Positionen und Theorien der „postmodernen Identitätslinken“
Leseauszug aus: Eine marxistische Kritik der „postmodernen Identitätslinken“ und des identitätspolitischen Antirassismus

von Jona Textor

08/2020

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Es ist nicht mein Anliegen, hier alle nicht-marxistischen Ansätze der Rassismus- und Diskriminierungskritik in einen Topf zu werfen und diese pauschal als schädlich oder reaktionär abzutun. Gleichzeitig kann und will dieser Artikel aber auch keine differenzierte Detailstudie zu den verschiedenen akademischen Theorieansätzen vorlegen, die jeder Strömung innerhalb dieses Spektrums gerecht werden könnte. Der Artikel konzentriert sich vielmehr auf jene identitätspolitischen Positionen, die mittlerweile so weit verbreitet sind, dass sie sich in Teilen der Popkultur und der linken Szene, aber auch im liberalen Lager der bürgerlichen Parteien quasi als Allgemeinplätze etabliert haben. Es geht mir also um jene popularisierten Erscheinungsformen dieser Ideologie, in denen sie wirkliche Massenwirksamkeit und mediale Reichweite entfaltet. In Diskussionen auf Facebook, Twitter-Statements oder Demoparolen wird eher selten explizit auf akademische Theorien Bezug genommen, und doch begegnen einem dort immer wieder dieselben Positionen und Behauptungen, die letztlich auf die Grundannahmen der postmodernen Identitätspolitik zurückgehen.

An dieser Stelle mag von manchen eingewandt werden, dass ein solches methodisches Vorgehen nur eine „Strohpuppe“ oder eine „Karikatur“ der postmodernen Identitätspolitik abbildet und nicht auf das eingeht, was ihre ideologischen Urheber „wirklich geschrieben“ oder „wirklich gemeint“ haben. Trotzdem sind die hier beschriebenen popularisierten und vulgarisierten Formen der Identitätspolitik nunmal die wirklichen Formen, in denen diese Eingang in die Alltagskultur gefunden hat. Für die Analyse größerer ideologischer Entwicklungen ist zweitrangig, was sich in den akademischen Elfenbeintürmen abspielt, wichtig ist, wie bestimmte Ideologieformen sozusagen „vergesellschaftet“ werden, denn „allein auch die Theorie wird zur materiellen Gewalt, sobald sie die Massen ergreift.“[6]

Zunächst werfen wir also einen Blick auf die häufigsten anti-marxistischen Vorurteile und Falschbehauptungen aus dem Spektrum der postmodernen Identitätslinken. Dabei tun sich besonders die Vertreterinnen und Vertreter der postcolonial studies hervor, die bei der Entstehung und theoretischen Ausformulierung der Identitätspolitik vom Ende der 1970er bis in die 1990er Jahre hinein eine zentrale Rolle gespielt haben. An Universitäten, im akademischen rassismus- und diskriminierungskritischen Kontext sowie in der linken Szene gehören zumindest Versatzstücke dieser Theorien auch heute noch zum ideologischen Mainstream. Dem Marxismus wird aus diesem Spektrum (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) häufig vorgeworfen:

(a) Er betrachte die Klassenzugehörigkeit als einzig relevantes Identitätsmerkmal (Stichwort: „Klassenreduktionismus“)[7]. Unter dem „Proletariat“ stelle sich der „Traditionsmarxismus“ außerdem vor allem männliche, weiße Industriearbeiter vor – erst die postcolonial studies hätten die wirkliche Vielfalt der „Subalternen“ sichtbar gemacht[8].

(b) Außerdem „idealisiere“ und „heroisiere“ Marx die Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt und unterstelle ihr ausschließlich gute und revolutionäre Eigenschaften. Dieselbe Idealisierung weiderhole sich im Antiimperialismus in der Identifikation mit den antikolonialen und nationalen Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt.[9]

(c) Der Marxismus behandle alle Fragen nach Rassismus, Sexismus und anderen Identitätsmerkmalen, aufgrund derer Menschen diskriminiert werden, ausschließlich als „Nebenwidersprüche“ neben dem „Hauptwiderspruch“ zwischen Kapital und Arbeit.

