Revolutionäres Denken- in der Krise? Nach der Krise?
Überlegungen nach der Tagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin, Bund demokratischer WissenschaftlerInnen und Helle Panke e.V. vom 7.-11.9.2011 in Wertpfuhl bei Berlin

von Anne Seeck

09/11

trend
onlinezeitung

Die Diskussion auf der Tagung war sehr interessant, anregend und vor allem überraschend intensiv. Man kann nur hoffen, dass WissenschaftlerInnen und AktivistInnen desöfteren zu ähnlich interessanten Themen zusammenkommen. Interessant fand ich, dass Inhalt der Tagung eher angewandte Wissenschaft war, also die Verknüpfung von Theorie und Praxis.  

Ich bin keine (Sozial- oder Politik-)Wissenschaftlerin, schöpfe eher aus meinen Erfahrungen und aus politischer Literatur, meistens keine Theorie. Deshalb kann ich auch keine wissenschaftliche Abhandlung dieser Tagung wiedergeben, weil ich die wissenschaftlichen Diskurse nicht kenne. Eigene Gedanken sind hier mit Zitaten aus Vorträgen verknüpft. 

WIR MÜSSEN UNS VORBEREITEN  

Alex Demirovic begann am Anfang der Tagung so: "In Deutschland herrscht Ruhe, drumherum ist eine große Dynamik. Ob in der arabischen Welt oder der südeuropäischen Peripherie- es revoltieren vor allem jene, die mit einem Mangel an Perspektiven konfrontiert sind. Dinge passieren, man kann sie nicht herbeiführen, aber man kann sich auf solche Ereignisse vorbereiten."

In Tunesien starb am 4. Januar 2011 ein 26jähriger Mann, der sich vor dem Gouvernoratsgebäude in Brand gesetzt. Er protestierte als Gemüsehändler gegen die Konfiszierung seines Obst- und Gemüsestandes durch die Polizei. Trotz guter Bildung war er perspektivlos. Das löste Unruhen in Tunesien und schließlich in großen Teilen der arabischen Welt aus. Solche Ereignisse können aber auch der Gegenseite nützen.  

Uli Brand sagte auf der Tagung: "Wir müssen uns darauf einstellen, was wäre hier in der Krisensituation, dann müssen wir den Rechtsruck abwehren." In großen Teilen Europas erstarkt der Rechtspopulismus. Die parlamentarische Demokratie steckt in der Legitimationskrise, immer mehr Menschen sind politikverdrossen und die Rechtspopulisten stellen sich als wahre Volksvertreter dar. Bei der Landtagswahl 2011 in Mecklenburg-Vorpommern lag die Wahlbeteiligung bei 51,4%, 6% wählten die NPD.  

Die Linke muß also vorbereitet sein, auf eine Krisensituation, die hier stark zu spüren ist, aber auch auf unvorhersehbare Ereignisse, wie Aufstände, Massenproteste, Umstürze. Das Wort Revolution trauen sich heute viele nicht mal mehr zu denken. Nach Alex Demirovic macht in einer politischen Revolution eine Klasse im Namen der Allgemeinheit eine Revolution. Darin steckt die Vorstellung der Homogenisierung der Menschen. Die soziale Revolution bedeutet dagegen die Auflösung der Gesellschaft, die läßt sich nicht ohne politischen Akt denken. Es ist ein Infragestellen aller Verhältnisse.  

Ich habe 1989 den Umbruch in der DDR erlebt, auch dieser kam unverhofft. Ob es nun eine friedliche Revolution, eine Konterrevolution, eine Wende etc. war, will ich nicht kommentieren. Es herrschte Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die Gesellschaft war erstarrt. Honecker kündigte 1989 an, dass die Mauer noch 100 Jahre stehen werde, und alle haben es geglaubt. Nach der Fluchtwelle "Wir wollen raus" kamen die Proteste auf der Straße "Wir bleiben hier". Beides hat zum Umsturz beigetragen.

Aber: die marginale Opposition war in keinster Weise auf diese Ereignisse vorbereitet. Sie hatte keine attraktiven Konzepte anzubieten, außer das Wort "Sozialismus". Das kannten die DDR-Bürger schon. Da waren für viele DDR-Bürger letztlich die DM und "blühende Landschaften" attraktiver. Was danach kam, ist bekannt.  

