Fest der Völker 2009
Hintergrundinterview mit Jan Raabe und Christian Dornbusch

von actionnetwork

09/09

trend
onlinezeitung

Die beiden Experten für rechtsradikalen Musik- und Lebenstil, Jan Raabe und Christian Dornbusch gaben ein recht differenziertes Interview (für die Uni-Zeitung Akrützel) zum Thema Nazievents und besonders zum diesjährigen Fest der Völker in der Thüringer Kleinstadt Pößneck.

Welche Bedeutung haben Konzerte wie das „Fest der Völker“ für die NPD?

Events wie das Fest der Völker sind für die NPD extrem wichtig. Dabei sind zwei Aspekte von besonderer Bedeutung. Einerseits gelingt es der NPD mittels dieser Events mehr Jungendliche zu ihren Wahlkampfveranstaltungen zu mobilisieren als irgendeiner anderen Partei und sie bringt junge Menschen dazu sich tatsächlich die Reden der NPD-Propagandisten anzuhören – auch wenn sie eigentlich eher wegen der RechtsRock-Musik gekommen sind. Zum anderen kann sich die NPD mittels dieser Events als Partei der Jugend darzustellen, da sie die Vorlieben ihre sehr rechts eingestellten jungen Anhänger eingeht und ihnen etwas anbietet, war originär aus ihrer Lebenswelt kommt. Dieses Vorgehen ist wohl tatsächlicher wichtiger als jugendspezifische Forderungen im Parteiprogramm zu haben, die dort im Übrigen eh Mangelware sind.

Die Mischung aus Wahlkampf und Event – aus Reden und Konzerten – stellt das eine neue Qualität am rechten Rand dar?

Ganz neu ist das nicht, aber es ist ein Phänomen, dass sich erst in den letzten zehn Jahren entwickelt hat. Die neue Qualität liegt in der Zahl der mobilisierten Anhänger, welche bei solchen Events oftmals weit über der von anderen Veranstaltungen liegt, also im Vergleich beispielsweise zu Aufmärschen.

Nach dem Großereignis in Gera mit über 4000 Nazis beim „Rock für Deutschland“ - was meinen Sie, wieviele Neonazis zum Fest der Völker kommen? - bzw. verliert das FdV in Thüringen innerhalb der Szene an Bedeutung?

Das ist schwer zu sagen, wir denken, es wird sich im Rahmen der Vorjahre bewegen. Aus der Bandauswahl lässt sich noch nicht rückschließen, wie es in Gera mit der Ankündigung der Lunikoff Verschwörung der Fall war, ob es dieses Jahr wesentlich mehr werden als in den vergangenen Jahren. Rotte Charlotte und Eternal Bleeding, die dieses Jahr als deutsche Bands auf dem FdV auftreten sollen, sind in der Szene beliebt, ebenso wie die Verszerzödes aus Ungarn, Preserve White Aryans (PWA) aus Estland und Brigada 1238 aus Spanien, doch, wie gesagt, an die Beliebtheit von Lunikoff reichen sie nicht heran. Im Übrigen glauben wir nicht, dass das FdV an Bedeutung verliert. Es konnte sich in Thüringen, wenn auch mit Schwierigkeiten, in den letzten Jahren etablieren – sicherlich nicht so gut wie das Rock für Deutschland, da den Veranstaltern des FdV stark von Seiten der Zivilgesellschaft entgegen getreten wurde. Das erschwert es den Neonazis, derartige Festivals durchzuführen.

Wieso findet das diesjährige FdV in der Thüringer Kleinstadt Pößneck statt?

Da können auch wir leider nur spekulieren. In ihrer Werbung bestätigen die Veranstalter des FdV nicht mal Pößneck. Wir denken, dass sie die Veranstaltungsorte nach verschiedenen Kriterien auswählen. Dazu gehört die Überlegung wie viel Gegenaktivitäten zu erwarten ist, ob sie vor Ort bzw. in der Region Strukturen haben, welche die praktischen Arbeiten mit übernehmen können etc. Vielleicht hat es auch etwas mit Jürgen Rieger zu tun, der ja in Pößneck die Schützenhalle besitzt, in der ja schon 2005 das Abschiedskonzert von Lunikoff stattgefunden hat. Von daher hat Pößneck quasi schon einen „guten Klang“ in der Nazi-Szene.

Warum etablierte sich überhaupt so ein Nazimusikfestival unter dem Namen Fest der Völker in Thüringen - und kann schon zum vierten mal stattfinden?

