Die beiden Experten für
rechtsradikalen Musik- und Lebenstil, Jan Raabe und Christian
Dornbusch gaben ein recht differenziertes Interview (für die
Uni-Zeitung Akrützel) zum Thema Nazievents und besonders zum
diesjährigen Fest der Völker in der Thüringer Kleinstadt
Pößneck.
Welche Bedeutung haben
Konzerte wie das „Fest der Völker“ für die NPD?
Events wie das Fest der Völker sind für die NPD extrem
wichtig. Dabei sind zwei Aspekte von besonderer Bedeutung.
Einerseits gelingt es der NPD mittels dieser Events mehr
Jungendliche zu ihren Wahlkampfveranstaltungen zu mobilisieren
als irgendeiner anderen Partei und sie bringt junge Menschen
dazu sich tatsächlich die Reden der NPD-Propagandisten
anzuhören – auch wenn sie eigentlich eher wegen der
RechtsRock-Musik gekommen sind. Zum anderen kann sich die NPD
mittels dieser Events als Partei der Jugend darzustellen, da
sie die Vorlieben ihre sehr rechts eingestellten jungen
Anhänger eingeht und ihnen etwas anbietet, war originär aus
ihrer Lebenswelt kommt. Dieses Vorgehen ist wohl tatsächlicher
wichtiger als jugendspezifische Forderungen im Parteiprogramm
zu haben, die dort im Übrigen eh Mangelware sind.
Die Mischung aus Wahlkampf und Event – aus Reden und
Konzerten – stellt das eine neue Qualität am rechten Rand dar?
Ganz neu ist das nicht, aber es ist ein Phänomen, dass sich
erst in den letzten zehn Jahren entwickelt hat. Die neue
Qualität liegt in der Zahl der mobilisierten Anhänger, welche
bei solchen Events oftmals weit über der von anderen
Veranstaltungen liegt, also im Vergleich beispielsweise zu
Aufmärschen.
Nach dem Großereignis in Gera mit über 4000 Nazis beim
„Rock für Deutschland“ - was meinen Sie, wieviele Neonazis zum
Fest der Völker kommen? - bzw. verliert das FdV in Thüringen
innerhalb der Szene an Bedeutung?
Das ist schwer zu sagen, wir denken, es wird sich im Rahmen
der Vorjahre bewegen. Aus der Bandauswahl lässt sich noch
nicht rückschließen, wie es in Gera mit der Ankündigung der
Lunikoff Verschwörung der Fall war, ob es dieses Jahr
wesentlich mehr werden als in den vergangenen Jahren. Rotte
Charlotte und Eternal Bleeding, die dieses Jahr als deutsche
Bands auf dem FdV auftreten sollen, sind in der Szene beliebt,
ebenso wie die Verszerzödes aus Ungarn, Preserve White Aryans
(PWA) aus Estland und Brigada 1238 aus Spanien, doch, wie
gesagt, an die Beliebtheit von Lunikoff reichen sie nicht
heran. Im Übrigen glauben wir nicht, dass das FdV an Bedeutung
verliert. Es konnte sich in Thüringen, wenn auch mit
Schwierigkeiten, in den letzten Jahren etablieren – sicherlich
nicht so gut wie das Rock für Deutschland, da den
Veranstaltern des FdV stark von Seiten der Zivilgesellschaft
entgegen getreten wurde. Das erschwert es den Neonazis,
derartige Festivals durchzuführen.
Wieso findet das diesjährige FdV in der Thüringer
Kleinstadt Pößneck statt?
Da können auch wir leider nur spekulieren. In ihrer Werbung
bestätigen die Veranstalter des FdV nicht mal Pößneck. Wir
denken, dass sie die Veranstaltungsorte nach verschiedenen
Kriterien auswählen. Dazu gehört die Überlegung wie viel
Gegenaktivitäten zu erwarten ist, ob sie vor Ort bzw. in der
Region Strukturen haben, welche die praktischen Arbeiten mit
übernehmen können etc. Vielleicht hat es auch etwas mit Jürgen
Rieger zu tun, der ja in Pößneck die Schützenhalle besitzt, in
der ja schon 2005 das Abschiedskonzert von Lunikoff
stattgefunden hat. Von daher hat Pößneck quasi schon einen
„guten Klang“ in der Nazi-Szene.
Warum etablierte sich überhaupt so ein Nazimusikfestival
unter dem Namen Fest der Völker in Thüringen - und kann schon
zum vierten mal stattfinden?