Ich habe dann auch im Sommer 2004 etwas erlebt, worauf die Linke nicht vorbereitet war, sie plante eine Herbstkampagne. Tausende Erwerbslose gingen auf die Straße und protestierten gegen die Einführung von Hartz IV. Als Initiator gilt Andreas Ehrholdt, ein arbeitsloser Bürokaufmann aus Magdeburg, der dort die ersten Montagsdemonstrationen organisierte. Daraufhin gab es in vielen Städten Montagsdemonstrationen. Linke beförderten schließlich mit der Gründung der WASG, dass der Protest von der Straße in die Parlamente gelenkt wurde. Mit der Parlamentarisierung wurde der soziale Kampf befriedet. Nur die Linkspartei hat davon profitiert, schließlich hat sie durch ihr Geld, ihre Ressourcen und Jobs viele linke Kader und Intellektuelle aufgesogen. Sie hat damit die Wirkung eines Staubsaugers, der durch die sozialen Bewegungen fährt. Natürlich ist in Zeiten der Prekarität bezahlte politische Arbeit attraktiv. Und natürlich kann das Geld und die Ressourcen auch sozialen Bewegungen zugute kommen. Aber: Die zumeist älteren perspektivlosen Erwerbslosen, die damals auf die Straße gingen, haben davon nichts, und erst recht nichts von der Regierungsbeteiligung in Berlin. Die sichtbare Armut hat in den letzten Jahren in Berlin weiter zugenommen.  

Die Linke muß also vorbereitet sein. Aber worauf, auf die "Wege zum Kommunismus"? 

Als Gesine Lötzsch davon redete, reagierten die bürgerlichen Medien und Politiker hysterisch. Viele Linke reagierten wiederum mit dem üblichen Abwehrkomplex. Zuvor hatten sie bereits die Feierlichkeiten zu 20 Jahren Mauerfall und der Vereinigungsrummel angeekelt, ohne sich wirklich mit der Geschichte auseinanderzusetzen.  

IMMER VERTEIDIGEN DIE HERRSCHENDEN DAS BESTEHENDE  

Ich habe zwei Systeme erlebt und in beiden verteidigten die Herrschenden den Status quo. Allerdings, in der DDR wollte die Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr, und die Herrschenden konnten nicht mehr. Sie verloren auch noch den Bruder, die Sowjetunion.

Heute ist die Situation anders. Laut Heitmeyer Studie "Deutsche Zustände" idealisieren gerade höhere Einkommensgruppen mit höherer Bildung den Status quo, während die unteren Einkommensgruppen den Status quo negativ einschätzen, aber auch eine starke Abwertung von Alternativen vornehmen. Sie sind resigniert und fatalistisch.  

In der DDR wurde uns die wissenschaftliche Abfolge von Gesellschaften, wobei die Höchststufe der Kommunismus war, in die Köpfe gehämmert. Es war nur merkwürdig, eigentlich sollte der Staat langsam absterben, er schien sich aber immer breiter zu machen. Der paternalistische und repressive Staat kroch in alle Ritzen des Lebens. Erträglich war es nur, weil zum Glück Menschen Eigensinn entwickelten und auch Freiräume eroberten. Sie begehrten gegen die Standardisierung ihres Lebens und gegen die Erstarrung der Gesellschaft auf.  

Im Gegensatz zum Realsozialismus gelingt es dem Kapitalismus immer wieder, sich zu modernisieren, auch mit Hilfe der kritischen Geister. Die Kulturkritik der 68er und der sozialen Bewegungen wurde aufgesogen, seitdem hat sich die Gesellschaft verändert. Aus der Forderung nach Autonomie wurde das Motto "Macht was ihr wollt, aber seid profitabel." Aus der Kritik an der Vermassung wurde eine differenzierte Warenpalette, sie tobt sich z.B. in der so grünen Mittelschicht am Prenzlauer Berg aus, wo der Leistungsterror schon im Kinderzimmer beginnt. Das immer gleiche Prinzip blieb erhalten: Arbeiten, Geld verdienen, konsumieren. Prekarität, Unsicherheit, Angst vor dem Abstieg prägen diese neue Zeit. Mit dem Aufstieg des Neoliberalismus, insbesondere in den 90er Jahren nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus, triumphierte der Kapitalismus und stellte sich als Naturgesetz dar. Es gäbe keine Alternativen. Das Einzige, was an Alternativen oft diskutiert wird, sind Forderungen an den kapitalistischen Staat, wie die Forderung nach dem Grundeinkommen. Eine revolutionäre Linke stellt keine Forderungen an den Staat, sie bekämpft den Kapitalismus.

Uli Brand sagte: "Es gibt kein Projekt Sozialismus. 30 Jahre defensive Kämpfe."  

Gregor Kritidis berichtete von den Protesten in Griechenland. Der Parlamentarismus ist dort vollkommen delegitimiert. Dort können sich Parlamentarier nicht mehr in die Öffentlichkeit trauen. Die Protestierenden lehnten die Gründung einer Partei ab und forderten die Linksparteien auf, aus dem Parlament auszutreten, was diese allerdings nicht taten. Sie stellten bewußt keine Forderungen an das Parlament. Die Linke will sich nicht parlamentarisieren lassen. Trotzdem war bei Protesten ein Querschnitt der Bevölkerung da, vor allem aber Jüngere. Griechenland steht unter diktatorischer Verwaltung der Troika (IWF, EU- Kommission, EZB). Gregor Kritidis meinte: "Die Griechen wollen sich gar nicht retten lassen, sie kämpfen für einen Staatsbankrott." Die Krise hat zur Staatsverschuldung und quasi zum Crash in Griechenland geführt. Uli Brand betonte, dass es eine weltweite Dauerkrise sei. Es sei klar, wer die Kosten zu tragen hat. In einigen Ländern wie in Griechenland kracht es, es sei aber kein globaler Crash.  

