Kolonialismus
Anmerkungen zur Ausstellung "Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg"


von
Peter Nowak

09/09

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„Jetzt sind sie selbst einen furchtbaren Tod gestorben –
durch Feuer und Schwert.
Sie starben in ihren Häusern,
sie starben in ihrer Stadt,
und vielleicht ist es besser so.
Denn sonst hätte ihn der Tod das Herz gebrochen.“

Mit diesen Zeilen hat der philippinische Schriftsteller Nick Joaquin an die Zerstörung Manilas durch das japanische Militär erinnert. Über eine Million sind dabei gestorben. Doch in Deutschland ist davon nichts bekannt.

Darüber informiert die Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg" auf 96 Schautafeln, die in den nächsten Monaten in verschiedenen deutschen Städten zu sehen ist. Grundlage der Ausstellung ist das von dem Kölner Journalisten Karl Rössel herausgegebene Buch „Unsere Opfer zählen nicht“, das im Verlag Assoziation A herausgegeben wurde. Dort erzählen Rössel und andere Autoren den Zweiten Weltkrieg aus der Perspektive aus afrikanischer, südamerikanischer, asiatischer und ozeanischer Perspektive.

Sehr eindrucksvoll ist der knapp 10minütige Film „Der Freund aus den Kolonien“, den der algerische Regisseurs Rachid Bouchareb. Er zeigt wie die afrikanischen Soldaten auf Seiten der Franzosen gegen das NS-Regime kämpfen mussten. Sie starben auf den Schlachtfeldern, kamen in Gefangenenschaft und wurden als Afrikanischer von den Nazis und ihren Helfershelfern besonderer Grausamkeit ausgesetzt. Als der Krieg zu Ende wurden sie aus der Armee entlassen, der Sold wurde ihnen verweigert und als sie dagegen rebellierten wurde von französischen Offizieren auf sie geschossen. Denn fanden sich genug Rassisten und heimliche Bewunderer von Hitler und seinen französischen Helfer Petain.

Massaker am 8. Mai

Auf den Informationstafeln wird über ein Massaker berichtet, dass französische Truppen am 8. Mai 1945 in Algerien anrichteten. Während überall in Europa die Freunde über die Niederlage des NS-Regimes groß war, starben 3000 algerische Soldaten im Kugelhagel der französischen Armee. Der Dank der Armee für ihren Einsatz im Kampf gegen die Nazis waren Kugel und für die Überlebenden Gefangenschaft und Terror. Der 8. Mai 1945 hat sich in Algerien und vielen nordafrikanischen Ländern nicht als Tag des Sieges über das NS -Regime sondern als Tag des Massakers ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. An diesem Tag wurde die Grundlage gelegt für den algerischen Unabhängigkeitskampf.
Auch für die Menschen in Ozeanien war der Krieg im Mai 1945 nicht zu Ende. In Zeiten des Kalten Krieges wurden die Insel für Atombombenversuche genutzt. Die Anzahl der Menschen die dabei gestorben sind oder irreparable gesundheitliche Schäden davon getragen haben, ist bis heute nicht bekannt. Denn auch heute noch zählt das Leben eines Menschen in Ozeanien, Afrika und Asien weniger als das Leben eines Europäers. Rössel hat das große Verdienst, mit seinem Buch und der Ausstellung endlich die vergessenen Befreier vorgestellt zu haben.

