Die Entstehungsgeschichte Israels
von 1882-1948

von Nathan Weinstock

09/04

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10. Die Palästinensische Arbeiterbewegung 1918-1939

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Der Vordere Orient ist ein Teil der kolonialen Welt. Die Unterent­wicklung ist dort dadurch erkennbar, daß die Produktivität unter der der industrialisierten Länder liegt und das durchschnittliche Einkom­men pro Einwohner nur einen Bruchteil (1/4 bis 1/7) des Einkommens der Einwohner des Westens beträgt, [1]

Auf Grund der Kapitalkonzentration und des günstigen Verhältnisses von Facharbeitern im jüdischen Sektor, verteilen sich 1944 59,7% des nationalen Einkommens auf den Yischuw, obwohl er weniger als ein Drittel der Bevölkerung repräsentiert. Dieser Anteil der jüdischen Gemeinschaft ist in der Industrie und im Handel noch höher. Das durchschnittliche Einkommen pro Einwohner beträgt 1944 300 palä­stinensische Pfund für die Juden, aber nur 165 palästinensische Pfund fi'ir die Araber, wie die folgende Tabelle zeigt. [2]

Die koloniale Verwaltung befriedigt die zionistischnen Forderungen mit einer annähernden Verdoppelung der normalen Gehälter. Im Gegensatz zu den jüdischen Arbeitern europäischer Herkunft, die in der mächtigen Histadrut vereinigt sind, ist es den arabischen Arbei­tern und anscheinend auch einem Teil der Juden orientalischer Her­kunft nicht möglich, eine entsprechende Entlohnung zu erhalten. Der beträchtliche Unterschied der Gehälter zwischen den beiden Gemein­schaften weist eine große Ähnlichkeit mit der Lohnskala der europäi­schen und eingeborenen Arbeiter in den Kolonien auf. Es ist dennoch wichtig, darauf hinzuweisen, daß die überzeugende Ähnlichkeit, die man zwischen Zionismus und klassischem Kolonia­lismus zu sehen geneigt ist, eine Fehlinterpretation wäre. Seit der Wendung des zionistischen Unternehmens nach der zweiten Einwanderungswelle - die sich unter der Parole der »jüdischen Arbeit« nilzieht - versuchen die eingebürgerten Juden, die jüdische Arbeits­kraft an die Stelle der arabischen zu setzen. Daraus folgt, daß der 7ionisrnus die Bildung einer jüdischen Arbeiterklasse impliziert, was her auch, in seiner eigenen Konzeption angelegt, die Ausbeutung des arabischen Proletariats ausschließt. Die jüdische Einwanderung fügt «.ich insofern in den kolonialen Zusammenhang ein, als sie ein Ele­ment des Pauperisierungsprozesses der autochthonen Bevölkerung j „-stellt der sich unter der nachsichtigen englischen Verwaltung vollzieht. Dennoch ist dieser Prozeß nicht von einer ähnlichen sozia­len Umschichtung begleitet wie die der Bevölkerungen der Kolonien Algerien oder Südafrika, wo die koloniale Wirtschaft insgesamt auf der Ausbeutung der eingeborenen Bevölkerung gegründet ist. Weit davon entfernt, eine Klasse ausländischer Unterdrücker zu werden, verwandeln sich die palästinensischen Juden Schritt für Schritt in eine neue hebräische Nation, die entsprechend der Struktur des klassi­schen Kapitalismus aufgebaut ist: herrschende Bourgeoisie und unter­drücktes Proletariat.

Von den 212000 jüdischen Arbeitern Palästinas im Jahre 1943 sind 28,8% in der Industrie und im Handwerk beschäftigt. Die arabischen Lohnarbeiter im industriellen Sektor erreichen zu dieser Zeit die Zahl von 21000. [3] Ein Vergleich der beruflichen Gliederung der arbeits­fähigen Bevölkerung zeigt die industrielle Orientierung der jüdischen Gemeinschaft und die landwirtschaftliche Gliederung der arabischen Gesellschaft. [4]

Die zwei wesentlichen Bedingungen der zionistischen Kolonisation, von denen sich ihr besonderer Charakter herleitet, sind das Prinzip "es nationalen Grundbesitzes (Jüdischer Nationalfonds) und der "rundsatz der »jüdischen Arbeit«. Die Entwicklung der jüdischen Industrie erklärt sich in starkem Maß aus der Aktivität der zionisti­schen Gewerkschaft Histadrut.

Diese jüdische Arbeiterbewegung {Histadrut Haklalit schelhaowdim wiwim b'Eretz Israel, Gewerkschaft der Hebräischen Arbeiter in Palästina) wird 1920 in Haifa gegründet und zählte zu dieser Zeit 4433 Mitglieder. Von Anfang an wies sie besondere Züge auf. »Es handelt sich nicht nur darum, die Arbeiterklasse zu organisieren, sondern sie erst einmal aufzubauen, zu formen und sie in Palästina einzubürgern«, bemerkte einer der zionistischen Führer der Arbeiter­bewegung. [5] Anders gesagt, die Histadrut nimmt sich nicht nur vor, die Interessen der jüdischen Arbeiter zu vertreten, sondern sie will vor allem die zionistische Kolonisation zu einem guten Ende führen. Sie ist also im wesentlichen eine nationalistische Gewerkschaft, bewußtes Instrument der Zionisten, die nach den Worten ihres Statuts, »sich die Aufgabe stellt, einen neuen Arbeiter, Ergebnis der Kolonisation zu schaffen«. [6] Die Histadrut wächst schnell und erreicht 1926 eine Mitgliederzahl von 15275, 1930 von 25378 und 1936 von 85818.[7]

