Die
Diskussion auf der Tagung war sehr interessant, anregend und
vor allem überraschend intensiv. Man kann nur hoffen, dass
WissenschaftlerInnen und AktivistInnen desöfteren zu ähnlich
interessanten Themen zusammenkommen. Interessant fand ich,
dass Inhalt der Tagung eher angewandte Wissenschaft war, also
die Verknüpfung von Theorie und Praxis.
Ich bin keine
(Sozial- oder Politik-)Wissenschaftlerin, schöpfe eher aus
meinen Erfahrungen und aus politischer Literatur, meistens keine
Theorie. Deshalb kann ich auch keine wissenschaftliche
Abhandlung dieser Tagung wiedergeben, weil ich die
wissenschaftlichen Diskurse nicht kenne. Eigene Gedanken sind
hier mit Zitaten aus Vorträgen verknüpft.
WIR MÜSSEN UNS
VORBEREITEN
Alex Demirovic
begann am Anfang der Tagung so: "In Deutschland herrscht Ruhe,
drumherum ist eine große Dynamik. Ob in der arabischen Welt oder
der südeuropäischen Peripherie- es revoltieren vor allem jene,
die mit einem Mangel an Perspektiven konfrontiert sind. Dinge
passieren, man kann sie nicht herbeiführen, aber man kann sich
auf solche Ereignisse vorbereiten."
In Tunesien
starb am 4. Januar 2011 ein 26jähriger Mann, der sich vor dem
Gouvernoratsgebäude in Brand gesetzt. Er protestierte als
Gemüsehändler gegen die Konfiszierung seines Obst- und
Gemüsestandes durch die Polizei. Trotz guter Bildung war er
perspektivlos. Das löste Unruhen in Tunesien und schließlich in
großen Teilen der arabischen Welt aus. Solche Ereignisse können
aber auch der Gegenseite nützen.
Uli Brand sagte
auf der Tagung: "Wir müssen uns darauf einstellen, was wäre hier
in der Krisensituation, dann müssen wir den Rechtsruck
abwehren." In großen Teilen Europas erstarkt der
Rechtspopulismus. Die parlamentarische Demokratie steckt in der
Legitimationskrise, immer mehr Menschen sind politikverdrossen
und die Rechtspopulisten stellen sich als wahre Volksvertreter
dar. Bei der Landtagswahl 2011 in Mecklenburg-Vorpommern lag die
Wahlbeteiligung bei 51,4%, 6% wählten die NPD.
Die Linke muß
also vorbereitet sein, auf eine Krisensituation, die hier stark
zu spüren ist, aber auch auf unvorhersehbare Ereignisse, wie
Aufstände, Massenproteste, Umstürze. Das Wort Revolution trauen
sich heute viele nicht mal mehr zu denken. Nach Alex Demirovic
macht in einer politischen Revolution eine Klasse im Namen der
Allgemeinheit eine Revolution. Darin steckt die Vorstellung der
Homogenisierung der Menschen. Die soziale Revolution bedeutet
dagegen die Auflösung der Gesellschaft, die läßt sich nicht ohne
politischen Akt denken. Es ist ein Infragestellen aller
Verhältnisse.
Ich habe 1989
den Umbruch in der DDR erlebt, auch dieser kam unverhofft. Ob es
nun eine friedliche Revolution, eine Konterrevolution, eine
Wende etc. war, will ich nicht kommentieren. Es herrschte
Unzufriedenheit in der Bevölkerung, die Gesellschaft war
erstarrt. Honecker kündigte 1989 an, dass die Mauer noch 100
Jahre stehen werde, und alle haben es geglaubt. Nach der
Fluchtwelle "Wir wollen raus" kamen die Proteste auf der Straße
"Wir bleiben hier". Beides hat zum Umsturz beigetragen.
Aber: die
marginale Opposition war in keinster Weise auf diese Ereignisse
vorbereitet. Sie hatte keine attraktiven Konzepte anzubieten,
außer das Wort "Sozialismus". Das kannten die DDR-Bürger schon.
Da waren für viele DDR-Bürger letztlich die DM und "blühende
Landschaften" attraktiver. Was danach kam, ist bekannt.
