Geldversorgung der öffentlichen Haushalte sollte, abgesehen von einigen Ausnahmen, generell nur durch Steuern und Abgaben sichergestellt werden.

Und auch Schuldenaufnahmen der sozialistischen Betriebe sollen prinzipiell untersagt werden. Die Geldversorgung der sozialistischen Betriebe sollte prinzipiell nur aus Einnahmen aus Produktverkäufen (Umsatz) und durch Einkommensumverteilungen bewerkstelligt werden.

Der Staat und die sozialistischen Unternehmen würden damit von der Schuldabhängigkeit befreit werden. Erpressungen eines Staates und seiner Wirtschaft (wie z.B. die gegenwärtige Erpressung des griechischen Staates) könnten damit dauerhaft unterbunden bzw. prinzipiell ausgeschlossen werden.

Auch die Investitionen der sozialistischen Betriebe sollten prinzipiell nicht durch Schuldenaufnahmen finanziert werden. Es sollten also nicht zunächst Schulden aufgenommen werden die später Stück für Stück oder auf einen Schlag (letztlich durch Rückgaben an die Gläubiger in Höhe der Summe der Abschreibungen zuzüglich Zinsen) zurückgezahlt werden müßten, sondern es sollten, wie gesagt, zunächst Abschreibungen durch den Betrieb angesammelt werden bis zum vollen Betrag der Ersatz-Investition in der aktuellen Periode.

Werden die Abschreibungssätze des Betriebes erhöht, dann können veraltete Produktionsanlagen durch die Betriebe in kürzerer Zeit aus eigener Kraft erneuert werden. Kreditaufnahmen für den Produktionsmittelersatz sind nicht erforderlich.

Auch Erweiterungsinvestitionen sollten normalerweise durch Ansammlung von Rücklagen der Betriebe finanziert werden. Kredite sollten, wie gesagt, prinzipiell nicht aufgenommen werden. Damit würde das Wachstum der Produktion solide finanziert werden. Rückzahlungsstörungen würden ausgeschlossen werden.

In einem langen historischen Prozeß haben die Großgeldbesitzer Nutzen aus dem Kreditsystem gezogen, und aus Gewohnheit sieht es heute so aus als ob es für alle Zeiten kein Auskommen ohne Kreditsystem in der Volkswirtschaft geben würde. Die Erfahrungen in den ehemaligen Ostblockstaaten haben aber gezeigt, daß die Macht der Großgeldbesitzer gebrochen werden kann, ohne daß die Geldwirtschaft aufgegeben wird. Aber die Versuche die privatkapitalistische Warenproduktion durch die staatliche Warenproduktion bzw. durch eine staatliche Naturalproduktionsplanung zu ersetzen haben zum Mißerfolg geführt. Die Produktionsplanung für die Nachfrage auf dem Markt durch autonome Unternehmen hätte beibehalten werden müssen.

11. Verstaatlichung der Banken. Aufhebung der Börsen.

Im Zuge des Übergangs zur solidarischen Warenwirtschaft sollten die Banken zum größten Teil verstaatlicht werden. Allgemeine Aufgabe der staatlichen Banken wäre die Geldverwaltung der sozialistischen Betriebe und der Kleinsparer bzw. die allgemeine Organisation des Zahlungsverkehrs.

Die Kosten der staatlichen Banken für die eigenen Dienstleistungen sollten nicht durch Zinseinnahmen gedeckt werden, sondern durch Zuteilungen aus dem Staatshaushalt. Als Teil des Staatssektors sollten die Kosten der staatlichen Banken also aus dem Staatshaushalt gedeckt werden.

Wenn dem sozialistischen Staat nach einem allgemeinen Schuldenerlaß prinzipiell keine Schuldenaufnahmen erlaubt sind, dann kann er nicht durch Überschuldung in die Zahlungsunfähigkeit getrieben werden. Durch den Verzicht auf Schuldenaufnahmen verliert der Staat, wie gesagt, kein Geld, sondern er gewinnt im langfristigen Mittel, wie man oben gesehen hat, Kaufkraft hinzu (vgl. Abb2 Deutschland, Differenz zwischen Schuldenaufnahmen und Schuldendienst).