(d) Der Marxismus sei „eurozentrisch“ und reproduziere damit in letzter Konsequenz rassistische und koloniale Denkmuster. Die Menschen des „globalen Südens“ kämen bei Marx und Engels ausschließlich als passive Opfer der von Europäern gemachten Geschichte vor. Aufgrund seines Eurozentrismus projiziere der Marxismus die universellen Werte der Aufklärung auf die ganze Menschheit, anstatt die jeweils kulturell unterschiedlichen „partikularen“ Identitäten der „Subalternen“ im globalen Süden anzuerkennen. Damit reproduziere der Marxismus – schließlich selbst eine Theorie weißer europäischer Männer – koloniale und paternalistische Denkweisen.[10]

(e) Marx und Engels als „üble Rassisten“ zu diffamieren – etwa wegen ihrer aus heutiger Sicht teilweise rassistischen Wortwahl oder dem derben Humor in ihren privaten Briefwechseln – ist dabei kein spezifisches Merkmal der Vertreter der postcolonial studies, sondern gehört unter bürgerlichen Antikommunisten allgemein zum guten Ton.[11] Muss deshalb also der ganze Marxismus als rassistisch abgetan werden?

Noch sehr viel stärker als diese explizit anti-marxistischen Positionen sind die allgemeinen identitätspolitischen Vorstellungen von „Privilegien“ und „Diskriminierung“ in der Alltagskultur verankert. Identitätspolitik ist in der Regel eine Reaktion auf Diskriminierungserfahrungen und kann allgemein definiert werden als „Kampf einer Minderheit um die Anerkennung des eigenen Selbstverständnisses […] verbunden mit dem Anspruch auf Anerkennung der eigenen Leistungen für die Gesellschaft [und] dem Kampf um gleiche Rechte und gleiche Chancen der Selbstverwirklichung.“ Kennzeichnend für die Identitätspolitik ist „das Bemühen um öffentliche Aufmerksamkeit, […] ihr Hauptfeld ist daher der öffentliche Diskurs.“[12]

Hier also in aller Kürze die wichtigsten Erklärungsmodelle, Argumentationsmuster und Praxisvorstellungen der postmodernen Identitätspolitik (natürlich auch hier wieder ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

(f) Privilegientheorie: Die Privilegientheorie ist keine wissenschaftlich fundierte Theorie, bildet aber dennoch den impliziten Kern der postmodernen Identitätspolitik und gehört zu ihren populärsten Allgemeinplätzen. Wichtigste Grundannahmen dieser Theorie ist, dass sich der Platz den Menschen in der gesellschaftlichen Hierarchie einnehmen vor allem aus ihren Identitätsmerkmalen und deren jeweiliger Kombination ergibt. Bestimmte Identitätsmerkmale sind demnach mit bestimmten „Privilegien“ ausgestattet. Privileg bedeutet in diesem Zusammenhang die „Abwesenheit der negativen Folgen von Diskriminierung“. Während sich also zum Beispiel ein weißer, heterosexueller Mann über einen Platz an der Spitze der sozialen Pyramide freuen darf, findet sich eine schwarze Transfrau unter den am meisten Unterdrückten am unteren Ende wieder. Durch diesen Ansatz wird also impliziert, dass „privilegierte“ Individuen direkt oder indirekt von der Diskriminierung anderer profitieren. „Klasse“ wird auf der Privilegienskala typischerweise gleichwertig neben alle anderen Identitätsmerkmale gestellt (wie z.B. weiß oder heterosexuell sein) und, wenn überhaupt, dann nicht anhand der Stellung zu den Produktionsmitteln, sondern nur gemessen am Einkommen definiert.[13]