Ich habe dann
auch im Sommer 2004 etwas erlebt, worauf die Linke nicht
vorbereitet war, sie plante eine Herbstkampagne. Tausende
Erwerbslose gingen auf die Straße und protestierten gegen die
Einführung von Hartz IV. Als Initiator gilt Andreas Ehrholdt,
ein arbeitsloser Bürokaufmann aus Magdeburg, der dort die ersten
Montagsdemonstrationen organisierte. Daraufhin gab es in vielen
Städten Montagsdemonstrationen. Linke beförderten schließlich
mit der Gründung der WASG, dass der Protest von der Straße in
die Parlamente gelenkt wurde. Mit der Parlamentarisierung wurde
der soziale Kampf befriedet. Nur die Linkspartei hat davon
profitiert, schließlich hat sie durch ihr Geld, ihre Ressourcen
und Jobs viele linke Kader und Intellektuelle aufgesogen. Sie
hat damit die Wirkung eines Staubsaugers, der durch die sozialen
Bewegungen fährt. Natürlich ist in Zeiten der Prekarität
bezahlte politische Arbeit attraktiv. Und natürlich kann das
Geld und die Ressourcen auch sozialen Bewegungen zugute kommen.
Aber: Die zumeist älteren perspektivlosen Erwerbslosen, die
damals auf die Straße gingen, haben davon nichts, und erst recht
nichts von der Regierungsbeteiligung in Berlin. Die sichtbare
Armut hat in den letzten Jahren in Berlin weiter zugenommen.
Die Linke muß
also vorbereitet sein. Aber worauf, auf die "Wege zum
Kommunismus"?
Als Gesine
Lötzsch davon redete, reagierten die bürgerlichen Medien und
Politiker hysterisch. Viele Linke reagierten wiederum mit dem
üblichen Abwehrkomplex. Zuvor hatten sie bereits die
Feierlichkeiten zu 20 Jahren Mauerfall und der
Vereinigungsrummel angeekelt, ohne sich wirklich mit der
Geschichte auseinanderzusetzen.
IMMER
VERTEIDIGEN DIE HERRSCHENDEN DAS BESTEHENDE
Ich habe zwei
Systeme erlebt und in beiden verteidigten die Herrschenden den
Status quo. Allerdings, in der DDR wollte die Mehrheit der
Bevölkerung nicht mehr, und die Herrschenden konnten nicht mehr.
Sie verloren auch noch den Bruder, die Sowjetunion.
Heute ist die
Situation anders. Laut Heitmeyer Studie "Deutsche Zustände"
idealisieren gerade höhere Einkommensgruppen mit höherer Bildung
den Status quo, während die unteren Einkommensgruppen den Status
quo negativ einschätzen, aber auch eine starke Abwertung von
Alternativen vornehmen. Sie sind resigniert und fatalistisch.
In der DDR
wurde uns die wissenschaftliche Abfolge von Gesellschaften,
wobei die Höchststufe der Kommunismus war, in die Köpfe
gehämmert. Es war nur merkwürdig, eigentlich sollte der Staat
langsam absterben, er schien sich aber immer breiter zu machen.
Der paternalistische und repressive Staat kroch in alle Ritzen
des Lebens. Erträglich war es nur, weil zum Glück Menschen
Eigensinn entwickelten und auch Freiräume eroberten. Sie
begehrten gegen die Standardisierung ihres Lebens und gegen die
Erstarrung der Gesellschaft auf.
Im Gegensatz
zum Realsozialismus gelingt es dem Kapitalismus immer wieder,
sich zu modernisieren, auch mit Hilfe der kritischen Geister.
Die Kulturkritik der 68er und der sozialen Bewegungen wurde
aufgesogen, seitdem hat sich die Gesellschaft verändert. Aus der
Forderung nach Autonomie wurde das Motto "Macht was ihr wollt,
aber seid profitabel." Aus der Kritik an der Vermassung wurde
eine differenzierte Warenpalette, sie tobt sich z.B. in der so
grünen Mittelschicht am Prenzlauer Berg aus, wo der
Leistungsterror schon im Kinderzimmer beginnt. Das immer gleiche
Prinzip blieb erhalten: Arbeiten, Geld verdienen, konsumieren.
Prekarität, Unsicherheit, Angst vor dem Abstieg prägen diese
neue Zeit. Mit dem Aufstieg des Neoliberalismus, insbesondere in
den 90er Jahren nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus,
triumphierte der Kapitalismus und stellte sich als Naturgesetz
dar. Es gäbe keine Alternativen. Das Einzige, was an
Alternativen oft diskutiert wird, sind Forderungen an den
kapitalistischen Staat, wie die Forderung nach dem
Grundeinkommen. Eine revolutionäre Linke stellt keine
Forderungen an den Staat, sie bekämpft den Kapitalismus.
Uli Brand
sagte: "Es gibt kein Projekt Sozialismus. 30 Jahre defensive
Kämpfe."
Gregor Kritidis
berichtete von den Protesten in Griechenland. Der
Parlamentarismus ist dort vollkommen delegitimiert. Dort können
sich Parlamentarier nicht mehr in die Öffentlichkeit trauen. Die
Protestierenden lehnten die Gründung einer Partei ab und
forderten die Linksparteien auf, aus dem Parlament auszutreten,
was diese allerdings nicht taten. Sie stellten bewußt keine
Forderungen an das Parlament. Die Linke will sich nicht
parlamentarisieren lassen. Trotzdem war bei Protesten ein
Querschnitt der Bevölkerung da, vor allem aber Jüngere.