DIE KRISE 

Flo Becker referierte auf der Tagung über die Vielfachkrise und verdeutlichte, wie "erfolgreich" die neoliberale Krisenbearbeitung ist. Zumindestens in Deutschland wurde der ökonomische Abstieg verhindert, die Kapitalverhältnisse wurden gestärkt, die Machtverhältnisse blieben erhalten. Die Verluste des Finanzsektors wurden sozialisiert, die Vermögenskonzentration auf den Finanzmärkten ist größer als vor der Krise. Eine kurzfristige Politik der Feuerwehr. Die Strukturen des Neoliberalismus wurden nicht in Frage gestellt. Die Krisenprozesse werden nicht gelöst. Die Finanzkrise führte zur Staatskrise, EU-weit wird über Staatsverschuldung geredet. Während der Staat entdemokratisiert wurde, wurden die Vermögenden gestärkt.  

SUBJEKTE IN VERÄNDERUNGEN  

Über dieses Thema sprach Christina Kaindl. Sie betonte, dass viele Menschen das Gefühl haben, dass ihre Anstrengungen nicht genügend gewürdigt werden. Der Vertrag "harte Arbeit gegen soziale Absicherung" sei einseitig gekündigt. Die repressiven Aspekte erfuhren insbesondere die Arbeitslosen. Das Sicherungssystem wird abgebaut, die Umgangsformen in den Ämtern sind demütigend, obwohl auch die früheren Sozialämter schon repressiv waren. Die Schuld an der Lebenslage wird den Arbeitslosen selbst zugewiesen. Die Bedrohung dieser repressiven Strukturen reicht bis in die Mittelschicht, die auch nach einem Jahr Arbeitslosigkeit in Hartz IV fallen kann. Es wird nicht zugegeben, dass die Erwerbslosigkeit ein strukturelles Problem ist, dann wäre es nämlich eine gesellschaftliche Aufgabe, das Problem zu lösen. Stattdessen werden die Erwerbslosen in Tätigkeiten gezwungen, wie in Ein-Euro-Jobs und den Niedriglohnsektor. Das sei ein Übergangssegment zu den produktivistischen Elementen. Die Arbeitsverhältnisse werden umgestaltet, es verändern sich die Arbeitsformen, so wird die Selbständigkeit ausgebaut. Der Arbeitsalltag wird ausgeweitet, die Subjekte steuern sich selbst und können nicht abschalten. Man spricht von einer Entgrenzung der Arbeit. Jede/r soll sich mit seinen Ideen als selbst verwirklichender Kreative/r oder Künstler/In produktiv machen. Du hast die Möglichkeiten, mach was draus. Es ist nicht mehr eine einfache Unterdrückungsgeschichte. Die Gegenkräfte im Subjekt gegen die gesellschaftliche Anforderung sind weg. Die Subjekte sollen funktional gemacht werden, mit ein bißchen Coaching, Therapie, Rausch usw. Das Ergebnis ist die Erschöpfung und schließlich die Depression, die heute die weit verbreiteste psychische Erkrankung ist.  

DIE IMPERIALE LEBENSWEISE 

Uli Brand sagte in seinem Vortrag: "Der Klimawandel macht uns kaputt und trotzdem ändert sich gesellschaftlich nichts."  Der globale Norden reproduziert und "verteidigt" seine Produktions- und Lebensweise. Hier gibt es tief verankerte Produktions- und Konsumnormen und wenig "bewusste" Alltagspraktiken. Für die globale Mittelklasse seien Fleischkonsum, Automobilität und Elektrogeräte kennzeichnend. Die Gesellschaft würde sich oft erst an der Rändern verändern. Und dann gibt es Unternehmensstrategien, die Mittelklasse will sich gut fühlen. Der green deal sei aufgrund der alten Kapitalfraktionen gescheitert. Green New Deal bedeutet Wettbewerbsfähigkeit mit grünen Technologien und grünen Kapitalfraktionen, und green jobs. Durch den Aufstieg der Schwellenländer verschärft sich noch der Konkurrenzkampf um Ressourcen. Selbst progressive Regierungen in Lateinamerika vertreten das alte Wachstums- und Ressourcenmodell. So in Brasilien, wo es eine starke Ausweitung der Mittelklasse gibt. Von der Ressourcenausbeutung (Öl) werden soziale Verbesserungen finanziert. Widerstand kommt nicht von der Regierung, sondern von den sozialen Bewegungen und kritischen Intellektuellen. Richtungsforderungen für Uli Brand sind eine progressive Arbeitszeitverkürzung und Klimagerechtigkeit.

