Offener Brief an die Veranstalter des Kongress „elfter September - Die Anschläge, Ursachen und Folgen (Redaktion Jungle World, iz3W, Memri)
Ende der Aufklärung
Wie antideutsche Sektierer einen linken Kongress kaperten
von Peter Nowak

09/02
 

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Liebe Freunde von GenossInnen von Jungle World, iz3W und Memri

Der von Euch am Wochenende veranstaltete Kongress sollte nach der auch im Intenet veröffentlichten Ankündigung ein Podium für kontroverse Diskussionen über den Jahrestag der Anschläge in die USA und die Folgen bieten. Da auf den Seiten von iz3W und Jungle World die solche Debatten geführt werden (ob zu eingegrenzt kann hier nicht Gegenstand sein) und die Auswahl der Referenten und (wie immer) zu wenigen Referentinnen auch die Gewähr für Diskussionen bot, konnte mensch sich eigentlich auf ein spannendes Wochenende freuten.
Doch dazu sollte es nicht kommen, weil antideutsche Sekten den Kongress schlicht kaperten. Sie bekämpften am Wochenende jeden kritischen Gedanken, wie sonst in ihren Publikationen mit Vorliebe alles, was nicht auf ihrer Linie ist, wozu sie auch iz3W und Jungle World zählen. Jede/r von Euch kennt diese Auseinandersetzungen. An vorderster Front betätigte sich der Bahamas-Papst Justus Wertmüller, der in seiner langen politischen Karriere (Juso, Demokratische Sozialisten, Grüne, KB) eine Schneise der Verwüstung hinterlassen hat. Als ob es sich um eine Veranstaltung seiner ex-antideutschen, mittlerweile prorassistischen Politsekte handelte, maßte er sich sogar an, zu entscheiden, wer sich auf einer öffentlichen Diskussion für Beiträge und Fragen zu Wort melden darf. Ihn sekundierte ein Teil des Publikums, überwiegend Jungantideutsche, die die Texte ihrer Gurus mit genau der gleichen Inbrunst herunterbeten, wie weiland die K-Gruppen die Blauen Bände des Histomat. Sie schufen auf dem Kongress eine Atmosphäre der Political Correctness und der Denunziation, wie sie wirklich nur die K-Gruppen in den 70er Jahren erzeugen konnten.

Einige Beispiele gefällig: Der Jungle World US-Experte Michael Hahn erwähnte in seinem Beitrag, dass eine jüdische Organisation in den USA, die die aktuellen Entwicklung des Antisemitismus untersucht, Jörg Haider zugute hält, dass er kein so schlimmer Antisemit sei, weil er Entschädigungszahlungen für NS-Verfolgte zugestimmt habe. Sofort schellten bei einen Jungantideutschen die Alarmglocken. Was er denn da gesagt habe, ob er das noch mal wiederholen könne, schrille es bebender Stimme aus den vorderen Reihen. Der israelische Autor Yoram Kaniuk wiederum, der ins Anekdotenerzählen abschweifte, wurde von einem Zuhörer darauf aufmerksam gemacht, dass er seine Redezeit überzogen habe. Sofort rannte ein antideutscher Jüngling nach vorne, um sich bei Kaniuk für diesen Beitrag zu entschuldigen und unter Applaus zu postulieren, dass der Israeli so lange reden könne, wie er wolle. Der Moderator beugte sich schließlich nach einigen schüchternen Einwänden diesen irrationalen Publikumsanwandlungen. Es blieb Podiumsteilnehemer Günther Jacob bei der Abschlussdiskussion vorbehalten, zu konstatieren, dass diese Geste Kaniuk signalisierte, dass man ihn als Diskussionspartner eigentlich gar nicht ernst nahm. Schon am Samstagabend fragte der Verfasser nach einen Beleg, für Kaniuks Behauptung, die USA habe gegen die „Tyrannen wie Hitler, Franco und Stalin gekämpft". Er kritisierte die Gleichsetzung von Hitler und Stalin und erkundigte sich nach den neuen historischen Forschungsergebnissen, die Hobbyhistoriker Kaniuks in Bezug auf Franco vorliegen müssen. Der bisherige Forschungsstand lautete nämlich, dass außer Frankreich und mit eigenen politischen Hintergründen die Sowjetunion kein Landdas republikanische Spanien im Bürgerkrieg unterstützte. Nach unterkühlten Beziehungen in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts, waren die Kontakte zwischen dem Franco-Regime und den USA während des Kalten Kriegs exzellent und blieben es, sehr zur Enttäuschung der Franco-GegnerInnen, bis zum Tod des Caudillo. Eigentlich erstaunlich, dass das überwiegend akademische Publikum, das nicht wußte. Oder war es ihnen um Analysen und Erkenntnisse gegangen, sondern nur um die Bestätigung ihrer eigenen Positionen? Sie wollten von Kaniuk hören, dass der Irak Israel bedrohe und es deshalb keine Alternative zu einem Krieg gegen Saddam Hussein gebe. Wer Zweifel äußert, ist Antisemit und Defätist.

