Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Langsam kommt die Wahrheitsfindung voran
Juristische und mediale Aufarbeitung der französischen Verstrickung in den Völkermord in Ruanda (1994) 
09/07

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Allmählich, in kleinen Schritten arbeitet sich die Wahrheit ans Licht der Öffentlichkeit vor. Mehrere Jahre hindurch hatte die französische politische Klasse einen Konsens darüber gewahrt, dass ihr Land keine Mitschuld am Genozid von 1994 in Ruanda treffe. Frankreich habe sich nichts vorzuwerfen, sondern – im Gegenteil – durch sein militärisches Eingreifen in Gestalt der Opération Turquoise positiv im Sinne einer schnelleren Beendigung dieses jüngsten Völkermords der Geschichte gewirkt. Ausschlaggebend für den breiten Konsens der staatstragenden Kräfte war wohl auch, dass beide groben politischen Kräfte sich zum fraglichen Zeitpunkt die Staatsmacht teilten: Die „Sozialisten“ stellten damals mit François Mitterand (der eine mabgebliche Verantwortung in der Ruandapolitik trägt) den Staatspräsidenten, die Konservativen im Rahmen der 1993 begonnen Cohabitation die Regierug unter Edouard Balladur. Regierungssprecher Balladurs war damals, nun ja, ein aufstrebender Jungpolitiker: ein gewisser Nicolas Sarkozy (der allerdings nicht direkt an Beschlüssen bezüglich Ruandas beteiligt gewesen sein dürfte).

Die so genannte „Operation Türkis“ begann am 22. Juni 1994 und dauerte genau zwei Monate. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits annähernd eine Million Angehörige der Tutsi-Minderheit, aber auch oppositionelle Mitglieder der Mehrheitsbevölkerung der Hutu massakriert worden. Kritische Stimmen sprechen seitdem immer wieder davon, in Wirklichkeit habe das französische Eingreifen nicht dazu gedient, dem Töten Einhalten zu gebieten – sondern dazu, im Anschluss die Mörder in Sicherheit zu bringen. Die Milizen der ethno-extremistischen „Hutu Power“-Bewegung flüchteten unter dem Schirm der „Operation Türkis“ in den Osten des damaligen Zaire (heute Demokratische Republik Kongo), wo sie zu einem der Auslöser der langjährigen Kriege im Ostkongo wurden.

Nunmehr wird die öffentliche Meinung in Frankreich aber möglicherweise bald ein anderes Bild bekommen. Dazu beitragen könnte im kommenden November die Ausstrahlung eines Dokumentarfilms mit Spielfilmcharakter, der unter dem Titel Opération Turquoise für den Fernsehsender Canal+ gedreht worden ist. Drehbuchautor ist Gilles Taurand, der Regisseur heibt Alain Tasma. Tasmas letzter Film Nuit Noire handelte von dem Polizeimassaker an 300 Algerier mitten in Paris im Oktober 1961, er wurde im vorigen Jahr preisgekrönt. Der Regisseur ist der Komplizenschaft mit der französischen Staatsmacht eher unverdächtig. Von Ende Mai bis zum 6. Juli 2007 konnte er in Ruanda drehen; über 3.600 Dorfbewohne waren als Schauspieler und Statisten rekrutiert worden. Viele der teilnehmenden Laienschauspieler sind selbst Opfer oder Täter des Völkermords gewesen und spielten ihre eigene Rolle nach, unter ständiger Betreuung eines Psychologenteams. In einem Falle wurde ein Mann, der eine Rolle (als Exekutant des Völkermords) in dem Film spielen sollte, dadurch daran gehindert, dass er zwei Tage vor Drehbeginn zu einer zwanzigjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Er hätte sonst seine eigene Rolle von „damals“ nachgespielt. In anderen Fällen brachen überlebdende Opfer von 1994 die Dreharbeiten ab, nachdem sie bemerkt hatten, dass unter jenen, die da die Macheten schwangen, ihrer tatsächlichen damaligen Verfolger waren. Oder eine überlebende Tutsi-Frau musste vom Regisseur daran gehindert werden, „in Notwehr“ einen Schauspieler zu töten, der einen Angriff mimte: Allzu lebensecht wirkte die nachgestellte Szene, die sie vor 13 Jahren „in echt“ erleben musste, auf sie. (FUSSNOTE 1[1])

