Reise nach Beirut
Ein schwarzer Antisemit, ein ex-linker Verschwörungstheoretiker und ein neofaschistischer Journalist auf gemeinsamer Erlebnistour

von Bernard Schmid
09/06

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Man nehme: Erstens, einen selbsternannten « Schwarzenführer », der unter den Schwarzen seines Landes höchst umstritten, vor allem aber als unstreitiger Antisemit hervorgetreten ist. Zweitens, einen Verschwörungstheoretiker, den man (und der sich selbst) lange Jahre hindurch für einen Linken hielt, aber nach dem 11. September 2001 in ein äußerst seltsames Fahrwasser geraten sah. Und der seither unverkennbare Anleihen bei rechtsextremen Verschwörungsideologen getätigt hat. Drittens, einen selbsternannten « Kulturkritiker » und Provokateur, der bereits durch rabiate antisemitische Ausfälle auf sich aufmerksam gemacht hat. Viertens, einen Journalisten einer mittelgroßen rechtsextremen Wochenzeitung, dessen Status den anderen Mitreisenden – allem Anschein nach – wohl bekannt ist. Man füge noch zwei oder drei weitere Personen hinzu. Nun schüttele man ideologisch einmal gut durch, rühre ein bisschen im entstehenden trüben Brei um, und schicke die ganze erquicklicke Truppe auf Reisen. Zum Beispiel nach Beirut, unmittelbar nach dem jüngsten Krieg dort, wo die drei Prominenten der Truppe mit diversen Gesprächspartnern zusammentreffen können. Man kann sich denken, dass das eine brisante Mischung ergibt... Ähnliches ist aber jüngst real passiert, wie der rechtsextremen französischen Wochenzeitung ‘Minute’ zu entnehmen ist.

1. Allgemeiner Vorspann 

In Kriegszeiten und während zugespitzter militärisch-politischer Konflikte kommt es mitunter zu Annäherungen über bisherige politischen Grenzen hinweg. Dieses Phänomen lässt sich ganz allgemein beobachten. Da man sich in einer neuen binären Opposition für den Freund, gegen den (jeweiligen) Feind positionieren muss und dieser Zwang, dieser Druck auf unterschiedlichsten politischen Lagern lastet, sortiert sich die politische Landschaft oftmals neu. In angegriffenen Ländern etwa ist dies normal, wenn (ein Teil der) Linke(e) und Rechte(n) jeweils ihr Land gegen den Aggressor verteidigen wollen. Quer zu den bisherigen politischen Fronten entsteht dort eine neue Konfliktlinie, nämlich die gegenüber den « Kollaborateuren », die mit dem Aggressor zusammen arbeiten möchten. Aber auch in angreifenden Staaten gibt es oft neuartige Bündnisse, im Namen der « Burgfriedenspolitik » (wie man das in Deutschland 1914 nannte) gegen die jeweiligen « Feinde der Nation ». Soweit ein vielleicht nicht gut zu heibendes, aber « normales » politisches Phänomen in Zeiten zugespitzer Freund-Feind-Polarisierung.

Aber nicht nur in den unmittelbar am Krieg beteiligten oder von ihm betroffenen Ländern bringen militärische Konflikte solche Verschiebungen mit sich. Politisch-ideologische Kräfte anderswo, die von auberhalb des Kriegsschauplatzes diesen Konflikt wahrnehmen und ihn in ihr Bezugssystem einbauen (indem sie sich z. Bsp. zugunsten der einen oder anderen Seite positionieren), geraten in Kriegszeiten oft in Bewegung. Um nur ein Bespiel zu nehmen: Die Debatte während des Vietnamkriegs der USA (1964 bis 1975) um die Kriegsführung und die dortigen Massakern löste auch in Ländern, die nicht unmittelbar am Krieg teilnahmen, politische Mobilisierungen und Umgruppierungen von politischen Lagern aus.

Und dann gibt es noch die Funktion von Kriegen als weltanschauliche Projektionsflächen, auf denen politisch Irre ihren (psychologischen, ideologischen....) Bedürfnissen freien Raum geben. Teilweise, wenn auch nie vollständig, losgelöst von der Realität des Konfliktgeschehens projizieren solche Leute eifrig das an die Wand, was sie « in dem Krieg » oder hinter ihm gerne sehen möchten: Die Guten und die Bösen nach eigener Vorstellung klar verteilt ; den aktuellen Konflikt als originalgetreues Remake dieser oder jener historischen Kriegskonstellation ; diese oder jene internationale Verschwörung als « Erklärung » des Konflikts. Und mitunter finden in solchen Momenten auch politisch Verrückte zueinander, die sich bis dahin eher fern standen und unterschiedlichen Lagern anzugehören schienen. Gemeinsame « mentale Dispositionen », wenn man es so ausdrücken darf, machen es möglich.