Streit um Kollarabateure

Leider war der Beginn der Ausstellung mit einem Streit belastet, der wohl vor allem auf Missverständnissen und Empfindlichkeiten beruht. Ihre Premiere sollte eigentlich in der Neuköllner „Werkstatt der Kulturen“ stattfinden. Aber deren Leiterin Philippa Ebéné weigerte sich kurzfristig, die Räumlichkeiten wie geplant zur Verfügung zu stellen – angeblich, weil auf einigen Tafel auch die Kollaboration mit den Nazis dargestellt wird, die besonders im arabischen Raum, aber auch in Indien, Thailand und Argentinien dokumentiert wird. Natürlich bestreiten auch die Kritiker der Ausstellung nicht, dass es diese Kollaboration gegeben hat. Sie wollen nur die beiden Sachverhalte getrennt dokumentiert wissen. Tatsächlich würden beide Themenkomplexe eine eigene Ausstellung verdienen. Aber da eine solche Exposition natürlich auch finanziert werden muss, können solche Vorstellungen oft nicht umgesetzt werden. Rössel betonte, dass es ihn nicht darum gegangen wäre, eine Hommage für die People of Couleur zu inszenieren. Das ist natürlich auch nicht der Anspruch einer wissenschaftlichen Ausstellung. Einrichtungen, wie die Werkstatt der Kulturen der Welt hingegen, die von vielen Menschen aus der 3. Welt besucht wird, sehen in der Ausstellung über die vergessenen Befreier die längst völlige Rehabilitierung. Sie leugnen nicht, dass es auf allen Kontinenten Nazihandlanger gab, in Europa, in Asien, Afrika und Lateinamerika. Aber sie wollen diese historischen Sachverhalte getrennt dokumentiert sehen. Man kann hierin eine Überempfindlichkeit erkennen. Man kann aber auch einfach dieses Ansinnen akzeptieren. Ein gutes Beispiel ist das Hiphop-Musikal „Die vergessenen Befreier“, das sich selber eine Hommage an die vergessenen Befreier nennt. Es wurde einmal, am 20.September in Berlin aufgeführt.

In den 90er Jahren gab es eine ähnliche Auseinandersetzung, anlässlich der Herausgabe der deutschsprachigen Ausgabe der MalcolmX-Biographie im Bremer Atlantik-Verlag. Stein des Anstoßes war damals das Vorwort des Hamburger Publizisten Günther Jacob, der sich in einem Vorwort kritisch mit der politischen Biographie von Malcolm auseinandersetzte. Der Übersetzer Yonas Endaras kritisierte nicht den Inhalt, aber die Tatsache, dass die Leser bevor sie überhaupt eine Zeile der Biographie gelesen haben, schon mit einer Wertung konfrontiert sind. Es gab dann den Kompromiss, den Text als Nachwort zu drucken. Die Beteiligten haben die Auseinandersetzung im Nachhinein als fruchtbare Diskussion gewertet.

Unterdrückungsverhältnisse nicht gegeneinander ausspielen

Es wäre zu hoffen, dass die Kontroverse um die Ausstellung auch in eine fruchtbare Debatte mündet. Zumal sich mit dem Neurechten Clemens Henni auch schon Leute zur Wort gemeldet haben, die eine Beschäftigung mit den vergessenen Befreiern als antiwestlich, antiamerikanisch und antisemitisch diffamiert hat. Die Ausstellung beschäftigte sich nicht mit der Shoah und sei arabophil, so Heni in seinem im Internet zirkulierenden Pamphlet. Die Jüdische Gemeinde wiederum wirft der Leiterin der Werkstatt der Kulturen der Welt indirekt Antisemitismus vor, weil sie sich weigere die Geschichte der Kollaboration mit den NS-System zu zeigen. In einer solchen Auseinandersetzung der starken Worte finden die nachdenklichen Töne oft wenig Gehör. So erklärt eine Sprecherin der Antonio-Amadeus-Stiftung, die sich sowohl gegen Rassismus wie auch gegen Antisemitismus seit vielen Jahren engagiert: „In Deutschland hat es bis heute keine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Thema Kolonialismus gegeben.“ Wenn mit der Ausstellung eine solche Diskussion angestoßen würde, bei der die beiden Unterdrückungsverhältnisse nicht gegeneinander ausgespielt werden, wäre viel gewonnen.

Weitere Infos zur Ausstellung gibt es unter: http://www.africavenir.com/

 

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir vom Autor.