Tasma und sein Team erhielten für ihr Projekt grünes Licht von der Regierung in Kigali, die sie auch dann noch unterstützte, als Differenzen zu einzelnen Szenen auftauchten. Präsident Paul Kagamé –- den eine Vorführung des Films ‚Nuit Noir’ von der Ehrlichkeit des Regisseurs überzeugt hatte -- erklärte ihnen in einer Unterredung, dass es ihm wichtig sei, „dass man in Frankreich von diesem Genozid spricht.“ Ende November vergangenen Jahres waren sie erstmals nach Kigala gereist. Ohne Visum und in einer höchst delikaten Situation: Drei Tage zuvor, am 27. November 2006, hatte Kigali alle diplomatischen Beziehungen zu Frankreich abgebrochen. Dies war eine Reaktion auf die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen neun hohe Funktionäre der aktuellen ruandischen Regierung und Armee – die in Wirklichkeit dem Völkermord im Juni 1994 ein Ende setzte – durch den Nicolas Sarkozy nahe stehenden Richter Jean-Louis Bruguière (FUSSNOTE 2[2]). Dieser hatte versucht, den Vorwurf der Schuld am Genozid auf die politischen Repräsentanten der Tutsi, also der Hauptopfergruppe, abzuwälzen. Das kam aber in Kigali ebenso schlecht an wie bei einem Teil der französischen liberalen Presse. (Vgl. dazu http://www.trend.infopartisan.net/trd1206/t241206.html )  

Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen? 

 Nach wie vor liegen sämtliche diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Staaten auf Eis. Ende Juli dieses Jahres hatte es zeitweise so ausgesehen, als würden sie in Bälde wieder aufgenommen. Zuvor hatten die französischen Behörden am 20. Juli zwei mutmabliche prominenten Täter des Genozids, die auf französischem Boden leben, festnehmen lassen. Es handelt sich um den katholischen Priester Wenceslas Munyeshyaka – die ruandische Kirche war eine wichtige Stütze des Völkermordregimes – sowie den ehemaligen Präfekten der Provinz Gikongoro, Laurent Bucyibaruta. Beide lebten in französischen Provinzstädten in Zentralfrankreich sowie im Burgund, der Abbé Munyeshyaka hat an seinem Wohnort, in Gisors, ein Priesteramt inne. 

Gegen beide liefen bereits seit 1995 respektive 1999 strafrechtliche Ermittlungsverfahren. Doch der französische Staat verschleppte die Angelegenheit immer wieder. Wenn überhaupt, dann wollte er die beiden vom Internationalen Strafgerichtshof zu Ruanda – französisch TPIR – im tanzanischen Arusha verurteilt sehen, aber nicht selbst Urteile über sie fällen. Das TPIR seinerseits betrachtete die beiden Fälle zunächst als nicht prioritär, da es nach Willen der UN bis im Jahr 2010 die Tore schlieben muss und sich daher auf die führenden „Planer“ und Ideologen des Völkermords konzentriert. Der Priester und der Präfekt galten den Entscheidungsträger beim TPIR hingegen eher als Exekutanten, als ausführende Hände. Deshalb hat der Staatsanwalt beim Gerichtshof von Arusha, Hassan Bubacar Jallow, nun beantragt, Frankreich möge ihnen selbst den Prozess machen. Inzwischen haben Frankreich, Belgien sowie die Niederlande theoretisch akzeptiert, Prozesse gegen auf ihrem jeweiligen Staatsgebiet lebende Täter des ruandischen Völkermords zu übernehmen – dazu gibt ihnen das juristische Prinzip der „universellen Kompetenz“ im Falle von Völkermord grundsätzlich das Recht. Aber die Pariser Abendzeitung Le Monde urteilt, „niemand“ auber Ruanda wolle wirklich die Prozesse gegen die letzten verbleibenden, noch nicht verurteilten Hintermänner des Genozids führen. 