Ein solches Festival kann sich dann etablieren, wenn
einerseits das Programm so gut ist, dass es genug Teilnehmer
anlockt, damit sich der Event politisch und finanziell
rechnet. In diese Rechnung müssen auch die Gegenaktionen
einbezogen werden. Es kommen weniger Besucher, wenn im
vorhinein nicht sicher ist, ob das Festival überhaupt
durchgeführt werden kann oder ob es nicht doch noch untersagt
wird und es kommen weniger, wenn es vor Ort starke
Gegenaktivitäten wie beispielsweise Blockaden der
Zivilgesellschaft gibt – das vermiest den Leuten schon ein
wenig das Fest. Dennoch ist es so, dass es bisher immer noch
passte für die Besucher, was wohl auch an der internationalen
Ausrichtung liegt und den Versuchen der Veranstalter, ein
vielfältiges Programm zu bieten. Aus unserer Perspektive ist
allerdings unverständlich, warum das Fest stets ungestört von
Seiten der Behörden über die Bühne gehen kann. Die Rede von
Jürgen Rieger im letzten Jahr, in der er offen Hitler und den
Nationalsozialismus verherrlichte, war unerträglich! Aber
vielleicht ist es der Polizei bei einer solchen Teilnehmerzahl
auch zu riskant einzuschreiten – das wäre aber ein
Armutszeugnis für unsere Demokratie.
Wo liegen denn die historischen Bezüge dieses „Festes“?
Der Name ist ja offensichtlich vom Leni Riefenstahl-Film
abgeleietet, aber was steckt dahinter?
Schon der Name führt mit dem Bezug auf den Olympiafilm zurück
in die Zeit des Nationalsozialismus. Stärker jedoch als die
Bezüge auf Riefenstahl ist der Rekurs auf die SS, genauer auf
deren Europakonzept. Diese Terrortruppe bietet sich für
Neonazis vor allem an, weil sie keine rein „deutsche“
Organisation war. Ab 1942 wurden auch so genannte „germanische
Divisionen“ der SS aufgestellt, wie z.B. die Division Wiking,
in denen Nationalsozialisten aus diversen europäischen Ländern
kämpften. Die SS hatte ein Europakonzept, in der zwar die
Deutschen die Führungsrolle übernahmen, aber regionale
Nationalsozialisten die Praxis bestimmen sollten. Der
NPD-Parteivorsitzende Udo Voigt sprach übrigens 2007 auf dem
FdV davon, dass am 8. Mai 1945 auch ein großer Europagedanke
untergegangen sei. Damit rief er bei den Teilnehmer unseres
Erachtens ganz bewusst in Erinnerung, dass die heute teilweise
internationale Ausrichtung der neonazistischen Szene – wie zum
Beispiel auch das FdV – seine Vorläufer im Nationalsozialismus
hat. Der Bezug wurde z.B. durch die Bühnenbilder deutlich,
welche aus dem Bereich der SS-Ikonographie kamen.
Gibt es Bands aus dem verbotenen Blood &
Honour-Netzwerk?
Immer wieder spielen auf dem FdV Bands, die häufig in ihren
Ländern mit dem Blood & Honour in Verbindung stehen, das in
Deutschland verbotenen ist. Dabei geht es aber unserer
Einschätzung nach weniger darum mittels des FdV in Deutschland
das B&H Netzwerk weiterzuführen, sondern das sind einfach die
Bands, die die Veranstalter gerne sehen möchten, nicht zuletzt
weil sich diese Bands unverblümt zum Nationalsozialismus
bekennen. Und solche finden sich international eben unter der
Dach von Blood & Honour zusammen. Das sie in der BRD bei den
Events der NPD auftreten zeigt nicht mehr und nicht weniger
als den politischen Standpunkt der NPD.
Warum wird von Staatsseiten ein solches offensichtlich
rechtsextremistisches Festival nicht einfach verboten?
Unseres Erachtens nach sehen die zuständigen Stellen nicht die
Punkte, die gegebenenfalls für ein Verbot herhalten können.
Doch das lässt sich vielleicht auch etwas sehr leicht sagen.
Die rechtliche Anforderungen für ein Verbot sind hoch. Da
müssen die Ordnungsbehörden wirklich sehr gründlich und
innovativ sein, um die zu erfüllen und zwar so, dass sie dann
vor Gericht, die in der Regel letztlich über ein Verbot
entscheiden, Bestand haben. Die Gerichte siedeln die freie
Meinungsäußerung sehr hoch an. Und es darf nicht vergessen
werden, dass es sich beim FdV nicht um ein Rock-Konzert
handelt, sondern um eine politische Veranstaltung, denen auf
Basis des Grundgesetzes auch ein besonderer Schutz zukommt.
Neonazis sind jetzt schon seit mehreren Jahren nicht
mehr einfach an Springerstiefeln und Bomberjacke zu erkennen –
lockt das FdV auch neuere, aber deswegen nicht harmlosere
Gruppierungen, wie die Autonomen Nationalisten nach Thüringen?