2. Der besondere Fall

Mit einem solchen Fall haben wir es hier zu tun. Kriege, an denen der Staat Israel beteiligt ist, ziehen solcherlei Figuren offenkundig an wie das Licht die Motten. Allem Anschein nach eignen diese Konflikte sich ganz besonders gut, um vor dem Hintergrund der jeweiligen eigenen Geschichte (oder Nationalgeschichte) muntere Projektionen vorzunehmen. Letzteres gilt übrigens für Antisemiten wie Philosemiten in ähnlichen Ausmaben: Die Einen wollen sich darin bestätigt fühlen, dass die Juden als solche (wie immer) die Bösen seien, und die Anderen wollen endlich mal hören, dass sie jetzt auch welthistorisch zu den Guten gehören, weil sie auf der Seite der Juden als solchen stehen.

Besonders brisant wird es dann, wenn sich das spezielle Wahrnehmungsmuster der Antisemiten noch mit verschwörungstheoretisch grundierten Interpretationsrastern zur internationalen Ordnung (und zur Rolle der USA darin) mischt. Dann ist in manchen Köpfen der Rückschluss bzw. Kurzschluss zur guten alten « jüdischen Weltverschwörung » nicht mehr sehr weit. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Wer die israelische Regierung oder Kriegsführung kritisiert (auch der Autor dieser Zeilen tat es im Juli und August dieses Jahres, und lehnte das militärische Vorgehen im Libanon ab), wird dadurch noch kein Antisemit. Aber wer bereits vorher Antisemit war oder antisemitischen Mustern folgend dachte, kann d e s h a l b die israelische Politik ablehnen bzw. argumentativ als Vorwand für die Verbreitung seines ideologischen Gifts benutzen.  

Die Besonderheit des Falles liegt hier darin, dass mehrere der Beteiligten früher einmal einen langjährigen Ruf als Linke, Antirassisten, Antifaschisten, Universalisten genossen. Dieser Ruf ist zwar bereits rettungslos ruiniert, was die beiden prominentesten Teilnehmer der Reisetruppe betrifft, die uns hier interessiert. Aber der Werdegang und das aktuelle Treiben der Protagonisten dürfte – vor diesem Hintergrund – dennoch in gröberen Teilen der (französischen und internationalen) Öffentlichkeit nach wie vor für Verwirrung sorgen.

Nun aber sollten wir den Schleier über den Protagonisten endlich lüften.

3. « Unsere » Reisetruppe

Die rechtsextreme Wochenzeitung ‘Minute’ enthüllt in ihrer Ausgabe vom 13. September, auf drei vollen Zeitungsseiten, dass eine (bis dahin) einigermaben erstaunlich erscheinende Gurkentruppe am 27. August dieses Jahres von Paris-Orly auf aus Reisen ging.

Daran waren beteiligt:

 (A :) Dieudonné M’bala M’bala, der frühere Antirassist und jetzige unzweideutige Antisemit, den man in diesem Medium fast nicht mehr vorstellen muss. (Vgl. insbesondere http://www.hagalil.com/archiv/2006/05/frankreich-5.htm, vor allem die untere Seitenhälfte, Anmerkung 1). Dieudonné, der allgemein unter seinem Vor- und Künstlernamen bekannt ist, wirkt als (nicht immer komischer) Komiker, ist Eigentümer eines eigenen Theaters im 11. Pariser Bezirk und schwingt sich gern zum angeblichen Sprecher der französischen Schwarzen auf, was bei vielen von ihnen aber absolut nicht akzeptiert wird. Er ist Sohn eines aus Kamerun stammenden Vaters und einer bretonischen Mutter. Der selbsternannte « Präsidentschaftskandidat 2007 » der Armen, Unterdrückten und Diskriminierten – soweit seine Selbstsicht – brachte auch seinen « Wahlkampfleiter » Marc Robert im Gepäck mit. Sehr wahrscheinlich dürfte Dieudonné die 500 Unterstützungsunterschriften von Mandatsträgern der Republik (von Bürgermeistern bis Abgeordneten) nicht erhalten, die erforderlich sind, um zur Präsidentschaftswahl im April kommenden Jahres kandidieren zu können. Bis dahin, d.h. bis zum Abgabeschluss für die Unterschriften 5 Wochen vor der Wahl, dürfte der Mann aber noch gehörig Staub aufzuwirbeln versuchen. Nachteil für ihn: Die französischen Medien scheinen inzwischen die Nichtwahrnehmung gegenüber der Aufmerksamkeit für seine Umtriebe vorzuziehen.

