Eingebettete JournalistInnen im Deutschen Herbst

von
Peter Nowak
09/07

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In einer großen Blutlache liegt eine Waffe.  Es hätte gar nicht mehr des RAF-Symbols bedurft, um deutlich zu machen, dass das Nachrichtenmagazin „der Spiegel“   mit dieser Fotomontage auf dem Titelblatt für die Sonderausgabe zum Thema „30 Jahre deutscher Herbst“ wirbt. 

Zum runden Jubiläum  scheint keine Zeitung  ohne Sonderseiten und Beilagen zum Thema auszukommen. Der Spiegel-Herausgeber Stefan Aust hat sich allerdings  als geschicktester Resteverwerter der RAF erwiesen. Dabei hat er sogar den Hamburger Historiker Wolfgang Kraushaar überboten.

Doch der Neuigkeitswert bei den Spiegel-Sonderseiten hält sich in Grenzen. Immerhin wird noch einmal daran erinnert, dass die Abhörprotokolle vom Toten  Trakts im 7.Stockwerk des Stammheimer Gefängnisses, in dem die RAF-Gefangenen inhaftiert waren, bis heute nicht veröffentlicht sind. Die Freigabe fordert der ehemalige Anwalt von RAF-Gefangenen Christian Ströbele seit Jahren.

In einem Interview mit der Wochenzeitung „Freitag“ hat der heutige Grünen-Politiker  kürzlich betont, dass für ihn die Ereignisse in der Stammheimer  Todesnacht am 18.10.1977, bei der  Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl Raspe tot und Irmgard Möller schwer verletzt aufgefunden wurde,  nicht aufgeklärt sind, bis sämtliche Dokumente offen gelegt sind. Damit steht Ströbele heute sehr allein. Denn trotz des Rummels um den Deutschen Herbst ist das  Interesse an den Geschehnissen gering. Die Tageszeitung, einmal mit dem Anspruch angetreten,  Organ der Gegenöffentlichkeit im Deutschen Herbst zu sein, veröffentlichte vor 14 Tagen ein Dossier   zum Herbst 1977, in dem weder ein ehemaliger Gefangener noch      ein Anwalt zu Wort kamen. Ansonsten ist dort in den letzten Wochen vor allem Jan Feddersen für die Berichterstattung über die RAF zuständig. Der macht in seinen Beiträgen immer wieder   deutlich, dass für ihn die RAF-Mitglieder sowieso nur Kriminelle waren, von denen er sich   schon in den 70er Jahren belästigt gefühlt hat.  Kritische Fragen zu den Haftbedingungen oder gar den Todesumständen der Gefangenen  wird man in seinen Beiträgen vergeblich suchen. Dafür findet sich dort die geballte Häme und  Verachtung, der stellenweise in offenen Hass umschlägt, auf alle, die nicht das Loblied über das angeblich so zivilisierte  Deutschland singen.

Eine Korrespondentin der  Frankfurter Rundschau ließ in einer  Reportage über eine  Visite im Toten Trakt ausführlich die Gefängnisbeamten zu Wort kommen. Mit keinem Wort erwähnte sie, dass die einzige  Überlebende des 18.10.77  Irmgard Möller  vor mehr als 10 Jahren  in einem ausführlichen Interview mit dem Journalisten Oliver Tolmein ihre Version der Geschehnisse dargelegt hat. Dort weist Möller jede Selbsttötungsabsicht zurück.  Unabhängig von der Bewertung ihrer Aussage, ist das völlige Totschweigen ein Armutszeugnis für einen kritischen Journalismus,

Dem ehemaligen RAF- Gefangene Ron Augustin und der Stiefschwester von Ulrike Meinhof   Anja Röhl blieb es vorbehalten,  in Beiträgen in der  jungen Welt daran zu erinnern, dass  Anwälte, Ärzte und Architekten aus verschiedenen Ländern Widersprüche zur  offiziellen Version der Stammheimer Todesnacht und zum Tod von Ulrike Meinhof  zusammengetragen haben. Die Texte  sind noch erhältlich, werden aber in kaum einen der vielen Beiträge zum Deutschen Herbst auch nur erwähnt.

Nur der Terminus „Deutscher Herbst“, vor 30 Jahren von  Intellektuellen als Kritik an die Einschränkung von Meinungs- und Freiheitsrechten geprägt, hat sich durchgesetzt. Doch der kritische Impetus ist bei den eingebetteten Journalisten unserer Tage verloren gegangen.  

Editorische Anmerkungen

Der Autor schickte uns am 16. 09. 2007 den Artikel zur Veröffentlichung.