Dass mußte der Verfasser am nächsten Tag bei der Abschlussdiskussion selbst erleben, als er sich zu Wort meldete und positiv auf Günther Jacobs Redebeitrag bezog. Justus Wertmüller forderte Redeverbot für den Chronisten mit der Begründung, dass „er für eine antisemitische Zeitung" (die junge Welt, die er nicht explizit erwähnte) und „bekennender Antizionist" sei. Letzteres ist falsch, weil ich für ein binationales Israel-Palästina eintrete und entsprechende Initiativen wie die Organisation Taayush (die in der aktuellen Jungle World auf zwei Seiten vorgestellt wird), KriegsdienstverweigererInnen und linke AktivistInnen vor Ort unterstützte und deshalb den von Medico initiierten Aufruf „In paradoxer Hoffnung" unterzeichnet habe. Über die Kategorien Zionismus - Antizionismus habe ich mich übrigens nie geäußert, (was übrigens auch beispielsweise Taayush nicht macht). Ohne genauere Hintergründe signalisierte ein Teil der jungantideutschen Claquere Zustimmung zum Antrag ihres Gurus Wertmüller und der Moderator gab nach. Das war das Ende eines rationalen von Aufklärung und Analyse bestimmten Debatte und signalisiert eigentlich auch das Scheitern des Kongress, wie er von den Organisatoren geplant war.

Antideutsche Politsekten ist es gelungen, den Kongress zu kapern. Die Jungle World, die schon im Titel das ungerade, wild wuchernde symbolisiert, mußte erleben, wie die Feinde der Aufklärung und des offenen Wortes triumphierten. Daran haben die VeranstalterInnen wenig Verantwortung. Die ModeratorInnen waren darauf nicht vorbereitet. Doch das weitgehende Schweigen auch der im Publikum vertretenen MitveranstalterInnen wirft Fragen auf. Warum hat nicht z.B. Günther Jacob, Christian Stock etc. Justus Wertmüller und Co. nicht ebenfalls deutlich gemacht, dass sie hier nur ZuhörerInnen wie alle anderen sind, die sich zu Wort melden könne, aber nicht bestimmen haben, wer sich außer ihnen zu Wort meldet?

Diese Frage sollten sich die VeranstalterInnen stellen, denn es ist anzunehmen, dass die antideutschen Sektierer nach ihren Erfolg am Wochenende auch in Zukunft auf linken Veranstaltungen ähnlich agieren werden. Damit wird nur praktisch umgesetzt, was in der Bahamas schon seit Jahren geschrieben steht, dass die Linke in Deutschland zerstört werden soll. Mit den antideutschen Kindergarten im Schlepptau, hofft die Wertmüller-Sekte, dieses Ziel umzusetzen.

Bei allen politischen Meinungsverschiedenheiten, die zwischen den KongressveranstalterInnen und dem Verfasser bestehen, müßte es ein gemeinsames Ziel geben: alles zu tun um es diesen Politsekten in Zukunft nicht so leicht zu machen und zu verhindern, dass auf linken Diskussionsverantstaltungen ein Klima des Dogmatismus entsteht, der an die K-Gruppen Zeit der 70er Jahre erinnert. Wir sollten alles dafür tun, dass wieder der Geist der kontroversen Debatte (des Jungles), der aufklärerischen Gedanken auf den Kongressen herrscht und die Feinde jedes freien Gedankens (in diesem Fall Bahamas etc.) nicht zum Zuge kommen.
 

Editorische Anmerkungen

Peter Nowak arbeitet als freier Journalist. Sein Brief erschien am 9.9.2002 bei Indymedia. Dort kann er diskutiert werden. Wir spiegelten ihn von
http://www.germany.indymedia.org/2002/09/29171.shtml

Zum Kongress siehe:
Die Anschläge, Ursachen und Folgen
Ein Kongress vom 6. bis zum 8. September 2002
in der Technischen Universität Berlin, Mathematikgebäude