M.E. wird selbst bei der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung oft nicht das Produkt der Arbeit und die Überproduktion thematisiert. In Betriebskämpfen wird für die Erhaltung der Auto-, Waschmaschinen- oder sonstigen Produktion gekämpft. Die grüne Mittelschicht fühlt sich der Unterschicht auch in ihrer Lebensweise überlegen, weil sie moralisch und ethisch konsumiert. Sie geht z.B. nicht in den billigen Supermarkt, sondern in den Bioladen. Und fährt mit Biosprit durch die Gegend, was zur Zerstörung von Lebensgrundlagen im globalen Süden führt. Der Ressourcenverbrauch der Mittelschicht ist gewaltig, aber sie fühlen sich gut mit ihrer imperialen, pardon ökologischen Lebensweise.Ich sehe keine Lösung für den Klimawandel, es ist die Apokalypse.  

BESTANDSAUFNAHME DER LINKEN  

MARXISTEN 

Michael Brie legte uns einen Brief von Rosa Luxemburg an Clara Zetkin vor, womit Ansätze radikaler Realpolitik diskutiert wurden. Im Gegensatz zum dogmatischen Marxismus entstehen die Ziele in den Kämpfen. Alex Demirovic sagte zu Rosa Luxemburg, sie sei zwar daran interessiert gewesen, wie kommen Menschen in Bewegung, sei aber oftmals eine dogmatische Marxistin mit einer klaren Ableitungslogik gewesen. Das andere Konzept würde sich aber mit dem dogmatischen Grundgerüst beißen.

Auf der Tagung wurde auch ein Text von Karl- Heinz Roth "Das Weltproletariat im Werden" diskutiert. Es gab unterschiedliche Ansichten zu den Begriffen Proletariat und Klassen. Christina Kaindl sagte, dass auch heute noch die Klassenanalyse wichtig sei und dass man zwischen einer Klasse an sich und für sich unterscheiden müsse. (Die Ausdrücke »Klasse an sich«, »Klasse für sich«

und »Klasse an und für sich«, die Marx zugeschrieben zu werden pflegen, finden sich bei diesem nicht. Eine durch ihre Stellung in den gegebenen Produktionsverhältnissen „an sich“ gegebene Klasse könne nur zur politisch "für sich" handelnden Klasse werden, wenn sie gemeinsam lernt, kämpft und Erfahrungen sammelt.)

M.E. holt der Begriff "Proletariat" niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Wir haben es heute mit einer enormen Ausdifferenzierung der Arbeitsverhältnisse zu tun. Was sollen ein hochbezahlter Daimler-Stammarbeiter, eine Ein-Euro-Jobberin, ein prekärer Kulturarbeit mit Erbschaft und finanziellem Hintergrund, ein Straßenhändler im globalen Süden und eine osteuropäische Pflegekraft in einem Privathaus, deren Besitzer ein  leitender Firmenangestellter und eine selbstständige Rechtsanwältin sind, gemeinsam haben. (Hmh, weiß jetzt nicht, ob letztere auch noch zum Weltproletariat zählen.) Sie haben unterschiedliche Einkommens- und Lebensverhältnisse und unterschiedliche Interessen. Kaum jemand in Deutschland würde sich als Proletarier begreifen, die meisten wollen der Mittelschicht zugehörig sein. Während es in der proletarischen DDR einen Arbeiterstolz gab, ist "Proll" im Westen ein Schimpfwort. Nicht zu vergleichen, als die Arbeiterklasse in den Fabriken die gleichen Arbeits- und Lebensbedingungen hatten. Es nützt nichts, eine Klasse herbei zu halluzinieren, in der Hoffnung, daraus würde ein gemeinsames Klassenbewußtsein und ein gemeinsamer Klassenkampf erwachsen.  

LINKSPARTEI 

Dazu gab es eine Diskussion zwischen teilnehmenden Mitgliedern der Linkspartei und Aktivisten der sozialen Bewegungen, manchmal auch beides. Da ich nicht mitgeschrieben habe, gebe ich hier nur meinen Standpunkt wieder.

Den griechischen Ansatz, den Parlamentarismus abzulehnen, finde ich symphatisch. Leider ist die Bewegung zur Zeit so schwach, und die Linkspartei so zerstritten, da kann man sich freuen, dass es überhaupt noch Linke gibt. Die Linkspartei sollte die Rolle der Opposition im Parlament einnehmen. Keine Regierungsbeteiligung mit neoliberaler Politik wie in Berlin!

Die Linkspartei hat ganz eindeutig von den Hartz IV- Protesten profitiert, mit "AV Wohnen" und "ÖBS" speisten sie die Hartz IV- BezieherInnen in Berlin ab. Das bedeutete, ein Jahr Wohnungssuche bei einem Zwangsumzug (inzwischen ist es ein halbes). Dabei hatte die Linkspartei mit der Privatisierung des sozialen Wohnungsbaus dazu beigetragen, dass es kaum noch preiswerte Wohnungen in der Innenstadt gibt. Das bedeutet Verdrängung armer Bevölkerungsteile aus der Berliner Innenstadt. Auch der gepriesene ÖBS erwies sich als Luftnummer. Kritik kam von Erwerbsloseninitiativen. Und für Erwerbslose, die freiwillig für 3 Jahre eine ÖBS-Stelle suchten, gab es zu wenige Angebote. Funktionäre üben sich da oft in Verbalkritik. Bei den Wahlplakaten in Berlin könnte man annehmen, die Linkspartei in Berlin sei seit zehn Jahren in der Opposition.  