Griechenland steht unter diktatorischer Verwaltung der Troika
(IWF, EU- Kommission, EZB). Gregor Kritidis meinte: "Die
Griechen wollen sich gar nicht retten lassen, sie kämpfen für
einen Staatsbankrott." Die Krise hat zur Staatsverschuldung und
quasi zum Crash in Griechenland geführt. Uli Brand betonte, dass
es eine weltweite Dauerkrise sei. Es sei klar, wer die Kosten zu
tragen hat. In einigen Ländern wie in Griechenland kracht es, es
sei aber kein globaler Crash.
DIE KRISE
Flo Becker
referierte auf der Tagung über die Vielfachkrise und
verdeutlichte, wie "erfolgreich" die neoliberale
Krisenbearbeitung ist. Zumindestens in Deutschland wurde der
ökonomische Abstieg verhindert, die Kapitalverhältnisse wurden
gestärkt, die Machtverhältnisse blieben erhalten. Die Verluste
des Finanzsektors wurden sozialisiert, die
Vermögenskonzentration auf den Finanzmärkten ist größer als vor
der Krise. Eine kurzfristige Politik der Feuerwehr. Die
Strukturen des Neoliberalismus wurden nicht in Frage gestellt.
Die Krisenprozesse werden nicht gelöst. Die Finanzkrise führte
zur Staatskrise, EU-weit wird über Staatsverschuldung geredet.
Während der Staat entdemokratisiert wurde, wurden die
Vermögenden gestärkt.
SUBJEKTE IN
VERÄNDERUNGEN
Über dieses
Thema sprach Christina Kaindl. Sie betonte, dass viele Menschen
das Gefühl haben, dass ihre Anstrengungen nicht genügend
gewürdigt werden. Der Vertrag "harte Arbeit gegen soziale
Absicherung" sei einseitig gekündigt. Die repressiven Aspekte
erfuhren insbesondere die Arbeitslosen. Das Sicherungssystem
wird abgebaut, die Umgangsformen in den Ämtern sind demütigend,
obwohl auch die früheren Sozialämter schon repressiv waren. Die
Schuld an der Lebenslage wird den Arbeitslosen selbst
zugewiesen. Die Bedrohung dieser repressiven Strukturen reicht
bis in die Mittelschicht, die auch nach einem Jahr
Arbeitslosigkeit in Hartz IV fallen kann. Es wird nicht
zugegeben, dass die Erwerbslosigkeit ein strukturelles Problem
ist, dann wäre es nämlich eine gesellschaftliche Aufgabe, das
Problem zu lösen. Stattdessen werden die Erwerbslosen in
Tätigkeiten gezwungen, wie in Ein-Euro-Jobs und den
Niedriglohnsektor. Das sei ein Übergangssegment zu den
produktivistischen Elementen. Die Arbeitsverhältnisse werden
umgestaltet, es verändern sich die Arbeitsformen, so wird die
Selbständigkeit ausgebaut. Der Arbeitsalltag wird ausgeweitet,
die Subjekte steuern sich selbst und können nicht abschalten.
Man spricht von einer Entgrenzung der Arbeit. Jede/r soll sich
mit seinen Ideen als selbst verwirklichender Kreative/r oder
Künstler/In produktiv machen. Du hast die Möglichkeiten, mach
was draus. Es ist nicht mehr eine einfache
Unterdrückungsgeschichte. Die Gegenkräfte im Subjekt gegen die
gesellschaftliche Anforderung sind weg. Die Subjekte sollen
funktional gemacht werden, mit ein bißchen Coaching, Therapie,
Rausch usw. Das Ergebnis ist die Erschöpfung und schließlich die
Depression, die heute die weit verbreiteste psychische
Erkrankung ist.
DIE IMPERIALE
LEBENSWEISE
Uli Brand sagte
in seinem Vortrag: "Der Klimawandel macht uns kaputt und
trotzdem ändert sich gesellschaftlich nichts." Der globale
Norden reproduziert und "verteidigt" seine Produktions- und
Lebensweise. Hier gibt es tief verankerte Produktions- und
Konsumnormen und wenig "bewusste" Alltagspraktiken. Für die
globale Mittelklasse seien Fleischkonsum, Automobilität und
Elektrogeräte kennzeichnend. Die Gesellschaft würde sich oft
erst an der Rändern verändern. Und dann gibt es
Unternehmensstrategien, die Mittelklasse will sich gut fühlen.
Der green deal sei aufgrund der alten Kapitalfraktionen
gescheitert. Green New Deal bedeutet Wettbewerbsfähigkeit mit
grünen Technologien und grünen Kapitalfraktionen, und green jobs.