Ein solches Festival kann sich dann etablieren, wenn einerseits das Programm so gut ist, dass es genug Teilnehmer anlockt, damit sich der Event politisch und finanziell rechnet. In diese Rechnung müssen auch die Gegenaktionen einbezogen werden. Es kommen weniger Besucher, wenn im vorhinein nicht sicher ist, ob das Festival überhaupt durchgeführt werden kann oder ob es nicht doch noch untersagt wird und es kommen weniger, wenn es vor Ort starke Gegenaktivitäten wie beispielsweise Blockaden der Zivilgesellschaft gibt – das vermiest den Leuten schon ein wenig das Fest. Dennoch ist es so, dass es bisher immer noch passte für die Besucher, was wohl auch an der internationalen Ausrichtung liegt und den Versuchen der Veranstalter, ein vielfältiges Programm zu bieten. Aus unserer Perspektive ist allerdings unverständlich, warum das Fest stets ungestört von Seiten der Behörden über die Bühne gehen kann. Die Rede von Jürgen Rieger im letzten Jahr, in der er offen Hitler und den Nationalsozialismus verherrlichte, war unerträglich! Aber vielleicht ist es der Polizei bei einer solchen Teilnehmerzahl auch zu riskant einzuschreiten – das wäre aber ein Armutszeugnis für unsere Demokratie.

Wo liegen denn die historischen Bezüge dieses „Festes“? Der Name ist ja offensichtlich vom Leni Riefenstahl-Film abgeleietet, aber was steckt dahinter?

Schon der Name führt mit dem Bezug auf den Olympiafilm zurück in die Zeit des Nationalsozialismus. Stärker jedoch als die Bezüge auf Riefenstahl ist der Rekurs auf die SS, genauer auf deren Europakonzept. Diese Terrortruppe bietet sich für Neonazis vor allem an, weil sie keine rein „deutsche“ Organisation war. Ab 1942 wurden auch so genannte „germanische Divisionen“ der SS aufgestellt, wie z.B. die Division Wiking, in denen Nationalsozialisten aus diversen europäischen Ländern kämpften. Die SS hatte ein Europakonzept, in der zwar die Deutschen die Führungsrolle übernahmen, aber regionale Nationalsozialisten die Praxis bestimmen sollten. Der NPD-Parteivorsitzende Udo Voigt sprach übrigens 2007 auf dem FdV davon, dass am 8. Mai 1945 auch ein großer Europagedanke untergegangen sei. Damit rief er bei den Teilnehmer unseres Erachtens ganz bewusst in Erinnerung, dass die heute teilweise internationale Ausrichtung der neonazistischen Szene – wie zum Beispiel auch das FdV – seine Vorläufer im Nationalsozialismus hat. Der Bezug wurde z.B. durch die Bühnenbilder deutlich, welche aus dem Bereich der SS-Ikonographie kamen.

Gibt es Bands aus dem verbotenen Blood & Honour-Netzwerk?

Immer wieder spielen auf dem FdV Bands, die häufig in ihren Ländern mit dem Blood & Honour in Verbindung stehen, das in Deutschland verbotenen ist. Dabei geht es aber unserer Einschätzung nach weniger darum mittels des FdV in Deutschland das B&H Netzwerk weiterzuführen, sondern das sind einfach die Bands, die die Veranstalter gerne sehen möchten, nicht zuletzt weil sich diese Bands unverblümt zum Nationalsozialismus bekennen. Und solche finden sich international eben unter der Dach von Blood & Honour zusammen. Das sie in der BRD bei den Events der NPD auftreten zeigt nicht mehr und nicht weniger als den politischen Standpunkt der NPD.

Warum wird von Staatsseiten ein solches offensichtlich rechtsextremistisches Festival nicht einfach verboten?

Unseres Erachtens nach sehen die zuständigen Stellen nicht die Punkte, die gegebenenfalls für ein Verbot herhalten können. Doch das lässt sich vielleicht auch etwas sehr leicht sagen. Die rechtliche Anforderungen für ein Verbot sind hoch. Da müssen die Ordnungsbehörden wirklich sehr gründlich und innovativ sein, um die zu erfüllen und zwar so, dass sie dann vor Gericht, die in der Regel letztlich über ein Verbot entscheiden, Bestand haben. Die Gerichte siedeln die freie Meinungsäußerung sehr hoch an. Und es darf nicht vergessen werden, dass es sich beim FdV nicht um ein Rock-Konzert handelt, sondern um eine politische Veranstaltung, denen auf Basis des Grundgesetzes auch ein besonderer Schutz zukommt.

Neonazis sind jetzt schon seit mehreren Jahren nicht mehr einfach an Springerstiefeln und Bomberjacke zu erkennen – lockt das FdV auch neuere, aber deswegen nicht harmlosere Gruppierungen, wie die Autonomen Nationalisten nach Thüringen?

