Organisation für den Aufbau einer kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands

Bundestagswahl 2009: Nach den Wahlen kommt das Zahlen!

09/09

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Am 27. September ist Bundestagswahl.

Bis dahin versucht die CDU/CSU/SPD-Regierung, so gut sie kann, über die Runden zu kommen und die Menschen mit der Hoffnung einzulullen, dass schon alles nicht so schlimm wird.

Ein paar hundert Milliarden Euro Staatsschulden mehr? Macht nichts!

Trotzdem wackelnde Banken und Versicherungen? Macht Euch den Kopf nicht zu schwer! Irgendwie wird es schon weitergehen.

20-30% Produktionsrückgang? Kein Problem, es ging ja im Vormonat mal wieder um 3% hoch.

Renten unsicher? Wir verabschieden schnell noch eine gesetzliche „Rentengarantie“. Was daraus in den nächsten Jahren wird? Bitte nicht nachdenken!

Gesundheitswesen? Da haben wir wieder mal eine „Reform“ zusammengeflickt. Das Gesundheitsnetz ist zwar schon etwas löchrig, aber es wird schon halten.

Legt Euch ruhig schlafen, liebe Bürger!

Wenn was schief geht, dann sind die anderen schuld!

Und wählt uns wieder!


Das sind Beruhigungspillen!

Denn: Nach den Wahlen kommt das Zahlen!

Schon jetzt ist klar: Die Rechnung für die schwere Krise des kapitalistischen Systems wird dem Volk nach den Wahlen präsentiert. Die vielen hundert Milliarden Euro Schulden, die der Staat für die Banken und Konzerne aufgenommen hat, müssen bezahlt werden. Schon jetzt wird vorsichtig das Lied „Den Gürtel enger schnallen“ angestimmt. Der Staatshaushalt soll „saniert“ und die Verschuldung heruntergefahren werden. Toll! Doch auf wessen Rücken soll „saniert“ werden?

Auf dem Rücken der Arbeiter und Angestellten, der Jugend, der Rentner, der Bauern!

Als erster Testballon wurde von SPD-Finanzminister Steinbrück die Rentengarantie in Frage gestellt. Dafür sei kein Geld da. Derselbe Steinbrück war jedoch ausgesprochen munter dabei, als an die Banken und Konzerne Milliarden verteilt wurden. Dafür war Geld da. Unterstützung erhielt Steinbrück sofort aus verschiedenen Parteien wie auch der CDU/CSU und vom Arbeitgeberverband.

Ebenso dachten „Experten“ der Bundesbank über die Erhöhung des Rentenalters auf 69 nach.

Man braucht nicht viel Phantasie, was nach den Wahlen noch alles kommen wird: Kürzungen im Gesundheitswesen, im Bildungsbereich, bei den Arbeitslosen sowie Steuererhöhungen.

Gerade in der Krise hat sich gezeigt, dass die Regierung fest unter der Fuchtel des Kapitals steht. Deutsche-Bank-Chef Ackermann war Krisenberater von Frau Merkel. Die Regierung hat seine Vorschläge umgesetzt. Die, die die Krise herbeigeführt haben, haben mit der Regierung als ihrer Marionette den Staatshaushalt zu ihrer Reservekasse gemacht.

Es zeigt sich deutlich, dass der Staat nicht über den Klassen steht, sondern Partei ergreift. Bei den Ausgaben wird im Bereich Soziales gekürzt, im Bereich Subventionen für die Banken und Konzerne üppig Geld ausgegeben. Bei den Einnahmen hingegen werden die immer jammernden Unternehmen mit Steuersenkungen entlastet, während man gleichzeitig die breite Masse zur Sanierung heranzieht.

So war es auch nach der letzten Wahl, wo umgehend und unter Bruch der Wahlversprechungen von CDU/CSU und SPD die Mehrwertsteuer auf 19% erhöht wurde.

Tatsächlich steht das Kapital über jeder Regierung. Es hat mehr Macht! Mit seinen Entscheidungen über Produktionsstandorte, Entlassungen, Verkäufe, Zusammenschlüsse, Stilllegungen, Löhne, Arbeitsbedingungen usw. hat es mehr Einfluss auf das Leben der Menschen als Bundesregierung und alle Landesregierungen zusammen. Real muss sich jede Regierung dem Kapital beugen.