Sie breitet ihre Aktivität auf alle wirtschaftlichen Bereiche aus und wird zum Rückgrat des zionistischen Unternehmens. Auf Grund ihrer festgelegten zionistischen Zielsetzungen unternimmt sie vielfältige breit gestreute Anstrengungen, um die Infrastruktur des zukünftigen jüdischen Staates aufzubauen. Die zionistische Bewegung umgibt sich so mit einem Netz von Institutionen und öffentlichen Diensten: Kran­ken- und Invalidenkasse (Kupath Cholim), Arbeitsbörsen, Bauunter­nehmen (Solei Bone), Gesellschaft für den Verkauf von landwirt­schaftlichen Produkten (Tnuwa), Großhandels-Kooperative, ein Netz von Arbeiter-Partei-Schulen, das 1951 verstaatlicht wird etc. Alle wirtschaftlichen Aktivitäten werden von einem Spezialorgan, der Chewrat Owdim (Gesellschaft der Arbeiter) koordiniert. Wir sollten diese unvollständige Aufzählung ökonomischer Leistungen der Ge­werkschaft noch hinzufügen: die Existenz eines Unternehmens für Arbeiterkolonisation, von Arbeiterversicherungen, Wohnungs-Kooperativen, ein Banken- und Versicherungsnetz, die zum Teil ihre Geschäfte dank der finanziellen Beteiligung ausländischer Zionisten durchführen. Schließlich kontrolliert die Gewerkschaft auch die jüdi­sche Verteidigungsorganisation (die Hagana). Auf Grund der Viel­zahl der zusätzlichen Aktivitäten erobert sich die Gewerkschaft schnell eine Schlüsselposition, um nicht zu sagen eine Monopolstel­lung in der Wirtschaft. (Die Histadrut ist nach der Regierung der wichtigste Arbeitgeber.) Diese Politik zielt darauf ab, der im Entste­hen begriffenen jüdischen Arbeiterklasse die unentbehrliche ökono­mische Basis zu schaffen: die Produktionskooperativen schaffen Ar­beitsplätze für die Einwanderer, und die Verkaufsgesellschaften ga­rantieren den Absatz der zionistischen Produktion. Der Grund für diese alles erfassende Ausbreitung der Histadrut auf Bereiche, die mit der Gewerkschaft nichts mehr zu tun haben, liegt folglich in der zionistischen Absonderungspolitik. Der Parole »Jüdische Arbeit« (Awoda Iwrit) entspricht der Slogan vor der »jüdischen Produktion« (Totzeret Haaretz): dies ist eine Mystik, die darauf abzielt, den Verkauf der Produktion der zionistischen Wirtschaft im jüdischen Sektor durchzuführen, zum Schaden der arabischen Produktion, die mit ihren vorteilhaften Selbstkostenpreisen den Zionisten Konkurrenz machte. [8] Aber ebenso wie »jüdische Arbeit« praktisch den Aus­schluß der arabischen Arbeitskraft aus den jüdischen Fabriken bedeu­tet, so bewirkt die Parole von der »jüdischen Produktion « den organi­sierten Boykott aller arabischen Handelswaren. Im Jahre 1944 ruft das unbedeutende Gerücht, daß ein Stadtcafe in Tel-Aviv, das nur für Juden bestimmt war, einige arabische Arbeiter angestellt hat, einen Auflauf von mehreren tausend feindlich gesinnten Demonstranten hervor. Der Fellache, der dem jüdischen Boykott trotzt und versucht, seine Produkte auf dem jüdischen Markt abzusetzen, wird mit Gewalt vertrieben. [9] Die ökonomische >Apartheid<-Politik der Zionisten besteht ebenso innerhalb der Histadrut und wird offiziell durch diese Organisation unterstützt. »Jedes Mitglied der zionistischen Gewerk­schaft - der Histadrut - mußte zwei verbindliche Beiträge be­zahlen:

1. "Für die jüdische Arbeit" ein Fonds für die Organisation von Bereitschaftsdiensten etc.