Durch den Aufstieg der Schwellenländer verschärft sich noch der
Konkurrenzkampf um Ressourcen. Selbst progressive Regierungen in
Lateinamerika vertreten das alte Wachstums- und
Ressourcenmodell. So in Brasilien, wo es eine starke Ausweitung
der Mittelklasse gibt. Von der Ressourcenausbeutung (Öl) werden
soziale Verbesserungen finanziert. Widerstand kommt nicht von
der Regierung, sondern von den sozialen Bewegungen und
kritischen Intellektuellen. Richtungsforderungen für Uli Brand
sind eine progressive Arbeitszeitverkürzung und
Klimagerechtigkeit.
M.E. wird
selbst bei der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung oft nicht
das Produkt der Arbeit und die Überproduktion thematisiert. In
Betriebskämpfen wird für die Erhaltung der Auto-,
Waschmaschinen- oder sonstigen Produktion gekämpft. Die grüne
Mittelschicht fühlt sich der Unterschicht auch in ihrer
Lebensweise überlegen, weil sie moralisch und ethisch
konsumiert. Sie geht z.B. nicht in den billigen Supermarkt,
sondern in den Bioladen. Und fährt mit Biosprit durch die
Gegend, was zur Zerstörung von Lebensgrundlagen im globalen
Süden führt. Der Ressourcenverbrauch der Mittelschicht ist
gewaltig, aber sie fühlen sich gut mit ihrer imperialen, pardon
ökologischen Lebensweise.Ich sehe keine Lösung für den
Klimawandel, es ist die Apokalypse.
BESTANDSAUFNAHME DER LINKEN
MARXISTEN
Michael Brie
legte uns einen Brief von Rosa Luxemburg an Clara Zetkin vor,
womit Ansätze radikaler Realpolitik diskutiert wurden. Im
Gegensatz zum dogmatischen Marxismus entstehen die Ziele in den
Kämpfen. Alex Demirovic sagte zu Rosa Luxemburg, sie sei zwar
daran interessiert gewesen, wie kommen Menschen in Bewegung, sei
aber oftmals eine dogmatische Marxistin mit einer klaren
Ableitungslogik gewesen. Das andere Konzept würde sich aber mit
dem dogmatischen Grundgerüst beißen.
Auf der Tagung
wurde auch ein Text von Karl- Heinz Roth "Das Weltproletariat im
Werden" diskutiert. Es gab unterschiedliche Ansichten zu den
Begriffen Proletariat und Klassen. Christina Kaindl sagte, dass
auch heute noch die Klassenanalyse wichtig sei und dass man
zwischen einer Klasse an sich und für sich unterscheiden müsse.
(Die
Ausdrücke »Klasse an sich«, »Klasse für sich«
und »Klasse an
und für sich«, die Marx
zugeschrieben zu werden pflegen, finden sich bei diesem nicht.
Eine durch ihre Stellung in den gegebenen
Produktionsverhältnissen „an sich“ gegebene Klasse könne nur zur
politisch "für sich" handelnden Klasse werden, wenn sie
gemeinsam lernt, kämpft und Erfahrungen sammelt.)
M.E. holt der
Begriff "Proletariat" niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Wir
haben es heute mit einer enormen Ausdifferenzierung der
Arbeitsverhältnisse zu tun. Was sollen ein hochbezahlter
Daimler-Stammarbeiter, eine Ein-Euro-Jobberin, ein prekärer
Kulturarbeit mit Erbschaft und finanziellem Hintergrund, ein
Straßenhändler im globalen Süden und eine osteuropäische
Pflegekraft in einem Privathaus, deren Besitzer ein leitender
Firmenangestellter und eine selbstständige Rechtsanwältin sind,
gemeinsam haben. (Hmh, weiß jetzt nicht, ob letztere auch noch
zum Weltproletariat zählen.) Sie haben unterschiedliche
Einkommens- und Lebensverhältnisse und unterschiedliche
Interessen. Kaum jemand in Deutschland würde sich als
Proletarier begreifen, die meisten wollen der Mittelschicht
zugehörig sein. Während es in der proletarischen DDR einen
Arbeiterstolz gab, ist "Proll" im Westen ein Schimpfwort. Nicht
zu vergleichen, als die Arbeiterklasse in den Fabriken die
gleichen Arbeits- und Lebensbedingungen hatten. Es nützt nichts,
eine Klasse herbei zu halluzinieren, in der Hoffnung, daraus
würde ein gemeinsames Klassenbewußtsein und ein gemeinsamer
Klassenkampf erwachsen.
