Völlerei ohne Ende: Minister Struck grölt im TV

von Max Brym

09/03
 
 
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„Werden unsere Soldaten im Ausland verheizt ?“, hieß das Thema beim Talk im „Grünen Salon“ des Nachrichtensenders „n-tv“. Diese Fragestellung, war für Kriegsminister Peter Struck jedoch sekundär. Verteidigungsminister Struck verteidigte stattdessen  Rudi Völler. Der Ausrasster des Teamchefs, gegen die Kritiker nach dem 0:0 gegen Island, hat Struck „gefallen“. Der Minister sagte: „Leute wie Netzer, Beckenbauer oder Breitner, gehen mir auf den Geist“. Besonders störte den Kriegsminister aus Berlin, „dass die nicht einmal in der Tendenz positiv kommentieren.“ Struck im Völler-Slang: „Eine Häme, eine Scheiße, die sie reden.“ Schließlich ließ es sich Herr Struck nicht nehmen, gemeinsam mit dem Publikum den Song „Es gibt nur ein Rudi Völler“ zu grölen. Das eigentliche Thema spielte keine Rolle mehr. Die Absicht von Kriegsminister Struck, keinerlei Kritik mehr, an den Auslandseinsätzen der Bundeswehr hinzunehmen, war deutlich. Es ist kein Dr. Freud nötig, um zu begreifen, was mit dem instrumentalisierten Rudi Völler angestellt wird. Die politische Kaste, wünscht sich eine noch weitergehende Hofberichterstattung durch die Medien und einen noch breiteren gesellschaftlichen Konsens, beim Abknicken ihrer Politik. 

Plädoyers „für Rudi“ 

Im Abendsberger Bierzelt in Bayern, geißelte der robust auftretende  Stoiber, die Herren Netzer und Delling: „Diese Häme, dieses in den Dreck- ziehen und dafür auch noch Geld bekommen- dass muß ein Ende haben.“ Lautstark wurde Stoiber, für dieses Statement von seinen Fans gefeiert. Zuvor plädierte Stoiber für eine drastische Senkung der Sozialhilfe und für längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich. In seinem Spiel, um den ersten Platz beim sozialen Kahlschlag, beschimpfte er neben Netzer und Delling, den „Urfeind der Deutschen“ den sogenannten „Florida-Rolf“. Kriege führen, und dafür zu sorgen, dass kein normal sterblicher mehr die Rente erreicht, soll gut gefunden werden. Kritik daran, ist nach der Meinung der politischen Kaste, obsolet. Harte Männer und Frauen sind gefragt, die keinerlei „Anspruchsdenken“ haben. Selbst ein schwaches Spiel der Nationalmannschaft, muß schön geredet werden. Ein Herr Netzer, der ein gutes und durchdachtes Spiel der Nationalelf fordert, steht der harten Uniformierung der Nation im Wege. Wenn der Kommentator Delling, dann auch noch Unterhaltung und Spaß für den Zuschauer fordert, ist das Maß endgültig voll. Die spielerische Eleganz eines Günter Netzer, in seiner aktiven Fußballerzeit, entsprechen weder den sozialen Grausamkeiten im politischen Bereich, noch der fußballerischen Fähigkeit  eines Carsten Ramelow im aktuellen Team. Wahre Unterhaltung und Spaß, wie ihn Delling für den Fußball fordert, muß aus allen Lebensbereichen verschwinden. Auch Kanzler Schröder, klopfte sich nach Berichten aus der Boulevardpresse, „während des Völler Auftrittes, vergnügt auf die Schenkel.“ Das SPD- Präsidium, stellte sich geschlossen hinter Rudi Völler. Der Kanzler deutete an, dass er mit kritischen Journalisten am liebsten im Völler Jargon (Dreck- Mist Scheiße) umgehen würde. Er bedauerte nur, dass ihm dies sein „hohes Amt“ verbiete.

Politikum Völler

Rudi Völler wird bewußt instrumentalisiert. Seine Wut auf bestimmte Kritiker  der „Fußballkunst“ des Nationalteams, war echt. Er selbst dachte bei seinem Ausraster, mit Sicherheit nicht in politischen Kategorien. Dennoch bleibt festzuhalten: Die politische Kaste benützt Völler und die sportliche Krise des Teams. Schönheit und Genuß sind nicht mehr gefragt. Der Katalog an sozialen Grausamkeiten muß akzeptiert und geschluckt werden. Genauso wie die spielerischen Grausamkeiten eines Christian Rahn oder eines Michael Hartman, auf dem Fußballfeld. Das Leitbild für Politik und Fußball ist der  Sozialdarwinismus, gut verkörpert in der Person von Oliver Kahn. Man denke nur an seine Biss-Attacke gegen Heiko Herrlich, oder seinen Ringkampf mit Olaf Bodden.  Der Ballkünstler ist nicht in, in ist der tretende und grätschende Egoist. Dieses Bild vor Augen, hat das ganze Land, strammzustehen, die Nationalhymne zu singen oder „Es gibt nur ein Rudi Völler“ zu grölen.  

PS: Der Artikel wurde vor dem Spiel gegen Schottland geschrieben. Das Resultat ändert nichts an den hier gemachten Aussagen.

Editorische Anmerkungen

Max Brym stellte uns diesen Artikel zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München. Im Partisan.net hat er seine Homepage.