Zum Ausgleich von kurz- und mittelfristigen Differenzen zwischen Geldeinnahmen und Geldausgaben kann der Staat einen Geldreservefonds unterhalten. Überwiegen zeitweilig die Ausgaben die Steuereinnahmen, dann kann der Staat auf seinen eigenen Geldreservefonds zurückgreifen. In Zeiten mit relativ niedrigen Ausgaben und Überwiegen der Steuereinnahmen kann er seinen Geldreservefonds wieder auffüllen (Sparen des Staates in der eigenen Kasse). Schuldenmachen ist nicht notwendig. Staatsbankrotte durch Überschuldung sind damit von vornherein ausgeschlossen. Wie solide private Haushalte kann auch der Staatshaushalt ohne Schuldenmachen solide finanziert werden.

Ferner sollten die Börsen geschlossen werden. Finanzblasenbildungen auf Grund von Börsenspekulationen würde es damit nicht mehr geben, und das Finanzsystem würde radikal vereinfacht werden. (In der DDR gab es übrigens keine Börsen – es ging auch ohne sie)

12. Wirtschaftswachstum und Umweltschutz

Die Kurve des exponentiellen Wachstums steigt allgemein im Zuge des zeitlichen Fortschritts immer schneller an, der jährliche Zuwachs wird, bei gleicher Wachstumsrate, immer größer und damit steigt die Wachstumskurve in der langen Frist immer steiler in Richtung unendlich an. In der realen Welt ist daher allgemein ein unbegrenztes exponentielles Wachstum z.B. mit der Rate 2% unmöglich. Das gilt auch für die Weltbevölkerung und die Weltproduktion.

Wenn die Weltbevölkerung unbegrenzt exponentiell wachsen könnte, dann würde nach einer bestimmten Zahl von Jahren kein Stehplatz auf der Erde für jeden Erdenbürger mehr zur Verfügung stehen. Wenn die heutige Weltbevölkerung von etwa 7,6 Milliarden Menschen, noch 500 Jahre um 2% jährlich wachsen könnte, dann würde nach dieser Zeit die Bevölkerung auf Menschen anwachsen. Die Landoberfläche der Erde
beträgt  , d.h. es würde dann für jeden Menschen nur noch etwa
Land zur Verfügung stehen.
Richtig, das ist nur eine Abstraktion, aber sie zeigt bereits, daß ein unbegrenztes exponentielles Wachstum der Weltbevölkerung unmöglich ist bzw. in die Katastrophe führen würde, wenn es nicht rechtzeitig beendet werden würde.

In der realen Welt leben heute, wie gesagt, etwa 7,6 Milliarden Menschen auf der Erde. Und nach Prognosen der Vereinten Nationen werden es Ende des 21. Jahrhunderts ungefähr 11 Milliarden sein. Jedes Jahr kommen heute etwa 82Millionen Menschen hinzu, also etwa eben soviel wie die Einwohner Deutschlands. Jedes Jahr wird die Menschheit heute also um die Zahl eines großen Landes größer. Diese Zahlen der realen Welt lassen erahnen, daß bereits im 21. Jahrhundert die Probleme des Bevölkerungswachstums überhand nehmen, und alles getan werden muß um das Bevölkerungswachstum zu begrenzen.

Auch die Weltproduktion kann langfristig nicht unbegrenzt exponentiell wachsen. Das gilt auch für bestimmte Teile (Sektoren) der Weltproduktion. Zum Beispiel allein die unablässige Fortsetzung des exponentiellen Wachstums der Welt-Bauproduktion würde, abgesehen von vielen anderen Prozessen des Produktionswachstums, in historisch relativ kurzer Zeit in die Katastrophe führen. Im Jahr 1926 betrug die Welt-Zementproduktion 62,4 Mill. Tonnen und sie ist bis zum Jahr 2009 auf 3060 Mill. Tonnen angewachsen. Die Welt-Zementproduktion ist demnach zwischen 1926 und 2009 im Jahresdurchschnitt um etwa gewachsen (vgl. Abb3).