LINKSPARTEI
Dazu gab es
eine Diskussion zwischen teilnehmenden Mitgliedern der
Linkspartei und Aktivisten der sozialen Bewegungen, manchmal
auch beides. Da ich nicht mitgeschrieben habe, gebe ich hier nur
meinen Standpunkt wieder.
Den
griechischen Ansatz, den Parlamentarismus abzulehnen, finde ich
symphatisch. Leider ist die Bewegung zur Zeit so schwach, und
die Linkspartei so zerstritten, da kann man sich freuen, dass es
überhaupt noch Linke gibt. Die Linkspartei sollte die Rolle der
Opposition im Parlament einnehmen. Keine Regierungsbeteiligung
mit neoliberaler Politik wie in Berlin!
Die Linkspartei
hat ganz eindeutig von den Hartz IV- Protesten profitiert, mit
"AV Wohnen" und "ÖBS" speisten sie die Hartz IV- BezieherInnen
in Berlin ab. Das bedeutete, ein Jahr Wohnungssuche bei einem
Zwangsumzug (inzwischen ist es ein halbes). Dabei hatte die
Linkspartei mit der Privatisierung des sozialen Wohnungsbaus
dazu beigetragen, dass es kaum noch preiswerte Wohnungen in der
Innenstadt gibt. Das bedeutet Verdrängung armer
Bevölkerungsteile aus der Berliner Innenstadt. Auch der
gepriesene ÖBS erwies sich als Luftnummer. Kritik kam von
Erwerbsloseninitiativen. Und für Erwerbslose, die freiwillig für
3 Jahre eine ÖBS-Stelle suchten, gab es zu wenige Angebote.
Funktionäre üben sich da oft in Verbalkritik. Bei den
Wahlplakaten in Berlin könnte man annehmen, die Linkspartei in
Berlin sei seit zehn Jahren in der Opposition.
M.E. hat die
Linkspartei folgende Funktionen:
- linke
Inhalte, Kritik und Alternativen ins Parlament und die breite
Öffentlichkeit tragen
-
Informationsaustausch: Es können Anfragen von den sozialen
Bewegungen an die Linkspartei herangetragen werden. Die
Linkspartei wiederum liefert Informationen.
- Ressourcen,
die die Linkspartei den sozialen Bewegungen zur Verfügung stellt
- Kann es eine
Verbindung zwischen der Linkspartei, kritischen Intellektuellen
und Alltagspraxen geben?
Allerdings,
damit die Linkspartei im Parlament überhaupt etwas bewegen kann,
bedarf es draußen einer starken Bewegung und die gibt es nicht.
Nur nach Fukushima und einer kontinuierlichen Arbeit der starken
Anti-AKW-Bewegung knickte Merkel ein. Und es gibt noch ein
Problem. Die Linkspartei will Rücksicht vor allem auf ihre
Wählerschaft im Osten nehmen, was oftmals ehemalige Angehörige
des DDR-Funktionärsapparates und Ostalgiker aufgrund der
heutigen prekären Lebenslage sind. Hätte es wie in den 50er
Jahren im Westen auch nach 1989 im Osten einen Wirtschaftswunder
gegeben, wären die Ostalgiker wahrscheinlich "überzeugte
Demokraten" (wie damals...). Das führt dazu, dass zwar der
Kapitalismus realistisch geschildert wird, bei der DDR neigt man
allerdings oftmals zur Beschönigung. Das führt dann zu absurden
Situationen, Antikapitalisten verteidigen dieses DDR-Bild und
Karrieristen sind dagegen. Damit tappt die Linkspartei immer
wieder in die Falle. Während sie zum Kapitalismus die
Perspektive der Unterdrückten einnehmen, geben sie zum
Realsozialismus die Perspektive der DDR-Eliten wieder, so als
würden sie heute die Perspektive eines Millionärs oder Managers
übernehmen. Denen geht es aber prächtig, da gibt es keine
Probleme im System.
Die Geschichte
der DDR ist wissenschaftlich aufgearbeitet, jede/r kann sich
informieren. Leider allerdings nicht von links. Natürlich
erfolgt bei jeder Realitätsleugnung ein Aufschrei der
bürgerlichen Öffentlichkeit. Das wird dann als Antikommunismus
abgetan. So einfach ist das schwarz-weiße Weltbild. Man kann nur
hoffen, dass sich die Vernunft durchsetzt. Das ist natürlich ein
Spagat bei dieser Heterogenität der Partei.