M.E. hat die Linkspartei folgende Funktionen:

- linke Inhalte, Kritik und Alternativen ins Parlament und die breite Öffentlichkeit tragen

- Informationsaustausch: Es können Anfragen von den sozialen Bewegungen an die Linkspartei herangetragen werden. Die Linkspartei wiederum liefert Informationen.

- Ressourcen, die die Linkspartei den sozialen Bewegungen zur Verfügung stellt

- Kann es eine Verbindung zwischen der Linkspartei, kritischen Intellektuellen und Alltagspraxen geben?  

Allerdings, damit die Linkspartei im Parlament überhaupt etwas bewegen kann, bedarf es draußen einer starken Bewegung und die gibt es nicht. Nur nach Fukushima und einer kontinuierlichen Arbeit der starken Anti-AKW-Bewegung knickte Merkel ein. Und es gibt noch ein Problem. Die Linkspartei will Rücksicht vor allem auf ihre Wählerschaft im Osten nehmen, was oftmals ehemalige Angehörige des DDR-Funktionärsapparates und Ostalgiker aufgrund der heutigen prekären Lebenslage sind. Hätte es wie in den 50er Jahren im Westen auch nach 1989 im Osten einen Wirtschaftswunder gegeben, wären die Ostalgiker wahrscheinlich "überzeugte Demokraten" (wie damals...). Das führt dazu, dass zwar der Kapitalismus realistisch geschildert wird, bei der DDR neigt man allerdings oftmals zur Beschönigung. Das führt dann zu absurden Situationen, Antikapitalisten verteidigen dieses DDR-Bild und Karrieristen sind dagegen. Damit tappt die Linkspartei immer wieder in die Falle. Während sie zum Kapitalismus die Perspektive der Unterdrückten einnehmen, geben sie zum Realsozialismus die Perspektive der DDR-Eliten wieder, so als würden sie heute die Perspektive eines Millionärs oder Managers übernehmen. Denen geht es aber prächtig, da gibt es keine Probleme im System.  

Die Geschichte der DDR ist wissenschaftlich aufgearbeitet, jede/r kann sich informieren. Leider allerdings nicht von links. Natürlich erfolgt bei jeder Realitätsleugnung ein Aufschrei der bürgerlichen Öffentlichkeit. Das wird dann als Antikommunismus abgetan. So einfach ist das schwarz-weiße Weltbild. Man kann nur hoffen, dass sich die Vernunft durchsetzt. Das ist natürlich ein Spagat bei dieser Heterogenität der Partei. 

JUNGE WELT: DAS LIEBLINGSBLATT DER LINKEN 

64 Jahre Junge Welt sind fast so schlimm wie 20 Jahre Bildzeitung in den neuen Bundesländern. Vor allem für die Westlinke, die ihr DDR-Bild aus ihrem Lieblingsblatt schöpft. Die Manipulationmaschinerie der Jungen Welt läuft seit 1947 wie geschmiert. Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Schwierig macht es die Sache, weil natürlich auch viele gute Artikel zur kapitalistischen Realität dort zu finden sind. Man kann nur hoffen, dass es endlich wieder einen Aufstand in der Jungen Welt gibt. Das Titelblatt zu 50 Jahren Mauerbau wäre Anlaß genug. Hindernisgrund könnte die Prekarität von Journalisten sein, falls sie die Junge Welt überhaupt bezahlt. Und auch die Bezahlung ist...Ja, so ist der Kapitalismus.  

LINKER DOGMATISMUS 

In dem Text "Neuorientierung der Linken" von Stuart Hall aus dem Jahre 1984, den wir andiskutierten, findet sich folgendes Zitat:

"Der "linke Dogmatismus" ist ein ganz spezifischer, eigenartiger politischer Stil, ein Bündel von Haltungen, eine politisch-kulturelle Tradition, die sich durch alle heutigen organisatorischen Fraktionen der Linken zieht- darum geht es. Es geht um die "dogmatische Linke" als Gralshüterin linken Bewußtseins, als politischem Garanten, als Lackmuspapier der Orthodoxie; hier steckt das Problem. Und hier liegt auch der Grund dafür, warum sich die Neuorientierung als ein eher langwieriger Prozeß mit allen möglichen Sackgassen herausstellt, und warum er immerzu im Sande verläuft: In jedem von uns steckt ein Stück eines "dogmatischen Linken", das vor unserem Bewußtsein Grenzposten steht, bestimmte wesentliche, aber unbequeme Tatsachen aus unserem Gedächtnis streicht, bestimmte Fragen für indiskutabel erklärt, keinerlei Seitensprünge erlaubt und dazu beiträgt, bestimmte automatische und unhinterfragte Reflexe beizubehalten...Es geht um den "linken Dogmatismus" als Bremsklotz in einem langen, schweren, aber notwendigen Prozeß."  