Man nehme die Außenpolitik, wo die Regierung gegen den Willen der Mehrheit des Volkes die Bundeswehr in aller Welt wie z. B. Afghanistan einsetzt, um die Großmachtinteressen des Kapitals durchzusetzen. Man nehme die Umweltpolitik, wo immer wieder wie beispielsweise bei Atomkraftwerken die Profitinteressen an erster Stelle stehen. Atomkraftwerke laufen munter weiter, obwohl es bis heute keine sichere Entsorgung für die riesigen Mengen lebensgefährlichen radioaktiven Müll gibt – und wohl auch nie geben wird. Man nehme den Abbau demokratischer Rechte und den zunehmenden Überwachungsstaat, der die einfachen Menschen als Feind behandelt und das Großkapital schützt. Überall stehen die Interessen des Kapitals vorne.

Die Regierungen sind aber nicht gezwungenermaßen sondern gern dem Kapital zu Diensten. Viele Minister und Staatssekretäre kommen aus der Wirtschaft oder wechseln nach Verlust ihres Amtes auf einen gut bezahlten Posten in die Wirtschaft. Auch im Herbst werden wir zusehen können, wie sich mancher „Ehemalige“ – egal aus welcher Partei - ein warmes Plätzchen in der Industrie oder bei den Banken sucht und umgekehrt Vertreter von Industrie, Banken und Wirtschaftsverbänden einen neuen Platz im Regierungsapparat finden.

Darüber hinaus hat die Wirtschaft über Lobbyisten, Büros, Beraterverträge usw. einen ständigen Einfluss auf die Politik.

Dem Kapital muss daher vor dem Wahlergebnis im Herbst nicht bange sein. Egal wer gewinnt, es behält die Zügel in der Hand.

Nur auf die eigene Kraft gestützt können wir etwas erreichen!

Auch wenn das Kapital und sein Staat es schaffen sollten, diese Krise zu überwinden, dann werden nur die Unternehmen überleben, die noch mehr rationalisieren, den Arbeitstakt verschärfen, die Löhne am stärksten senken, unterlegene Konkurrenten schlucken, umstrukturieren, sämtliche Kosten senken und den höchsten Profit rauspressen. Das heißt, selbst wenn das Kapital seine Krise übersteht, wird die Situation für die Arbeiter und Angestellten, die Bauern, die Jugend, die Rentner usw. noch schlimmer werden und die Zahl der Arbeitslosen wird erheblich steigen.

Das Wichtigste ist deshalb nicht, wer uns ab Herbst regiert, sondern was wir selber tun, um für unsere Interessen zum kämpfen.

Mit der Krise des kapitalistischen Systems einher geht ein zunehmender Abwehrkampf der Arbeiter, der Angestellten, der Jugendlichen, Arbeitslosen, Rentner und anderer Teile des Volkes, die ihre Interessen gegen die wachsenden Angriffe des Kapitals und seines Staates verteidigen. Erste  bundesweite und regionale Großdemonstrationen, spontane Streiks und Aktionen haben hunderttausende erfasst und Millionen Menschen politisch erreicht und beeinflusst. Auch wenn sich diese Bewegung nicht immer stabil und gleichmäßig entwickelt, so ist sie doch nicht mehr weg zu bekommen. Sie wird unter dem Druck des Kapitals, des Staates, der Medien sicher mal schwanken, Fehler und Mängel haben. Aber sie ist nicht mehr klein zu kriegen und wird sich mit den zunehmenden Angriffen weiterentwickeln.

Die Stärkung dieser Massenbewegung ist eine der wichtigen Aufgaben für alle fortschrittlichen Kräfte in unserem Land und nicht das Ergattern von Parlamentssitzen. Denn dort entscheidet man, so Marx „einmal in drei oder sechs Jahren…, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk im Parlament ver- und zertreten soll…“ (in: Lenin, Staat und Revolution) Das bedeutet allerdings nicht, dass Wahlen unbedeutend sind. Denn derselbe Marx forderte, „dass überall neben den bürgerlichen demokratischen Kandidaten Arbeiterkandidaten aufgestellt werden,... deren Wahl mit allen möglichen Mitteln zu betreiben ist. Selbst da, wo gar keine Aussicht zu ihrer Durchführung vorhanden ist, müssen die Arbeiter ihre eigenen Kandidaten aufstellen, um ihre Selbständigkeit zu bewahren, ihre Kräfte zu zählen, ihre revolutionäre Stellung und Parteistandpunkte vor die Öffentlichkeit zu bringen.“ (Marx/Engels: Ansprache der Zentralbehörde an den Bund vom März 1850)

Klar ist, dass die Parteien wie CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne, die seit Jahren treu und brav die Arbeit für das Kapital erledigen, nicht wählbar sind.