Schon im letzten Jahr waren viele Teilnehmer des FdV keine klassischen Skinheads mehr, sondern ähnelten auf den ersten Blick Teilen des linksalternativen Spektrums. Dieser neue Style darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei diesen Personen um Neonazis handelt, egal was sie an Kleidung tragen. Das erst das FdV diesen Style in Thüringen bekannt gemacht hat, glauben wir nicht. Die so genannten „Autonomen Nationalisten“ sind derzeit eine modische Erscheinungsform des neonazistischen Spektrums, deren Existenz und Auftreten in den letzten Jahren verbreitet hat.

Der Slogan der Veranstalter. „Für ein Europa der Vaterländer“ klingt im ersten Moment zwar bieder, aber dennoch vergleichsweise harmlos – welches Konzept versteckt sich denn hinter diesen Parolen?

Wie zuvor schon ausgeführt geht es unseres Erachtens nicht um das Konzept von Charles De Gaulle, der diesen Begriff eigentlich geprägt hat, sondern es geht um die Europakonzeption der SS. Das wurde übrigens in den letzten Jahren teilweise durch das Bühnenbild deutlich, für das die Organisatoren Bilder und Grafiken auf dem Bereich der SS verwendeten, die die multinationale Ausrichtung verdeutlichten.

Die Jenaer NPD war jahrelang einer der wichtigsten Initiatoren des FdV – dieses Jahr tritt sie aber weniger präsent in die Vorbereitung des Ereignisses – muss man das als Bedeutungsverlust deuten, oder gar als Zeichen eines Lagerkampfes innerhalb der Thüringer Rechten – wie auf Bundesebene?

Das FdV wird von NPD und Aktivisten so genannter „Freier Kameradschaften“ vorbereitet. Im letzten Jahr wurde es nach der Verlegung nach Altenburg vor allem von Kadern des „Freien Netzes“ getragen, also von den regionalen Kameradschaftsstrukturen. Doch letztendlich lässt sich schwer sagen, wo die NPD aufhört und die „Freien“ anfangen, ist doch der Übergang zwischen diesen beiden Gruppierungen oder besser Organisationsformen fließend. Allerdings, das ist ganz richtig aufgefallen bei der Beobachtung der für 2009 angekündigten Redner, dass da eigentlich niemand von der NPD vertreten ist – immerhin sprachen in den letzten Jahren noch der Bundesvorsitzende Udo Voigt oder sein Stellvertreter Jürgen Rieger dort. Dafür sind dieses Jahr Kritiker von Voigt dran wie Matthias Fischer, der geschasste JN-Landesvorsitzende aus Bayern. Letztlich wird sich spätestens bei der Veranstaltung zeigen, wie es um das Verhältnis von NPD und „Freien“ bestellt ist. Nach Gera sind sie alle gekommen, egal aus welchem Spektrum sie kommen – und das war nun mal offensichtlich eine Werbeshow für die NPD.

Neben dem klassischen Rechts-Rock gibt es zunehmend auch andere Musikbereiche, die durch die rechte Szene mißbraucht werden – wie schätzen Sie die diesjährige musikalische Mischung ein?

Den Begriff des „Mißbrauch“ finden wir problematisch. Die Musiker benutzen nicht nur verschiedene Musikstile aus propagandistischen Motiven, sondern sie machen rassistische und neonazistische Texte zu der Musik, die sie mögen, der sie sich verpflichtet fühlen. Wer von denen NS-Hardcore spielt, der macht das, weil er Hardcore mag und Nationalsozialist ist und beides miteinander verbinden will. Dieses Jahr sind beim FdV bisher vor allem Bands angekündigt, die dem klassischen RechtsRock und Punkrock zugeordnet werden können. Einzig Eternal Bleeding ist eine NS-Hardcore-Band.

Zum Fest der Völker 2009:
Altenburg 2008 sollte all jenen zum Vorbild dienen, die sich dieses Jahr aufmachen, gegen das FdV zu protestieren. Auch wenn das Festival letztes Jahr letztendlich stattfinden konnte, zeigte die breite Gegenmobilisierung doch auch Erfolge. Zu hoffen ist, dass sich dieses Jahr noch einmal mehr Menschen an den Protesten beteiligen werden als 2008. Irgendwann, wenn es zu viele sind, dann ist es für die Neonazis auch nicht mehr möglich, zu ihrem Hetzival durchzukommen. Und je lauter die Gegenproteste sind, desto mehr werden sie vernommen und desto weniger klingen dann die Töne der politischen Hetzer durch die Stadt!

Editorische Anmerkungen

Den Text spiegelten wir von Indymedia, wo er am 24.8.09 erschien.