Abb3

Wurden im Durchschnitt aus 1 Tonne Zement 8 Tonnen Beton gefertigt, dann wurde im Jahr 2009 die Betonmasse von ungefähr gleich hergestellt. Würde die Betonproduktion, ausgehend von der Anfangsmasse im Jahr 2009, mit der Rate von 4,8% noch 250 Jahre lang weiter wachsen, dann würde sie auf
anwachsen. Wenn diese Betonmenge lücken- und hohlraumlos über der gesamten Landoberfläche der Erde gleichmäßig verteilt wäre (Landoberfläche der Erde ), dann hätte sie, bei der Dichte des Betons von (durchschnittliche Trockendichte), nach 250 Jahren eine Höhe von etwa erreicht. Damit ist klar, daß eine 250-jährige Fortsetzung des Wachstums der Bauproduktion wie bisher in der realen Welt unmöglich ist.

Würde die heute (im Jahr 2009) produzierte Betonmenge im Betrag von gleichmäßig über der Landoberfläche der Erde verteilt werden, dann ergäbe sich eine Betonschicht in der Höhe von .

Diese Schicht wäre so dünn, daß sie mit bloßem Auge kaum sichtbar wäre. Für die Gegenwart zeichnet sich in dieser Abstraktion also noch nichts Bedenkliches ab. Aber lange vor 250 Jahren wäre die verheerende Wirkung des „grenzenlosen“ Wachstums der Bau-Produktion nicht mehr zu übersehen und würde viel früher auf diese oder jene Art und Weise beendet werden. Rohstoffmangel, insbesondere Sandmangel könnte eine Rolle spielen. Es ist aber zu befürchten, daß heute die Grenze der Beschaffung von Sand und Kies noch lange nicht erreicht ist. Sand könnte aus immer größeren Entfernungen zu den Produktionsstätten transportiert werden. Der Transport der Baustoffe würde wachsen, zusätzlich zum ohnehin wachsenden Güterverkehr bei exponentiell wachsender Produktion der Güter insgesamt, aber Sand als Baurohstoff würde zunächst noch ausreichend zur Verfügung stehen. Es ist ferner zu befürchten, daß Ersatzrohstoffe für Sand und Kies gefunden werden können, wenn sich diese Rohstoffe immer mehr verknappen. Zum Beispiel im Zuge der Müllverbrennung fällt in immer größeren Mengen Asche an, die heute schon zum großen Teil im Straßenbau genutzt wird. Wird der Sand als Baurohstoff immer knapper, dann ist es denkbar, daß Müllasche so bearbeitet werden kann, daß sie auch als Rohstoff für den Häuserbau verwendet werden kann. Der Verknappung des Sandes stünde dann das Wachstum der Müllache als Baurohstoff gegenüber. Oder andere Ersatzrohstoffe für die Bauproduktion könnten gefunden werden.

Die Beendigung des exponentiellen Wachstums der Bauproduktion aus Rohstoffmangel ist offenbar noch lange nicht in Sicht. Damit besteht die Gefahr, daß die Landfläche der Erde unablässig weiter bebaut wird, und daß damit die landwirtschaftliche Nutzfläche immer kleiner wird.

Wenn die Weltproduktion exponentiell wächst, dann wachsen auch die Abfälle der Produktion und Konsumtion exponentiell. Ab einem bestimmten Höhegrad des Wirtschaftswachstums werden schließlich auch die Müllprobleme unlösbar. Durch die Müllverbrennung entsteht neuer Müll der zum Teil noch giftiger ist als der Ausgangsmüll (z.B. Dioxin). Durch Verbrennung wird die Gesamtmenge an neuem Müll nicht kleiner, sondern sogar noch größer (in der Summe aller festen und gasförmigen Abprodukte). Die vollständige Entgiftung aller Rückstände der Müllverbrennung ist auch in modernen Großanlagen schon deshalb illusorisch, weil bei der Verbrennung des Mülls nicht bekannt ist welche Inhaltsstoffe in welchen Mengen zu einem bestimmten Zeitpunkt verbrannt werden. Schon die Entgiftungsmethoden bei bekanntem Inhaltsstoff sind großenteils problematisch, abgesehen von den Kosten der Entgiftung und der Herausfilterung der Schadstoffpartikel aus den Rauchgasen. Auch das bei der Müllverbrennung entstehende CO2 belastet die Umwelt.