 (B :) Thierry Meyssan, der frühere Linke und (Möchtegern-) federführende Antifajournalist. Noch bis im Jahr 2000 spielte Meyssan tatsächlich eine nicht unwesentliche Rolle als Publizist und Autor, der Informationen über die extreme Rechte veröffentlichte. Material von Meyssan ging etwa in die Unterlagen des parlamentarischen Untersuchungsberichts über den damaligen paramilitärischen Ordnerdienst des französischen Front National (den DPS) von 1999 mit ein. Auch der Autor dieser Zeilen sab mit Meyssan im Jahr 2000 bei einer Veranstaltung im Raum Paris, auf der es um die Bekämpfung der extremen Rechten (nach dem Einzug der österreichischen FPÖ in die dortige Regierung) ging, zufällig auf einem Podium. Meyssan definierte sich damals noch klar als Antifaschist, zeichnete aber sich insofern durch ein seltsames Herangehen aus, als er seit längerem eine Vorliebe für konservative Hinterzimmer-Connections und Komplotte (nach dem Muster des teilweise von Rechtsextremen durchsetzten Para-Nachrichtendiensts « Gladio ») hatte. Insofern kann man sagen, dass eine verschwörungstheoretische Sichtweise, die nicht auf gesamtgesellschaftliche Kräfteverschiebungen und wirkungsmächtige Ideologien, sondern vor allem anderen auf im Geheimen wirkende Zirkel abstellte, schon damals bei ihm angelegt war.

Meyssan animiert (noch immer) einen Publikationsdienst namens « Résau Voltaire » - Netzwerk Voltaire, benannt nach dem französischen Aufklärungsphilosophen –, und kam vor Jahren in Führungspositionen beim « Parti Radical de Gauche ». Dass er dort als eine Art Parteisekretär amtierte, hat freilich nur geringe Bedeutung, denn diese « Radikale Partei der Linken » (eine linksliberale Partei, die aus dem linken Flügel der « Radikalen » des späten 19. Jahrhunderts hervorging – das waren damals die antiklerikalen Liberalen) ist heute nur noch ein kümmerlicher Rest ihrer selbst. Während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts handelte es sich um eine Zwanzig-Prozent-Partei, die an fast allen Regierungen beteiligt war, heute blieb davon noch eine Zwei-Prozent-Partei übrig. Deshalb konnten und können dort alle möglichen Karrieristen unterkommen, oder aber politische Persönlichkeiten, die anderswo nur geringe Chancen auf Gehör hätten. Die « Radikale Partei der Linken » stellte etwa 2002 die erste schwarze Frau als französische Präsidentschaftskandidatin auf (Christiane Taubira), eine ziemlich patente Frau, die allen Respekt verdient, aber ansonsten anderswo kaum politische Chancen auf eine Kandidatur gehabt hätte. Und auch schräge Figuren wie Meyssan konnten dort eben in Ämter kommen, womit  sie in gewisser Weise die Konkursmasse der einstmals bedeutungsvollen Partei billig übernahmen. 

