Kommt es zur Wiedervereinigung der französischen extremen
Rechten? Zumindest in den Wahlurnen zeichnet sich dies, zu
Anfang des Wahlkampfs für das «Superwahljahr» 2007 (mit den
Präsidentschaftswahlen im April, und den Parlamentswahlen im
Juni), zur Zeit ab. Organisatorisch dürfte es erheblich
schwieriger, wenn nicht gar ausgeschlossen sein.
Voraussichtlich Ende September 2006 wird es zu einem Treffen
zwischen den bislang verfeindeten und einander abgrundtief
hassenden rechtsextremen Parteien FN (Front national) und MNR
(Mouvement national républicain, «Nationale und
republikanische Bewegung») kommen. Dies kündigte die
Tageszeitung ‘Le Figaro’ in ihrer Ausgabe vom 26./27. August
an.
Bei dem Treffen wird es um die Frage eines Bündnisses für die
kommenden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Frühjahr
2007 gehen. Gegenüber ‘Libération’ (vom 01. September 06) wie
schon zuvor anlässlich der Abschlussrede bei der
Sommeruniversität seiner Partei, des MNR, in Castelsarrasin am
27. August kündigte Bruno Mégret ein Abkommen «bis im Oktober»
dieses Jahres an. Bei der heutzutage mit Abstand gröberen
Partei, dem Front National, hingegen reagierte man bisher auf
stäker reservierte Weise.
Die mögliche, aber noch nicht gesichert wirkende Einigung
zwischen den beiden Parteien wäre eine Folge des Angebots von
Jean-Marie Le Pen vom April 2006, für die kommenden
Präsidentschafts- und Parlamentswahlen eine «Union patriotique»
zu formen. Damals hatte Le Pen ein Bündnisangebot lanciert, das
sich sowohl an die kleineren rechtsextremen Parteien als auch --
und wohl vor allem -- an die Anhänger des Rechtskatholiken
Philippe de Villiers vom MPF (Mouvement pour la France,
«Bewegung für Frankreich») richtete.
Philippe de Villiers: Ideologische Nähe, aber politische
Konkurrenz
De Villiers steht zwar ideenmäbig
der klassischen extremen Rechten ferner als Le Pen und Mégret,
aber bricht seit circa anderthalb Jahren in ihr Wählerpotenzial
ein und hat dieser Tatsache seinen politischen Diskurs
angepasst. Und er versucht seit Sommer 2005 auch explizit, dem
FN seine Anhänger, Mitglieder und auch Kader abzuwerben; circa
3.000 Mitglieder soll er auf diesem Wege auch für den MPF
gewonnen haben. (Wir berichteten ausführlich.) Deshalb, weil de
Villiers ihm also potenziell gefährlich zu werden drohte,
richtete Le Pen wohl auch dieses Bündnisangebot an ihn.
Im Moment hat sich dieses Problem allerdings tendenziell
erledigt: Laut allerjüngsten Umfragen dümpelt Philippe de
Villiers bei nur 2 bis 5 Prozent der Stimmabsichten in der
Wählergunst dahin, während Le Pen irgendwo zwischen 10 und 15
Prozent steht. Deshalb verkündete der Rechtskatholik und Graf de
Villiers (bzw. sein Generalsekretär Guillaume Peltier, der
selbst von 1998 bis 2001 der Jugendorfanisation des FN
angehörte) Anfang Juli auch, nunmehr werde man sich nicht mehr
vorrangig um die Stimmen ehemals rechtsextremer Wähler bemühen.
Sondern eher um bürgerlich-konservative Milieus; Peltier nannte
konkret Mittelständer, die Jägerlobby «und allgemein die
Landbevölkerung». (Vgl. ‘Le Monde’ vom 12. Juli: «De Villiers
erntet nicht die Früchte seiner Radikalisierung ».)