2. "Für die jüdische Produktion" ein Fonds für die Organisation des Boykotts der arabischen Produktion. Nicht eine einzige zionistische Partei, nicht einmal die extremste >Linke< Haschomer Hatzair, heute Mapam, hat gegen die Boykottie­rung der arabischen Arbeiter und Bauern Stellung genommen. In keinem einzigen Fall haben sie gegen die >Streik<-Ketten gekämpft, die die arabischen Arbeiter hinderten, in den jüdischen Fabriken, auf den Bauplätzen oder Obstplantagen zu arbeiten. Sie haben sich nicht geweigert, die beiden Beiträge an die Histadrut zu leisten.« [10] Ben-Gurion hat uns lebhafte Erinnerungen an jüdische »Streik«-Ket-ten hinterlassen, die von der Histadrut vor den jüdischen Plantagen, auf denen die Fellachen arbeiteten, aufgestellt worden waren. [11] Das Problem der Konkurrenz eines unorganisierten Landproletariats, das bereit ist, für einen Hungerlohn zu arbeiten, ist nicht ganz unbe­kannt in der Arbeiterbewegung. Und es gibt eine Lösung des Pro­blems, die genau den Grundsätzen des Sozialismus entspricht: die Organisation der rückständigen Arbeiter Seite an Seite mit den ge­werkschaftlich organisierten Arbeitern. (Schon im Kommunistischen Manifest ist die Rede von »der Organisation der Proletarier zur Klasse ... jeden Augenblick wieder gesprengt durch die Konkurrenz unter den Arbeitern selbst ... entsteht sie immer wieder, stärker, fester, mächtiger«.) [12] Im Gegensatz dazu ähnelt die Absonderungspolitik "er Histadrut wie ein Ei dem anderen der von den »petits Blancs« unterstützten kolonialistischen Diskriminierung in den Ländern, in denen sie ihren eigenen Status durch die »eingeborene« Bevölkerung bedroht sahen. Die Stellungnahmen, die von amerikanischen, austra­lischen und süd-afrikanischen Delegierten gegenüber dem Problem der Einwanderung ausländischer Arbeiter auf dem Kongreß von Stuttgart im Jahre 1907 abgegeben wurden, sind charakteristisch für diese Form der Abweichung. [13] 1922 hat der IV. Kongreß der Komintern mit scharfen Worten Abweichungen dieser Art verur­teilt, die in ihren eigenen Reihen aufgetreten waren. »Die quasisozia­listischen kolonisatorischen Tendenzen einiger Kategorien gut be­zahlter europäischer Arbeiter in den Kolonien müssen bekämpft wer­den. Die europäischen kommunistischen Arbeiter in den Kolonien müssen die einheimischen Proletarier zu organisieren suchen und ihr Vertrauen durch konkrete wirtschaftliche Forderungen erobern. (An­passung des Arbeitslohns an die Entlohnung der europäischen Arbei­ter, Arbeitsschutz, Versicherungen usw.)« Die Resolution stellt insbe­sondere fest, daß die Tendenz, Organisationen zu gründen, die von den kommunistischen Organisationen Europas getrennt sind, nichts anderes als der verschleierte Ausdruck von Kolonisation sei, entgegen den Prinzipien des proletarischen Internationalismus. [14] Es kommt zu noch schwerwiegenderen Entwicklungen. Die Histadrut wird durch die Logik ihrer eigenen Entwicklung dazu gebracht, die junge jüdische Industrie zu unterstützen und jeden Streik, der dem Fort­schritt des Zionismus schaden könnte, zu vermeiden. Andererseits zögern die Kapitalisten nicht, die ökonomische Absonderung ge­schickt für ihre Zwecke zu nutzen. Das beste Beispiel dieses Anpas­sungsvermögens an die aufgeteilten ökonomischen Bereiche ist der Fall der Anglo-American Tobacco Company, die zwei getrennte Fabrikgebäude errichtete, wobei in dem einen für den jüdischen Markt (Maspero) und in dem anderen für die arabische Bevölkerung (Karaman, Dick und Salti) produziert wurde. In beiden Fällen wird der Verkauf mit nationalistischen Slogans verbunden, die entweder zionistischen oder arabischen Inhalts sind. [15] Nur die Organisie­rung der arabischen Arbeiter gegen die extreme Ausbeutung, der sie ausgesetzt waren, hätte es ermöglicht, die Konkurrenz der Unterbe­zahlten abzuschaffen. Die wenigen arabisch-jüdischen Gewerkschaf­ten, die in den zwanziger Jahren in der Verwaltung, den öffentlichen Diensten und in Städten mit gemischter Bevölkerung gegründet wur­den, hatten nur marginale Bedeutung. [16] Im Jahre 1927 entschließt sich die Histadrut schließlich, eine besondere Abteilung für die Araber aufzubauen, jedoch wird die erste Sektion nicht vor 1934 gegründet (Kamel Tibi berichtet von der Existenz einer solchen Sektion in Haifa schon im Jahre 1929-1930). [17] Vandervelde, der das Land 1919 besucht hat, berichtet: [18] »In der Histadrut sind unter 25 000 Arbeitern nur knapp 200 Araber, größ­tenteils Eisenbahnarbeiter, anzutreffen«, und weiter unten: »Alle die­se von den Juden gegründeten Betriebe sind auf private Initiative hin entstanden. In ihnen arbeiten ausschließlich jüdische Arbeiter, abge­sehen von der Fabrik Nesher, in der trotz der Proteste der Histadrut einige arabische Arbeiter für schwere Außenarbeiten angestellt worden sind.« (Hervorgehoben vom Autor N.W.) I. Cohen schreibt unbefangen, daß die Histadrut »die Gründung von arabischen Ge­werkschaften auch in Fabriken, in denen jüdische und arabische Arbeiter zusammen arbeiten, angeregt hat (z.B. in Gemeindeverwal­tungen und in der staatlichen Verwaltung sowie in anderen von nichtjüdischem Kapital kontrollierten Unternehmen), d. h. überall da, wo es ihr nicht gelungen war, ihre Anweisungen zum Boykott der arabischen Arbeit durchzusetzen«! [19] Die arabische Gewerk­schaftssektion der Histadrut ist nichts anderes als der Versuch, eine eigenständige Organisierung arabischer Arbeiter, antizionistischer Prägung, zu behindern.

Die zionistische Linke umfaßt in der Zeit zwischen den beiden Welt­kriegen drei politische Parteien. Aber es ist falsch, sie als im wahrsten Sinne des Wortes autonome Arbeiterparteien anzusehen. Ihre Zu­stimmung zum zionistischen Programm, wenn nicht sogar zur Zioni­stischen Weltorganisation selbst, ihre Integration in die Struktur der zionistischen Gemeinschaft, und die engen Verbindungen, die sie mit der Unternehmer-Gewerkschaft Histadrut unterhalten, gestatten es höchstens von proletarischen Tendenzen innerhalb eines dezentrali­sierten zionistischen Verbandes zu sprechen. Vom Nationalismus vergiftet, verharrt der linke zionistische Flügel in der geheiligten Al­lianz mit der Bourgeoisie. Keine der sozialistisch-zionistischen Partei­en stellt den kolonialen Status des Landes in Frage, weil die Verwirkli­chung des Zionismus die Fortsetzung des Mandats verlangt. Keine dieser Parteien versteht es, einen Kampf für die Eroberung der Macht zu führen; alle vereinen sie sich mit der herrschenden Klasse zum Aufbau der jüdischen Heimstatt. Das Ergebnis ist, daß eine wirkliche Klassenschranke zwischen Zionisten und Nicht-Zionisten besteht, aber nicht im Zionismus selbst. Eine andere Besonderheit, die die Arbeiterparteien mit ihren bourgeoisen Entsprechungen gemeinsam haben, ist der >internationale< Charakter dieser Organisationen, deren palästinensische Sektion theoretisch nichts anderes darstellt als eine lokale Gruppe. Diese organisatorische Struktur spiegelt den Vorrang wider, der den nationalen zionistischen Zielsetzungen gegenüber dem wirklichen Klassenkampf im Bereich der Produktion eingeräumt wird. Im übrigen funktionieren die ausländischen Sektionen vorab als zionistische Rekrutierungs-Agenturen, d.h. sowohl als einfache Sympathisanten-Gruppen und auch als Parteien im engeren Sinne. Die rein jüdische Zusammensetzung dieser Parteien leitet sich strin-gent aus ihrem zionistischen Selbstverständnis ab, was ein weiteres Indiz für den Vorrang der nationalistischen Ideologie gegenüber so­zialistischen Überzeugungen ist.

