Derzeit kommt es in Oberösterreich zu massiven
Angriffen auf die ArbeiterInnen und Angestellten im
Sozialbereich. Der Rote Morgen sprach mit einem Beschäftigten
der sich um den Aufbau kämpferischer Basisstrukturen bemüht…
RoMo: Hallo Mark S. kannst du uns darüber erzählen,
was du bisher so im Sozialbereich erlebt hast?
Mark S.: Hallo ich bin seit ungefähr drei Jahren in einer
Wohneinrichtung der Lebenshilfe beschäftigt, und war vier Jahre
davor schon in anderen Sozialeinrichtungen tätig. Was ich im
Laufe meines Arbeitslebens mitbekommen hab, gehören Jobs im
Sozial- und Gesundheitsbereich echt zu den miesest bezahltesten.
Wenn man bedenkt, dass die Löhne und Gehälter der Arbeiterinnen
und Arbeiter in diesem Bereich immer noch mehr als 20% unter dem
Durchschnittseinkommen liegen, es überhaupt erst seit 2005 so
etwas wie einen Kollektivvertrag gibt, und es noch dazu immer
wieder zu massiven Sparmaßnahmen kommt, müssen wir uns doch alle
mal fragen, was diese Scheiße eigentlich soll.
Im letzten Jahr konnte ich von Freunden, die ebenfalls im
Sozialbereich (Volkshilfe, ProMente, Exit-Sozial) arbeiten,
mitbekommen, dass es dort immer wieder zu massiven Einsparungen
gekommen ist. Diese konnten durch den Warnstreik am 13. und 14.
Dezember 2010 von Exit-Sozial und ProMente nur teilweise
abgewehrt werden. Ohne diesen Streik jedoch, hätte die
Landesregierung bestimmt ihre Pläne nach ihren Vorstellungen
durchgezogen. Trotzdem, die Angriffe verstärken sich, die Löhne
werden nur unzureichend erhöht, und die Arbeitshetze wird immer
größer, was bei sehr vielen KollegInnen zu gesundheitlichen
Problemen führt. Diese Angriffe betreffen den gesamten
Sozialbereich, er ist neben dem Bildungsbereich, wo es ebenfalls
zu massiven Einsparungen gekommen ist und noch weiter kommen
wird, unmittelbar (und falls öffentlich) ein Non-Profit-Bereich
im Kapitalismus. Wir als BetreuerInnen, PflegerInnen oder
Krankenpflege SchülerInnen schaffen unmittelbar keinen Profit,
diesen wollen die Herrschenden samt Regierung eben durch
solcherlei Maßnahmen schützen. In diesem System zählen nicht die
Bedürfnisse der Bevölkerung sondern die des Kapitals.
Einsparungen bei den Lebensbedingungen der ArbeiterInnen heißt
immer Hebung des Profits der Kapitalisten!
RoMo: Welche Rolle spielt der ÖBG im Sozialbereich?
Mark S.: Zu den permanenten Verschlechterungen trägt der ÖGB
bzw. deren Führung wesentlich bei. Es hat Anfang des Jahres
einige Proteste gegen das Belastungspaket gegeben wo die
Gewerkschaft ebenfalls dabei war oder diese sogar organisierten
und deren Funktionäre laut geschrienen haben „diese Vorhaben der
Regierung zu bekämpfen“. So ein Schwachsinn, die ÖGB-Führung
stimmte diesem Paket brav zu, noch bevor dieses endgültig
beschlossen wurde. Das einzige was unsere
Gewerkschaftsbürokraten in unseren Kämpfen geschafft hat, war,
dass unsere Leute, die die Schnauzte wirklich voll hatten, nach
jeder Aktion oder Demonstration resignierter und hilfloser den
Angriffen der Landesregierung gegenüberstanden als vorher. Und
genau aus diesem Grund, ist es an der Zeit, dass sich all
diejenigen, die heute wirklich gegen diese Einsparungen kämpfen
und den Mist den sie uns auftischen nicht einfach
runterschlucken wollen, zusammenschließen.
RoMo: Wie habt ihr im Betrieb von den neuen Maßnahmen
erfahren? Kannst du uns über die aktuelle Situation dort etwas
genauer berichten? Welche Auswirkungen haben die Einsparungen
der Landesregierung auf eure Arbeitsbedingungen?