Das hinderte de Villiers freilich nicht daran, am Wochenende des
8./9. Juli auf Sympathiewerbe-Tournee durch bisherige Hochburgen
des FN zu ziehen (in Aix-en-Provence und Perpignan bemühte er
sich um die Stimmen ehemaliger Algerienfranzosen; vgl.
«Libération» vom selben Datum). Und in einem Interview mit der
Boulevardzeitung ‘France Soir’ vom 08. Juli den
politischen Unterschied zum FN-Chef so zu benennen: «Le Pen ist
(d.h. verkörpert, Anm. BhS) die Vergangenheit, ich bin
die Zukunft». In einem anderen Interview, das die Tageszeitung
‘Le Parisien’ vom 08. September veröffentlichte,
antwortet Philippe de Villiers auf die Frage, ob es überhaupt
noch einen Platz zwischen Le Pen und Innenminister Sarkozy für
ihn als Präsidentschaftskandidaten gebe: «Wieder Ordnung in
Frankreich zu schaffen, bedeutet, mit einer politischen Klasse
zu brechen, die seit Jahrzehnten Frankreich liquidiert – von
oben mit dem Globalismus, und von unten mit dem Kommunitarismus.
Und meine Differenzen mit Nicolas Sarkozy werden während des
Wahlkampfs deutlich werden, sowohl bezüglich der
Einwanderung(s-) als auch der Familie(npolitik).» Zitatende. Von
Differenzen zum rechtsextremen Politiker Jean-Marie Le Pen sagt
der Rechtskatholik an dieser Stelle kein Wort.
Philippe de Villiers möchte aber auf jeden Fall
selbst zur Präsidentschaftswahl kandidieren, und erklärte sich
klar nicht interessiert vom (vergifteten) Angebot Le Pens für
eine politische Allianz. Zumal die Ausgangsbedingung, die der
FN-Chef aufstellte, lautete, dass es eine «Einheitskandidatur» -
natürlich die seinige – der «Union der Patrioten» zur
Präsidentschaftswahl geben müsse. Hinterher könne man dann über
die Aufteilung der Wahlkreise zur Parlamentswahl miteinander
reden...
Bruno Mégret:
Bruno Mégret dagegen zeigte sich, als einziger Chef
einer, relativ (inzwischen muss man sagen: sehr relativ!), gröberen
Partei von Le Pens Bündnisangebot interessiert. Er dürfte auch
keinerlei andere Wahl haben: Angesichts des Schuldenbergs, auf
dem das gescheiterte Parteigründungsprojekt MNR sitzt, kann der
Mann sich Pläne für eine Präsidentschaftskandidatur definitiv
abschminken. Bei der vorigen Präsidentschaftswahl hatte Mégret
auch nur 2,3 Prozent der abgegebenen Stimmen (im ersten
Wahlgang) erhalten.
Im übrigen werden Bruno Mégret und seine Ehefrau Catherine
Mégret, Bürgermeister im südfranzösischen Vitrolles – eine
Trabantenstadt von Marseille – von Februar 1997 bis Oktober
2002, vom 18. bis 20. September dieses Jahres in Marseille vor
Gericht antanzen müssen. Der Vorwurf, aufgrund dessen sie
angeklagt sind, lautet auf Veruntreuung öffentlicher Gelder (der
Kommune Vitrolles) zugunsten der Walkämpfe bzw.
Propagandaschlachten des MNR. Eine Verurteilung gilt als
wahrscheinlich. Wird er selbst persönlich verurteilt, droht
Bruno Mégret möglicherweise der Entzug des Wahlrechts auf Zeit –
aus ähnlichen Gründen hatte er bereits seine Ehefrau 1997 für
das Rathaus von Vitrolles kandidieren lassen, weil er es auch
gerichtlichen Gründen nicht konnte. Ferner dürfte sich die
Schuldenlast der Mégret-Partei nach dem Urteilsspruch von
Marseille noch erhöhen.
