When We Were Kings
Ali der Boxer - Will Smith der Verlierer

von Dietmar Kesten, Gelsenkirchen, August 2002.
09/02
 

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Der neue Film von Michael Mann, Ali, dem vielleicht grössten  Boxer aller Zeiten, startet den Versuch, 10 Jahre seines Lebens (1964 1974) im Zeitraffer darzustellen. Was dabei herausgekommen ist, ist von der 'Legende' und seiner Biografie weit entfernt. Als Cassius Clay am 25. Februar 1964  Sonny Liston besiegte, wurde er zum ersten Mal Weltmeister im Schwergewicht. Er gewann 15 seiner ersten 19 Profi-Kämpfe durch K. o.

Nach seinem Üertritt zum Islam nannte er sich 'Muhammad Ali'. Er wurde Mitglied der 'Nation of Islam'. 1967 wurde er wegen Wehrdienstverweigerung zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.  Gegen Kaution blieb er aber auf freiem Fuss. Ali wurde als Boxer gesperrt und ihm sein WMTitel aberkannt.  1970 wurde das Boxverbot aufgehoben.

Seine erste Niederlage im Boxring war 1971 gegen Joe Frazier. 1974 holte sich Ali durch einen K. o. Sieg gegen den ungeschlagenen George Foreman den Titel in Kinshasa (Zaire) zurück.  Der Kampf, 'Rumble- in-the-Jungle' gilt als bedeutungsvoll  im der Boxgeschichte, weil er erstmalig als 'Open Air' Veranstaltung konzipiert war.

Manns Versuch, das Denken und Fühlen Alis zu beschreiben, kann getrost als gescheitert betrachtet werden. Ali unternimmt keinen Versuch, die wichtigsten Stationen des Boxers in diesen 10 Jahren herauszuarbeiten. Im Gegenteil: der Film springt von Sequenz zu Sequenz, wohlkomponierten Bildern, Sparringspartner, einem Bilderbogen, der die Kämpfer im Ring, das Publikum und die Promotoren zeigt, aber nicht Ali als charismatische Persönlichkeit und begabten Redner. Will Smith (Men inBlack) bleibt als AliDarsteller auch deswegen sehr blass, weil es ihm kaum gelingt, den Künstler im Ring, den ästhetischen Boxer, der das Boxen zelebrierte, der knallhart schlagen konnte, in an gemessener Form zu charakterisieren.

Traf Ali, dann waren seine Treffer wie ein Granateinschlag, der die Gegner ausser Fassung brachte, und sie öfter, als ihnen lieb war, auf den Ringboden schickte. Will Smith kommt hausbacken und altmodisch daher, konservativ, sanftmütig und friedlich und hat nichts mit dem rebellischen Ali ge meinsam. Wenn er in den Ring tritt, dann hat er keine radikale Lösung für den Fight im Kopf, sondern er verlässt sich auf seinen Nimbus und sei nen Fähigkeiten, die ein Hauptdarsteller mit sich bringen muss. Dass reicht kaum aus, die Sehnsüchte eines Boxers, den Kampf zu gewinnen, ihn auf den Höhepunkt zuzusteuern, in einem Zeitab riss von Stärke und Tatkraft beseelt, tief darzustellen. Will Smith bleibt aussergewöhnlich plump, wird dem vielschichtigen Ali nie gerecht und rettet sich mit vereinfachten Patentrezepten durch den Film. Bei unbehaglichen Szenen fällt er einfach in die Ringseile und lässt sich verdreschen. Wer den KinshasaKampf im Kopf hat, der weiss um Alis taktische Meisterleistung, Foreman so lange zu zermürben, bis er keine Kraft mehr hatte, zuzuschlagen. Dann 'stach die Biene' zu. Ali holte sich den Weltmeistertitel zurück. Will Smith bleibt selbst hier auf verlorenem Posten und mutiert  zu einer unentschlossenen Figur, die fern abseits der Ereignisse der Verlockung und Attraktivität einer Frau unterliegt. Die höchsten Tugenden eines Boxers, dem Gegner von vornherein  den Sieg im Kampf gründlich zu verunmöglichen, seine Unbezwing barkeit, verliert Smith je länger die Kamera ihn beobachtet.

Da wirkt der Ali-Shuffle gar nicht elegant, schnell und flexibel, sondern eher erschöpfend, erfüllt von bühnenreifen Effekten, die die unübersehbare Schwäche des Films kolportieren.