Seit dem 11. September 2001 ist Thierry Meyssan in ein höchst fragwürdiges Fahrwasser hinein geschwommen. In zwei Büchern versuchte er nachzuweisen, dass es nie ein Attentat (von Al-Qaïda) auf die beiden Türme in New York und auf das Pentagon gegeben habe, sondern dass alles durch die US-amerikanischen Dienste fingiert worden sei. In das Pentagon sei eine Rakete aus der Nähe abgefeuert worden (statt eine Boeing hineingesteuert worden), und das World Trade Center sei durch die Explosion einer im Inneren angebrachten Bombe zum Einsturz gebracht worden. Wo die mehreren hundert Passagiere der am frühen Vormittag des 11. September entführten Linienflugzeuge geblieben sind, ob sie etwa auf einer unterirdischen Basis festgehalten werden oder aber auf einer geheimen Mission auf dem Planeten Mars unterwegs sind, vermochte Thierry Meyssan aber bisher noch nicht herauszufinden. Dieser Unfug ist umso unglaublicher, als der Buchautor Meyssan einerseits die CIA für raffiniert genug hält, ein solches gigantisches Komplott einzufädeln – aber andererseits für dumm genug, sich von einem Autor ohne jeglichen Investitionsaufwand aus der Ferne ertappen zu lassen. Denn Thierry Meyssan ist nie zu Untersuchungen vor Ort in die USA gereist: Er behauptet, allein durch Untersuchungsarbeit an den durch US-Behörden selbst veröffentlichten Bildern am Bildschirm zu Hause fündig geworden zu sein bzw. das Komplott durchschaut zu haben. Zwar spielten und spielen Meyssans verrückte « Enthüllungen » etwa in der Antikriegsbewegung in Frankreich, anlässlich der Feldzüge in Afghanistan 2001 und im Iraq 2003, keinerlei Rolle. Meyssans Spinnereien können auch nicht zu politischer Aufklärung (im Sinne des Anregens zu selbständigem Denken) und politischer Aktivität beitragen. Sondern sie rufen eine Mischung aus Ohnmachtsgefühl (« Die da oben legen uns doch herein, wie immer sie wollen, da sieht man’s mal wieder anhand dieses gigantischen Komplotts »), Ressentiment und einem wohligen Schauer, der dem Betrachter über den Rücken läuft, hervor.  

In der französischen Linken war Meyssan mit seinen beiden irren Büchern (« L’effroyable imposture », Der furchtbare Schwindel, und « Le Pentagate », beide 2002 in Frankreich erschienen) abgemeldet. Aber in arabischen Ländern beispielsweise, wo Komplotttheorien sich in relativ breiten Kreisen hoher Beliebtheit erfreuen, kam Meyssan gut an: Schon im April 2002, kurz nach Erscheinen von « L’effroyable imposture », wurde er zu einer Konferenz in die Vereinigten Arabischen Emirate eingeladen. Und die französische Auflage seines Buches, das in mehrere Sprachen übersetzt wurde, erreichte alsbald 100.000 Exemplare. (Vgl. dazu die Besprechungen der beiden Bücher vom Autor dieser Zeilen : http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_2002/16/26a.htm  und http://www.nadir.org/nadir/periodika/jungle_world/_2002/38/23b.htm )   

Am brisantesten aber sind die Anleihen, die Thierry Meyssan beim Abfassen seiner beiden Bücher offenkundig bei anderen Autoren getätigt hatte. In einem Gegenbuch, das ebenfalls im Jahr 2002 von zwei französischen Journalisten mit Spezialisierung auf Nachrichtendienste (« L’effroyable mensonge », Die schreckliche Lüge, von Guillaume Dasquié und Jean Guisnel) veröffentlicht wurde, wird Meyssan etwa nachgewiesen, dass er in der Phase unmittelbar nach dem 11. September bei einem rechtsradikalen Ideologen abgeschrieben hatte. Es handelt sich um Emmanuel Ratier, der regelmäßig in Organen des rechtsextremen Front National publiziert. Emmanuel Ratier ist nach eigener Einschätzung der geistige Erbe des im Jahr 2001 in hohem Alter (über 90) verstorbenen Verschwörungsideologen Henry Coston, dessen Archive er übernommen hat. Coston war bereits in den dreißiger Jahren einer der führenden antisemitischen Ideologen in Frankreich, Korrespondent von Medien in NS-Deutschland und leitete später unter dem Vichy-Regime ein « Dokumentationszentrum über freimaurerische Umtriebe ». Ein weiterer Zuträger von Meyssan war demnach Stéphane Jah, ein ehemaliger Militär und passionierter « Experte » für Geheimdienste (und Geheimdienstverschwörungen aller Art) ; er unterhält eine Webpage mit zahlreichen Informationen über nachrichtendienstliche Aktivitäten. Jah bestätigte den Autoren Dasquié und Guisnel, im Frühherbst des Jahres 2001 sowohl mit Ratier als auch mit Meyssan zusammengearbeitet zu haben. Und tatsächlich findet sich in Meyssans zweitem Buch zum Thema eine Liste mit Danksagungen an Personen, denen er Informationen oder Interpretationen verdanke und die er in den meisten Fällen nur mit ihren Initialien kennzeichnet. Unter ihnen befindet sich auch eine Person namens « E.R. ». Bei ihr handelt es sich, wiederum Dasquié und Guisnel zufolge, um den neofaschistischen Verschwörungsfanatiker Emmanuel Ratier. Der ehemalige Antifa-Publizist Thierry Meyssan hat diese Information nie dementiert.