Hingegen kann der MNR geltend machen, dass es Le Pen an einigen
der erforderlichen Unterstützungsunterschriften für eine
Präsidentschaftskandidatur mangeln könne. Um antreten zu können,
muss ein Kandidat mehrere Wochen vor der Wahl – beim letzten Mal
waren es knapp drei Wochen, im nächsten Jahr werden es gut 5
Wochen vorher sein - mindestens 500 gültige Unterschriften beim
Verfassungsgericht hinterlegen können. Unterschreiben können
Mandaträger vom Bürgermeister bzw. Abgeordneten in einem
Bezirksparlament an aufwärts; «nur» Kommunalparlamentarier
dagegen zählen nicht. Aufgrund des in Frankreich bei den meisten
Urnengängen geltenden Mehrheitswahlrechts haben kleinere, aber
auch mittelgrobe
Parteien damit u.U. bedeutende Schwierigkeiten. Im April 2002
wäre Le Pens Kandidatur beinahe daran gescheitert: Der
rechtsextreme Politiker hatte ursprünglich knapp über 500
Versprechen von Bürgermeistern meist kleinerer Kommunen (von
denen viele oft nicht aus Sympathie für die Ideen eines
Bewerbers, sondern im Namen «der Rettung des politischen
Pluralismus» unterzeichnen) besessen. Von ihnen sprangen aber in
den letzten Wochen vor der Wahl rund 200 wieder ab. Le Pen hatte
ernsthafte Schwierigkeiten, sein Kontingent an Unterschriften
voll zu bekommen. Allerdings nutzte ihm der Affentanz, den er
daraufhin in allen groben
Medien aufführte, letztendlich erheblich: Drei Wochen vor der
Wahl stand er deshalb zeitweise allein im Mittelpunkt der
innenpolitischen Aufmerksamkeit. Noch dazu als «Opfer der Regeln
des Systems»...
Zur Zeit hat Le Pen, nach den zur Verfügung stehenden
Informationen, «über 300 Versprechen» für zukünftige
Unterstützungsunterschriften (vgl. «Le Monde» vom 03./04.
September). Das dürfte nicht genügen. Deswegen überlegt die
Partei bereits, einen Brief an die Bürgermeister und die
Öffentlichkeit aufzusetzen - in dem explizit festgehalten würde,
dass jene, die «im Namen der Demokratie» ihre Unterschrift
abgeben, damit auf keinen Fall die Ideen des FN unterstützen.
Bruno Mégret behauptete seinerseits zunächst, rund 150
Versprechen von Unterstützungsunterschriften in die Waagschale
werfen zu können. In ‘Le Monde’ vom 07. September wird
(in einem Überblick über alle «kleineren» Kandidaten)
präzisiert, der MNR-Chef verfüge – nach eigenen Angaben - über
120 Versprechen von Unterstützungsunter von
Unterstützungsunterschriften.
Aber beim gröberen
Bruder, dem FN, ist man diesbezüglich skeptisch. Vor allem
Marine Le Pen (die Tochter des Chefs und nicht unwahrscheinliche
Nachfolgerin) und ihre Umgebung machen geltend, dass viele der
Unterschriften, die Mégret 2002 gehabt habe und die ihm damals
die Kandidatur erlaubten, just von Leuten stammten, «die Le Pen
auf keinen Fall im zweiten Wahlgang sehen mochten». Die also,
durch ihre Unterstützung für Mégret, gerade den mit Abstand
aussichtsreicheren rechtsextremen Kandidaten hätten schwächen
wollen. (Ein solches Kalkül hat es von Seiten der konservativen
Parteiapparate bestimmt gegeben.) Im Hintergrund steht
allerdings auch die Tatsache, dass gerade die «Modernisierer»
der rechtsextremen Partei – Marine Le Pen und ihr Umfeld, dazu
zählt der 36jährige Generalsekretär des FN Louis Aliot – keinen
Bedarf an den «Rassialisten» (racialistes) verspüren, deren
Ideologien ihnen ihr schönes Projekt einer «zeitgemäben»
und durch die Wirtschaft freundlich betrachteten Partei
zerstören könnten. Der MNR schleppt aber wohl immer noch solche
Anhänger eines unzweideutigen biologischen Rassismus mit sich
herum, die dort zumindest in der Anfangsphase seiner Gründung
durch Abspaltung vom FN (1999) in gröberer
Anzahl waren als beim «klassischen» FN.