DIE NEUORIENTIERUNG DER LINKEN 

Tadzio Müller sagte: "Revolutionäres Denken in der Krise muß strategisches Denken sein." Er berichtete, dass schon heute im Energiesektor die Eigentumsfrage gestellt werden muß, was m.E. eher bei kommunalen Stadtwerken als bei großen Energiekonzernen möglich ist.  

Anhand des Textes von 1984 zur "Neuorientierung der Linken" diskutierten wir, dass auch ein heutiger Umdenkungsprozeß notwendig sei. Ich kann hier nur aufzählen, was mir bei einer Neuorientierung der Linken wichtig wäre, wobei vieles auch schon praktiziert wird.  

Die lokale Ebene: Alltagskämpfe 

Aktiv ist zur Zeit in diesem Bereich vor allem die Bewegung gegen Gentrifizierung, die in Stadtteilinitiativen organisiert ist. Was der Linken selten gelingt, ich habe schon MieterInnenversammlungen erlebt, an denen der Querschnitt der Bevölkerung des Kiezes beteiligt war. Auch die Anti-AKW-Bewegung lebt von der Unterstützung der Bevölkerung im Wendland. Und auch beim Kampf gegen Stuttgart 21 waren große Teile der Bevölkerung beteiligt. Weitere Alltagskämpfe können in Betrieben (z.B. Babylon, Ambulante Dienste) und in Jobcentern (Zahltag, Keine/r geht allein zum Amt, Jobcenterversammlungen) stattfinden. Diese Kämpfe sollten allerdings auch eine internationale Perspektive haben und sich mit anderen Kämpfen verknüpfen.

Während 2004 noch die Erwerbslosen massenhaft auf die Straße gingen, ist es heute vor allem die Mittelschicht, ob die Pioniere der Gentrifizierung in den Stadtteilen, ob die Bürgerproteste von Stuttgart 21 oder die Bevölkerung im Wendland. Das macht einen Unterschied. Während Hartz IV trotzdem eingeführt wurde, sind heute neun Atomkraftwerke abgeschaltet, Stuttgart hat einen neuen grünen Bürgermeister und dem rot-roten Senat könnte die Mietenpolitik zum Verhängnis werden. Tadzio Müller sprach das Problem an, dass soziale Bewegungen sich auch auf subalterne Gruppen beziehen müssen.  

Die globale Ebene: Vernetzung sozialer Kämpfe 

Nach dem Niedergang der globalisierungskritischen und Sozialforumsbewegung bedarf es neuer Ansätze. In der arabischen Welt, in Griechenland, in Spanien, Israel etc. wird der Aufstand geprobt. Es sind vor allem soziale Proteste aufgrund hoher Jugendarbeitslosigkeit und schlechter Existenzbedingungen. Hier bedarf es einer Vernetzung der Kämpfe. Aber auch Projekte, z.B.der Solidarischen Ökonomie außerhalb von Kämpfen, können sich global vernetzen. Gerade in der Krise nimmt die Bedeutung der globalen Ebene zu. Viele Probleme der multiplen Krise können nur global angegangen werden.  

Anders leben in der Gegenwart 

Auch hier gibt es bereits Ansätze. Wie wollen wir leben? Hier und Jetzt! Ob es eine andere Lebensweise im globalen Norden ist, anders arbeiten oder anders wirtschaften, ob es gemeinschaftliche Lebensformen sind. Es geht um die Schaffung von Freiräumen.Die Herrschaft reicht so tief, dass es selbst das Vorstellbare beeinflußt. Von einer Revolutionierung der Arbeits- und Lebensweise sind wir weit entfernt.  

Gegenentwurf für die Zukunft 

Es ist nicht so einfach mit Alternativen. Kommunismus ist nämlich nicht nur Utopie, sondern es gibt geschichtliche Erfahrungen zum Kommunismus. Kommunismus ist Vergangenheit und Zukunft. Wir müssen den Begriff des Kommunismus oder wie wir eine lebenswerte Gesellschaft nennen wollen, endlich mit emanzipatorischen Inhalten füllen, sonst machen es die Herrschenden mit dem Wort GULAG.  

Tadzio Müller sagte, dass das kommunistische Projekt ein demokratisches sei. Es ginge um mehr Demokratie. Allerdings sei der Begriff der Demokratie im Kapitalismus ausgehöhlt. Er kann nicht radikal angeeignet werden, weil er von anderen besetzt ist. 