 (C :) Alain Soral, ein Schriftsteller mit Vorlieben für Pornographie, der sich selbst für einen ausgewiesenen Querdenker, Kulturkritiker und eine Art heilsamen Provokateur hält. Soral tätigt(e in der Vergangenheit) mal Anleihen bei linker oder kommunistischer Sozialkritik, dann wieder im eindeutig rechtsextremen Bereich. In jüngerer Zeit sieht er zunehmend Le Pen in einem milden Lichte, und dieser ihn umgekehrt auch. In den letzten Jahren fiel er, neben derben sexistischen Sprüchen, vor allem durch die Verteidigung der antijüdischen Tiraden Dieudonnés und durch eigene antisemitische Ausfälle auf. Im Zusammenhang mit dem Streit um Dieudonnés erste Auslassungen hatte Soral behauptet, wenn « die Juden seit 2.500 Jahren nirgendwo gelitten werden, wo immer sie hinkommen », dann solle man sich doch mal Fragen stellen und es seien « nicht immer die Anderen schuld » , sprich : dann trügen sie wohl selbst Schuld daran. (Vgl. http://www.comlive.net/sujet-114428.html  )

(D :) Der Vorsitzender einer Initiativereinigung von Vorstadtjugendlichen « La Banlieue s’exprime » (ungefähr : Die Trabantenstädte ergreifen das Wort/kommen zu Wort), Ahmed Moualek. Über ihn gibt es nach bisherigem Kenntnisstand (des Verfassers dieser Zeilen) ansonsten nichts zu sagen. Es ist zumindest z. Zt. auch nicht klar, ob der Mann sich darüber bewusst war, dass er mit eindeutigen Faschisten (vgl. unter E.) zusammen unterwegs war. Möglicherweise hat ihn tatsächlich nur die Situation der Menschen im Libanon empört. Unter normalen Umständen sollte man nicht damit rechnen, dass ein junger Erwachsener mit Migrationshintergrund und Herkunft aus einer gheottisierten Trabantenstadt mit Le Pen-Anhängern gemeinsame Sache macht. Der Einfluss einer Figur wie Dieudonné bewirkt offenkundig, dass die Verwirrung so weit reicht, dass solche Trennlinien überschritten werden konnten.

 (E :) Lionel Humbert, ein Journalist der rechtsextremen Wochenzeitung ‘Minute’. In ihrer Ausgabe vom 13. September 2006 berichtet Humbert über drei Zeitungsseiten hinweg (Seite 6, 7 und 8) über die gemeinsame Reise dieser irren Gurkentruppe, die im Libanon unterschiedliche politische Kräfte getroffen hat, vor allem die Anhänger des christlichen Generals Michel Aoun (der von 1991 bis 2005 im französischen Exil lebte) und die Hizbollah sowie deren Fernsehsender Al-Manar TV. Darüber schreibt wiederum die Wochenzeitung ‘Minute’ in ihrem redaktionellen Vorspann: « Wir haben ihn (Anm.: Dieudonné) gefragt, ob wir ihn begleiten dürfen. Um zu sehen. Und ohne jede Garantie über das, was wir schreiben würden. Er weib es: Unsere Präferenz gilt  anderen (Anm.: Präsidentschafts-)Kandidaten. Die ein bisschen weiter rechts stehen als er... (Anm.: ‘Minute’ unterstützt Jean-Marie Le Pen.) Er hat akzeptiert. Unser Sonderberichterstatter ist ihm also während seiner Reise (...) gefolgt. »

Historisch war zumindest ein Teil der französischen extremen Rechten, vor dem Hintergrund der Konstellation während der Kolonialkriege (etwa des Algerienkriegs 1954/62), in aubenpolitischer Hinsicht eher bzw. eindeutig pro-israelisch. Auch im libanesischen Bürgerkrieg der Jahre 1975 bis 1990 war dies noch der Fall ; damals kämpften rechtsextreme französische Söldner in den Milizen der libanesischen christlichen Rechten, die in jenen Jahren mit Israel gegen die PLO-Kräfte im Libanon verbündet war. Aber dies hat sich seit 1989 und dem Ende des Kalten Krieges teilweise zu wandeln begonnen. Im Kontext des jüngsten Libanonkriegs stand der überwiegende Teil der französischen extremen Rechten auf Seiten des Libanon, da letzteres Land nach wie vor als französische Einflusssphäre gilt. Im totalen Gegensatz zu den 80er Jahren hat sich im übrigen ein Teil der christlichen politischen Kräfte im Libanon jetzt eher mit der Hibzollah verbündet, insbesondere die Anhänger des Generals Aoun.