Die stärkste Organisation der zionistischen Linken ist die Arbeiter­partei Mapai (Abkürzung von Mifleget Poalei Eretz Israel), die der Sozialistischen Internationale angeschlossen ist. Sie ist, wie Tony Cliff bemerkt, die einzige sozialdemokratische Partei der Region, und er fügt humorvoll hinzu: »Die Zweite Internationale hat keine Arabische Sektion, weil die miserablen Lebensbedingungen im Orient es den reformistischen Parteien, die die Lösung von Problemen mit Glace-Handschuhen angehen, nicht erlauben, größer zu werden.« [20] Die Mapai entstand durch die Fusion der Hapoel Hatzair (der Junge Arbeiter) mit der Achdut Haawoda (Arbeiter-Union) im Jahre 1930. [21] Der andere Flügel der zionistischen Linken ging aus der Poale-Zion hervor, die der Zweiten Internationale seit 1907 angeschlossen war. Ihre hervorragendsten Führer haben mit Jabotinsky während des l. Weltkriegs an der Aufstellung der »Jüdischen Legion« teilge­nommen.

Die Mapai zeichnet sich von Grund aus durch ihren Opportunismus und ihren Klassenverrat aus. Ihre Politik beruht auf der Allianz mit der gemäßigten Bourgeoisie und selbst mit den faschistoiden Revisio­nisten (politisches Abkommen zwischen Ben-Gurion und Jabotinsky im Jahre 1934). Die Organisation ist allgemein pro-englisch orien­tiert.

Im Anfang der gleichnamigen Pionier-Bewegung bildet sich die dyna­mische, aber kleinere Partei Haschomer Hatzair (Die Junge Garde) heraus. Ihre organisatorische Basis stellt die Föderation Kibbuz Artzi (Nationales Kollektiv) dar, die, 1927 gegründet, 30 Kibbuzim mit insgesamt 7000 Mitgliedern im Jahre 1939 vereinigt. Im Jahre 1936 gründet diese Partei eine Sektion für die Städte: die Sozialistische Liga, bezeichnet sich als marxistisch und zionistisch. In der Sichtder Haschomer Hatzair kann die soziale Befreiung nur eine Etappe auf dem Weg zur Verwirklichung des Zionismus sein. Obwohl sie die Einwanderungspolitik mit der Absicht der Bildung einer jüdi­schen Mehrheit und des Prinzips der völligen Gleichheit (zwischen Juden und Arabern) für die öffentlichen Einrichtungen vertritt, be­zeichnet sich die Partei als Anhänger eines binationalen Staates. Ganz begeistert für die Verbrüderung der Nationen, nimmt sie an dem Kampf für den Ausschluß der arabischen Arbeitskraft aus den jüdi­schen Unternehmen mit Intensität teil. Sie legt den Akzent auf die praktischen Aufgaben zur Schaffung einer materiellen Basis für die jüdische Heimstatt (Konstruktivismus). Übrigens hatte diese Bewe­gung anfänglich geglaubt, den Sozialismus ohne Klassenkampf durch die einfache Vervielfältigung der kollektivistischen Kolonien verwirk­lichen zu können. [22]

Die dritte sozialistisch-zionistische Partei wird lange Zeit durch ihre revolutionären Absichten geprägt. Sie ging aus dem linken, von Boro-chow geführten Flügel der Poale-Zion hervor, der sich von der rechten Strömung des Weltverbandes der Poale-Zion auf der Konferenz von Wien abgespalten hatte und gegenüber dem rechten Flügel, der an die Sozialistische Internationale angeschlossen war, die Bezeichnung Lin­ke Poale-Zion angenommen hatte. Der Weltkongreß der Poale-Zion hatte 1920 erklärt, sich an die Kommunistische Internationale anzuhließen. [23] Das Exekutiv-Komitee der Dritten Internationale hat diesen Anschluß von mehreren Bedingungen abhängig gemacht, unter 'hnen die Forderung nach Auflösung des Weltverbandes der Poale-7ion die Mitglieder derselben sollten sich den entsprechenden natio­nalen kommunistischen Parteien anschließen, und die Forderung nach dem radikalen Bruch mit dem Zionismus. Die Mehrheit der im Weltverband der Poale-Zion Organisierten haben diese Bedingungen zurückgewiesen, und die Verhandlungen brachen nach dem dritten Kongreß der Kommunistischen Internationale ab (1922). In einer auf diesen Anlaß hin veröffentlichten Erklärung vom 25. Juli 1922 greift das Exekutiv-Komitee der Kommunistischen Internationale die ver­schleiernden Positionen an, die der Zionismus in Zusammenhang mit dem Klassenkampf bezieht.

Die Linke Poale-Zion gehörte der Liga für jüdisch-arabische Annähe­rung und Zusammenarbeit an, die im Jahr 1939 auf Veranlassung des Alt-Zionisten Haim Kalvarisky, Parteigänger für den Binationalismus, gegründet wurde. Die Liga verurteilt den zionistischen Boy­kott gegen die arabische Arbeit und Produktion. Nach der Aufnahme der Haschomer Hatzair im Jahre 1942 gelangt sie zu einer eklatanten Revision ihres Programms und spricht sich gegen »jede Tendenz« aus, »die die jüdische Gemeinschaft als Minorität in Palästina bestehen läßt«, was bedeutet, daß sie sich implizit für eine jüdische Majorität durch die Fortsetzung der zionistischen Einwanderung ausspricht. [24] Fawzi al-Hussaini, Cousin des Mufti, der mit den Zionisten sympa­thisierte, wurde überredet, seine Zustimmung zu diesem Programm zu geben. Er wurde zum Wortführer einer kleinen Gruppe städtischer Bourgeoisie, die mit den Zionisten zu kollaborieren wünschte. Diese Entscheidung kostete ihn das Leben: er wurde im November 1941 ermordet. [25]