Marine Le Pen (laut «Le Monde», 01. 09.) und Louis
Aliot («Libération» vom 01. 09.) predigen deshalb eine
Bündnispolitik, die lediglich ein «Rückzugsabkommen zugunsten
des bestplatzierten Kandidaten» für den zweiten Wahlgang
vorsieht. Also einen Rückzug des schlechter platzierten
Kandidaten der extremen Rechten zwischen dem ersten Wahlgang und
der Stichwahl. Um aber in die Stichwahl zu gelangen, muss man
die Stimmen von mindestens 12,5 Prozent der Wahlberechtigten
(nicht der abgegebenen Stimmen) in der ersten Runde auf sich
vereinigen. Diese Bedingung aber erfüllte der FN bei der letzten
Parlamentswahl 2002 nur in circa 50 Wahlkreisen von insgesamt
577 – der MNR erfüllte sie gar nirgendwo. Die Frage, auf die
dieses «Angebot» antworten soll, wird sich also mutmablich
überhaupt nicht stellen.
Der MNR, so verlautete zunächst, fordere im Rahmen
einer Allianz (und als Gegenleistung für eine Unterstützung der
Präsidentschaftskandidatur Le Pens), dass ihm 60 bis 100
Wahlkreise reserviert würden. Im ersten Wahlgang natürlich. Dort
soll der mit Abstand stärkere FN also nicht gegen ihn antreten
und keine eigenen Kandidaten aufstellen. Jean-Marie Le Pen hat
dies bereits als «Tagträumerei» abqualifiziert (LM vom 01. 09.)
und klar gestellt, dass der MNR nur proportional zu seiner
«wirklichen Bedeutung» berücksichtigt werden könne. Bruno Mégret
hat seinerseits diese Absichten bereits als «Quatsch» dementiert
(laut «Libération», o.g. Ausgabe) und sich also zu gröberer
Bescheidenheit bereit erklärt. Der Kabinettsdirektor von Le Pen
(Papa), Olivier Martinelli, wird am selben Ort mit den Worten
zitiert, zu einem Abkommen mit dem MNR werde es nur kommen,
«wenn Mégret entweder Unterschriften (von Mandatsträgern) oder
Geld mitbringt». Zweiteres dürfte faktisch ausscheiden, da der
MNR in Sachen Finanzen nur Schulden anzubieten hat. Neben dem MNR hat sich bisher lediglich eine noch
kleinere rechtsextreme Splitterpartei bereit gefunden, an einer
«Union patriotique» unter Führung von Le Pen mitzuwirken. Es
handelt sich um den «Parti populiste français» (PPF), den Franck
Timmersmans im April 2005 gegründet hat. Timmermans war zuvor
Gründungsmitglied des FN, später des MNR gewesen. Seine
Bedeutung auberhalb
der Szene der organisierten Parteiaktivisten dürfte gegen Null
tendieren.
Kurzer Rückblick
Zurück also zum FN und zum MNR. Die erste Partei wird seit ihrer
Gründung im Oktober 1972 von Jean-Marie Le Pen angeführt. Die
zweitgenannte Partei trug zunächst den Namen FN-MN (Front
national-Mouvement national), dann wurde ihr gerichtlich die
Benutzung des Titels «Front national» verboten, und sie hieb
nur noch Mouvement national (MN). Einige Monate später, im
Oktober 1999, wandelte sie ihren Namen durch Zusatz des
Wörtchens «republikanisch» in MNR um.
