TREND Serie zum 200. Geburtstag

Wider die sozialdemokratische Geschichtsfälschung
Zum 150. Geburtstag eines Revolutionärs

Kommunistischer Bund Bremen (1970)

08/2020

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"Die großen Revolutionäre wurden zu Lebzeiten von den unterdrückenden Klassen ständig verfolgt, die ihrer Lehre mit wildestem Ingrimm und wütenstem Haß begegneten, mit zügellosen Lügen und Verleumdungen gegen sie zu Felde zogen. Nach ihrem Tode versucht man, sie in harmlose Götzen zu verwandeln, sie sozusagen heiligzusprechen, man gesteht ihrem Namen einen gewissen Ruhm zu zur "Tröstung" und Betörung der unterdrückten Klassen, wobei man ihre revolutionäre Lehre des Inhalts beraubt, ihr die revolutionäre Spitze abbricht, sie vulgarisiert." (Lenin: Staat und Revolution, S. 7)

Selbst tote Revolutionäre sind vor der Erbschleicherei der Konterrevolution nicht sicher. Zum 150, Geburtstag von Friedrich Engels an 28. November 1970 hat Willy Brandt in einer Rede den Versuch unternommen, die völlig versumpfte deutsche Sozialdemokratie als legiti­men Nachfahren des großen revolutionären Kämpfers in Empfehlung zu bringen.

Dazu war es allerdings notwendig, den Lehrer des klassenbewußten Proletariats auf das Niveau eines freundlich-humanitären Dusseikopfes mit antikommunistischen Meinungen herunterzubringen. Die dazu an­gewandten Mittel sind seit der Inquisition in reaktionären Kreisen bekannt und immer wieder erprobt: Zitatfälsohungen und Textunterdrückungen. Brandt zitiert Engels: "Mit dieser erfolgreichen Benutzung des allgemeinen Stimmrechts (durch die deutsche Sozialdemokratie) war aber eine ganz neue Kampfweise des Proletariats in Wirksamkeit getreten, und diese bildet sich rasch weiter aus." Bei Engels heißt es weiter: "Man fand, dass die Staatseinrichtungen, in denen die Herrschaft der Bourgeoisie sich organisiert, noch weitere Handhaben bietet, vermittels deren die Arbeiterklasse diese selben Staateeinrichtungen bekämpfen kann", und selbstverstandlich zitiert Brandt diesen zweiten Satz nicht, ohne den der erste sinnlos wird.

Der Vorsitzende der sozialdemokratischen Partei setzt damit eine alte Tradition sozialdemokratischer Parteivorstände fort: Engels waren aus seinen letzten Veröffentlichungen wesentliche Abschnitte gestrichen worden, so daß seine letzte Arbeit, die Einleitung zu Marxens Schrift "Die Klassenkämpfe in Frankreich", aus der auch obige Zitate stammen, zu einer Fibel des Revisionismus zurechtgestutzt wurde. In einem Brief an Kautsky beschwert sich Engels über derartige Manipulationen: "Zu meinem Erstaunen sehe ich heute im "Vorwärts" einen Auszug aus meiner "Einleitung" ohne mein Vorwissen abgedruckt und derartig zurechtgestutzt, dass ich als friedfertiger Anbeter der Gesetzlichkeit tzlichkeit quand meme (unter allen Umständen) dastehe." (MEW)

Engels hatte also allen Grund, zu verlangen, dass die Meinungsfreiheit in dem Parteiorgan geschützt werden müsse. Diese Engelssche Forderung wird heute von Brandt gegen die Kommunisten gerichtet und soll den Bürgerschreck vom dogmatischen Kommunismus befördern helfen. Vermutlich ist der Herr Bundeskanzler bei der Lektüre des heutigen. "Vorwärts" vor Langeweile immer gleich eingeschlafen, so daB er nie bemerkt hat, welch folgsame Knechte er in seinen Redaktions"genossen" besitzt.

