Betrieb & Gewerkschaft

Hand in Hand: Babylon-Chefs, Verdi, die Linke

von
 Peter Willhelm

09/09

trend
onlinezeitung

Ein kleines rotes Mäntelchen leuchtet immer mal wieder in der internationalen Filmgeschichte auf und kündet meist von großem Unheil.

Doch manche schützt und bewahrt ein rotes Mäntelchen auch, etwa vor begründeter Kritik und gerechtfertigten Angriffen. Die drei roten Mäntelchen, in die die Berliner Linkspartei, die zuständige Fachbereichsleitung von Ver.di und das Kino Babylon Mitte einander zu helfen versuchen, müssen besonders lang, rot und dick gefüttert sein um zu bedecken was drin steckt:

Das Kino Babylon und die Geschäftsführer Timothy Grossman und Tobias Hackel bieten der in Berlin weniger sozial als machtorientiert regierenden Linkspartei ein Forum für den letzten medienwirksamen Wahlkampfabend vor der Bundestagswahl und ansonsten ein oft gutes, selten sogar gesellschaftskritisches Filmprogramm. Die Partei bedankt sich durch ihre schützende Hand, die im Senat fürs Kino tief in den Säckel greift um ihre Spielwiese, nur einen Steinwurf von der Parteizentrale entfernt, vor marktwirtschaftlicher Realität zu bewahren. Deren Auswirkungen haben vielmehr die im Babylon Beschäftigten zu ertragen, von denen viele noch im letzten Jahr, vor Wahl eines Betriebsrats und Beginn der gewerkschaftlichen Organisierung, Lohnfortzahlung im Kankheitsfall und bezahlten Urlaub meist nur vom Hörensagen kannten. Davon und von der schlechten Bezahlung hatten sie genug und so wurde gemeinsam mit der Freien ArbeiterInnen Union FAU ein Haustarifvertrag erarbeitet und Anfang Juni der Geschäftsführung vorgelegt. Mit Kundgebungen, intensiver Öffentlichkeitsarbeit und einem Boykottaufruf wird den Forderungen seither Nachdruck verliehen. Das rief nun den dritten im Bunde der rot Bemäntelten auf den Plan: Die Fachbereichsleitung von Ver.di erklärte Anfang September, sie würde mit der Babylon Geschäftsführung in Verhandlungen zu treten. Die Gespräche seien für Anfang Oktober festgesetzt. Ver.di Fachbereichsleiter Köhn unterläuft damit bewusst den Monate andauernden Arbeitskampf im Babylon um die angeblich einzige tarifmächtige Gewerkschaft im Kinobereich zu bleiben, ohne die eigenen Ver.di-Mitglieder im Betrieb auch nur zu informieren. Nicht etwa mit den Beschäftigten, sondern gemeinsam mit Senat und Betriebsleitung, so Köhn, werde man schnell ein Ergebnis erzielen können. Der Deal der hier eingefädelt werden soll:

durch Abschluss eines Tarifvertrags unterschreibt Ver.di den roten Persilschein fürs Babylon, das nur so für die Linke tragbar bleibt. Die Babylon Geschäftsführung sorgt im Gegenzug für die "amtliche" Bestätigung angeblicher Kompromissbereitschaft durch den Abschluss mit Ver.di dafür, dass die Gewerkschaft FAU im Babylon nicht weiterhin exemplarisch aufzeigen kann wie echte Gewerkschaftsarbeit gemeinsam mit den Beschäftigten, nicht etwa über sie hinweg, auszusehen hat. Nichts scheint Ver.di mehr zu befürchten als einen kompetenten Wettbewerber, der mit der gewerkschaftlichen Arbeit da beginnt wo sie am mühsamsten und wichtigsten ist: an der Basis. Die Linke im Senat will ihr leuchtend rotes Mäntelchen unbefleckt aus dem Arbeitskampf tragen. Dumm wäre es da, den Zuschuss fürs Babylon nicht etwas zu erhöhen um Köhns Forderungen erfüllbar zu machen und Ver.di nicht als billig-Gewerkschaft dastehen zu lassen. Im Babylon sind selbst deutliche Lohnsteigerungen angesichts der kleinen Belegschaft und der niedrigen Löhne nicht teuer zu bezahlen.

So könnte das Spiel aussehen, wenn Geschäftsführung, Linke und Ver.di weiterhin von Beschäftigten und FAU unter Druck gesetzt werden, die nahe dran sind zu bekommen, was sie wollten: angemessene, tariflich abgesicherte Bezahlung, und die Gewissheit den Arbeitskampf erfolgreich bis zum Schluss geführt, und nicht nur die Geschäftsführung und Senats-Linke, sondern auch den Ver.di Fachbereich dazu gezwungen zu haben die Angelegenheit zur Chef-Sache zu erklären.

Noch ist aber kein Vertrag geschlossen, offizielle Verhandlungen nicht einmal begonnen worden. Offenbar meinen die drei Spieler in den roten Trikots den Preis der Lösung zu drücken, indem sie den Konflikt noch möglichst lange hinauszögern. Alle paar Wochen gelingt es der Geschäftsführung wieder Beschäftigte zu feuern, einen Vertrag nicht zu verlängern oder Kollegen in Parallelfirmen auszugliedern. Die Belegschaft wurde so schon um etwa die Hälfte reduziert, der äußerst aktive Betriebsrat damit schon wichtiger Mitbestimmungsrechte beraubt. Dennoch intensiviert sich die Auseinandersetzung zunehmend. Hausverbote und Wachschutz sind an der Tagesordnung, vor der Gewerkschaft wird mit Hilfe des Verfassungsschutzes gewarnt und die Polizei säubert das Kino schon mal von Leuten, die das falsche T-Shirt tragen.

Spannend könnte dementsprechend der kommende Freitag werden, an dem die Linke im Kino Babylon Mitte ihren letzten relevanten Wahlkampfabend zelebriert. "Film, Talk und Musik in allen Räumen" verspricht die Linke in Berlin Mitte. Wenn "Talk" zu Diskussionen wird, könnte es unangenehm werden für manche Beteiligte die am Freitag abend erläutern müssen was im Babylon vor sich geht und wie die Linke das verantwortet.

Aktuelle Informationen von den Beschäftigten unter www.prekba.blogsport.de  
 

Editorische Anmerkungen

Den Text spiegelten wir von Indymedia.