Diese politische Formation entstand durch die Spaltung der
bisherigen rechtsextremen Einheitspartei, also des Front
National. Genauer gesagt fand zum Jahreswechsel 1998/99 die
Abspaltung des früheren Chefideologen des FN, Bruno Mégret,
sowie einer guten Hälfte der vormaligen Parteikader und
–intellektuellen sowie Mandatsträger in den Parlamenten statt.
Diese Funktionsträger der Partei wurden durch ihren Chef
Jean-Marie Le Pen hinaus gedrängt, da sie gedroht hatten, seiner
innerparteilichen Machtposition gefährlich zu werden. Es
handelte sich zugleich um einen Aderlass für die rechtsextremen
Partei, die dadurch einen Grobteil
ihrer intellektuellen und aktivistischen Substanz verlor.
Fürderhin wurde sie überwiegend zum puren Wahlverein für ihren
groben
Vorsitzenden. Man konnte von einer Dreiteilung der extremen
Rechten sprechen: der Kopf (ihr «starker Mann» und bei Wahlen
erfolgreicher Kandidat, Le Pen) und die Fübe,
die eher passiven Anhänger und bloben
Wähler, blieben beim klassischen FN. Dagegen wanderten der
«Rumpf» und die Arme, also die Kader und die Aktivisten, zum neu
gegründeten MN/MNR ab. Allerdings passt das Bild nicht ganz,
denn in diesem Falle steckte viel von der Hirnsubstanz in den
Armen...
Das Parteigründungsprojekt des MN bzw. MNR (das nur entstand,
weil Mégret und seine Anhänger durch Le Pen hinausgeworfen
waren) scheiterte in der Folgezeit. Sein Misserfolg ist
grandios: Nach 3,3 Prozent bei den Europaparlamentswahlen von
1999 und 2,3 Prozent für Bruno Mégret bei der
Präsidentschaftswahl (2002) blieb bei der sechs Wochen später
nachfolgenden Parlamentswahl nur noch 1 Prozent der Stimmen
übrig. Der MNR repräsentiert heute keinerlei ernst zu nehmende
politische Kraft mehr, und Mégret an seiner Spitze verwaltet
hauptsächlich noch einen Schuldenberg in Höhe von rund fünf
Millionen Euro. Das Scheitern hat mehrere Gründe. Einer davon
ist das Fehlen eines «charismatischen» Spitzenpolitikers à la Le
Pen: Der ehemalige Chefideologe Mégret, der mit der Aura eines
elitären Technokraten auftritt, mag eine gute «Nummer Zwei» beim
alten FN abgegeben und dort die Programme formuliert haben –
aber als «Nummer Eins» und Spitzenkandidaten, der massenhaft
«einfache» Sympathisanten und Wähler ansprechen soll, taugt er
nichts. Ferner zerrissen ihre inneren Widersprüche die junge
Partei: Die Mégret-Fraktion hatte sowohl die aktivistischen und
nach Taten dürstenden Neonazis, denen der FN unter dem Alten «zu
schlapp» war, als auch die perspektivisch nach
Regierungsbeteiligung strebenden smarten Jungpolitiker vom FN
mit herüber genommen. Das ging nicht lange gut, da nicht
hinreichend Substanz war, um die Risse zwischen diesen Milieus
zu kitten. Der MNR stieb
also einen Grobteil
der Stiefelfaschisten ab (die sich anderswo umguckten, etwa bei
«Unité Radicale» und nach ihrem Verbot 2002 beim «Bloc
identitaire» als Nachfolgeorganisation) und behauptete ab circa
2001 explizit, er sei gar nicht länger rechtsextrem, sondern nur
noch irgendwie nationalkonservativ.