Hingegen opponierte der Repräsentant Ruandas beim Tribunal, Aloys Mutabingwa, gegen die Übergabe der Verantwortung für den Prozess an Frankreich. Er vertritt die Auffassung, aufgrund der eigenen Verstrickung Frankreichs in den Genozid könne das Land „nicht Richter und Partei zugleich sein“.  

Um die Genozidverdächtigen nicht entwischen zu lassen, beantragte der TPIR nun aber im Juni 2006, Paris möge die beiden inhaftieren, bis über den Ort ihres Prozesses entschieden sei. Die Verantwortlichen wollten nicht noch einmal eine Panne erleben wie im Fall des Ex-Ministers des ruandischen Völkermordregimes, Augustin Ngirabatware, der ebenfalls in Frankreich lebte. 1999 flog er wenige Stunden, bevor er verhaftet werden sollte, nach Gabun – dieser Staat fungiert seit langen Jahren als Drehscheibe des französischen Neokolonialismus in Afrika – aus. Offenkundig war er gewarnt worden.    

Dem Wunsch des TPIR kamen die französischen Behörden nun auch nach, was die ruandische Regierung sogleich begrübte (FUSSNOTE 3[3]) - auch wenn die Inhaftierung der beiden Herren, die in Ruanda für ihre Rolle beim Genozid in Abwesenheit verurteilt worden sind, reichlich „verspätet“ erfolge. Am Rande eines Besuchs des französischen Aubenministers Bernard Kouchner in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba Ende Juli 2007 (FUSSNOE 4[4]) wurde sogar angekündigt, der Minister könnte „in absehbarer Zeit, wenn sich die Dinge beruhigt haben“ auch das nahe gelegenen Ruanda besuchen. Kouchner fügte sogar hinzu: „So schnell wie möglich.“ Auch die Internationale Liga für Menschenrechte (FIDH) und ihre französische Sektion, LDH, die seit langem die Festnahme der beiden prominenten Genozidverdächtigen gefordert hatten, applaudierten. 

Doch dann machte das Pariser Berufungsgericht ihnen einen Strich durch die Rechnung. Im Namen des juristischen Prinzips der Unschuldsvermutung setzte es Munyeshyaka und Bucyibaruta am 1. August auf freien Fub. Die Richter betrachteten den im Juni vom TPIR ausgestellten internationalen Haftbefehl für unwirksam, so lange nicht über den Ort ihres Prozesses entschieden worden sei. Der katholische Priester hat seine mutmabliche Rolle beim Völkermord – Vergewaltigungen von Tutsi-Frauen, Auslieferung von versteckten Flüchtlingen an Milizionäre der Hutu-Extremisten – bisher stets abgestritten und behauptet, in seiner Gemeine hätten die meisten Tutsi überlebt. Hingegen besteht an der Rolle des ehemaligen Präfekten, die Planung des Genozids ebenso wie die Propaganda für ihn betreffend, nicht der Hauch eines Zweifels. 

Als Gradmesser für die mögliche Bereitschaft der neuen französischen Regierung, nun doch ernsthaft an der juristischen Aufarbeitung des Genozids in Ruanda mitzuwirken, könnte nun die Auslieferung von Isaac Kamali dienen. Der ehemalige hohe Beamte zur Zeit des Völkermords lebt im Raum Béziers und hat neben der ruandischen auch die französische Staatsbürgerschaft erworben. Im Jahr 2003 wurde er aufgrund seiner Beteiligung am Genozid durch ein Gericht im ruandischen Gitarama in Abwesenheit verurteilt. Bei seiner Rückkehr aus den USA im Juni wurde Kamali festgenommen und am 7. Juli 2007 in Auslieferungshaft genommen, für die Dauer der Prüfung eines Auslieferungsgesuchs aus Ruanda. Noch ist unklar, was aus ihm wird.

Im Hintergrund der langjährigen Zögerlichkeit der französischen Behörden, die Strafverfolgung von muitmablichen Tätern des ruandischen Genozids betreffend, steht die eigene Rolle ihres Staates. Aber langfristig wird es nicht gelingen, belastende Informationen darüber unter dem Teppich zu halten.  