JUNGE WELT: DAS
LIEBLINGSBLATT DER LINKEN
64 Jahre Junge
Welt sind fast so schlimm wie 20 Jahre Bildzeitung in den neuen
Bundesländern. Vor allem für die Westlinke, die ihr DDR-Bild aus
ihrem Lieblingsblatt schöpft. Die Manipulationmaschinerie der
Jungen Welt läuft seit 1947 wie geschmiert. Der Feind meines
Feindes ist mein Freund. Schwierig macht es die Sache, weil
natürlich auch viele gute Artikel zur kapitalistischen Realität
dort zu finden sind. Man kann nur hoffen, dass es endlich wieder
einen Aufstand in der Jungen Welt gibt. Das Titelblatt zu 50
Jahren Mauerbau wäre Anlaß genug. Hindernisgrund könnte die
Prekarität von Journalisten sein, falls sie die Junge Welt
überhaupt bezahlt. Und auch die Bezahlung ist...Ja, so ist der
Kapitalismus.
LINKER
DOGMATISMUS
In dem Text
"Neuorientierung der Linken" von Stuart Hall aus dem Jahre 1984,
den wir andiskutierten, findet sich folgendes Zitat:
"Der "linke
Dogmatismus" ist ein ganz spezifischer, eigenartiger politischer
Stil, ein Bündel von Haltungen, eine politisch-kulturelle
Tradition, die sich durch alle heutigen organisatorischen
Fraktionen der Linken zieht- darum geht es. Es geht um die
"dogmatische Linke" als Gralshüterin linken Bewußtseins, als
politischem Garanten, als Lackmuspapier der Orthodoxie; hier
steckt das Problem. Und hier liegt auch der Grund dafür, warum
sich die Neuorientierung als ein eher langwieriger Prozeß mit
allen möglichen Sackgassen herausstellt, und warum er immerzu im
Sande verläuft: In jedem von uns steckt ein Stück eines
"dogmatischen Linken", das vor unserem Bewußtsein Grenzposten
steht, bestimmte wesentliche, aber unbequeme Tatsachen aus
unserem Gedächtnis streicht, bestimmte Fragen für indiskutabel
erklärt, keinerlei Seitensprünge erlaubt und dazu beiträgt,
bestimmte automatische und unhinterfragte Reflexe
beizubehalten...Es geht um den "linken Dogmatismus" als
Bremsklotz in einem langen, schweren, aber notwendigen Prozeß."
DIE
NEUORIENTIERUNG DER LINKEN
Tadzio Müller
sagte: "Revolutionäres Denken in der Krise muß strategisches
Denken sein." Er berichtete, dass schon heute im Energiesektor
die Eigentumsfrage gestellt werden muß, was m.E. eher bei
kommunalen Stadtwerken als bei großen Energiekonzernen möglich
ist.
Anhand des
Textes von 1984 zur "Neuorientierung der Linken" diskutierten
wir, dass auch ein heutiger Umdenkungsprozeß notwendig sei. Ich
kann hier nur aufzählen, was mir bei einer Neuorientierung der
Linken wichtig wäre, wobei vieles auch schon praktiziert wird.
Die lokale
Ebene: Alltagskämpfe
Aktiv ist zur
Zeit in diesem Bereich vor allem die Bewegung gegen
Gentrifizierung, die in Stadtteilinitiativen organisiert ist.
Was der Linken selten gelingt, ich habe schon
MieterInnenversammlungen erlebt, an denen der Querschnitt der
Bevölkerung des Kiezes beteiligt war. Auch die Anti-AKW-Bewegung
lebt von der Unterstützung der Bevölkerung im Wendland. Und auch
beim Kampf gegen Stuttgart 21 waren große Teile der Bevölkerung
beteiligt. Weitere Alltagskämpfe können in Betrieben (z.B.
Babylon, Ambulante Dienste) und in Jobcentern (Zahltag, Keine/r
geht allein zum Amt, Jobcenterversammlungen) stattfinden. Diese
Kämpfe sollten allerdings auch eine internationale Perspektive
haben und sich mit anderen Kämpfen verknüpfen.
Während 2004
noch die Erwerbslosen massenhaft auf die Straße gingen, ist es
heute vor allem die Mittelschicht, ob die Pioniere der
Gentrifizierung in den Stadtteilen, ob die Bürgerproteste von
Stuttgart 21 oder die Bevölkerung im Wendland. Das macht einen
Unterschied. Während Hartz IV trotzdem eingeführt wurde, sind
heute neun Atomkraftwerke abgeschaltet, Stuttgart hat einen
neuen grünen Bürgermeister und dem rot-roten Senat könnte die
Mietenpolitik zum Verhängnis werden. Tadzio Müller sprach das
Problem an, dass soziale Bewegungen sich auch auf subalterne
Gruppen beziehen müssen.
