Stadtumbau & Stadtteilkämpfe
B
auen für eine demokratische Stadt
Zehn
Möglichkeiten, der Preistreiberei Einhalt zu gebieten

von Hilmar Höhn

08/2019

trend
onlinezeitung

1. Öffentliche Flächen können für sozialen Wohnungsbau in Erbpacht vergeben werden. Das
macht sie für Spekulanten vollkommen uninteressant.

2. Bund und Länder sollen ihre ungenutzten Flächen den Städten und Gemeinden überlassen,
damit diese sie voranging an Genossenschaften, Baugruppen oder ihre eigenen Wohnungsbaugesellschaften vergeben. Und zwar auf absehbare Zeit mit der Auflage, vorrangig sozialen Wohnungsbau und leistbare Wohnungen zu errichten.

3. Die Sozialbindung im geförderten Wohnungsbaus darf nicht mehr zeitlich befristet sein.
Nach der nächsten Reform des sozialen Wohnungsbaus muss gelten: Einmal gefördert ist
immer gefördert.

4. Kommunen erwerben wieder selbst Grund und Boden und übernehmen so Stück für Stück die Kontrolle darüber, wer in den Städten was bauen kann. Mit gezielten Auflagen verhindern sie Spekulation mit Bauland und Häusern.

5. Ein weiterer Schritt könnte sein, dass Baugebiete erst dann ausgewiesen werden, wenn alle Grundstücke der Stadt gehören. Dann ist die Stadt in der Lage, den Boden- wie den Mietpreis zu bestimmen und nicht private Nutznießer.

6. Dabei kann die Einrichtung öffentlicher Bodenfonds helfen, die gezielt Flächen aus dem Markt herauskaufen, um preisgünstigen oder sozialen Wohnungsbau zu schaffen.

7. Eine „Neue Gemeinnützigkeit“ fördert den sozialen und bedarfsgerechten Wohnungsbau
durch Genossenschaften, kommunale oder sozial ausgerichtete Wohnungsbaufrmen und
neue solidarische Formen des Wohnungsbaus.

8. Kommunale Wohnungsfrmen und Genossenschaften kaufen gezielt Wohnungen aus dem
Markt zurück.

9. In letzter Konsequenz darf die Enteignung unsozialer Vermieter kein Tabu sein. Wer Mieterinnen und Mieter in ihrer Existenz gefährdet, muss selbst das Risiko eingehen, in seinem
Recht vom Eigentum Gebrauch zu machen, eingeschränkt zu werden. Allerdings muss allen
klar sein: Die fälligen Entschädigungen werden teuer.

10. Mitbestimmung ist ein Korrektiv, das sich in der Arbeitswelt bewährt hat. Auch Mieterinnen und Mieter müssen bei Vermietern ab einer bestimmten Zahl von Wohnungen oder vermieteten Quadratmetern die Möglichkeit haben, über grundlegende Entscheidungen rund um die eigenen vier Wände mitzubestimmen. Dabei geht es nicht um eine Konkurrenz zur betrieblichen Mitbestimmung in den Unternehmen der Wohnungswirtschaft sondern um eine sinnvolle Ergänzung derselben.

Die Ära der Wettbewerbsstadt ist zu Ende. Wir wissen: Der Markt weiß nur, wo viel Geld zu verdienen ist. Von den Bedürfnissen der Menschen in den Städten hat er – von Ausnahmen abgesehen – hat er keine Ahnung. Die Finanzialisierung des Wohnens hat sich ebenso wenig bewährt wie die Idee, Arbeit in leicht handelbare Pakete zu zerlegen. Das Gegenteil von Privat ist die Gesellschaft, das Gegenteil des Marktes ist die Demokratie. Und genau darum geht es: Das Geschehen rund um das Menschenrecht Wohnen wird noch von Fonds und Firmen beherrscht. Es wird Zeit für ein demokratisches Gegengewicht.

Die demokratische Stadt baut sich nicht von alleine. Die beste Stadt, geplant auf einem Reißbrett, würde nie so lebendig, wie Planer sie sich erdenken. Dazu müssen Menschen nicht nur befragt sondern auch politisch mobilisiert werden. Dass das Konzept, den Städtebau Konzernen zu überlassen, seine Zeit gesehen hat, ist dabei eine große Chance. Denn die Zukunft unserer Städte ist nun offen. Jetzt kann es gelingen, der Entwicklung der
Heimat von Millionen, eine bessere Richtung zu geben. Die Internationalen Bauausstellungen in
Wien und Stuttgart, die sich ausdrücklich als Impulsgeber verstehen, kommt deswegen eine große Bedeutung zu: sie zeigen, wie sie funktionieren kann, diese vielfältige demokratische Stadt.

Um sie durchzusetzen, braucht es gesellschaftliche Mehrheiten. Freiwillig geben Konzerne ihre
Macht nicht ab. Wenn sich Mieterinnen und Mieter zusammen mit Gewerkschaften, Genossenschaften, Mieterorganisationen, sozialen Initiativen, Umweltgruppen und den vielen Bewegungen, denen die Zukunft des Wohnens nicht egal ist, zusammen tun, können sie bestimmen, wie die Stadt aussehen soll, in der sie und ihre Kinder in Zukunft wohnen wollen. Wenn dieser Druck da ist, wird die Zeit der halbgärigen Ausreden vorbei sein. Dann werden auch die notwendigen politischen Mehrheiten zustande kommen, welche die demokratische
Stadt von der Idee zur Wirklichkeit werden lassen.

Quelle: Hilmar Höhn, Bauen für eine demokratische Stadt, Herausgeber: Hans-Böckler-Stiftung, Düsseldorf, 2/2019. Die komplette Broschüre gibt es bei der Stiftung zum kostenlosen Download.