Mark S.: Angefangen hat es damit, dass ca. vor einem Monat
ein Brief in die Wohneinrichtungen – ausgenommen der neuen
Wohnhäuser, denn da funktioniert schon alles nach dem geplanten
Prinzip – der Lebenshilfe kam, wo drinnen stand, dass die
Dienstpläne der Nachtdienste geändert werden sollen. Darin
wurden uns drei Modelle vorgeschlagen wie der Nachtdienst in
Zukunft geregelt sein könnte. In fett markierter Schrift stand
darunter, dass es nur zu Änderungen dieser Dienste käme, wenn
der Betriebsrat einer Änderung überhaupt zustimmt. Inzwischen
konnte man auf der Homepage darüber abstimmen was wir
KollegInnen davon halten. Die Mehrheit lehnte eine Änderung der
Dienstpläne ab. Nach zwei Wochen erhielten wir eine Mail vom
neuen Stellvertreter der Geschäftsleitung. Dieses Mail ist eine
freche Provokation an alle MitarbeiterInnen der Lebenshilfe,
darin wird uns ein neuer Dienstplan vorgestellt wie dieser nach
den geplanten Personal- und Stundenkürzungen aussehen sollte.
Demnach hätte der Betriebsrat den Kürzungen beim Nachtdienst
bereits zugestimmt, das Ergebnis der Online-Abstimmung wurde
darin vollkommen ignoriert. Einige KollegInnen wurden aus diesem
Dienstplan bereits völlig ausgeschlossen (!). Auch noch drinnen
waren Beschlüsse wie diese: Unbefristete Dienstverträge werden
nicht mehr verlängert. Bei Kündigungen werden die jeweiligen
Personaleinheiten nicht mehr nachbesetzt. Stunden müssen
generell gekürzt werden da unser Wohnhaus einen
Betreuungsüberfluss von mehr als 100 Stunden in der Woche
aufweist. Dabei ist es jetzt schon so, dass wir unter
Personalmangel leiden und deshalb regelmäßig die gesetzlich
vorgeschriebenen Ruhezeiten nicht einhalten können und bis zu
zehn Tagen durchgehend arbeiten, wir angehalten werden bei
Pflegeutensilien, wie Handschuhe, zu sparen, notwendiges Geld
für Betreuung, jedoch in Stempeluhren investiert wird, usw. Die
Landesregierung hat bereits Jahre zuvor Sparmaßnahmen getroffen,
sodass seit zwei Jahren einige Personaleinheiten die noch
beschäftigt sind, gar nicht mehr vom Land finanziert werden,
sondern aus irgendwelchen „anderen Töpfen“. Nun werden vielen
KollegInnen die Dienstverträge nicht mehr verlängert, das heißt
sie müssen gehen und die Dienstposten werden uns nicht mehr
nachbesetzt. Die Landesregierung geht bei ihren Vorhaben, von
einer Hilfebedarfsrechnung von vor fünf Jahren aus. Die
BewohnerInnen werden aber Großteils immer mehr pflege- und
betreuungsbedürftig. Das Erste was wir gemacht haben, war, dass
wir um eine neue Hilfebedarfserhebung ansuchten. Ohne Erfolg,
zuerst hieß es, es gäbe kein Geld und kein Personal dafür, dann
hieß es sogar, dass hierfür ein Verbot ausgesprochen wurde.
„Große Lücken“ im Dienst sollen in nächster Zukunft durch
Springerdienste gefüllt werden.
RoMo: Was können die ArbeiterInnen in der Lebenshilfe
tun, um dies zu verhindern?
Mark S.: Tatsache ist: Der Betriebsratsvorsitzende der
Lebenshilfe ist im Urlaub und die Betriebsräte in den
Wohnhäusern stellen sich nicht wirklich auf die Füße, sondern
Handeln nach der Philosophie, die konkreten Auswirkungen
abzuwarten, nach dem Motto: „Schauen wir erst mal wie schlimm es
wirklich wird“. Die Umsetzung der Einsparungen ist jedoch
bereits voll im Gang während ein Abwarten unter den KollegInnen
immer mehr Resignation, Unsicherheit und Frustration erzeugt.
Auf der anderen Seite sitzt die Landesregierung, die genau weiß
was sie will. Diese Herangehensweise des Betriebsrats kann somit
den Interessen der Landesregierung nur recht sein.