Da wir im nächsten Jahr, am 18. März, noch eines Jubiläums in der Geschicnte des internationalen Proletariats zu gedenken haben, des hundertsten Jahrestages der Pariser Kommune, sei noch auf eine weitere Brandtsche Zitatfälschung verwiesen. Lobend erwähnt der sozialdemokratische Parteivorsitzende in seiner Rede: "Bereits 1872, als das "Kommunistische Manifest" in Deutschland zum ersten Mal als Broschüre gedruckt wurde, hatten Engels und Marx im Vorwort geschrieben, die allgemeinen Grundsätze seien im "ganzen und großen* noch richtig, die praktische Anwendung der Grundsätze würde eher "heute in vie­ler Beziehung anders lauten" und damit "ist heute dies Programm Stellenweise veraltet". Jeder unbefangene Leser muß annehmen, Marx und Engels seien als er­wachsene Männer von ihrem revolutionären Jugendprogramm abgerückt und hätten sich auf die Mauscheleien sozialdemokratischer Reformpolitik begeben. Schlägt man indes bei den beiden kommunistischen Theoretikern selbst nach, so liest man. "Gegenüber der immensen Fortentwicklung der großen Industrie in den letzten 25 Jahren und der mit Ihr fortschreitenden Partei­organisation der Arbeiterklasse, gegenüber den praktischen Erfahrungen, zuerst der Februarrevolution und noch weit mehr der Pariser Kommune, wo das Prole­tariat zum erstenmal zwei Monate lang die politische Macht innehatte, ist heute dies Programm stellenweise veraltet. Namentlich hat die Kommune den Beweis geliefert, dass "die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann!" (MEW, Bd, 18, S. 95 f.). Diese bürgerliche Staatsmaschine muß vielmehr vom Proletariat zerschlagen und durch eigene Machtorgane der Arbeiterklasse ersetzt werden, deren Vorbild Marx und Engels in der Pariser Kommune sahen. Dass auf dem Wege dahin auch die parlamentarischen Kampfformen revolutionär genutzt werden konnten, um den "Gewalthaufen" der Arbeiterklasse zu formieren (MEW Bd, 22, S. 324), hat der alte Engels in seiner "Einleitung zu den Klassenkämpfen in Frankreich" darstellen wollen. Angekommen ist diese Lehre bei der Sozialdemokratie nur als Rechtfertigung des parlamentarischen Paktierens mit der Bourgeoisie.

Ber Vorsitzende der SPD beteuert: "Wir alle stehen auf den Schultern von Marx und Engels." Ihm ist ins Gedächtnis zu rufen, dass schon so mancher kleine Verleumder, der glaubte, sich auf die Schultern von wehrlosen toten Revolutionären schwingen zu können, bei dieser Operation im Dreck der Geschichte gelandet ist.

Lenin faßt die Verdienste von Marx und Engels um die internationale Arbeiterklasse in den Worten zusammen: "Sie erzogen die Arbeiterklasse zu Selbsterkenntnis und Selbstbewußtsein und setzten an die Stelle der Träumereien die Wissenschaft." (Ausgewählte Werke 1, S. 131). Die heutige Sozialdemokratie leugnet die Existenz der Arbeiterklasse und setzt an die Stelle des wissenschaftlichen Sozialismus die bewußte Täuschung des Proletariats und die offene Verleumdung seiner revolutionären Führer.

Wir können unsere Verehrung gegenüber Friedrich Engels heute zum Ausdruck bringen,indem wir daran arbeiten, die revolutionäre kommunistische Partei des westdeutsehen Proletariats zu schaffen, um die deutsche Arbeiterbewegung aus dem Sumpf herauszuführen, in den Sozialdemokraten sie gelockt haben.

(Die Rede von Willy Brandt ist zitiert nach der "FAZ" vom 28.11.1970, S, 13).

Quelle:  
https://www.mao-projekt.de/BRD/NS/BRE/KAK/Bremen_Kommunistische_Arbeiter-Korrespondenz_1970_02.shtml

Der Kommunistische Bund Bremen war eine der drei wichtigsten Gründungszirkel des 1973 gegründeten Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW).