Bundeswehr - Nein zum Einsatz in Mazedonien
Rede zum Antikriegstag 2001 in Marburg

von Roland Grimm

09/01
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Wieder schickt die Bundesregierung im Rahmen einer NATO Intervention Besatzungstruppen auf den Balkan. Der Bundestag hat der Entsendung von 500 Soldaten nach Mazedonien mit überwältigender Mehrheit zugestimmt und dabei wie selbstverständlich wieder einmal das Grundgesetz gebrochen. Dort findet sich nämlich nach wie vor das Verbot die Armee außer zum Zweck der Landesverteidigung einzusetzen. Dieses Verbot des Angriffskrieges war eine, wenn auch unzureichende Konsequenz aus eben jenem 1. September 1939, dem Angriff Nazi-Deutschlands auf Polen, der Entfesselung des Zweiten Weltkrieges durch Deutschland, Italien und Japan und dem völkisch-antisemitischen Vernichtungskrieg der deutschen Wehrmacht in Osteuropa. Das Großalbanien, von dem die UCK träumt, existierte bereits einmal: Als faschistischer Vasallenstaat von Hitlers und Mussolinis Gnaden, der dann beim Rückzug der Wehrmacht von den albanischen und jugoslawischen kommunistischen Partisanen zerschlagen wurde.

Date sent: Mon, 03 Sep 2001 19:15:25 +0200
From: Rüdiger Bröhling <ruediger.broehling@gmx.net>
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Subject:  KPD IV/2001: Rede bei Antikriegstag in Marburg

KALASCHNIKOV - DAS RADIOMAGAZIN FÜR MILITANTEN PAZIFSMUS / PRESSEDIENST (KPD)

Liebe Leute,
die Marburger Friedensinitiative "Nein zum Krieg" organisierte unter dem Motto "Bundeswehr - Nein zum Einsatz in Mazedonien!" am Antikriegstag 2001 eine Kundgebung am Marburger Deserteure-Denkmal. Den Redebeitrag der Kundgebung hielt Roland Grimm (DFG-VK Marburg und "Kalaschnikov"-Redaktion). In der Anlage dokumentieren wir seine Ansprache.  Darüber hinaus möchten wir Euch auf ein lokales Event zum 1.9. aufmerksam machen. Noch bis zum 14. September sind in der MarburgerBrüder-Grimm-Stube (am Marktplatz) Plakate der Marburger Friedensbewegung aus den letzten 20 Jahren zu sehen. Veranstalterin der Ausstellung ist ebenfalls die Marburger Friedensinitiative "Nein zum Krieg".


Mit freundlichen Grüßen
Rüdiger Bröhling
DFG-VK Marburg

KALASCHNIKOV ist seit 1996 bei "Radio Unerhört Marburg" auf Sendung und wird produziert von der  Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen  (DFG-VK) Marburg 

 Glaubt man der offizielle Propaganda, geht es auch bei der neuesten NATO-Intervention nur um den Schutz der Witwen und Waisen. Wann wurde denn jemals aus anderen Gründen Krieg geführt? Doch nicht etwa aus machtpolitischen und wirtschaftlichen Interessen! Die gibt es nicht. Jedenfalls, wie man uns glauben machen will, nicht für das weltweit stärkste Militärbündnis, die  NATO.

 Worum geht es in Mazedonien tatsächlich? Zunächst einmal ganz einfach um die Sicherung der Nachschubrouten der Besatzungstruppe KFOR im Kosovo. Und das zeigt, wie ein Militäreinsatz mit logischer Konsequenz den nächsten nach sich zieht. Erst werden mit militärischen Mitteln Probleme geschaffen bzw. verschärft, anschließend sollen mit Hilfe desselben Militärs diese Probleme wieder behoben werden, wobei dann aber wieder nur neue Probleme geschaffen werden... . Das klingt völlig verrückt? Ist es auch, aber es ist nichts anderes als die Logik der Balkanpolitik von USA, Deutschland und den übrigen NATO-Staaten.  

Die Stationierung von NATO Truppen in Mazedonien ist an sich nichts neues. Im Krieg gegen Jugoslawien 1999 hat Mazedonien dann sein Territorium für den Aufmarsch der NATO-Bodentruppen bereitgestellt. Einen Bodenkrieg der eigenen Truppen konnte die NATO damals verhindern. Diese Aufgabe wurde von der UCK übernommen. Nach dem Rückzug der jugoslawischen Polizei und Militäreinheiten wurde die UCK unter Oberhoheit von NATO und UNO die eigentliche Macht im Kosovo. Dies nutzte sie zunnächst zur Vertreibung von nichtalbanischen Minderheiten wie Serben, Roma und Juden, dann begann sie Anfang dieses Jahres vom Kosovo aus den Krieg gegen Mazedonien. Dabei war die UCK doch den Verlautbarungen der NATO zufolge längst entwaffnet und in ein ziviles Kosovoschutzkorps umgewandelt worden. Durch diesen großartigen Erfolg angespornt, erklärt sich die NATO jetzt in Mazedonien plötzlich zur unparteiischen Macht und verkündet, sie wolle mit 4 500 Soldaten in 30 Tagen das machen, was sie in den letzten zwei Jahren im Kosovo nicht geschafft hat - nämlich die UCK zu entwaffnen. Zuvor haben die USA in den letzten Monaten noch einmal ordentlich Waffen und Militärberater an die UCK geschickt. 17 amerikanische Militärberater befanden sich auch unter den 400 UCK-Kämpfern, die sich Mitte Juni in der Nähe der mazedonischen Hauptstadt Skopje verschanzt hatten. Sie wurden von US-amerikanischen KFOR Soldaten aus der Einkesselung durch Regierungstruppen befreit, die ihnen und ihren amerikanischen Instrukteuren den bewaffneten Rückzug ermöglichten.

 Jetzt ist also davon die Rede, daß die UCK freiwillig ihre gesamten Waffen abgibt. Abgesehen davon, davon überhaupt nicht die Rede sein kann, stellt sich doch die Frage stellen, warum dazu eine Militärintervention nötig ist. Warum werden die Waffen nicht einer zivilen, neutralen  Organisation übergeben? Die NATO, die bereits gemeinsam mit der UCK Krieg geführt hat, ist für eine Entwaffnung der UCK völlig ungeeignet.  Noch nicht einmal über die Zahl dieser Waffen gibt es Einigkeit zwischen der UCK, der NATO und der mazedonischen Regierung. 3 500 Waffen soll die UCK der NATO übergeben. Dagegen spricht die mazedonische Regierung von etwa 85 000 Waffen im Besitz der Separatisten und dürfte mit dieser Schätzung weit näher an der Wirklichkeit liegen. So ist aber die gesamte Entwaffnung von vornherein bereits eine Farce. 

Das ist auch der Hintergrund für die heftigen und teilweise gewalttätigen Proteste der  nichtalbanischen Bevölkerung Mazedoniens gegen die NATO-Intervention, die bereits einem britischen Soldaten das Leben gekostet haben. Die UCK kann derweil ganz zufrieden mit den Ergebnissen ihrer Eskalationsstrategie, mit der sie bereits im Kosovo durchschlagenden Erfolg hatte. Wie im Kosovo gibt sie auch diesmal demonstrativ ein paar veraltete Waffen ab und kann sich darauf einrichten, unter NATO-Oberhoheit ihre Herrschaft über Teile Mazedonien zu festigen.

Daran, daß die NATO nach 30 Tagen wieder abzieht glaubt schon jetzt niemand mehr. Ergebnis der ganzen Aktion wird entweder die dauerhafte Errichtung eines oberflächlich "befriedeten" Protektorats, in Mazedonien sein, in dem die NATO eine oberflächliche Ruhe herstellt, während die UCK in den von ihr kontrollierten Gebieten de facto die Macht übernimmt. Oder aber eine Verwicklung der NATO in den mazedonischen Bürgerkrieg. Die UCK kann die jetzige NATO Intervention als Etappensieg auf dem Weg nach Großalbanien begreifen. Dieses Großalbanien soll auch Teile Griechenlands umfassen, das so bald das nächste Opfer von UCK-Angriffen werden kann.  Für den Fall, daß sich die NATO allerdings irgendwann ernsthaft den Kämpfern für Großalbanien entgegen stellen sollte , hat sich andererseits schon mal eine kompromisslose Abspaltung der UCK, die  "Albanische Nationalarmee" zu Wort gemeldet. Aber wie meinte doch Außenminister Fischer: "Die albanische Frage ist offen". In Berlin können die Kämpfer für Großalbanien ja traditionell auf Unterstützung rechnen.     

