Die Antifa auf der Suche nach der emanzipatorischen Islamkritik
Muss die Linke ihre Islamkritik dann besonders deutlich herausstellen, wenn die Rechten einen europaweiten Anti-Islamkongress vorbereiten – eine Polemik?

von
lesender arbeiter

09/08

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Könnte man sich vorstellen, dass Neonazis eine Demonstration gegen Ausländerkriminalität organisieren und die Antifa lädt auf einen Kongress zur Gegenmobilisierung ReferentInnen ein, die behaupten, dass es keinen Rassismus in Deutschland gibt und dass man auf sich auch als Linker  damit befassen müsse, dass es kriminelle AusländerInnen gibt und dass die Rechten davon profitieren würden, wenn die  Linke das Thema nicht selber ansprechen würde? Das wäre natürlich absurd. Dann käme zumindest der Vorwurf, dass man auf die Themen der Rechten einsteigt.

Doch wenn die Rechtspopulisten  ausgewählte Faschisten zum Anti-Islamismuskongress nach Köln einladen, gibt ein Teil der Antifabewegung ihre alten Grundsätze auf, nie und nimmer auf die Themen der Rechten einzusteigen. Am Wochenende wurde unter dem Titel „Feel the difference“ zu einem Antifakongress nach Köln eingeladen, der als  Beitrag zur Gegenmobilisierung gegen den rechten Aufmarsch angekündigt war. Viele Beitrage erfüllten diese Funktion. Doch warum wurden Referenten (es waren hier nur Männer) eingeladen, die ganz eindeutig behaupten, es gäbe in Deutschland keine Islamophobie bzw. keinen antimoslemischen Rassismus. Dazu gehört der Referent Alex Feuerherdt. „Einige seiner Veröffentlichungen im Bereich Politik beschäftigen sich mit dem Islam und dessen Kritik. Insbesondere kritisiert er den Begriff „Islamophobie“ und die Linke für ihre Verteidigung des Islam,“ heißt es in dem Faltblatt zur Konferenz.

Nun kann man den VeranstalterInnen nur zustimmen, dass eine emanzipatorische Linke   wieder zu einer Kritik der Religion und damit auch des Islam kommen muss. Doch auf der Konferenz wurde eben nicht eine Religionskritik geübt, sondern eine Islamkritik. Das aber ist ein grundlegender Unterschied. Während Religionskritik sich generell gegen eine  Zwangsvergemeinschaftung richtet, wendet sich eine Islamkritik nur gegen eine Spielart der Religion und kann schnell zur Verteidigung des „christlichen Abendlandes“ oder wie es auch in der Rechten politisch korrekt heißt des „christlich-jüdischen Abendlandes“ werden.    

Auch die KongreßveranstalterInnen haben manche problematische Herleitung einer vermeintlich linken Islamkritik erkannt. Ein Referent wurde sogar kurzfristig ausgeladen, weil er seinen Text im Umfeld von Autoren der neurechten Wochenzeitung Junge Freiheit gedruckt hat und sich davon auch nicht distanzieren wollte.

Nun ist eine Religionskritik für die Linke generell zu empfehlen, bei uns natürlich in erster Linie eine Kritik des Christentums, aber auch eine Islamkritik. Warum aber muss man das machen, wenn die Rechten einen Anti-Islamkongress planen? Wenn man aber denn auch da eine Islamkritik machen will, warum dann Referenten einladen, die Islamophobie und islamischen Rassismus leugnen, also damit im Grunde dem rechten Aktivitäten   bescheinigen, weder antiislamisch noch islamophob zu sein? Bei wem will denn eine Antifa glaubwürdig werden, wenn sie sich in ihrer Gegenmobilisierung zum rechten Kongress auch der Islamkritik befleißigt? 

Ein kurzer Rückblick

 Das könnte sich dann ja nur um die deutsche Mehrheitsbevölkerung handeln. So ein Verhalten hätte die Antifa vor 10 oder 15 Jahren noch als Kollaboration    mit den deutschen Verhältnissen bzw. den deutschen Mob bezeichnet. Mitte und Ende der 90er Jahre fuhr die Metropolen-Antifa gerne mal Samstagnachmittag zur verbalen Strafexpedition in kleine Orte, wo eine relevante Bevölkerung beispielsweise gegen die Unterbringung von Flüchtlingen hetzte. Dolgenbrodt und Gollwitz waren einige dieser Orte, die kurz bekannt und schnell wieder vergessen wurden. Damals hätte man ja auch so argumentieren können. Die BewohnerInnen sind vielleicht rassistisch und wollen aus den    falschen Gründen die Unterbringung von Flüchtlinge in ihren Dörfern verhindern. Doch objektiv unterstützen sie mit ihren Widerstand auch die Interessen der Flüchtlinge, denn die wollen natürlich überhaupt nicht in die kleine Orte, wo sie wegen der Residenzpflicht nicht mehr wegkommen. Also muss man sich mit den BewohnerInnen zusammensetzen und vielleicht mit den Vernünftigeren eine Demo oder Kundgebung gegen die Zwangseinweisung von Flüchtlingen und ihr Recht auf freie Wahl ihres Aufenthaltsortes organisieren. Dann kommen sie nie in die Dörfer und die BewohnerInnen hätten wieder ihre deutsche Ruhe.      Ob eine solche Aktion geklappt hätte, ist ungewiss. Es kam nie zur Probe aufs Exempel.  Denn vor 10 – 15 Jahren wäre ein solcher  Vorschlag  in Antifakreisen nicht möglich gewesen. Der vorherrschende Diskurs wollte „den deutschen Konsens“ oder „den deutschen Normalzustand“ brechen und dafür wurde stillschweigend in Kauf genommen, dass man dadurch, dass man die Dorfbevölkerung zum Hauptfeind erkoren hatte, sogar zumindest stillschweigend die  rassistische Flüchtlingspolitik aus der Schusslinie nahm und den Interessen der Flüchtlinge letztlich nicht diente. Die haben von Hassdemos gegen eine Bevölkerung, mit der sie so wenig zu tun haben wolle wie diese mit den Flüchtlingen, nämlich wenig Vorteile.  