Versuch einer Bewertung
Hätte eine Wiederannäherung oder gar –vereinigung der beiden
Parteien bis dahin noch einige Brisanz gehabt, da er das
ehemalige Kaderpotenzial wieder mit dem für die Wähler
attraktiven FN zusammen gebracht hätte, so ist in dieser
Hinsicht nunmehr eher «die Luft drauben».
Einige, früher auf örtlicher Ebene sehr erfolgreichen Kandidaten
des FN mit späterer MNR-Mitgliedschaft (wie etwa Gérard Freulet
im süd-elsässischen Mulhouse, und Philippe Adam in
Salon-de-Provence - jetzt Bezirksvorsitzender des MPF) sind ob
der Erfolglosigkeit ihrer neuen Partei ausgetreten und zu den
Rechtskatholiken unter Philippe de Villiers übergewechselt. Die
Villiers-Partei ist zwar im Augenblick kaum erfolgreicher, aber
gilt als konservativ und wird nicht in «besseren Kreisen» als
rechtsradikal stigmatisiert wie der FN oder (nach wie vor) der
MNR.
Dennoch hätte es einige Pikanterie, würden sich die Le Pen- und
die Mégret-Partei einander wieder annähern. Es würde den
wichtigsten organisatorischen und historischen Riss, der bisher
durch die extreme Rechte der jüngeren geschichtlichen Epoche
klaffte (sofern man die katholisch-konservative Partei des
Philippe de Villiers einmal nicht dazu zählt), kitten.
In
seiner Abschlussrede zur «Sommeruniversität» seiner Partei vom
27. August hatte Bruno Mégret sich sogar für eine Form
organisatorischen Zusammenschlusses ausgesprochen. Er forderte
darin die Schaffung einer Art Sammelbewegung oder eines
förderativen Dachverbands, im Sinne einer «Kräfte bündelnden,
mächtigen und neuen politischen Kraft», die «die Anhänger des FN
und des MNR» versammeln würde, aber auch «jene, die vergeblich
auf Philippe de Villiers hoffen und jene, die (im politischen
Kampf, Anm. BhS) die Flinte ins Korn geworfen hatten». Über
die Idee eines organisatorischen Zusammenschlusses mit dem
ehemaligen Spaltprodukt ihrer Partei dürften die
Entscheidungsträger beim FN jedoch erst recht nicht begeistert
sein. Zumal dann die Fleischtöpfe für sie noch kleiner würden.
«Glauben Sie im Ernst, dass örtliche Prominente des FN ihre
Pfründe zugunsten von Mégret-Anhängern aufgeben werden?» fragte
ein (namentlich ungenannt bleibender) FN-Regionalparlamentarier
rhetorisch in ‘Libération’ vom 01. September. Auf den Egoismus
dieser Leute wird man sich wohl im Ernstfall verlassen dürfen...
Aber auch dem MNR würde eine wirklich enge Annäherung an die
dereinstige «Mutterpartei» wohl den endgültigen Todesstob
versetzen. Denn allzu tief sitzt der Hass, und viele
MNR-Aktivisten werden gerade dadurch bei ihrer (verglichen mit
dem FN, wenig erfolgreichen) aktuellen Partei gehalten, dass sie
Le Pen für die – historisch betrachtet, und am Ziel der
politischen Machteroberung gemessen – Erfolglosigkeit der
extremen Rechten in dieser Epoche veranwortlich machen. Allein
schon die Ankündigung von Bündnisverhandlungen hat ein paar
MNR-Kader in die Flucht geschlagen, etwa den Bezirkssekretär
Jacques Mayadoux im zentralfranzösischen Allier im Mai 2006 (er
sei «für die Entstehung einer nationalen Rechten weitab von
allen Exzessen Le Pens»). Einer dauerhaften, auch
organisatorischen Vereinigung dürften also Hindernisse im Wege
stehen, die kurzfristig kaum ausräumbar sein dürften.
Editorische Anmerkungen
Den Artikel schickte uns
der Autor am 8.9.2006 zur Veröffentlichung.