Terror, Gewalt, Willkür:
Diese Begriffe fallen jedem sofort ein, wenn von der politischen Lage in
Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten die Rede ist. Willkür und
Diskriminierung sind aber auch auf dem dortigen Arbeitsmarkt anzutreffen.
Davon überzeugte sich jetzt auf Einladung des Workers Advice Center (WAC)
Israel eine Delegation europäischer Gewerkschafter, zu der auch zwei
Mitglieder des Arbeitskreises Internationales (Verwaltungsstelle Berlin)
gehörten. Seit
Anfang der 1990er Jahre riegelt Israel die besetzten Gebiete systematisch ab,
die palästinensischen Arbeitskräfte werden dadurch praktisch ausgesperrt. Mit
dem Bauboom, der durch eine riesige Einwanderungswelle aus Russland ausgelöst
wurde, holten die Israelis immer mehr Arbeitsmigranten aus Osteuropa und Asien
ins Land.Von Personalfirmen
in ihren Heimatländern angeworben, zahlen sie oft mehrere tausend Dollar für
einen
zeitlich befristeten Arbeitsplatz bei einem Arbeitgeber in Israel.
Ohne
Sozialversicherung,unterbezahlt und nicht gewerkschaftlich organisiert sind
sie
dann dessen Willkür ausgeliefert. Denn unter Missachtung bestehender
Arbeitsgesetze ziehen Arbeitgeber oft Pässe ein und zahlen den Lohn verspätet
oder gar nicht. »70 Prozent der illegalen Arbeitsmeigranten sind legal ins
Land gekommen«, berichtete Sigal Rosen von der Hotline für Migrant Workers,
»aber ihre miserablen Bedingungen haben sie dazu gebracht unterzutauchen.«
Das Jüdisch-Arabische Institut der
Histadrut setzt sich für eine Gleichstellung der Arbeitsmigranten ein. »Aber
wir können in diesem Bereich keine Arbeitsgesetze
durchsetzen«, sagt der Direktor des Instituts, Gahssan Muklashi.Die
Finanzmittel seien
knapp, und man müsse sich den Arbeitern zuwenden, die Mitgliedsbeiträge
zahlen. Am meisten
haben die Palästinenser aus den besetzten Gebieten darunter gelitten, dass
ausländische Arbeiter ins Land geholt wurden, heißt es aus dem
Finanzministerium. Aber auch die in Israel lebenden arabischen Arbeiter, die
in den gleichen Branchen tätig waren, haben mitden Folgen der Verdrängung zu
kämpfen. Die Arbeitslosigkeit in den von Arabern bewohnten Gebieten Israels
stieg in den letzten zehn Jahren auf 14 Prozent. In den besetzten
Palästinenser-Gebieten liegt sie nach einem Bericht der UNESCO an Tagen
mit Ausgangssperre zwischen 60 und 70 Prozent. Um die Diskrepanz zwischen der
hohen Zahl der Arbeitsmigranten und der einheimischen Arbeitslosen in den
Griff zu bekommen,
richtete Israel Ende 2002 eine Migrantenpolizei ein. Diese ist angewiesen,
jedes Jahr
50000 »illegale« Arbeiter abzuschieben. Damit wurde aber lediglich eine
»Drehtürpolitik«
geschaffen. Denn die Regierung erlaubt Unternehmern weiterhin, Arbeiter ins
Land zu holen,
die entrechtet, unterbezahlt und ohne gewerkschaftlichen Beistand die Jobs der
palästinensischen Arbeitnehmer besetzen.
Uns Delegationsmitgliedern aus der Bundesrepublik
war dieses Problem, wenn auch
nicht in diesem Ausmaß, auch aus dem eigenen Land bekannt. Eine Lösung sehen
wir – wie die WAC-Aktivisten auch – nur in der Durchsetzung der Forderung nach
gleichem Lohn und
gleichen Sozialleistungen für gleiche Arbeit. Und das für alle.
Editorische Anmerkungen
Der Text wurde der Zeitschrift
metall 7-8/2004
entnommen.
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