(g) Identitätspolitik und Anti-Diskriminierung: Ein mit der Privilegientheorie eng verwandtes Modell, nur spiegelverkehrt gedacht und stärker akademisch verankert, vertreten die verschiedenen Spielarten der Diskriminierungskritik. Zum Gradmesser des sozialen Status werden hier nicht Privilegien, sondern umgekehrt das Betroffensein von Diskriminierung, also die individuelle oder strukturelle Abwertung, Schlechterbehandlung und Benachteiligung von Individuen aufgrund bestimmter Gruppenmerkmale (Hautfarbe, Geschlecht, etc.).[14]Diese Mechanismen werden als wichtige Ursachen von Unterdrückung und sozialer Ungleichheit identifiziert. Theorien, die die Überschneidung und Wechselwirkung zwischen verschiedenen Diskriminierungsdimensionen untersuchen, werden als „Intersektionalismus“-Ansätze zusammengefasst.[15] Die Frage der Klassenzugehörigkeit wird auch hier meist nur als ein Faktor neben anderen behandelt, und zwar oft nicht einmal im Sinne einer objektiven ökonomischen Kategorie, sondern nur als weiteres „gesellschaftlich konstruiertes“ Identitätsmerkmal, das Diskriminierung nach sich zieht (Stichwort: „Klassismus“).[16]

(h) „Wir alle sind Teil des Problems“: Eng mit den Diskriminierungs- bzw. Privilegien-Modellen verbunden ist die Vorstellung, dass „wir alle“ gleichermaßen in dieses System von Privilegien und Diskriminierung „verstrickt“ und durch unser alltägliches Verhalten, z.B. durch ständige „Mikroaggressionen“, auch aktiv an dessen Reproduktion beteiligt sind – die „Privilegierten“ natürlich mehr als die „Diskriminierten“.[17] Die ganze Gesellschaft ist demnach von komplexen „Machtverhältnissen“ zwischen Individuen, Diskursen, Strukturen und Institutionen durchzogen und niemand steht außerhalb derselben. Alle Weißen, so die zentrale Schlussfolgerung, „profitieren“ von Rassismus. Von großer Bedeutung ist diese These zum Beispiel für die akademische Theorieschule der „Rassismuskritik“.[18]

(i) „Check your privilege“: Wenn der Kern des Problems im individuellen Verhalten von „uns allen“ liegt, dann ist es nur naheliegend, dessen Lösung auch dort zu suchen. Als politische Praxis, die zur Überwindung der Ungleichheit beitragen soll, ergibt sich daraus zum Beispiel die Forderung, die eigenen Privilegien zu reflektieren, sich gegenüber Minderheiten „achtsam“ zu verhalten und an seiner eigenen „Awareness“ (Bewusstheit) für die Situation der Betroffenen zu arbeiten. Dadurch soll der alltäglichen Reproduktion von Rassismus und Diskriminierung entgegengewirkt werden. Diese Politik der Aufklärung und Sensibilisierung wird in Deutschland seit Jahren auch von staatlich finanzierten Anti-Diskriminierungs-Stellen und Gleichstellungsbeauftragten verfolgt.[19] In der linken Szene wird „Selbstreflexion“ mit Blick auf Rassismus vor allem unter den Schlagwörtern „critical whiteness“ und „white privilege“ diskutiert und praktiziert.[20]

(j) „Anerkennung“ und „Repräsentation“: Ein Bereich, auf den sich viele Forderungen der Identitätspolitik konzentrieren, ist der der Anerkennung, und Repräsentation. Dabei geht es um die offizielle Anerkennung und Wertschätzung bestimmter Identitätsmerkmale, z.B. durch die Einführung einer dritten Geschlechtskategorie auf Personalausweisen, genderneutralen Toiletten und dergleichen. Mit Repräsentation ist in der Regel gemeint, dass gesellschaftliche Minderheiten auch im öffentlichen „Diskurs“ repräsentiert sein sollen. In Schulbüchern sollen auch Kinder mit dunkler Haut oder Eltern mit Kopftüchern abgebildet und in Netflix-Serien homosexuelle Paare und Transpersonen als teil der gesellschaftlichen Normalität dargestellt werden. Außerdem wird die Repräsentation von Minderheiten in „Machtpositionen“ gefordert, vor allem in Politik und Wirtschaft. Diese Forderungen treten oft auch unter dem Label „Diversity“-Politik auf. Dadurch soll einerseits eine gesellschaftliche „Normalisierung“ von „Vielfalt“ gefördert und andererseits Kindern und Jugendlichen aus Minderheitengruppen Vorbilder an der Spitze der sozialen Pyramide zur Verfügung gestellt werden, mit denen sie sich identifizieren können.[21]