Von den zur Wahl stehenden Parteien entsprechen die Forderungen der Linkspartei in einer Reihe von Punkten den Forderungen und Interessen der sich entwickelnden Bewegung aus Arbeiter, Angestellten, Arbeitslosen, Bauern, Jugendlichen, Rentnern usw.

In ihrem Wahlprogramm fordert sie beispielsweise eine Millionärssteuer, die Abschaffung von Hartz IV, Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich, einen Mindestlohn von 10 Euro.

Doch grundsätzlich steht „Die Linke“ für „die Marktsteuerung von Produktion und Verteilung“ (S.5), also für den Erhalt des kapitalistischen Systems. Zwar stehen im Wahlprogramm von „Die Linke“ viele Worte über ein angeblich neues Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Doch dies soll im Kern ein staatlich gebändigter Kapitalismus sein.

So heißt es in dem Wahlprogramm:

Die gewählten Repräsentantinnen und Repräsentanten des Volkes müssen den Unternehmen die Ziele des Wirtschaftens und einen klar definierten Rahmen vorgeben. Deshalb treten wir für eine neue Wirtschafts- und Sozialordnung ein.“
 

Also: Der Kapitalismus soll weiter bestehen. Das ist keine „neue Wirtschafts- und Sozialordnung“, sondern die „soziale Marktwirtschaft“ der Sozialdemokratie, wie sie seit Jahrzehnten propagiert, aber nie verwirklicht wird, weil der Kapitalismus eben als System nach Profit und Höchstprofit strebt und auch streben muss.

Nicht ermutigend sind auch die Führungsfiguren der Partei „Die Linke“: Gregor Gysi und Oskar Lafontaine. So trat Lafontaine Ende der 80er Jahre für „Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich“ ein. Ende Juni 2005 wiederholte er diese Forderung in einem Interview der Süddeutschen Zeitung. In Vorwegnahme von Hartz IV verlangte er 1981 in der BILD: „Eine angebotene Arbeit muss angenommen werden. Sonst wird die Sozialhilfe gekürzt.“ Dass Lafontaine mehrfach und ohne jede Entschuldigung über „Fremdarbeiter“ schimpfte und androhte, allen jenen die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, die nicht „die deutsche Sprache sprechen“, macht es nicht besser. Diverse Skandale kommen bei Lafontaine und Gysi hinzu. Wie sollen auch Millionäre die Interessen der Arbeiter und des Volkes vertreten können?

Trotz alledem wissen wir, dass es in der Partei „Die Linke“ fortschrittliche Kräfte gibt, die ernsthaft und ehrlich für die Forderungen der Arbeiter und des Volkes eintreten. Die Massenbewegung wird sich weiterentwickeln, egal wie sich „Die Linke“ entwickelt. Mit der Entwicklung der Massenbewegung wird sich auch deren politischer Druck erhöhen. Allerdings wird das Kapital ebenso wenig untätig zuschauen, sondern mit allen Mitteln des Drucks, der Korruption, der parlamentarischen Pöstchen und Verlockungen auf „Die Linke“ einwirken. Daher wird es zwangsläufig in ihr zu einer Auseinandersetzung kommen, ob man sich anpasst und nach Pöstchen giert oder ob man ehrlich und ernsthaft die nun im Wahlkampf verkündeten Forderungen umsetzt.

Alle fortschrittlichen Kräfte, insbesondere die Arbeiterklasse sollten von „Die Linke“ diesen Einsatz für die eigenen Forderungen verlangen und sie kompromisslos daran messen, was sie real für die allmählich wachsende Bewegung tut. Und die fortschrittlichen Kräfte innerhalb „Die Linke“ werden immer deutlicher entscheiden müssen, ob sie wirklich für ihre Überzeugungen und Forderungen eintreten oder ob sie einen Anpassungskurs mitmachen.