Das Problem ist: Die Linke kritisiert berechtigterweise das Bestehende, den Realsozialismus und die eigene Geschichte ignoriert sie aber, sie ist unwissend oder verklärt sie. Aber: Nur wenn die Linke das Bestehende kritisiert und jene Geschichte aufarbeitet, kann sie auch einen nicht-autoritären Gegenentwurf entwickeln. Diese Gegenentwürfe können aber nicht nur von Wissenschaftlern am Schreibtisch entworfen werden, sondern sie müssen kollektiv in den aktuellen Kämpfen entstehen. Es sind auch keine fertigen Konzepte, die anderen autoritär übergestülpt werden, es sind Experimente und Suchbewegungen, wie die Zapatistas sagten: "Fragend gehen wir voran." 

Allerdings steht wiederum die derzeitige Schwäche der Linken entgegen, es gibt kaum Kämpfe. Viele Menschen sind nicht in der Lage, das Andere zu denken. Auch viele Linke nicht, weil sie sich hauptsächlich in Abwehrkämpfen abarbeiten.  

"Die" Linke betreibt weder kritische Aufarbeitung der eigenen Geschichte, noch hat sie einen Gegenentwurf. Das ist das Problem. Das erste macht sie unglaubwürdig, das Zweite unattraktiv, weil sie nichts anzubieten hat. Die Menschen möchten aber wissen, wie es denn anders funktionieren kann. Viele fragen nach Alternativen.  

Utopie wird oft als lächerlich empfunden, wird abgelehnt. Sie wird aber auch gefürchtet, denn sie schafft Unruhe, Unzufriedenheit und übt Druck zur Veränderung aus.  

Wie sagte Helmut Schmidt: WER VISIONEN HAT, SOLL ZUM ARZT GEHEN.  

Alex Demirovic sagte auf der Tagung: "Wir müssen Situationen schaffen, in denen die Leute exemplarisch lernen können. Wir müssen ein Einstiegsprojekt schaffen. Und wir müssen aus der Perspektive des Erfolgs denken." Wir müssten strategische Überlegungen vornehmen, wo wir auch gewinnen könnten. Christina Kaindl meinte, dass reformistische und revolutionäre Formen auseinandergehen, es gibt keine Praxis der Langfristigkeit. Es gebe keine Kultur der mittel- und längerfristigen Strategie ohne zersetzende Kämpfe.

Abschließend wurde diskutiert, dass alles zusammengedacht werden muß, so die Krisenwirkung im Alltag und ein neuer Internationalismus. Die Vermittlung zwischen Alltagskämpfen bis zum großen Projekt muß praktisch und theoretisch formuliert werden. Es müsse eine Verbindung zwischen linken Intellektuellen und Alltagskämpfen geben. Es wurde der Wunsch geäußert, dass noch mehr Aktivisten aus den sozialen Bewegungen an dieser wissenschaftlichen Tagung teilnehmen.  

Ein Hinweis zum Veranstaltungszyklus: 

Was tun mit Kommunismus?!
Kapitalismus – „real existierender Sozialismus“ - konkrete Utopien heute 

Montag, 31. Oktober 2011
Mehringhof (Gneisenaustr. 2a, Nähe U 6+7/Mehringdamm), 18 bis 22 Uhr: „Die Linke und 'der real existierende Sozialismus'“ 

Podiumsteilnehmer/innen: Bini Adamczak (Autorin), Hauke Benner (autonomer Grenzgänger in den 80er Jahren), Willi Hajek (Europ. Netzwerk Basisgewerkschaften), Thomas Klein (Zeithistoriker), Elfriede Müller (jour fixe initiative berlin), Monika Runge (RLS Sachsen, MdL Sachsen), Jörn Schüttrumpf (Karl Dietz Verlag)

Moderation: Anne Seeck, Bernd Gehrke 

Dienstag, 1. November 2011
Haus der Demokratie und Menschenrechte (Greifswalder Str. 4, Tram 3+4, zwei Stationen vom Alex), 18 bis 22 Uhr: „Wie sozialistisch war der 'real existierende Sozialismus'?“ 

Podiumsteilnehmer/innen: Helmut Bock (Historiker, Historische Kommission der PDL), Renate Hürtgen (Historikerin, AK Geschichte sozialer Bewegungen Ost-West), Christoph Jünke (Historiker und Publizist), Ralf G. Landmesser (libertärer Publizist, LPA), Anne Seeck (Aktivistin) Harry Waibel (Historiker und Publizist)

Moderation: Bernd Gehrke, Willi Hajek  

Sonntag, 6. November 2011
Festsaal Kreuzberg (Skalitzer Str. 130, U 1+8/Kottbusser Tor) 17 bis 21 Uhr: „Raus aus dem Kapitalismus - aber wohin? Konkrete Utopien heute“ 

Podiumsteilnehmer/innen: Christian Frings (Aktivist und Autor), Bernd Gehrke (AK Geschichte sozialer Bewegungen Ost-West), Detlef Hartmann (linker Aktivist und Theoretiker), Lucy Redler (Partei Die Linke, SAV), Michael Wilk (libertärer Autor und Aktivist), N.N. Theorie Organisation Praxis (TOP Berlin)

Moderation: Ralf G. Landmesser, Harry Waibel  

Der Eintritt ist frei – Spenden sind erwünscht! 