Viele KollegInnen sind berechtigterweise wütend, wollen sich,
und den KlientInenn, das nicht gefallen lassen und dagegen
wirklich etwas machen. Wir können es uns nicht leisen einfach
abzuwarten anstatt uns zu organisieren, nicht nur im einzelnen
Betrieb sondern übergreifend müssen wir uns vernetzten, uns
absprechen und gemeinsam planen welche Schritte die nächsten
sind. Aus diesem Grund ist es eine der wichtigsten Aufgaben,
dass so bald wie möglich ein Vernetzungstreffen stattfindet um
Klarheit zu schaffen wie weit die Betroffenen gehen wollen.
Hierbei dürfen wir auch nicht locker lassen, den Betriebsrat mit
unseren Anliegen zu konfrontieren. Das soll jedoch nicht heißen,
dass wir alles in die Hände des Betriebsrats legen, im
Gegenteil, das würde jeglichem Weiterkommen in dieser Situation
schaden. Diese Angriffe können nur verhindert werden wenn sich
die KollegInnen selbst zu einer kämpferischen Basis
zusammenschließen, sich und ihre Interessen nicht von Bürokraten
stellvertreten lassen sondern ihre Belange selbst, auf
selbstorganisierter Basis, durchsetzten.
Es gibt immer MittarbeiterInnen die Kontakte zu Leuten aus
anderen Häusern haben. So können gemeinsame
Koordinierungstreffen, wo erste Aktionen vorbereitet werden
können, geplant werden. Ohne die überregionale Vernetzung der
KollegInnen innerhalb der Lebenshilfe können wir noch keine
KollegInnen aus anderen Einrichtungen dazu aufrufen unseren
Protest zu unterstützen. Dazu gehört sorgfältige Planung und
Organisierung. Es müssen Protestmärsche veranstaltet werden und
an den Vorbereitung eines Streiks gearbeitet werden und das in
Form von Komitees.
RoMo: Warum gerade Streik?
Mark S.: Nur durch Streik als Kampfmittel können unsere
unmittelbaren Interessen, die Interessen der ArbeiterInnen und
der Pflegebedürftigen, auch wirklich durchgesetzt werden.
Der Warnstreik im Dezember hat uns gezeigt, dass die
ArbeiterInnen bereit sind zu streiken und ein Streik
selbstverständlich auch im Sozialbereich durchführbar ist und
erfolgreich sein kann. Um 118 Kündigungen zu verhindern legten
171 ArbeiterInnen ihre Arbeit zwei Tage lang nieder. 1500
DemonstrantInnen konnten für einen Protestmarsch durch Linz auf
die Straße mobilisiert werden, was uns zeigt, wie groß die
Solidarität aus anderen Berufsschichten für die Anliegen der
Streikenden war. Die Gewerkschaftsführung hat es jedoch
geschafft alle weiteren, bereits geplanten, Aktionen abzuwürgen,
indem sie uns einen faulen Kompromiss auftischten…
Solche Ereignisse sind wichtig für uns, dadurch können wir
wertvolle Erfahrungen sammeln, können kämpferische KollegInnen
immer weiter erkennen wozu sie in der Lage sind, wenn sie sich
zusammenschließen, kann immer weiter mit den Illusionen in die
Sozialpartnerschaft gebrochen werden, sie erkennen immer mehr
die Notwendigkeit Arbeitskämpfe unabhängig von der
Gewerkschaftsführung voranzubringen.
RoMo: Dankeschön! Hast du vielleicht noch ein
Schlusswort?
Mark S.: Voraussetzung für einen erfolgreichen Kampf gegen
die kapitalistische Ordnung ist die Zerschlagung der Philosophie
des „Sichselbstüberlassens“ und der „Selbstregulierung der
Dinge“! Wir müssen Schluss machen mit Stellvertreterdenken und
alles daran setzen die Resignation unter den KollegInnen
aufzubrechen. Wir müssen bald daran gehen unsere eigenen
Forderungen aufzustellen und dürfen nicht darauf warten bis das
der ÖGB für uns tut. Zentrale Forderungen können zum Beispiel
sein:
Festlegung eines Mindesteinkommen von 1500€!
Stundenkürzungen nur bei voll weiter bezahlten Löhnen und
Gehältern!
Keine weiteren Kündigungen – und sofortige Wiedereinstellung der
bereits entlassenen KollegInnen!
Selbstbestimmung bei der Festlegung der Dienstpläne in jedem
Wohnhaus!
Sofortiges gesetzlich verankertes umfassendes Streikrecht in
ganz Österreich!
Editorische Hinweise
Wir erhielten den Hinweis auf Spiegelung
vom österreichischen
Revolutionär-Kommunistischen
Jugendverband (RKJV)
per Mail. Er gibt die Zeitung Roter Morgen heraus.