Selbst die Historie von' Rumble-in-the-Jungle' ist dermassen auf den Boxring zugeschnitten, dass es schon peinlich wirkt, sich mit diesen Szenen selbst aus der Retrospektive betrachtet, anzufreunden. Die Geschichte der afrikanischen Befreiungsbewegungen, die der Kampf in Zaire m. E. widerspiegelte, ist für Mann kein Thema. Ali ist nur Mitglied einer Sekte. Darauf wird er reduziert und sein begabtes Sprachtalent verkümmert in einem Medley von Sam Cooke, und My Way von Elvis. Tatsächlich war der Kampf in Zaire nicht nur eine eindrucksvolle politische Demonstration für die Rechte der Schwarzen, sondern auch ein musikalischer Höhepunkt sondergleichen. U. a. traten auf: Bill Withers, B. B. King, James Brown, Jazz Crusaders, Spinners u. a. Da der Kampf wegen einer Verletzung Foremans verschoben werden musste, waren gerade diese Künstler dazu bereit, die beginnende selbstbewusste schwarze Kultur den Menschen in Zaire näher zu bringen. Für Mann nicht einmal eine Rückblende wert. Überhaupt hätte er sich den Dokumentarfilm 'When We Were Kings' (1997) von William Klein ansehen sollen. Es wäre ihm deutlich geworden, dass es nicht um eine MekkaPilger reise ging, sondern schlicht und einfach um Antiimperialismus.

Der Film bleibt auch dort schwach, wo er sich mit der Politik in dieser Zeit beschäftigt. Malcolm X, Martin Luther King, Elijah Muhammad, der Gründer und Führer von 'Black Muslim' u.a., begegnen uns, wenn überhaupt, nur als Statisten, die einige Sprüche über den Befreiungskampf loswer den dürfen. Nicht wirklich wird die Politisierung, die von ihnen ausging, objektiv betrachtet. Sie kommt kontemplativ daher, als Füllsel für viele Sprünge und Ungereimtheiten im Film. Der Postkolonialismus unter Mobutu und seine Gewalttätigkeiten gegenüber poltisch Verfolgten und oppositionelle Parteien, ist im Film nichts anderes als eine Begleiterscheinung. Seine tyrannische Herrschaft interessiert Mann nicht. Mobutu muss als 'Zeitgrösse' seinen Film abdecken. Und unter dem Eindruck der Bürgerrechtsbewegung versagt Ali gänzlich. Er ist einfach entpolitisierend. Und wenn ein Film auch diese wichtige politische Zeit zum Inhalt hat, so ist ihm vorzuwerfen, dass er sich mehr mit 'Alis' spirituellen Freunden, seinen Frauengeschichten und seinen Vaterfiguren auseinandersetzt, nicht aber mit dem afri kanischen Elend und dem weissen Amerika.

'Kein Vietcong hat mich je Nigger genannt. Ihr wollt mich ins  Gefängnis bringen? Nur zu, ich war 400 Jahre im Gefängnis, dann schaffe ich auch noch 45 Jahre mehr. Ich fliege nicht 10.000 Meilen um zu helfen andere arme Menschen zu ermorden. Wenn ich kämpfen muss, dann gegen euch. Wenn ich sterben  will, dann sterbe ich jetzt und hier und jetzt im Kampf gegen euch. Wenn ich sterben will, ihr seid mein Feind nicht die Vietcong, Chinesen oder die Japaner. Ihr seid mein Gegner wenn ich  Freiheit will. Ihr seid mein Gegner wenn ich Gerechtigkeit und Gleichheit will. Ich soll irgendwo hin fliegen und für euch  kämpfen. Ihr tretet nicht mal in Amerika für mich ein. Nicht für meine Rechte, ich für mein Glauben. Ihr tretet  nicht mal in meiner Heimat für mich ein.' (Muhammad Ali)

Editorische Anmerkung:

Der Autor schickte uns seinen Artikel im August 2002 mit der Bitte um Veröffentlichung. In der letzten Ausgabe schrieb er über Hollywood und der Krieg.

Dietmar Kesten schrieb früher regelmäßig für den trend und Partisan.net. Hier eine Auswahl aus seinen bisherigen Veröffentlichungen:

ASPEKTE DER ENDZEITLICHEN KRISENPHILOSOPHIE

Das "Bündnis für Arbeit"
Eine auf dem Kopf stehende Pyramide

Kommentare & Exkurse zum Kosovo-Krieg 1999