Abgesehen von der Histadrut sind die kollektivistischen Siedlungen die wesentlichste Stütze der zionistischen Bewegung. Wir sollten des weiteren präzisieren, daß, selbstwenn die Opferbereitschaft und sozia­listische Überzeugung der Aktivisten dieser Siedlungen nicht in Frage gestellt werden, die Kibbuzim-Bewegung niemals eine Bedrohung für die zionistische Bourgeoisie dargestellt hat. Vielmehr war das Gegenteil der Fall. Der Kollektivismus der Kibbuzim bedroht in Wirklichkeit kein einziges kapitalistisches Interesse. Wir haben viel­mehr gesehen, daß die jüdische Arbeiterbewegung in den zwanziger Jahren dahin geführt wurde, an die Stelle einer klassenmäßig fast nicht vorhandenen jüdischen Bourgeoisie zu treten, um die Grundla­gen für einen zionistischen Kapitalismus zu legen, und zwar durch den Einsatz der wirtschaftlichen Organe der Histadrut. Diese Entwick­lung kann mit der »etatistischen« Politik verglichen werden, die in hingen unterentwickelten Ländern durchgeführt wurde, wo der staatliche Sektor an die Stelle des schwachen privatkapitalistischen Sektors treten mußte, um die Grundlagen für die Industrialisierung zu schaffen. Die Kibbuzim haben im landwirtschaftlichen Sektor eine ähnliche Rolle gespielt.

Es muß festgehalten werden, daß während der arabischen Revolte von 1936 bis 1939 die Landwirtschaftssiedlungen, die dem Ansturm der Aufständischen ausgesetzt waren, die Initiative zur »aggressiven Verteidigung« ergriffen hatten, indem sie von sich aus den innerge­meinschaftlichen Terrorismus wieder aufnahmen. (»Mobile Einhei­ten« des Jitzhak Sade und »Landkompanien« [Fosh] derHagana.) Es wird tatsächlich von Seiten der Arbeiterschaft Druck auf die Hagana ausgeübt, mit der Aufforderung, ihre passive Verteidigungspolitik aufzugeben (Hawlaga). [26] Die Fosh wurden 1939 auf Drängen der zionistischen Rechten aufgelöst, die sich weigert, eine aus den Ge­werkschaften hervorgegangene Bewegung zu unterstützen. Die Elite-Kämpfer dieser Einheit schließen sich den jüdisch-englischen Forma­tionen an, die von Captain Wingate organisiert wurden. Die Spezial­einheiten der Hagana führten 1939 eine Reihe von Razzien gegen arabische Dörfer durch. [27] Schließlich gehen die Gruppen von Wingate häufig zur >Liquidierung< »verdächtiger« Araber über, [28] wenngleich ihre Hauptaufgabe darin besteht, für den englischen Im­perialismus die Pipeline der Irac Petroleum Company zu bewachen. Das Aufhören der Sabotageakte gegen diese Pipeline liefert denn auch den Engländern den wichtigsten Grund zur Auflösung dieser zusam­mengesetzten Einheiten. [29] So verstärkt die zum anti-jüdischen Kampf verkommene nationale arabische Befreiungsbewegung die Kollaboration der jüdischen Arbeiter mit der Kolonialmacht. Im Jahre 1925 gründeten arabische Arbeiter in Haifa den Bund arabischer Arbeiter Palästinas, eine Gewerkschaft, die einige Jahre später ihren Arbeitsbereich auch auf Jaffa und Jerusalem ausdehnt. Die Führung dieser Gewerkschaft bleibt weitgehend konservativ. Die Gesamtheit gewerkschaftlich organisierter Araber (eingeschlos­sen die Gewerkschaften unter der Histadrut) erreichen im Jahre 1937 nicht einmal die Zahl von 5 000. [30] Die einzige Organisation, die sowohl Juden als auch Araber organi­siert: Die Kommunistische Partei Palästinas (PKP). Die Geschichte des palästinensischen Kommunismus ist die Geschichte eines erbitterten Kampfes gegen die Feindseligkeit des Yischuw und gegen die erbar­mungslose Unterdrückung durch die Regierung. Die ersten Aktivi­sten, die aus der jüdischen Arbeiterbewegung hervorgegangen waren, bemühten sich, die jüdischen Einwanderer, die ihre zionistische Über­zeugung in das Land geführt hatte, für ihre anti-zionistische Position zu gewinnen. Es bedurfte einer beispielhaften Opferbereitschaft und eines an Heroismus grenzenden Muts, um diese Aufgabe in Angriff zu nehmen. Da die ersten Kader der Partei rein jüdisch waren, mußten sie enorme Hindernisse überwinden, um bei den Arabern, die in rück­ständigen feudalistischen Vorstellungen gefangen waren, einzelne Anhänger zu rekrutieren. [31]