Veranstalter: Selbsthilfegruppe Ei des Kommunismus (SEK) 

Die Veranstaltungen werden unterstützt von:

Assoziation A, ASTA TU Berlin, Bildungswerk Berlin der Heinrich Böll Stiftung, Buchladen Schwarze Risse, North-East-Antifa, Netzwerk Selbsthilfe e.V., Rosa-Luxemburg-Stiftung, Teilhabe e.V., Zeitschrift Analyse & Kritik, Zeitschrift Antirassistischer Gruppen, Zeitschrift telegraph

Die kapitalistische Weltwirtschaft und die bürgerlichen Demokratien sind von fundamentalen Krisen erfasst. Begleitet werden sie von einem Aufschwung des Rechtspopulismus in Europa. Gleichzeitig wächst aber auch die Bereitschaft, über Alternativen und Wege zur Überwindung des Kapitalismus nachzudenken. 

Für Empörung, Aufstände und soziale Revolutionen gibt es reichliche Gründe, wie die jüngsten Entwicklungen in der arabischen Welt, in Griechenland, Spanien oder in Großbritannien zeigen. In dieser Situation ist aber gerade in Deutschland auch eine Wiederbelebung der ML-Ideologie der gescheiterten pseudo-sozialistischen Diktaturen des Ost-Blocks zu verzeichnen. 

Die dreiste Leugnung des repressiven Charakters dieser Polizeistaaten gegenüber der Bevölkerungsmehrheit sowie gegenüber jeder linken Kritik und Mythen über „sozialistische Errungenschaften“ treiben neue Blüten. Überreste der DDR-Nomenklatura finden namentlich in der Tageszeitung „junge Welt“ eine Plattform dafür. 

Angewidert von der anti-kommunistischen Propaganda entdecken aber auch manch junge Linke plötzlich scheinbare „Vorzüge der DDR“. Auf diese Weise tappen Linke aber nicht nur in die Falle der Neutralisierung antikapitalistischer Strömungen durch die Herrschenden; diese können nämlich die Erfahrungen vieler Menschen in Ost und West mit dem untergegangenen System des „real existierenden Sozialismus“ dagegen mobilisieren. 

Jene Linken sind auch dazu verdammt, erneut autoritäre Wege zu betreten, die nicht über den heutigen Kapitalismus und die in langen geschichtlichen Kämpfen gegen Kapital und Staat erstrittenen Freiheiten hinausführen, sondern dahinter zurückfallen. 

Die bisherigen „real-sozialistischen“ Verhältnisse haben sich als anti-emanzipatorische Sackgassen erwiesen. Deshalb ist für die Suche nach Alternativen zum Kapitalismus im 21. Jahrhundert eine radikal emanzipatorische Neubestimmung von Theorie und Praxis der antikapitalistischen Linken notwendig. Eine (selbst-)kritische Auseinandersetzung mit den Fehlern und Irrtümern der eigenen Geschichte ist dafür eine ebenso unverzichtbare Voraussetzung, wie neue Antworten auf veränderte geschichtliche Bedingungen. 

Diese Erkenntnisse sollten den Ausgangspunkt jeder heutigen Debatte über anti-kapitalistische Perspektiven bilden. Deshalb wollen wir in drei zusammengehörenden Veranstaltungen darüber diskutieren, ob und inwiefern eine Alternative zum Kapitalismus für verschiedene emanzipatorische Strömungen der anti-kapitalistischen Linken heute noch unter dem Leitstern eines „Kommunismus“ stehen kann? Oder hat die geschichtliche Praxis von Bolschewismus und Stalinismus Begriff und Idee so verschlissen, dass sie durch andere Leitideen ersetzt werden müssten?  

In einer ersten Veranstaltung unseres Zyklus wollen wir deshalb darüber diskutieren, wie das Verhältnis verschiedener emanzipatorischer Strömungen der antikapitalistischen Linken zum „real existierenden Sozialismus“ war und ist. Dabei wollen wir mit Lügen und Geschichtsmythen aufräumen. 

Eng verbunden damit soll in einer zweiten Veranstaltung dem Problem nachgegangen werden, wie sozialistisch der „real existierende Sozialismus“ jenseits aller Mythen überhaupt war? Damit sollen die verschiedenen Strömungen, die wir eingeladen haben auch bestimmen, was sie unter „Sozialismus“ überhaupt verstehen. Ebenso wollen wir ausloten, worin die verschiedenen Strömungen die Ursachen für die Fehlentwicklung des Ost-Blocks sehen und wie sie den Charakter dieser Gesellschaften rückblickend einschätzen. 

In einer dritten und letzten Veranstaltung wollen wir uns darüber austauschen, welche emanzipatorischen Auswege aus dem Kapitalismus sich nach dem Scheitern des „real existierenden Sozialismus“ ergeben. Können diese gesellschaftlichen Alternative(n) noch mit dem Begriff „Kommunismus“ assoziiert werden?

Editorische Hinweise

Wir erhielten den Text von der Autorin für diese Ausgabe.