Und natürlich durfte eine Zeitung der extremen Rechten eine solche wunderbare Gelegenheit nicht verstreichen lassen, um an bisher als eher « unverdächtig » (d.h. der rechtsextremen Ideologie fern stehende) oder gar als antirassistisch/antifaschistisch geltende Figuren anzudocken und sie als Kronzeugen in eigener Sache zu präsentieren.

‘Minute’, die seit dem französischen Algerienkrieg existiert, hat eine Auflage von ein paar Zehntausend Exemplaren wöchentlich. Ihre Auflage sank 1990/91 um ein Drittel (von damals rund 50.000 auf gut 30.000), als die bis dahin vorwiegend pro-koloniale und pro-westliche Zeitung die Position Jean-Marie Le Pens in der Golfkrise (pro-Saddam Hussein) verfocht. Ende der 1990er Jahre machte die Zeitung vorübergehend Pleite, bevor sie zu Anfang dieses Jahres wieder neu erscheinen konnte.

4. Resonanzen

Die Reise des irren Gespanns war, neben der eigenen Homepage Dieudonnés als « Präsidentschaftskandidat » (vgl. http://dieudo.net/2007/breve.php3?id_breve=124 ), gleichzeitig auch auf einer nationalrevolutionären französischen Webpage vorab angekündigt worden (vgl. http://www.voxnr.com/cc/dep_international/EEVyVkyVVkLVcLefkY.shtml ).

In Beirut war die verrückte Truppe allerdings nicht die einzige Delegation, die dort unterwegs war. Bereits wesentlich früher waren auch « wirkliche » Beobachter- und Solidaritätsdelegationen losgeflogen, deren echtes Anliegen darin bestand, über die Situation der Menschen im Libanon Zeugnisse zu sammeln und darüber zu berichten. Diese anderen Delegationen teilten also mitnichten die ideologischen Herzensanliegen der Reisegruppe um Dieudonné und Thierry Meyssan, denen es vorrangig um eine Bestätigung ihrer antisemitischen respektive verschwörungstheoretisch geprägten Weltbilder ging. Schon Ende Juli dieses Jahres flog etwa eine circa 60köpfige Solidaritäts- und Beobachterdelegation aus Paris in den Libanon, die vor allem durch die französische KP, durch Grüne und andere Linke gebildet worden war. Ihr ging es keinesfalls um Antisemitismus, sondern um eine Wahrnehmung der Kriegsschäden und um die Menschen im Libanon. Eine solche Delegation, die in diesem Falle aus den USA kam, lief Dieudonné, Meyssan und Co. auch in Beirut über den Weg: Ihr prominentestes Mitglied war der US-amerikanische Schwarze Jesse Jackson, ein linksliberaler Anwärter auf die Präsidentschaftskandidatur der Demokratische Partei. Ihn führten die Opposition zur offiziellen US-Aubenpolitik, und damit gegen die Unterstützung der Armeeführung Israels durch die Bush-Administration im jüngsten Konflikt, in den Libanon. In den Augen Jesse Jacksons erschien Dieudonné (als « schwarzer Präsidentschaftskandidat aus Frankreich ») zweifellos als ein, irgendwie linker, Vertreter für die Minderheitenrechte in seinem Land. Deshalb lieb Jesse Jackson sich sogar mit Dieudonné und Thierry Meyssan auf einem gemeinsamen Foto ablichten, das auch in ‘Minute’ dokumentiert ist. Sicherlich dürfte der US-Politiker nicht gewusst haben und ihm auch nachträglich nicht bewusst geworden sein, mit wem er es dabei in Wirklichkeit zu tun hatte. Aber Dieudonné und der Verschwörungsideologe Meyssan können dieses fotographisch festgehaltene Zusammentreffen nun natürlich im Nachhinein benutzen, um sich in ein « respektierlicheres » Licht zu setzen. Ihr Problem dabei ist nur, dass sie dabei durch alle renommierten Medien bislang boykottiert werden.