Die komrnunistischen Aktivisten, die als solche identifiziert werden, werden in jedem Fall und unter allen Umständen auf Veranlassung der Regierung, »die im übrigen die Einwanderung von des »Bolsche-wismus< verdächtigen Personen verweigert«, deportiert. [32] Noch mehr ist die Partei dem heimtückischen Druck des Zionismus ausge­setzt, der sie von allen Seiten umgibt, und besonders stark dem zioni­stischen Segregationismus sowie der zionistischen Vergangenheit ihrer eigenen Mitglieder. Daraus resultiert eine ständige Unsicherheit der arbeitenden Mitglieder, was die Kraft dieser Organisation absorbiert. [33] Historisch ist der palästinensische Kommunismus das Ergebnis einer Fusion, die innerhalb der Mifleget Poalim Sozialistiim (M.P.S. Sozialistische Arbeiterpartei) im Zeitraum von 1919 bis 1920 zwi­schen der lokalen Poale-Zion und mehreren kleinen Gruppen, die sich von Gewerkschaftsgruppen abgespalten hatten, stattgefunden hatte. Zionisten und Engländer machten die M.P.S. für den Aufruhr am l. Mai 1921 verantwortlich. Ihre Führer werden verhaftet und ausge­wiesen. Sie gehen in die Sowjetunion, wo der größte Teil von ihnen im Verlauf der stalinistischen Säuberungen verschwand. Seit dieser Zeit ist die Partei gezwungen, im Untergrund zu arbeiten; ihre Führer werden von der Polizei verfolgt. Die M.P.S. macht auch ihre ersten inneren Differenzen durch, Differenzen, die in der palästinensischen kommunistischen Bewegung anläßlich jeden neuen politischen Ereig­nisses auftauchten. Eine Spaltung im Jahre 1922 wird im folgenden Jahr wieder aufgehoben: seitdem bezieht die Partei eine konsequent anti-zionistische Linie, lehnt den >proletarischen Zionismus< ab und bricht alle Beziehungen zur Poale-Zion ab. [34] Nachdem die M.P.S. als P.K.P. zur kommunistischen Partei Palästinas geworden war, wurde sie vom Exekutiv-Komitee der Kommunisti­schen Internationale im Jahre 1924 anerkannt. Zum selben Zeitpunkt entwickelt die Partei eine neue politische Linie und intensiviert ihre Agitation bei den Arabern. Die Partei leitet eine Reihe von Kampa­gnen bei den Fellachen ein, um zu erreichen, daß diese sich nicht von den zionistischen Siedlern ihren Besitz rauben lassen. (Afula 1924.) Diese Propaganda ist erwartungsgemäß bei den Zionisten unbeliebt. Vandervelde erwähnt in seinem Reisebericht, »daß eine kleine Gruppe bolschewistischer Störer schnell« aus einer Versammlung der Histadrut rausgeworfen wurde, ohne offensichtlich den kleinsten Pro­test seitens der Teilnehmer hervorzurufen. [35] Die arabischen Mit­glieder der PKP sind demgegenüber nicht zahlreich. Die PKP wird dennoch nach der Wirtschaftskrise wieder erstarken. Ein 1925 in der Presse der Kommunistischen Internationale erschie­nener Artikel bezeichnet den Zionismus als eine Bewegung, die die unterdrückten Juden in die Irre führt, die das anti-imperialistische Ressentiment der Araber auf die jüdische Gemeinschaft lenkte. [36] Im Jahre 1929 stürzen die anti-jüdischen Aufstände die palästinensische kommunistische Bewegung in ein Chaos. Auf die Ereignisse reagiert sie erst überhaupt nicht. Unter dem Druck der stalinistischen Führung der Internationale, die ihre »linksextreme« Phase durch­macht, bezeichnet sie die Vorfälle als antiimperialistische Revolte, die durch die Agenten des Imperialismus zum Pogrom entartete; diese Be­urteilung führt zu einer weiteren Spaltung, da die rechte Minderheit glaubte, daß es sich um ein einfaches Pogrom gehandelt habe. Die Aufzeichnungen über die Revolte, veröffentlicht von Joseph Ber­ger, [37] bestätigen voll und ganz diese Auffassung. DerAutor„derzu dieser Zeit Mitglied des Politbüros der PKP war, berichtet, daß die Stellung der Komintern wesentlich bestimmt war von Voraussetzun­gen der Polemik gegen Bucharin. Nach Berger war die PKP vor dem Ausmaß der Unruhen in Panik geraten. Eine Resolution des politi­schen Sekretariats des Exekutivkomitees der Kommunistischen Inter­nationale vom 16. Oktober 1929 stellt eine Verbindung zwischen dem Aufruhr und der nationalistischen Agitation in den Nachbarlän­dern her. Das Dokument, das im bildhaften Stil der Dritten Periode mit der Überschrift »Über die Auf standsbewegung in Arabistan« versehen wurde, bemüht sich, nachzuweisen, daß die arabischen Auf­stände Ausdruck einer nationalistischen Befreiungsbewegung waren, ohne Rücksicht auf die reaktionären Kräfte, die die Massen in der Anfangsphase geführt haben. Sehen wir uns die Parolen an, die zum Zeitpunkt der Unruhen auszugeben das Exekutivkomitee für nötig gehalten hatte (z.B. Besetzung des Grundbesitzes, Bildung revolutio­närer Komitees der Fellachen und Beduinen, Agrarrevolution etc.). Ihr Inhalt beweist, daß sich die führende Gruppe der Internationale leidenschaftlich bemüht, ohne Rücksicht auf die Wahrheit, die Unru­hen von 1929 als den Ansatz einer Agrar-Revolution anzusehen. In diesem Bewußtsein wirft das Dokument der PKP vor, nicht in der Lage gewesen zu sein, in den arabischen Bauernmassen Fuß zu fassen. Dieser Mangel, erklärt das Exekutivkomitee, erklärt sich durch den Unwillen, der von den verantwortlichen palästinensischen Kommuni­sten der Partei bei der Ausführung der Anweisungen der Kommunisti­schen Internationale offensichtlich wurde. Die PKP wird daher ange­wiesen, sofort zur »Arabisierung der Partei von unten bis oben« überzugehen. Durch den ganzen Text zieht sich das für die III. Inter­nationale charakteristische Sektierertum dieser Zeit. Es zeigt sich an­hand des Sprachgebrauchs, an den radikalistischen Begriffen und vor allem an dem schon zwanghaften Thema des »Sozialfaschismus«. Wir sollten demnach feststellen, daß dieses Dokument die Bildung eines Verbandes kommunistischer Parteien der arabischen Länder vorschlägt, ein Vorschlag, der anscheinend keine Folgen gehabt hat. Die Arabisierung der Partei, die als bürokratischer Plan begriffen wurde, bleibt bis zum Jahre 1935 auf der Tagesordnung, als ob der mechanische Austausch von Juden gegen Araber von sich aus be­wirken könnte, alle objektiven Schwierigkeiten zu überwinden. In­dem die Partei die katastrophale Taktik der Dritten Periode verfolgt, unterstützt sie blind den extremistischen Flügel der nationalen Bewegung der Araber. Allgemein gesagt: die PKP segelt im Windschatten der Istiklal, die als der Vertreter der fortschrittlichsten Tendenz der arabischen Bewegung angesehen wurde. Sie weigert sich, den feuda­listischen Charakter der Führung dieser Partei zu sehen: dieser Opportunismus wird ihr teuer zu stehen kommen. Während der arabischen Revolte von 1936 bis 1939 geben die Kom­munisten die Parole aus: »Nehmt an der arabischen Befreiungsbewe­gung teil!« Die Partei zählt zu diesem Zeitpunkt etwa 1000 Mitglie­der. Sie willigt in die Unterstützung für den Mufti und die feudalisti­schen Führer ein, indem sie selbst den Yischuw aufruft, am anti-jüdi­schen Terrorismus teilzunehmen. Folglich ist die Terrorpolitik gegen die jüdische Gemeinschaft ganz offensichtlich eine seltsame Abwei­chung vom konsequenten Kampf gegen den Imperialismus und Zio­nismus. Die PKP führt Attentate gegen die örtlichen Sektionen der Histadrut in Haifa und Tel-Aviv aus. Es kommt zu einem massenwei­sen Austritt jüdischer Kommunisten. Im Jahre 1937 bringt die bedin­gungslose Unterstützung des Mufti eine vollständige Auflösung der Partei mit sich. Wie nach den Unruhen von 1929 erheben sich, z. B. in Tel-Aviv, ganze Sektionen gegen die Linke des Zentralkomitees und werden wegen Insubordination ausgeschlossen. Die von der PKP manifestierte Bereitschaft, uneingeschränkt der arabischen Reaktion zu folgen, ist so deutlich, daß die eigenen arabischen Kader die Partei verlassen und in die Istiklal übertreten. [38]