Es ist das große Unglück der Menschen auf dem Balkan, in einer strategischen Schlüsselregion zu leben, die immer wieder zwischen verschiedensten Großmächten heftig umkämpft war. Genau dies hat den inneren Konflikten in dieser Region die besondere Schärfe gegeben. So auch nach dem Zusammenbruch Tito-Jugoslawiens, das mehrere Jahrzehnte einen außenpolitischen Kurs der Neutralität verfolgt hat. Dieser Staatszerfall hatte zwar hauptsächlich innere Gründe, wurde aber von außen gezielt gefördert. Eine besonders üble Rolle spielte dabei von Anfang an die deutsche Außenpolitik.  

Für Deutschland ging es nach dem der Anschluß der DDR um die Wiedergeburt als militärische Großmacht, die ohne Rücksichtnahme auf die Erinnerungen an den Naziterror überall dort zuschlagen darf, wo es ihr beliebt. Es geht darum, die Grenze zwischen EU und ihrem südosteuropäischen Hinterhof zu ziehen.  

Es geht darum, die Bevölkerung dieser Länder unter Kontrolle zu halten. Eine Bevölkerung, die zu großen Teilen für das Kapital schlicht überflüssig ist. In Mazedonien sind mindestens zwanzig Prozent der Bevölkerung erwerbslos. Der Balkan ist der verelendete Hinterhof der EU, den diese in Zusammenarbeit aber auch in Rivalität mit den USA unter ihre Kontrolle zu bringen sucht. Die USA versuchen andererseits nach Kräften die Entstehung einer EU als ebenbürtige Weltmacht, die inzwischen schon ihre eigene Armee aufbaut, zu verhindern. Wie schon so oft werden auf dem Balkan wieder einmal die Interessensphären der Großmächte neu abgesteckt -  mit verheerende Folgen für die Bevölkerung. Und genau deswegen wird jetzt auch Mazedonien destabilisiert. 

Auch dieser Militäreinsatz dient angeblich dazu, den Krieg zu verhindern, nicht ihn zu führen. Aber tatsächlich damit wird nur wieder nur Öl ins Feuer gegossen. Mit dem ernsthaften Bemühen, die Kämpfe zu beenden, und die Lebenssituation der Menschen in Südosteuropa zu verbessern hat das alles nicht das geringste zu tun. 

Auch dieser Militäreinsatz dient angeblich dazu, den Krieg zu verhindern, nicht ihn zu führen. Auch damit wird wieder nur Öl ins Feuer gegossen. Mit dem ernsthaften Bemühen, die Kämpfe zu beenden, und die Lebenssituation der Menschen in Südosteuropa zu verbessern hat das alles nicht das geringste zu tun. Dazu wären ganz andere Maßnahmen nötig.  

  • Beispielsweise eine Beendigung der Produktion und des Verkaufs von Kriegswaffen.
  • Eine großzügige Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und Deserteuren, um jenen eine sichere Zuflucht zu gewähren, die sich dem Morden entziehen wollen,
  • ein Schuldenerlaß, um die ökonomischen Ursachen des Staatszerfalls zu bekämpfen, statt die Menschen mittels IWF-Strukturanspassungsmaßnahmen immer tiefer ins Elend zu stürzen.

Solche Maßnahmen würden freilich weder der Machtposition Deutschlands noch den Profitinteressen seiner Konzerne dienen. Statt dessen schickt man Soldaten und rechtfertigt damit weitere Aufrüstung. 

Die imperialistischen Militäreinsätze sind nicht die Lösung der Probleme Südosteuropas sondern eine der Hauptursachen für die dortigen Bürgerkriege. Die NATO hat in Südosteuropa nichts zu suchen. 

Wir fordern: 

  • Den Stopp des Mazedonieneinsatzes der Bundeswehr!
  • Den Rückzug der Bundeswehr aus den besetzten Gebieten!
  • Auflösung der interventionsfähigen Truppenteile, den Bundeswehr-Einsatzkräften - als erster Schritt zur Abschaffung der Bundeswehr