Die globale
Ebene: Vernetzung sozialer Kämpfe
Nach dem
Niedergang der globalisierungskritischen und
Sozialforumsbewegung bedarf es neuer Ansätze. In der arabischen
Welt, in Griechenland, in Spanien, Israel etc. wird der Aufstand
geprobt. Es sind vor allem soziale Proteste aufgrund hoher
Jugendarbeitslosigkeit und schlechter Existenzbedingungen. Hier
bedarf es einer Vernetzung der Kämpfe. Aber auch Projekte,
z.B.der Solidarischen Ökonomie außerhalb von Kämpfen, können
sich global vernetzen. Gerade in der Krise nimmt die Bedeutung
der globalen Ebene zu. Viele Probleme der multiplen Krise können
nur global angegangen werden.
Anders leben in
der Gegenwart
Auch hier gibt
es bereits Ansätze. Wie wollen wir leben? Hier und Jetzt! Ob es
eine andere Lebensweise im globalen Norden ist, anders arbeiten
oder anders wirtschaften, ob es gemeinschaftliche Lebensformen
sind. Es geht um die Schaffung von Freiräumen.Die Herrschaft
reicht so tief, dass es selbst das Vorstellbare beeinflußt. Von
einer Revolutionierung der Arbeits- und Lebensweise sind wir
weit entfernt.
Gegenentwurf
für die Zukunft
Es ist nicht so
einfach mit Alternativen. Kommunismus ist nämlich nicht nur
Utopie, sondern es gibt geschichtliche Erfahrungen zum
Kommunismus. Kommunismus ist Vergangenheit und Zukunft. Wir
müssen den Begriff des Kommunismus oder wie wir eine lebenswerte
Gesellschaft nennen wollen, endlich mit emanzipatorischen
Inhalten füllen, sonst machen es die Herrschenden mit dem Wort
GULAG.
Tadzio Müller
sagte, dass das kommunistische Projekt ein demokratisches sei.
Es ginge um mehr Demokratie. Allerdings sei der Begriff der
Demokratie im Kapitalismus ausgehöhlt. Er kann nicht radikal
angeeignet werden, weil er von anderen besetzt ist.
Das Problem
ist: Die Linke kritisiert berechtigterweise das Bestehende, den
Realsozialismus und die eigene Geschichte ignoriert sie aber,
sie ist unwissend oder verklärt sie. Aber: Nur wenn die Linke
das Bestehende kritisiert und jene Geschichte
aufarbeitet, kann sie auch einen nicht-autoritären Gegenentwurf
entwickeln. Diese Gegenentwürfe können aber nicht nur von
Wissenschaftlern am Schreibtisch entworfen werden, sondern sie
müssen kollektiv in den aktuellen Kämpfen entstehen. Es sind
auch keine fertigen Konzepte, die anderen autoritär übergestülpt
werden, es sind Experimente und Suchbewegungen, wie die
Zapatistas sagten: "Fragend gehen wir voran."
Allerdings
steht wiederum die derzeitige Schwäche der Linken entgegen, es
gibt kaum Kämpfe. Viele Menschen sind nicht in der Lage, das
Andere zu denken. Auch viele Linke nicht, weil sie sich
hauptsächlich in Abwehrkämpfen abarbeiten.
"Die" Linke
betreibt weder kritische Aufarbeitung der eigenen Geschichte,
noch hat sie einen Gegenentwurf. Das ist das Problem. Das erste
macht sie unglaubwürdig, das Zweite unattraktiv, weil sie nichts
anzubieten hat. Die Menschen möchten aber wissen, wie es denn
anders funktionieren kann. Viele fragen nach Alternativen.
Utopie wird oft
als lächerlich empfunden, wird abgelehnt. Sie wird aber auch
gefürchtet, denn sie schafft Unruhe, Unzufriedenheit und übt
Druck zur Veränderung aus.
Wie sagte
Helmut Schmidt: WER VISIONEN HAT, SOLL ZUM ARZT GEHEN.
Alex Demirovic
sagte auf der Tagung: "Wir müssen Situationen schaffen, in denen
die Leute exemplarisch lernen können. Wir müssen ein
Einstiegsprojekt schaffen. Und wir müssen aus der Perspektive
des Erfolgs denken." Wir müssten strategische Überlegungen
vornehmen, wo wir auch gewinnen könnten. Christina Kaindl
meinte, dass reformistische und revolutionäre Formen
auseinandergehen, es gibt keine Praxis der Langfristigkeit. Es
gebe keine Kultur der mittel- und längerfristigen Strategie ohne
zersetzende Kämpfe.
Abschließend
wurde diskutiert, dass alles zusammengedacht werden muß, so die
Krisenwirkung im Alltag und ein neuer Internationalismus. Die
Vermittlung zwischen Alltagskämpfen bis zum großen Projekt muß
praktisch und theoretisch formuliert werden. Es müsse eine
Verbindung zwischen linken Intellektuellen und Alltagskämpfen
geben. Es wurde der Wunsch geäußert, dass noch mehr Aktivisten
aus den sozialen Bewegungen an dieser wissenschaftlichen Tagung
teilnehmen.