Im Verlaufe der dreißiger Jahre hatten die Ausweisungen von kom­munistischen Aktivisten angehalten. Es ist bezeichnend, daß kein einziger zionistisch-sozialistischer Führer subversiv genug erschien, um zu dieser Zeit die Kolonial-Behörden zu beunruhigen. Ohne Zweifel sind die Fehler und Irrtümer der palästinensischen Kommunisten zahlreich. Unbestritten aber ist, daß ihre Kader von echter revolutionärer Begeisterung beseelt waren. Selbst die schweren Verwirrungen der Partei haben nur selten die Form der >petit-blanc>-Abweichung angenommen, obwohl die Mehrzahl der Mitglieder Ju­den waren. Während dieser ganzen Periode war die kommunistische Bewegung die einzige, die im internationalistischen Bewußtsein Juden und Araber Seite an Seite organisiert hat. Zu dieser Zeit gründete sich eine trotzkistische Sektion in diesem Land und wurde im Verlaufe der letzten Vorkriegsjahre von jüdischen Aktivisten deutscher Herkunft verstärkt. Im Verlaufe von Versamm­lungen, die 1939 zwischen Vertretern jüdischer und arabischer Partei­en auf der Grundlage eines Dokuments des Londoner Büros abgehal­ten wurden, erklären die Trotzkisten »ihre Solidarität mit der natio­nalistischen arabischen Bewegung und ihre bedingungslose Unter­stützung für die ad-hoc Forderungen der Araber nach a) Beendigung der jüdischen Einwanderung, b) Verbot neuer Bodenkäufe der Juden, c) einer nationalen arabischen Regierung«. [39]


Anmerkungen

1) Z. Y. Herschlag, Introduction to the modern Economic History ofthe Middle East, Leiden 1964, S. 269.

2 La Palestine a.a.O. S. 166.

3) Ephraim Brodo, »Jewish Palestine: The Social Fabric", in Palestines Economic Future, S. 46 und ebenso Horowitz, a. a. 0. S. 62.

4) Horowitz, a.a.O. S. 61.

5) David Ben-Gurion zitiert von M. Nemirowsky? Organisation des Travailleurs in La Palestine Economic 1936, Sonderheft der Cahiers Juifs, S. 166—167.

6) Bei Revusky, a. a. 0. S. 20 zitiertes Programm, das 1920 angenommen wurde.

7) Nemirovsky, a. a. 0. S. 85.

8) Gabbay, a.a.O. S. 29; Revusky, a.a.O. S. 85.

9) Tony Cliff, TÄe Struggle in the Middle-East (International Sodalist Pamphlet), London o. D. (ca. 1946), S. 81.

10) Cliff, a.a.O., The Struggle ... Vgl. auch M. yaari, L'Hachomer Hatzairl Hier et aujourd'hui, Cahiers Bernard Lazare, Nov. 1967, S. 13.

11 Ben-Gurion, Rebirth and Destiny ..., S. 69ff.; siehe auch Vandervelde, a.a.O. , S. 76 über die Zwischenfälle von Petach-Tikwa, 1927, bei denen auf den Plantagen jüdische Arbeitslose von den Pflanzern organisiert, mit den Fellachen in Auseinandersetzung geraten.

12) K. Marx, F. Engels, Manifest der Kommunistischen Partei, MEW, Bd. 4, Berlin 1969,S.471.

13) Vgl. güy desolre, La Deuxieme Internationale et l'emigration ouvriere. In Docu-ments Socialistes (herausgegeben von der Föderation des Etudiants Socialistes de Belgique), Nr. 3, März 1966, S. 6-13.

14) Protokoll des IV. Kongresses der Kommunistischen Internationale, Leitsätze zur Orientfrage, Verlag der kommunistischen Internationale, Hamburg 1923, S. 1043.

15) Clipp, Le röle du sionisme, in Le Proche-Orient au Carrefour (II), S. 19, Anm. l.

16) Hurewitz, The Struggle..., a. a. 0. S. 33.

17) Kamel Tibi, Arabs in the Histadrut, in New Outlook, Vol. 5, Nr. 3; nach Yoram Ben Porath (The Arab Labour-Force in Israel, Jerusalem 1966, S. 55) geht die Gründung der arabischen Sektion der Histadrut, Brit Poale Erez Israel (Allianz der Arbeiter Palästinas) auf das Jahr 1934 zurück.

18) Vandervelde, a.a.O. S. 72.