Schon im letzten Jahr waren viele Teilnehmer des FdV keine
klassischen Skinheads mehr, sondern ähnelten auf den ersten
Blick Teilen des linksalternativen Spektrums. Dieser neue
Style darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei
diesen Personen um Neonazis handelt, egal was sie an Kleidung
tragen. Das erst das FdV diesen Style in Thüringen bekannt
gemacht hat, glauben wir nicht. Die so genannten „Autonomen
Nationalisten“ sind derzeit eine modische Erscheinungsform des
neonazistischen Spektrums, deren Existenz und Auftreten in den
letzten Jahren verbreitet hat.
Der Slogan der Veranstalter. „Für ein Europa der
Vaterländer“ klingt im ersten Moment zwar bieder, aber dennoch
vergleichsweise harmlos – welches Konzept versteckt sich denn
hinter diesen Parolen?
Wie zuvor schon ausgeführt geht es unseres Erachtens nicht um
das Konzept von Charles De Gaulle, der diesen Begriff
eigentlich geprägt hat, sondern es geht um die
Europakonzeption der SS. Das wurde übrigens in den letzten
Jahren teilweise durch das Bühnenbild deutlich, für das die
Organisatoren Bilder und Grafiken auf dem Bereich der SS
verwendeten, die die multinationale Ausrichtung
verdeutlichten.
Die Jenaer NPD war jahrelang einer der wichtigsten
Initiatoren des FdV – dieses Jahr tritt sie aber weniger
präsent in die Vorbereitung des Ereignisses – muss man das als
Bedeutungsverlust deuten, oder gar als Zeichen eines
Lagerkampfes innerhalb der Thüringer Rechten – wie auf
Bundesebene?
Das FdV wird von NPD und Aktivisten so genannter „Freier
Kameradschaften“ vorbereitet. Im letzten Jahr wurde es nach
der Verlegung nach Altenburg vor allem von Kadern des „Freien
Netzes“ getragen, also von den regionalen
Kameradschaftsstrukturen. Doch letztendlich lässt sich schwer
sagen, wo die NPD aufhört und die „Freien“ anfangen, ist doch
der Übergang zwischen diesen beiden Gruppierungen oder besser
Organisationsformen fließend. Allerdings, das ist ganz richtig
aufgefallen bei der Beobachtung der für 2009 angekündigten
Redner, dass da eigentlich niemand von der NPD vertreten ist –
immerhin sprachen in den letzten Jahren noch der
Bundesvorsitzende Udo Voigt oder sein Stellvertreter Jürgen
Rieger dort. Dafür sind dieses Jahr Kritiker von Voigt dran
wie Matthias Fischer, der geschasste JN-Landesvorsitzende aus
Bayern. Letztlich wird sich spätestens bei der Veranstaltung
zeigen, wie es um das Verhältnis von NPD und „Freien“ bestellt
ist. Nach Gera sind sie alle gekommen, egal aus welchem
Spektrum sie kommen – und das war nun mal offensichtlich eine
Werbeshow für die NPD.
Neben dem klassischen Rechts-Rock gibt es zunehmend auch
andere Musikbereiche, die durch die rechte Szene mißbraucht
werden – wie schätzen Sie die diesjährige musikalische
Mischung ein?
Den Begriff des „Mißbrauch“ finden wir problematisch. Die
Musiker benutzen nicht nur verschiedene Musikstile aus
propagandistischen Motiven, sondern sie machen rassistische
und neonazistische Texte zu der Musik, die sie mögen, der sie
sich verpflichtet fühlen. Wer von denen NS-Hardcore spielt,
der macht das, weil er Hardcore mag und Nationalsozialist ist
und beides miteinander verbinden will. Dieses Jahr sind beim
FdV bisher vor allem Bands angekündigt, die dem klassischen
RechtsRock und Punkrock zugeordnet werden können. Einzig
Eternal Bleeding ist eine NS-Hardcore-Band.
Zum Fest
der Völker 2009:
Altenburg 2008 sollte all jenen zum Vorbild dienen, die
sich dieses Jahr aufmachen, gegen das FdV zu
protestieren. Auch wenn das Festival letztes Jahr
letztendlich stattfinden konnte, zeigte die breite
Gegenmobilisierung doch auch Erfolge. Zu hoffen ist,
dass sich dieses Jahr noch einmal mehr Menschen an den
Protesten beteiligen werden als 2008. Irgendwann, wenn
es zu viele sind, dann ist es für die Neonazis auch
nicht mehr möglich, zu ihrem Hetzival durchzukommen. Und
je lauter die Gegenproteste sind, desto mehr werden sie
vernommen und desto weniger klingen dann die Töne der
politischen Hetzer durch die Stadt! |
Editorische
Anmerkungen
Den Text spiegelten wir von
Indymedia, wo er am 24.8.09 erschien.
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