Ein Berg von Archivmaterial taucht auf 

Neuer Schwung kam in die französische Diskussion, seitdem am 27. Juni dieses Jahres eine CD-Rom mit zahlreichen Unterlagen zur Diskussion und zu den Entscheidungen an der Spitze des Staates im Frühjahr 1994 aufgetaucht ist. An diesem Tag übermittelte der linke Anwalt Antoine Comte, der Überlebende des ruandischen Genozids als Nebenkläger vertritt, die Sammlung von Hunderten Dokumenten an das Pariser Militärtribunal (TAP). Dessen vorsitzende Untersuchungsrichterin – das war damals die sehr kritische Brigitte Reynaud, die inzwischen durch Florence Michon abgelöst worden ist - hatte im Dezember 2005 ein Ermittlungsverfahren gegen Angehörige der französischen Armee aufgrund ihrer ungeklärten Rolle in Ruanda eingeleitet. Es ging sowohl um Vorgänge im Rahmen der bilateralen militärischen Zusammenarbeit seit 1990, als auch während der späteren Opération Turquoise.  

Der französische Staat legte dabei mal wieder eine bemerkenswerte Unwilligkeit zum Handeln an den Tag. Am 13. Februar 2006 hatte die Untersichungsrichterin Brigitte Reynaud eine Bitte um internationale Amtshilfe an das Pariser Aubenministerium weitergeleitet: Letzteres sollte das Formular seinerseits an die ruandischen Behörden in Kigali weiterleiten, damit diese das in Frankreich eingeleiteten Untersuchungsverfahren mit dem ihnen zur Verfügung stehenden Dokumentenmaterial unterstützten konnte. Doch das Ersuchen um internationale Amtshilfe blieb über Monate hinweg im französischen Aubenministerium liegen. Dort befand es sich noch, als Kigali Ende November 2006 sämtliche diplomatischen Beziehungen zu Paris abbrach. Daraufhin gab es dann einen guten Grund für das Ministerium, das Ersuchen schlieblich -– am 13. Februar 2007, also nach genau einem Jahr –- an das Pariser Militärtribunal zurückzuschicken; Leider, leider könne man aufgrund des erfolgten Abbruchs der diplomatischen Beziehungen ja nun nichts mehr nach Ruanda schicken. Die ermittelnde Richterin manifestierte ihr „tiefstes Erstaunen“ (so die Formulierung in ‚Le Monde’ vom 02. Juli 2007) – und wandte sich daraufhin direkt an die ruandischen Behörden, anscheinend erfolgreich.            

Doch zahlreiches Hintergrundmaterial zu den Entscheidungen über die Einsätze in Ruanda, die vom damaligen Präsidenten François Mitterrand getroffen oder in seiner Umgebung diskutiert worden sind, lagerte bis kurz vor kurzem in Paris beim Institut François Mitterrand. Diese Einrichtung, die dem Gedenken an das 1996 verstorbene Staatsoberhaupt dienen soll, hatte seinerseits einen Berg von Archivmaterial an den Anwalt Antoine Comte weitergeleitet. Dies sind die Unterlagen, die von dessen Kanzlei auf eine CD-Rom gebrannt und Ende Juni an die Untersuchungsrichterin sowie an die Presse weitergeleitet worden sind.

Die Pariser Abendzeitung Le Monde hat die Dokumentensammlung ausgewertet und am 03. Juli 2007 Auszüge daraus auf einer Doppelseite veröffentlicht. Die liberale Zeitung kommt unter anderem zu dem Ergebnis: „Im Laufe der Jahre, die dem Genozid voraus gingen, hat der Elysée-Palast das Regime in Kigali unterstützt, trotz der Anzeichen, die die kommenden Massaker voraussagten.“ Präsident François Mitterrand, so schreibt der Journalist Piotr Smolar, habe mit „Sturheit“ den damaligen ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana – der kurz vor Beginn des Genozids mit dem Flugzeug abstürzte, aber unter dessen Herrschaft die Vorbereitungen dafür getroffen worden waren – unterstützen wollen. Deswegen, weil dessen Regime „als Damm gegen die Ausdehnung der anglo-amerikanischen Einflusssphäre in der Region“ (zu der das benachbarte Uganda gehörte, von aus die Tutsi-Rebellen der heutigen Regierungsparei Ruandische Patriotische Front PRF kämpften) „betrachtet wurde“. Deswegen habe man seit 1990 „die alarmierenden Anzeichen über die ersten Massaker vernachlässigt“. Die Vision der offiziellen Pariser Politik gegenüber Ruanda sei damals „durch die koloniale Geschichte der französischen Afrikapolitik geprägt“ gewesen. Also eine Vision, die Striche auf Landkarten zieht und Einflusssphären aufteilt, ohne sich wirklich für die dort lebenden Menschen zu interessieren.