19) Cohen, Le mouvement sioniste, S. 165-166. Das Wort »Gewerkschaft« (syndicat) wurde von uns für das Wort »union« eingesetzt, das ohne Zweifel einer schlechten Übersetzung des Wortes (trade) union entspricht.

20) Tony Cliff, Le röle du stalimsme, in Le Proche-Orient au carrefour (III), Quatrieme Internationale, Dezember 1946, S. 20.

21) Im Jahre 1920 hatte sich die Hapoel-Hatzair mit Gruppen gleichlautenden Namens Mittel- und Osteuropas vereinigt ebenso wie mit der Tzeire-Zion (Jugend von Zion), die sich in Osteuropa gebildet hatte und »schwerpunktmäßig«, wie Cohen schreibt, »sich mehr auf die mittleren, wenig begüterten Klassen, sowie auf das Handwerk stützte, denn auf das Proletariat«.

22) Meir Yaari, L'Haschomer,Hatzair, a. a. 0. S. 11-13.

23) Vorwärts, Berlin, 25. August 1920, Nr. 442, zitiert in Die Kommunistische Internationale, Nr. 16 (1921), S. 649.

24) Hurewitz, The Struggle..., a. a. 0. S. 160-161.

25) Aharon Cohen, Last Opportunities: A Daring Experiment in Political Cooperation. New Outlook, Vol. 7, Nr. 7, Sept. 1964, S. 36ff.

26) Middle East Studies, Vol. 2, Nr. 3, April 1966, S. 184.

27) Ebd. S. 190-191. Sgan-Alauf Chaoul Ramati, Les forces de defense d'Israel, Jerusalem 1958, S. 6.

28) Sykes, Orde Wingate, S. 158,169,170 und 171.

29) Bauer, From cooperation..., a. a. 0. S. 195.

30) Hurewitz, The Struggle...,n.a.O.S.33.

31) W. Z. Laqueur, Commurism and NationaUsm in the Middle East, London 1956, S. 73; siehe auch corias, a. a. 0. S. 145.

32) Vandervelde, a. a. 0. S. 175, Anm. l.

33) Laqueur, a.a.O. S. 73 ff.

34) Siehe Mario Offenberg, Die KP Palästinas - Nation und Klasse im Zeitalter der antikolonialen Revolution, Meisenheim/Glan 1975.

35 vandervelde, a.a.O. S. 71.

36) Degras, a. a. 0.11, S. 187.

37) Joseph Berger, La rupture avec les communistes, Les Nouveaux Cahiers, Nr. 13-14,5.34-38.

38) Laqueur, a.a.O. S. 97-100; Hurewitz, The Struggle ..., a.a.O. S. 63. Anm. d. Hrsg.: Es ist klar, daß N. W. mit »Terrorpolitik gegen die jüdische Gemeinschaft« nicht die anti-zionistischen Aktionen gegen die Histadrut meinen dürfte.

39) Le Bureau de Londres ä cote de 1'imperialisme, in Lutte ouvriere, Nr. 12 vom 10. März 1939.

Editorische Anmerkungen

Der Text wurde von der Red. trend gescannt. Als Vorlage diente "Das Ende Israels?" 1975 Berlin-West, S. 162 - 173. Bei diesem Buch handelte es sich um eine auszugsweise Übersetzung von „Le Sionism contre Israel" (Der Zionismus gegen Israel), dessen frz. Neuherausgabe vom Autor jetzt untersagt wurde.

"Das Ende Israels?" wurde übersetzt und bearbeitet von Eike Geisel und Mario Offenberg und in der Politikreihe (Nr. 61) bei Wagenbach 1975 in Westberlin herausgegeben. Es unterscheidet sich vom Originaltext, der 1969 erschienen, folgendermaßen:

"Zur editorischen Technik dieser Ausgabe sei noch folgendes vermerkt: es erwies sich aus mehreren Gründen als undurchführbar, die umfangreiche französische Originalausgabe ohne größere Kürzungen in deutscher Übersetzung herauszubringen. Der Mühe, sich komplizierte gesellschaftliche Prozesse begrifflich und historisch anzueignen, entsagt, wer einer um sich greifenden Tendenz sich unterwirft, die den Horizont der Aufklärung auf Umfang und Inhalt von Schulungsheften festschreibt. Der fortschreitende politische Analphabetismus, der auch für die hier untersuchten Fragen nur eine Handvoll erstarrter Formeln parat hat, ist Ausdruck dieser Entwicklung. Wichtige Bücher sind leider oft auch dicke Bücher. Weshalb die deutsche Fassung nun so drastisch ihres ursprünglichen Umfanges beschnitten ist, hat seinen Grund in der Logik des Marktes, gegen die ein progressives Verlagskonzept wenig ausrichtet. Vor der Alternative: Schublade oder Kürzung entschieden wir uns einmal für die vom Autor selbst mit erstellte Zusammenfassung von Teil II (die aus einer spanischen Ausgabe übernommen und mit geringfügigen Korrekturen versehen wurde) und eine kürzende Bearbeitung von Teil I. Die Kürzungen betreffen in der Hauptsache die Auseinandersetzung mit in der Tendenz gleichen, in der Nuancierung aber unterschiedlichen Interpretationen zionistischer Autoren, zum anderen eine ganze Reihe von aufgeführten Belegen. Wir hoffen, daß durch diese Beschränkung der wissenschaftliche Charakter und die Anschaulichkeit der Untersuchung von Weinstock keine entscheidende Einbuße erleiden. Eigennamen, politisch-organisatorische Termini, Institutions- und Ortsbezeichnungen wurden transkribiert aus dem Hebräischen bzw. Arabischen, und - soweit erforderlich - durch von den Herausgebern in Klammem eingefügte Erläuterungen erklärt. Nach Möglichkeit haben wir versucht, Zitate Weinstocks aus deutschen Quellen nach den Originalen zu zitieren, in anderen Fällen aber zugängliche deutsche Ausgaben zu benutzen. Der Anhang des französischen Originals (u.a. über marxistische Theoretiker zur Judenfrage, Grundsatzerklärungen von der I.S.O.-Matzpen) wurde nicht übernommen." (S.26)