Vorhut für Pro-Köln     

Im Jahr 2008 hat sich der Diskurs in der Antifabewegung wesentlich verschoben.  Nicht mehr die Kollaboration mit   der deutschen Bevölkerung sondern mit dem Islamismus oder auch dem Islam ist bei einigen das Hauptthema. Am Weitesten voran in die deutsche Volksgemeinschaft ist wieder einmal die Bahamas gegangen. Für die ist der Kongress vom Wochenende  noch zu stark von Linken beeinflusst. Die organisieren am 18. September  um 19.30 Uhr im Asta-Cafe Unicum, Raum C, Universitätsstraße 16a in Köln   als Auftakt der rechten Anti-Islamaktivitäten in Köln eine Veranstaltung gegen Antirassismus und Islamismus. Gleich der erste Satz zeigt, dass hier die Vorhut von Pro-Köln am Werk war.  

„Seit der Kölner Rat per Beschluss den Bau der Ditib-Moschee endgültig abgesegnet hat, ist jedes Leugnen von antirassistischer Seite zwecklos. Was ohnehin jeder wissen konnte, der es wissen wollte, hat nun die demokratischen Weihen erhalten: die Mehrheitsverhältnisse sind auch in Köln fest im Bunde mit den Protagonisten und Förderern des Antirassismus.“ 

Hier könnte sich die Antifa schon mal warmlaufen, für ihre Aktivitäten gegen die rechten Anti-Islamhetze. Denn dass es hier nicht um emanzipatorische Islamkritik sondern um Formulierungshilfe für Pro-Köln handelt, ist bei einer Gruppe nicht verwunderlich, die Hetzartikel von Oriana Fallaci abgedruckt hat, die mittlerweile von mehreren Bürgermeistern der Lega Nord mit  als Namensgeberin von Plätzen und Straßen in norditalienischen Städten vorgeschlagen wurde. Die Lega Nord gehört zu den Teilnehmern des rechten Anti-Islamkongresses.       

Die meisten auch der islamkritischen Referenten des Antifa-Kongresses haben mit   den neuen  Rechten der Bahamas nichts mehr zu tun. Die Trennung gab es vor einigen Jahren. Allerdings nicht wirklich konsequent. So kann die Gruppe noch immer in der Jungle World  für ihre Veranstaltungen und ihre Zeitungen werben. Das Argument, dass es bezahlte Anzeigen sind, zählt nicht. Würde man auch von der Jungen Freiheit Geld nehmen? Spätestens nach den letzten auch in der Konkret dokumentierten Ausfällen gegen Linke und gegen migrantische Jugendliche sollte nun endlich ein konsequenter Trennungsstrich gezogen werden.  Das sollte die Grundvoraussetzung für eine emanzipatorische Linke sein.

Ansonsten wird sich bei den realen Gegenaktionen zeigen, ob da nicht mancher Erkenntnisgewinn zu erzielen ist, der auch nicht durch noch so ausführliche Kongresse zu erlangen ist. Beispielsweise, dass nicht jede  oder jeder Moslem Islamist ist. Oder dass auch Muslemas mit Kopftuch sehr wohl gegen die Rechten in den verschiedenen Facetten aktiv werden können. Dann wäre es vielleicht  auch der emanzipatorischen Linken mal möglich, mit dem hier lebenden Menschen moslemischen Glaubens in Kontakt zu kommen und zu erfahren, was die neben ihrem falschen Bewusstsein, sprich ihrer Religion, sonst noch drauf haben.  Auf dem Kölner Kongress zumindest hat man weder auf ReferentInnen noch auf Publikum mit moslemischen Hintergrund großen Wert gelegt. Die  linksdeutsche Leitkultur dominierte dort genau so, wie in  der  Tristeza, einem emanzipatorischen Treffpunkt in Nord-Neukölln in Berlin. Dort debattierte mensch kürzlich über die Rolle des Kopftuches mit einer iranischen Linken. Sehr viel vernünftiges wurde dort gesagt. Doch auch hier blieb die linksdeutsche Leitkultur gewahrt. Niemand von den vielen Nachbarn mit arabischen Hintergrund war dort zu finden.

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Text vom Autor zur Veröffentlichung in der Septemberausgabe.