(k) „Sprache erzeugt und verändert Wirklichkeit“: Ein Großteil der politischen Diskussion der postmodernen Identitätslinken dreht sich um Sprache. Wie soll z.B. richtig gegendert werden (mit *_ oder Binnen „I“), so dass alle Geschlechtsidentitäten mitgedacht sind und sich repräsentiert fühlen? Diskriminierungskategorien wie „Rasse“ oder „Gender“ und die mit diesen jeweils zusammenhängenden „Rollenbilder“ werden als „Konstruktionen“ bezeichnet, die „dekonstruiert“ werden müssten. Hinter all diesen Diskussionen steht die Grundannahme, dass gesellschaftliche Wirklichkeit durch Sprache bzw. Ideologie erzeugt wird und demnach auch durch Veränderung der Sprache bzw. des Denkens verändert werden kann.

(l) „Wer darf sprechen? Wer kann sich solidarisieren?“: Weit verbreitet ist in der postmodernen Identitätslinken auch der Standpunkt, nur Menschen, die selbst von einer bestimmten Form der Diskriminierung betroffen sind, könnten diese auch beurteilen und sich sinnvoll an öffentlichen Debatten darüber beteiligen. Wer sich als Weißer trotzdem zu Rassismus äußert, der handelt sich schnell den Vorwurf des „Paternalismus“ ein oder wird dafür kritisiert, Schwarze Stimmen aus dem Diskurs zu verdrängen. Außerdem wird in Zweifel gezogen, ob wirkliche antirassistische Solidarität zwischen Betroffenen und Nicht-Betroffenen überhaupt möglich ist.[22] Anstatt von Solidarität spricht die identitätspolitische Szene mittlerweile vor allem von „Allyship“. 

(m) Minderheiten statt Mehrheiten: All diesen Ansätzen ist gemeinsam, dass sie zu den „Unterdrückten“, die ein unmittelbares Interesse an der Veränderung der Gesellschaft haben, nur noch Minderheiten und „marginalisierte“ Randgruppen zählen, nicht die Mehrheit der Menschen (also die „Mittelschichts-Christen-Weißbrot-Heten“[23]). Die Mehrheit ist aufgrund ihrer „Privilegien“ und ihrer Beteiligung an der Reproduktion der Verhältnisse aus dieser Sicht grundsätzlich mehr Teil des Problems als Teil der Lösung. 

Wer sich ein lebendiges Bild davon machen möchte, wie all diese identitätspolitischen Erklärungsmodelle und Argumentationsmuster sozusagen in Aktion funktionieren, der muss sich nicht unbedingt in ein Uniseminar setzen. Es reicht vollkommen, sich einmal eine Stunde Zeit zu nehmen und auf den Webseiten des Missy Magazins oder der verschiedenen VICE-Ableger (sowas wie das internationale Zentralorgan der postmodernen Identitätslinken) durch die Artikel mit Stichwörtern wie „Identität“, „Privileg“ oder „Diskriminierung“ zu scrollen.[24]

Anmerkungen

[6] Marx in seiner Schrift Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, in: MEW 1, S. 385.

[7] Zu den Bestsellern innerhalb der linken Szene, die diese These in den frühen 2000ern populär gemacht haben, gehört zum Beispiel das Buch des den Zapatistas sehr nahe stehenden Soziologen John Holloway: „Die Welt verändern, ohne die Macht zu übernehmen“, Münster 2002.

[8] Den Begriff „Subalterne“ übernehmen die postcolonial studies von Gramsci, der damit alle unterdrückten und ausgebeuteten Schichten bezeichnet. In den postmodernen Theorien verliert der Begriff seinen Klasseninhalt fast vollständig und bezeichnet vor allem „marginalisierte“ Identitäten. Vgl. z.B.: Friederike Habermann, Mehrwert, Fetischismus, Hegemonie: Karl Marx‘ „Kapital“ und Antonio Gramscis „Gefängnishefte“, in: Reuter/Karentzos (Hrsg.), Schlüsselwerke der Postcolonial Studies, 2012, S. 25.

[9] Diese Diskussion wurde innerhalb der Linken Szene und der Dritte-Welt-Bewegung in den 1980er und 1990er Jahren so ausufernd geführt, dass sich eine Fußnote zu einem einzelnen Text erübrigt.  

[10] Siehe dazu den Sammelband „Marx und der globale Süden“ (Felix Wemheuer, 2016), darin insbesondere die Beiträge von Vivek Chibber.

