Weltjugendtag in Köln
Der Papst als Star

von Britta Baas
09/05

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Köln erholt sich: Das Mega-Ereignis des Jahres 2005 — der katholische Weltjugendtag — ist vorbei. Alles in allem haben rund eine Million junger und etwas weniger junger Menschen die Metropole am Rhein für mehrere Tage in den Ausnahmezustand versetzt. Die Kölner, die dank Karneval einigermaßen abgebrüht sind, haben es locker genommen. Ein noch ziemlich neuer Papst und die jubelnden Massen haben ein wohliges Gefühl hinterlassen: Die Welt ist voller Morden — aber in Köln wurde alles gut. »Ich bin froh, seid ihr es auch!«, sollen ja die letzten, auf ein Stück Papier gekritzelten Worte des alten Papstes, Johannes Paul II., gewesen sein. Dieser Satz stand wie ein Programm am Himmel über Köln. Denn froh waren sie irgendwie (fast) alle, die am Weltjugendtag teilnahmen. Und Benedikt XVI. war es auch. Wo immer er auftrat, jauchzten ihm die Menschen entgegen. Was er genau sagte, war dabei gar nicht so wichtig, Hauptsache, er war da.

Recht an den Rand gedrängt fristeten die kirchlichen Reformgruppen und politischen Denker ihr Dasein. Eine internationale Jugendkoalition »World Youth Day 4 all« forderte bspw. vom Papst, das römische Kondomverbot aufzuheben und »durch Verhütung, Aufklärung und Fürsorge für Menschen, die dem Risiko von HIV/Aids ausgeliefert sind, eine Kultur des Lebens aufzubauen«. Mit dabei: Die »Wir-sind-Kirche- Jugend« aus Deutschland. Indes: Die Forderung wurde zwar von den Medien aufgenommen, von der Mehrheit der jugendlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Weltjugendtag aber als irgendwie langweilig gebranntmarkt und unbeachtet gelassen. Bloß keine moralinsauren Appelle unterstützen! Und bloß nicht zu viel Strukturanalyse des »Systems Kirche«! Dafür schien den meisten der Weltjugendtag nicht da zu sein. So wurden auch die päpstlichen Begegnungen mit Juden und Muslimen auf dem diplomatischen Parkett zwar medial abgebildet und intellektuell seziert, von der Masse der Teilnehmenden am Weltjugendtag aber nicht als politisch-prägend für das Gesamtereignis verstanden.

Das Kölner Kirchenhappening erwies sich so als ein postmoderner Event eigener Art: Er lebte von einer theologiefreien Volksfrömmigkeit, die ihre Identifikationsfigur in Benedikt XVI. fand. Von ihm wurde nicht mehr gefordert, als authentisch zu sein. Dass die meisten Jugendlichen, die ihm zujubelten, wohl kaum seine Theologie kennen und ganz sicher nicht seine Moral teilen, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Aber, was soll‘s? In der Postmoderne arbeitet man sich nicht an inhaltlichen Gegensätzen ab, sondern goutiert die größtmögliche Wahrhaftigkeit eines Menschen. Ein Papst, der glaubwürdig er selbst ist — auch und gerade, wenn er gegen den Zeitgeist lebt und redet und möglicherweise gar das krasse Gegenteil dessen vertritt, was man selber denkt — wird für diese Glaubwürdigkeit verehrt. Der Papst in der Postmoderne ist ein Star — und er wird als solcher behandelt: Die Jugendzeitschrift Bravo widmete ihm ihr aktuelles Megaposter; Bild brachte einen Sticker unters Volk, der die jubelnde Headline »Wir sind Papst!« trug. Und auch sonst ging es zu wie bei einem Popkonzert: Die Organisation des Mega-Ereignisses war nahezu perfekt — und der Star zumeist so weit weg vom Volk auf Bühnen, Schiffen oder Feldherrenhügel platziert, dass auch die Sicherheitskräfte zufrieden waren. So konnte man den Star ordentlich absichern!

Das allgemeine Umjubeln größtmöglicher Authentizität erlaubte es Benedikt XVI. sogar, zum Ende der mehrtägigen Veranstaltung hin doch noch ein wenig Tacheles zu reden: Er verurteilte eine »merkwürdige Gottvergessenheit«, die in großen Teilen der Welt herrsche. Geradezu die Kehrseite dieser Abwendung von Gott sei »jener Boom des Religiösen«, in dem der Glaube »zum Marktprodukt« verkomme. Jeder suche sich heraus, was ihm gefalle und lasse sich »auf Privatwege« irreleiten. Das, so der Papst, sei von Übel. Die Massen dankten ihm auch dieses Tacheles-Reden mit Zustimmung. Warum? Ein Papst hat eben Narrenfreiheit und darf alles sagen, sofern er damit die Entscheidungen seiner Zuhörer nicht allzu direkt beeinflusst. Und so wird auch diese Predigt wohl niemanden davon abhalten, daheim weiter selbst auf Suche zu gehen: nach der individuell passenden Religiösität, nach den Bausteinen, die für das eigene Leben verwendbar sind. Macht gar nichts, dass Benedikt XVI. anderer Meinung ist: Jeder darf in der Postmoderne doch laut sagen, was er so individuell denkt. Ein Papst allemal.
 

Editorische Anmerkungen

Britta Baas arbeitet als Redakteurin von Publik-Forum. Zeitung kritischer Christen Der Text ist eine Spiegelung aus der SOZ von http://members.aol.com/sozrst/0509041.htm

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