Wird Frankreich die abgebrochenen Kontakte zum heutigen Ruanda wieder anknüpfen können? Das muss die nähere Zukunft erweisen. Derzeit scheint es bemüht, aus dem dunklen Schatten, den seine Politik in der jüngeren Vergangenheit wirft, herauszutreten. Im März dieses Jahres wurde das Asylgesuch der Präsidentenwitwe Agathe Habyarimana, die eine führende Rolle bei der Vorbereitung des Genozids spielte, in Frankreich unter Hinweis auf ihre Beteiligung am Völkermord abgelehnt. Nunmehr wird der Umgang mit den anstehenden juristischen Dossiers darüber entscheiden, wie die französische Politik in Kigali bewertet wird. 

Fussnoten

[1] Vgl. zur Arbeit an diesem Filmprojekt: ‚Le Monde’ vom 15. Juli 2007; ‚Télérama’ vom 25. August 2007.

[2] Jean-Louis Bruguière legte vor einigen Monaten sein Richteramt nieder, um im Juni 2007 als Parlamentskandidat für Nicolas Sarkozys konservative Regierungspartei UMP in Südwestfrankreich anzutreten. Bei der Stichwahl am 17. Juni dieses Jahres unterlag Bruguière dann aber in seinem Wahlkreis, den die Sozialdemokratie übernahm. Von allen Niederlagen, die ein Parlamentskandidat in diesem Jahr irgendwo einstecken musste, dürfte dies die am allermeisten verdiente gewesen sein.

[3] Der ruandische Aubenminister Charles Murigande begrübte das Ereignis mit den Worten: „Wirklich, Frankreich hat eine neue Regierung!“ Damit spielte er auf die Tatsache an, dass mit der jetzigen Regierungsmannschaft in Paris nunmehr eine Politikerriege amtiert, die nicht direkt in die Entscheidungsprozesse rund um Ruanda in den 1990er Jahren involviert war. Zuvor hatte etwa der seinerzeitige Aubenminister Alain Juppé (1993 bis 95) und spätere Premier Alain Juppé noch immer eine wichtige Rolle im neogaullistischen Lager gespielt, mindestens bis zu seiner Verurteilung in Sachen Korruption im Jahr 2004. Entsprechend war er durch seine Parteifreunde, und durch seinen ehemaligen Förderer und Gönner Jacques Chirac geschützt worden. Nicolas Sarkozy benötigtsolche Rücksichtnahmen nicht mehr so sehr. Zwar amtierte er 1994 selbst als Regierungssprecher, scheint aber die Vorgänge zu Ruanda eher als Aubenstehender (auberhalb der Beschlussfassungsprozesse) verfolgt zu haben. Insofern konnte die These plausibel werken, dass seit dem Amtswechsel im Elysée-Palast eine gewisse politische Öffnung – die auch das Eingeständnis französischer Schuld eventuell einschlieben könnte – möglich wäre. Dagegen spricht allerdings das Näheverhältnis Sarkozys zum ehemaligen Spezialrichter Jean-Louis Bruguière, vgl. weiter oben.

[4] Bernard Kouchner sprach sich dort u.a. für eine internationale Militärintervention am Horn von Afrika, im umkämpften Somalia aus. Wahrscheinlich, weil die letzte internationale Intervention in Somalia  (die im Dezember 1992 unter „humanitären“ Vorzeichen begann, nachdem Kouchner sich lautstark dafür eingesetzt hatte, und 1994 nach einem desaströsen Intermezzo mit dem schmählichen Abzug der US-Truippen endete) so gut funktioniert war und derart positive Ergebnisse hinterlieb. Harharhar...

 

Editorische Anmerkungen

Den Artikel erhielten wir am 3.9.07 vom Autor zur Veröffentlichung.