[11] Eines der dreistesten Beispiele aus jüngster Zeit lieferte Wolfram Weimer auf n-tv.de (16. Juni 2020), der sich in einem Kommentar darüber beschwert, dass die Black Lives Matter Bewegung Statuen von Rassisten und Sklavenhändlern stürzt, obwohl eigentlich Marx der übelste Rassist war: „Die Rassismus-Debatte wird zur Bilderstürmerei. Von linker Seite werden Denkmäler von Kolumbus, Churchill und Bismarck attackiert. Dabei war vor allem Karl Marx einer der übelsten Rassisten. Deutsche Schulen, Straßen und Plätze sollten seinen Namen nicht mehr tragen.“ Quelle: https://www.n-tv.de/ . Ein an Dreistigkeit schwer zu überbietendes Beispiel dafür, wie strammer Antikommunismus, Geschichtsrevisionismus und Identitätspolitik problemlos Hand in Hand gehen können, liefert der Artikel „Kommt endlich über euren Stalinfetisch hinweg“ (16. Juni 2020) von der taz-Onlineredakteurin Julia Wasenmüller im Missy Magazin („Magazin für Pop, Politik und Feminismus“). Quelle: https://missy-magazine.de/

[12] Auernheimer, Identitätspolitik, S. 41.

[13] Ein wunderbares Beispiel für die Popularisierung der Privilegientheorie liefert ein Beitrag auf der Nachrichtenplattform Buzzfeed unter dem Titel „How Privileged Are You? Check(list) Your Privilege“ mit mittlerweile mehr als 21 Millionen (!) Views. Dort kann man sich durch einen langen Fragebogen klicken und erfährt am Ende sprichwörtlich seinen „score“ auf einer Skala von 1 bis 100. Je nach Punktzahl wird man dann dazu aufgefordert, seine eigenen Privilegien zu reflektieren – oder man erhält eine „empowernde“ Nachricht, die einen dazu ermutigt, andere dazu aufzufordern, doch bitte ihre Privilegien zu reflektieren und sich durch den Fragebogen zu klicken. Hier der Link: https://www.buzzfeed.com/  Ähnliche „Privilege Charts“ oder „Privilege Bingos“ findet man im Internet in unzähligen Varianten. 

[14] Das in Deutschland am weitesten Verbreitete Diskriminierungsmodell ist das der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ (GMF) mit dem z.B. die Bundeszentrale für politische Bildung arbeitet und das den meisten Lehr- und Fortbildungsmaterialien für Schüler und Lehrkräfte zugrunde liegt. Siehe zum GMF-Ansatz bei der Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bpb.de/ ; Eine Definition von Rassismus als Form von Diskriminierung mit einer individuellen, einer strukturellen und einer institutionellen Ebene gibt z.B. Birgit Rommelspacher: http://initiative-schluesselmensch.org/  Im englischen Sprachraum hatte in den letzten Jahren der Bestseller „White Fragility“ (2018) von der US-amerikanischen Antirassismus-Trainerin Robin DiAngelo große Reichweite. 

[15] Eine ausführliche Darstellung dieser Theorie sowie ihrer Entstehungsgeschichte findet man in der englischsprachigen Wikipedia unter dem Stichwort „Intersectionality“. 

[16] Zu „Klassismus“ als eine von vielen „Diskriminierungsformen“ siehe z.B. diese offizielle Definition der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: https://www.antidiskriminierungsstelle.de; Im sehr einflussreichen Ansatz der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ wurde die Dimension Klasse nachträglich eingefügt, taucht neben den anderen Diskriminierungsformen aber nur als „Abwertung von Arbeitslosen  bzw. Obdachlosen“ auf, beschränkt sich also auf die extremsten Ausprägungen von Armut und Verelendung, anstatt das Klassenverhältnis als solches in den Blick zu nehmen.

[17] Es lohnt sich bei Google einmal Suchbegriffe wie „white privilege“, „Alltagsrassismus“ oder „Rassismus Reproduktion“ einzugeben, um einen Überblick über diese Argumentationsmuster zu bekommen.