Nach ihrer Rückkehr (am 31. August landete die Gurkentruppe wieder in Paris-Orly) blieb es in Frankreich vorwiegend still um die Reisetruppe. An einer Pressekonferenz, die am 01. September rund um Dieudonné abgehalten wurde und in seinem eigenen Theater stattfand, nahm sage und schreibe ein einziger Journalist teil. Und der gehört zu einer pro-israelischen Webpage. Alle gröberen französischen Medien scheinen es im Moment mit der Linie zu halten: Möglichst wenig von Dieudonné und seinen Provokationen reden – umso weniger Aufmerksamkeit und Publikum er findet, umso besser ist es. Allein die Leser der rechtsextremen Presse und insbesondere von ‘Minute’ wurden über die Reisegruppe und ihre Zusammensetzung informiert.

Auf einem der französischen Indymedia-Ableger (Indymedia existiert in Frankreich nur auf regionaler Ebene, nachdem die nationale Indymedia-Struktur im Jahr 2002 u.a. aufgrund eines Antisemitismu-Streits zerplatzte), wurde dagegen ausführlich berichtet und Dieudonné radikal kritisiert. Es handelt sich um den Indymedia-Sender im westfranzösischen Nantes, einer alten Anarchistenhochburg, wo Indymedia ziemlich stark vertreten und wahrgenommen sein dürfte. (Derselbe Artikel wurde dann auch auf Indymedia Paris gepostet, dort aber durch Kommentare einiger Fans von « Dieudonné, dem mutigen Antikonformisten, der sich nicht durch Israel und das Establishment einschüchtern lässt » zugemüllt.) Unter der unzweideutigen Überschrift « Die faschistischen Freundschaften von Dieudonné » erfuhr man dort auch, dass der Organisator der gesamten Reise ein gewisser Frédéric Chatillon ist. Chatillon nahm demnach auch selbst an der Reise teil und ist auf einem Foto der Truppe aus Beirut zu erblicken. Er taucht aber in den « offiziellen » Berichten, namentlich dem in ‘Minute’, nicht auf.

Es dürfte mit seinen Funktionen zusammenhängen, dass Chatillon im Unterschied zu den anderen Beteiligten das Licht der Öffentlichkeit scheut: Frédéric Chatillon, ehemals ein Kader der gewalttätigen rechtsextremen Studentenvereinigung GUD (Groupe Union Défense, inzwischen unter ihrem Namen verboten)  und Angestellter der Neonazi-Buchhandlung Ogmios, betreibt heute eine « Sicherheitsfirma », mit welcher er Söldner anwirbt und vermittelt. (Vgl. dazu und zu den vorigen beiden Absätzen die Quelle: http://nantes.indymedia.org/article.php3?id_article=9877. Dem Artikel zufolge erwarteten die Organisatoren der Reise eine Finanzierung durch Syrien und wollten 15 Personen losschicken. Die Finanzierung wurde ihnen jedoch verweigert, und deshalb musste die Delegation verkleinert werden. Der Autor des Indymedia-Artikels über « Die faschistischen Freundschaften Dieudonnés » schreibt auch, Dieudonné habe Thierry Meyssan auf Anraten eines seiner Berater mitgenommen, um die Präsenz der Faschisten in der Reisegruppe « auszugleichen ».)

Aber mehr noch: In den 90er Jahren heiratete Chatillon eine gewisse Marie d’Herbais, Tochter der Gräfin Katherine d’Herbais de Thun. (Geborene Katherine Chereil de la Rivière - Schwägerin des ehemaligen FN-Bürgermeisters der südfranzösischen Grobstadt Toulon in den Jahren 1995 bis 2001, Jean-Marie Le Chevallier, da Schwester von dessen Gattin Cendrine Le Chevallier. Beide sind die Töchter eines groben Monarchisten und Immobilienhändlers, Marcel Chereil de la Rivière.) Letztere ist nicht nur schwerreich und zusammen mit ihrem Gatten Besitzerin eines Schlosses in Alincourt bei Parnes, im Bezirk Oise (1978 aufgekauft), sondern war in den 90ern auch Regionalparlamentarierin des FN in der Picardie. In ihrem Schloss trainierten 1992 junge Neonazis vom GUD zusammen mit Mitgliedern der FN-Jugendorganisation FNJ (vgl. http://www.fakirpresse.info/frontoffice/main.php?rub=article.php&id=123 ). Ansonsten gibt es allem Anschein nach nicht allzu viel über die Dame zu sagen, auber dass sie ihr Schloss einmal (1995) auch für das Drehen eines Pornonfilms mit dem X-Star Tabata Cash vermietete – aber dieses Mal anscheinend ohne Kenntnis des genauen Grunds, denn es heibt, dass sie mitten in die Dreharbeiten hinein platzte, woraufhin diese unterbrochen werden mussten. Und dass die friedliche Dame zwei äuberst liebenswerte Hundchen auf ihrem Schloss hält: Zwei deutsche Doggen, die, als sie am 15. August 1996 mal für kurze Zeit frei kamen, in der Umgebung 48 Schafe töteten und um die 100 verletzten. Ein hinzu gekommener Förster musste in sein Auto flüchten, um sein eigenes Leben zu retten. (Vgl. www.raslfront.org/documentation/proces.php ) Die ehemalige FN-Parlamentarierin musste deswegen 400.000 französische Francs, heute 60.000 Euro, Schadensersatz zahlen. Katherine d’Herbais und ihr Ehemann waren lange Zeit zwei Hauptaktionäre der rechtsextremen Wochenzeitung Minute.