Trotz aller genannten Kritiken halten wir eine Wahl von „Die Linke“ aus mehreren Gründen für richtig und sinnvoll:

- Auf „Die Linke“ ruhen große Hoffnungen auch aus den Reihen der Arbeiterklasse. Im Bundestag muss sie schneller Farbe bekennen, was sie real tut. Entweder sie kämpft, gestützt auf die Massenbewegung, wirklich für deren Forderungen oder sie entlarvt sich selbst und die Illusionen in sie verfliegen rascher. Das würde langfristig die Entwicklung der Bewegung und die Herausbildung einer revolutionären Arbeiterpartei erleichtern, die so schmerzhaft fehlt.

- In der zurückliegenden Wahlperiode haben einzelne Linke-Abgeordnete, ehrlich und ernsthaft die Forderungen der Bewegung im Parlament vertreten. Damit hatte die Arbeiterklasse eine – wenn auch schwache - Stimme, die öffentlich hörbar war. Alle fortschrittlichen Kräfte können gemeinsam diese Positionen für die Weiterentwicklung des Kampfes nutzen.

- Es ist zu erwarten, dass die parlamentarische Tätigkeit in der Partei „Die Linke“ zu einer inneren Differenzierung führt. Ein voraussichtlich großer Teil wird, wie wir es schon von den Grünen kennen, sich dem System anpassen und mit ihm verschmelzen. Wir wissen nicht, wie lange ein solcher Prozess dauern wird, aber er wird stattfinden. Ebenso wird ein wahrscheinlich kleinerer Teil dieses Bündnisses durch die Erfahrungen nach links rücken.

All das kann die Entwicklung der Arbeiterklasse, das Voranschreiten der entstehenden Bewegung fördern. Voraussetzung dafür ist, dass die fortschrittlichen Kräfte dem Linksbündnis nicht blind folgen, sondern offen und klar die berechtigten Forderungen der Arbeiter und des Volkes vertreten, deren Durchführung verlangen und die Arbeit des Bündnisses, ob im Parlament oder außerhalb, sachlich und entschieden daran messen.

Deshalb haben wir uns entschieden, die Landeslisten von „Die Linke“ mit der Zweitstimme zu wählen.

Die Erststimme sollte nach Prüfung nur solchen Wahlkreiskandidaten gegeben werden, die ehrlich und ernsthaft die Forderungen der Arbeiterklasse und des Volkes vertreten. Das können auch Kandidaten anderer Listen wie z.B. der MLPD sein. Bekommen so klassenkämpferische Kandidaten deutlich mehr Erststimmen, so ist das auch ein Zeichen für den Willen der Arbeiter und es stärkt deren Position innerhalb ihrer Liste. Die Wahl von Kandidaten wie Lafontaine, Gysi und dergleichen per Erststimme können wir nicht empfehlen.

Zugleich werden wir auch in Zukunft offen unsere Kritik vorbringen, wo immer es nötig ist. Ebenso werden wir noch deutlicher und entschiedener vertreten, dass die gegenwärtige Krise der kapitalistischen Gesellschaft nicht durch alte sozialdemokratische Illusionen von einer „sozialen Marktwirtschaft“ und durch eine Bändigung des Kapitals gelöst werden kann, sondern nur durch die Beseitigung des Kapitalismus und eine neue, sozialistische Gesellschaft.

Entscheidend wird jedoch sein, den Widerstand gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die Arbeiter, Angestellten, Bauern, Jugend, Rentner usw. über den Wahltag hinaus weiter zu entwickeln. Unser Kampf darf nicht vom Wahlergebnis abhängig sein. Im Gegenteil! Nach der Wahl wird ein Kampf gegen die Krisenpolitik des Kapitals und seines Staates noch notwendiger. Je mehr sich die Arbeiterklasse wie auch die anderen Teile des Volkes auf ihre eigene Kraft besinnen und für ihre Interessen selber eintreten, umso mehr wird ihre Kraft wachsen! Diesen Weg zur Organisierung des Kampfes werden wir nach Kräften unterstützen.

Editorische Anmerkungen

Dee Text erschien am 25.8.09 in der Webzeitung "Arbeit-Zukunft". Wir spiegelten von dort.