Piratenpartei: Diffuse politische Ausrichtung

von Philipp Xanthos

09/09

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Die Piratenpartei, die außer in Sachsen in allen Bundesländern zur Bundestagswahl antritt, hat eine einzige soziale Forderung: Sie wendet sich gegen Studiengebühren. Doch das scheint ein bloßer Zufall zu sein, denn mit Standortnationalismus hat sie kein Problem.

Ein Beispiel: Die Piratenpartei richtet sich gegen ein Verbot von Killerspielen/Ego­shootern. Hierbei wird als Erstes standortnationalistisch argumentiert. Wenn in der BRD die Produktion von Gewalt-Spielen verboten würde, würden amerikanische Softwarekonzerne profitieren: „Deutsche Börse Frankfurt oder New York Stock Exchange“. Es finden sich unzählige solcher Punkte in der Programmatik der Piratenpartei, die für Verwirrung sorgen. Im ersten Kapitel ihres Bundestagswahlprogramms beruft sich die Piratenpartei auf die Pariser Menschenrechtserklärung von 1948 und auf das Grundgesetz.

Kritik am Überwachungsstaat

Die Piraten verstehen sich als Menschen- und Bürgerrechtler­Innen und kritisieren wie Linke den Überwachungsstaat. Unter den zahlreichen Forderungen findet sich auch die Rücknahme des Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung. Gleichzeitig geben sie sich betont staatstreu. So heißt es in Kapitel 2: „Die Bekämpfung der Kriminalität ist eine wichtige staatliche Aufgabe. Sie ist nach unserer Überzeugung nur durch eine intelligente, rationale und evidenzbasierte Sicherheitspolitik auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse zu gewährleisten“. Vor allem die Vermischung von demokratischen und ökonomischen Forderungen sticht hervor. Denn die Begrenzung des „geistigen Eigentums“ ist eine ökonomische Forderung, die allerdings nicht nur im Interesse von privaten InternetnutzerInnen ist.

IT-Klein-Unternehmer

Gründer der schwedischen Piratpartiet (Die Piratenpartei) ist IT-Klein-Unternehmer Rick Falkvinge. Noch während seines Studiums war er Mitglied der bürgerlichen, neoliberalen Moderata samlingspartiet (Die gemäßigte Sammlungspartei), die heute den Regierungschef stellt. Der Europaabgeordnete und ebenfalls IT-Klein-Unternehmer Lars Christian Engström war bis zu seinem Eintritt in die Piratpartiet Mitglied der liberalen Folkpartiet liberalerna. Der Spitzenkandidat für die Bundestagswahl für die niedersächsische Piratenpartei ist ebenfalls IT-Klein-Unternehmer. Der selbstständige Programmierer ist Teil des modernen Kleinbürgertums. In seiner ökonomischen Existenz wird er zwischen absoluter Prekarität und unerwartetem Reichtum hin- und hergeworfen. Deshalb betrachtet er instinktiv die Software- und Musik-Konzerne als seine Feinde. Denn genau diese sind es, die von der aktuellen Entwicklung der Eigentums- und Patentgesetzgebung profitieren. Da es der bürgerliche Staat ist, der die Eigentumsrechte der Konzerne schützt und ausbaut, betrachtet der moderne Kleinbürger auch diesen als Bedrohung, ohne sich jedoch von ihm lossagen zu können. Die politische Strategie der Piraten erschöpft sich so im vornehm bürgerlichen Geschäft des Parlamentarismus.

Sexismus

Einzig der offene Sexismus des heutigen Männerbundes erinnert an die rauhen Sitten der Piraten von einst. Die ständigen sexistischen Sprüche („Ich bin eine Aufmerksamkeitsnutte.“) können auf den Aufnahmen des Bundesparteitags (z. B. www.zaplive.tv)  nachvollzogen werden. Ob die Piratenpartei überhaupt Piratinnen in ihren Reihen zählt, ist unbekannt.

Drittgrößte Partei in Schweden

Durch die durchgängig diffuse Programmatik wird es für einzelne Menschen einfach, sich dieser Partei anzuschließen. So hat die schwedische Piratenpartei seit ihrer Gründung 2006 50.000 Mitglieder gewonnen und ist damit die drittgrößte Partei in Schweden, während die Jugendorganisation es zur größten politischen Jugendorganisation gebracht hat. Inzwischen hat die Partei auch einen Europaabgeordneten, ist aber zuvor bei der schwedischen Parlamentswahl mit 0,63 Prozent grandios gescheitert. Die deutsche Piratenpartei hat seit ihrer Gründung 2006 bislang 6000 Mitglieder gewonnen, Durchschnittsalter ist 31 Jahre. Inzwischen wurden in zahlreichen europäischen Ländern und auch weltweit Piratenparteien gegründet. So gibt es einen Dachverband Pirate Party International.

Doch diese Entwicklung ist auch eine Reaktion auf die tatsächliche Tendenz der bürgerlichen Staaten zur Entdemokratisierung. Die Antwort darauf kann allerdings nur außerhalb der repressiven Staatsorgane gesucht werden.

Editorische Anmerkungen

Der Text erschien am 01.09.2009 auf der Website des Revolutionär Sozialistischen Bundes . Wir spiegeln ausschließlich zu Dokumentationszwecken.