Frédéric Chatillon und die Nachfahrin der Gräfin bekamen in den neunziger Jahren zusammen eine Tochter, deren Taufpate niemand anders ist als... – Jean-Marie Le Pen. Ab jener Zeit versuchte der Mann, nunmehr seriös aufzutreten, nach seinen Jahren bei der GUD-Schlägertruppe. Er gründete die Firma ‘Riwal Communication’. Bei einer Hausdurchsuchung in seiner Wohnung im 4. Pariser Bezirk fand die Polizei allerdings ein Karabinergewehr, das er illegal besab. Am 25. Februar 2003 hielt sich Marine Le Pen, die Tochter des FN-Chefs und dessen mutmabliche Nachfolgerin, auf einer Geburtstagsparty in der Wohnung des Ehepaars Chatillon auf. Bei dieser Gelegenheit handelte sie sich eine Strafanzeige ein, weil sie in angetrunkenem Zustand die Polizisten beschimpfte, die aufgrund nächtlicher Ruhestörung herbeigerufen worden waren. Allem Anschein nach wurde Chatillon im übrigen mit seinem Profil zum Vorbild für eine der Zentralfiguren in dem spannenden Kriminalroman von Marc Wilhelm über Neonazigewalt in Frankreich, « Commando Charlemagne », der im Juni/Juli 2006 erschien. (Wilhelm arbeitet hauptberuflich im französischen Innenministerium. Die positiven Helden seines Romans sind Polizisten aus der Abteilung für politische Gewalt, die gegen den gewalttätigen Rechtsextremismus kämpfen. Fragwürdig ist der Schlussteil, da die positiven Helden in dem Roman des Problems am Ende durch eine Reihe aubergerichtlicher Hinrichtungen Herr werden...)

In der Nacht vom 13. zum 14. September versuchten Unbekannte, Alain Soral auf der Strabe (pardon, liebe Leser) die Fresse zu polieren. Mutmablich  nicht aufgrund der jüngsten Reise, die in breiten Kreisen nicht bekannt ist, sondern wohl eher aufgrund all seiner früheren Ergüsse und insbesondere seiner antisemitischen Provokationen. Das Angestrebte gelang wohl nur teilweise, da Soral dem Vernehmen nach den Boxsport praktiziert. Daraufhin erschien ein Beitrag in der elektronischen Mitgliederzeitschrift des rechtsextremen Front National, « Français d’abord » (FdA, « Die Franzosen zuerst! »), vom 16. September 2006. Darin ist zu lesen: « ... Ein nahöstlicher Konflikt, der diese Woche mit der Aggression gegen den talentreichen und sehr antikonformistischen Schriftsteller Alain Soral in den Straben von Paris, in der Nacht zum Donnerstag, weiterging. Sicherlich begangen durch dieselbe Art von Schlägern, die bereits im vorigen Jahr eine Buchhandlung beschädigten, wo er seine Bücher signierte. Eine Aggression, die (...) durch die Medien sorgsam verschwiegen worden ist. Man kann legitimer Weise davon ausgehen, dass diese Attacke nicht ohne Zusammenhang zum jüngsten Abstecher Sorals in den Libanon ist, (wohin er sich) in Begleitung vor allem von Dieudonné M’bala M’bala und von Thierry Meyssan (begab). Alain Soral (...) steht dem Komiker Dieudonné, derzeit Präsidentschaftskandidat, nahe. Das hindert uns Nationale nicht daran, uns über die Aggression gegen ihn zu empören. Die nationale Rechte kämpft seit jeher für die Meinungsfreiheit, (blabla rhabarber...). ... »

Interessante Connections tun sich da auf...   
 

Editorische Anmerkungen

Den Artikel schickte uns der Autor am 22.9.2006 zur Veröffentlichung.