Ein weiteres Beispiel von verheerenden Wirkungen des exponentiellen Wachstums in der langen Sicht ist das Wachstum des Weltenergieverbrauchs und davon abhängig das Wachstum der CO2- Emissionen. Wie dramatisch der Welt-Energieverbrauch in der langen Sicht gewachsen ist zeigt die nachfolgende Grafik:

 


Abb4
Weltenergieverbrauch im Industriezeitalter

Die Grafik nach Abb4 zeigt, daß nach dem zweiten Weltkrieg das naturwüchsige Wachstum des Weltenergieverbrauchs durch das Wachstum der Erdöl-, Erdgas- Kohleproduktion dominiert wurde. Die Grafik nach Abb4 zeigt ferner, daß Anfang der 1980er Jahre der Öl-, Gas- und Kohleverbrauch und der Weltenergieverbrauch insgesamt zeitweilig sogar negativ gewachsen sind. Zeitweiliges Negativwachstum des Weltenergieverbrauchs ist also möglich. Was aber mit Hinsicht auf den Umweltschutz Rettung verspricht stellt im kapitalistischen System eine Krisenerscheinung dar.

Die Wirkungen des exponentiellen Wachstums der CO2-Emissionen sind langfristig verheerend. Das Klima droht zu kippen, was für die ganze Menschheit lebensbedrohlich ist. Aber alle Bemühungen zur Senkung der CO2-Emissionen in der Weltgesamtheit wurden durch das exponentielle Wachstum kompensiert.

Wie alle gesellschaftlichen Grundordnungen – Urgesellschaft, Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus – ist auch der Kapitalismus keine ewige Ordnung. Aber im Unterschied zum Untergang der älteren Wirtschaftsordnungen besteht heute die Gefahr, daß der Untergang der kapitalistischen Ordnung die ganze menschliche Gesellschaft mit in den Abgrund reißt. Die Gefahr ist real. Nicht nur ein Klimakippen durch Überwachstum der fossilen Energieproduktion ist existenzbedrohend für die ganze menschliche Gesellschaft.

13. Ausblick

Der Sozialismusversuch in den ehemaligen Ostblockstaaten ist gescheitert, die Versuche die Warenproduktion aufzuheben haben nicht zum Erfolg geführt, aber auf der Grundlage der kapitalistischen Warenproduktion sind die heutigen großen Wirtschafts- und sozialen Probleme offenbar ebenfalls nicht lösbar. Die kapitalistische Warenproduktion wurde im Osten wieder eingeführt, aber statt den versprochenen blühenden Landschaften haben sich gravierende wirtschaftliche Probleme eingestellt. Der Osten Deutschlands z.B. ist in der Entwicklung nach wie vor hinter der des Westens zurückgeblieben. In China haben sich die regionalen wirtschaftlichen Unterschiede und die Einkommensunterschiede, trotz oder gerade wegen des beispiellosen Wirtschaftswachstums in den letzten Jahrzehnten, vergrößert (zur Zeit gibt es in China 600 Milliardäre, mehr als in jedem anderen Land der Welt), das Problem der Arbeitslosigkeit ist auch in China nicht gelöst, und die großen Umweltschutzprobleme sind ungelöst. Rußland befindet sich zur Zeit in einer schweren Rezession, und in den meisten Ländern Osteuropas haben sich ebenfalls Krisenerscheinungen eingestellt. Weltweit verschärft sich das Flüchtlingsproblem. Auch in der Europäischen Union breitet sich politisches und soziales Chaos aus. Die „neue US-Weltordnung“ hat, nach der Aufgabe des Sozialismusversuchs in den ehemaligen Ostblockstaaten, das soziale Chaos und die blutigen Aufstände und den Terrorismus in der Welt nicht beseitigt sondern vielmehr verstärkt oder heraufbeschworen. Der US-Imperialismus löst die heutigen Weltprobleme offenkundig nicht. Eine neue solidarische Wirtschaftsordnung ist erforderlich, was im Interesse der großen Mehrheit der Weltbevölkerung liegen würde.

Editorische Hinweise

Wir erhielten diesen Text für die Augustausgabe vom Autor.