[18] Zur Einführung in die „Rassismuskritik“ siehe: Claus Melter/Paul Mecheril (Hrsg.), Rassismuskritik, 2 Bände, 2011. Die These, dass „alle Weißen“ von Rassismus profitieren und Teil des Problems sind, ist in der medialen Berichterstattung über die BLM-Bewegung schon fast zum Allgemeinplatz geworden. Susemichel und Kastner vertreten diese These z.B. mit Bezug auf den Begriff der „Dominnazkultur“ von Birgit Rommelspacher: „Mit Angehörigen der Dominanzkultur sind also all jene gemeint, die aufgrund der ethnischen Zuschreibung weiß von gesellschaftlichen Verhältnissen profitieren.“ (Identitätspolitiken, S. 90)  

[19] Eine schnelle Googlesuche nach Begriffen wie „Awareness“ und „Achtsamkeit“ in Verbindung mit Rassismus ergibt eine lange Liste an Workshop- und Fortbildungsangeboten oder auch „Awareness-Teams“, die man für Parties und andere Großveranstaltungen anheuern kann, um dort auf den richtigen Umgang mit „Diversity“ zu achten. 

[20] Siehe dazu zum Beispiel das analyse & kritik Sonderheft zu critical whiteness von 2013: https://www.akweb.de; Kurzdefinition: „white privilege ist die Abwesenheit der negativen Folgen von Rassismus […] White Privilege ist die Tatsache, dass deine Hautfarbe, wenn du weiß bist, den Verlauf deines Lebens mit großer Sicherheit positiv beeinflussen wird.“ (Reni Eddo-Lodge: Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche, Tropenverlag 2020.) Im Zusammenhang mit den #BLM-Protesten veröffentlichte das VICE-Magazin eine Liste mit 50 Beispielen für das, was die Redaktion unter „white privilege“ versteht: https://www.vice.com/; Hier eine Liste aller Artikel zum Thema aus der englischsprachigen Ausgabe: https://www.vice.com/en_us/

[21] Gutes Anschauungsmaterial dafür, wie Firmen diese Konzepte in ihre Unternehmenspolitik und ihr Management integrieren, finden sich z.B. auf der Internetseite der „Arbeitgeberinitiative zur Förderung von Vielfalt in Unternehmen und Institutionen“ Charta der Vielfalt – für Diversity in der Arbeitswelt, die natürlich auch ein Statement unter dem Hashtag #Black Lives Matter veröffentlicht hat: https://www.charta-der-vielfalt.de/ Im Missy Magazin und bei VICE erscheinen regelmäßig Listen mit Empfehlungen für Serien, in denen LGBTQs, Schwarze, POCs etc. repräsentiert sind, siehe z.B. Missy Magazin, „Binge Watching gegen das Patriarchat“: https://missy-magazine.de/b VICE Brasilien: https://www.vice.com/pt_br.  

[22] Ein aktuelles Beispiel für diese Art der Politik liefern die seit einiger Zeit verstärkt in Erscheinung tretenden „Migrantifa“-Gruppen, aber dazu weiter unten mehr.

[23] Ein schönes Beispiel für diese Sicht auf die Gesellschaft aus dem Missy Magazinhttps://missy-magazine.de

[24] In einem Artikel aus der deutschen Power and Privilege Sonderausgabe (25. Dezember 2018) heißt es z.B., dass „eine Weiße Person von der rassistischen Gesellschaftsordnung profitiert, auch wenn sie selbst Rassismus ablehnt.“ (https://www.vice.com/de; In der englischsprachigen Ausgabe von VICE erschien am 9. Juni 2020 der Artikel: „50 Examples of White Privilege to Show family Members Who Still Don’t Get It”; im Zusammenhang mit der aktuellen feministischen Protestwelle in Chile erschienen in der spanischsprachigen Ausgabe die Artikel: „No hay lugar para hombres en el feminismo“ (12. März 2019), „Cual es el lugar de los hombres en las manifestaciones der Día de la Mujer?” (8. März 2020).

Quelle: https://kommunistische.org/diskussion/eine-marxistische-kritik-der-postmodernen-identitaetslinken-und-des-identitaetspolitischen-antirassismus/

Editorischer Hinweis

Wir empfehlen ausdrücklich, den kompletten Artikel zu lesen und zu diskutieren. / red. trend.