Ein Hinweis zum
Veranstaltungszyklus:
Was tun mit
Kommunismus?!
Kapitalismus – „real existierender Sozialismus“ - konkrete
Utopien heute
Montag, 31.
Oktober 2011
Mehringhof (Gneisenaustr. 2a, Nähe U 6+7/Mehringdamm), 18 bis 22
Uhr: „Die Linke und 'der real existierende Sozialismus'“
Podiumsteilnehmer/innen: Bini Adamczak (Autorin), Hauke Benner
(autonomer Grenzgänger in den 80er Jahren), Willi Hajek (Europ.
Netzwerk Basisgewerkschaften), Thomas Klein (Zeithistoriker),
Elfriede Müller (jour fixe initiative berlin), Monika Runge (RLS
Sachsen, MdL Sachsen), Jörn Schüttrumpf (Karl Dietz Verlag)
Moderation:
Anne Seeck, Bernd Gehrke
Dienstag, 1.
November 2011
Haus der Demokratie und Menschenrechte (Greifswalder Str. 4,
Tram 3+4, zwei Stationen vom Alex), 18 bis 22 Uhr: „Wie
sozialistisch war der 'real existierende Sozialismus'?“
Podiumsteilnehmer/innen: Helmut Bock (Historiker, Historische
Kommission der PDL), Renate Hürtgen (Historikerin, AK Geschichte
sozialer Bewegungen Ost-West), Christoph Jünke (Historiker und
Publizist), Ralf G. Landmesser (libertärer Publizist, LPA), Anne
Seeck (Aktivistin) Harry Waibel (Historiker und Publizist)
Moderation:
Bernd Gehrke, Willi Hajek
Sonntag, 6.
November 2011
Festsaal Kreuzberg (Skalitzer Str. 130, U 1+8/Kottbusser Tor) 17
bis 21 Uhr: „Raus aus dem Kapitalismus - aber wohin? Konkrete
Utopien heute“
Podiumsteilnehmer/innen: Christian Frings (Aktivist und Autor),
Bernd Gehrke (AK Geschichte sozialer Bewegungen Ost-West),
Detlef Hartmann (linker Aktivist und Theoretiker), Lucy Redler
(Partei Die Linke, SAV), Michael Wilk (libertärer Autor und
Aktivist), N.N. Theorie Organisation Praxis (TOP Berlin)
Moderation: Ralf G. Landmesser, Harry Waibel
Der Eintritt
ist frei – Spenden sind erwünscht!
Veranstalter:
Selbsthilfegruppe Ei des Kommunismus (SEK)
Die
Veranstaltungen werden unterstützt von:
Assoziation A,
ASTA TU Berlin, Bildungswerk Berlin der Heinrich Böll Stiftung,
Buchladen Schwarze Risse, North-East-Antifa, Netzwerk
Selbsthilfe e.V., Rosa-Luxemburg-Stiftung, Teilhabe e.V.,
Zeitschrift Analyse & Kritik, Zeitschrift Antirassistischer
Gruppen, Zeitschrift telegraph.
Die
kapitalistische Weltwirtschaft und die bürgerlichen Demokratien
sind von fundamentalen Krisen erfasst. Begleitet werden sie von
einem Aufschwung des Rechtspopulismus in Europa. Gleichzeitig
wächst aber auch die Bereitschaft, über Alternativen und Wege
zur Überwindung des Kapitalismus nachzudenken.
Für Empörung,
Aufstände und soziale Revolutionen gibt es reichliche Gründe,
wie die jüngsten Entwicklungen in der arabischen Welt, in
Griechenland, Spanien oder in Großbritannien zeigen. In dieser
Situation ist aber gerade in Deutschland auch eine
Wiederbelebung der ML-Ideologie der gescheiterten
pseudo-sozialistischen Diktaturen des Ost-Blocks zu
verzeichnen.
Die dreiste
Leugnung des repressiven Charakters dieser Polizeistaaten
gegenüber der Bevölkerungsmehrheit sowie gegenüber jeder linken
Kritik und Mythen über „sozialistische Errungenschaften“ treiben
neue Blüten. Überreste der DDR-Nomenklatura finden namentlich in
der Tageszeitung „junge Welt“ eine Plattform dafür.
Angewidert von
der anti-kommunistischen Propaganda entdecken aber auch manch
junge Linke plötzlich scheinbare „Vorzüge der DDR“. Auf diese
Weise tappen Linke aber nicht nur in die Falle der
Neutralisierung antikapitalistischer Strömungen durch die
Herrschenden; diese können nämlich die Erfahrungen vieler
Menschen in Ost und West mit dem untergegangenen System des
„real existierenden Sozialismus“ dagegen mobilisieren.
Jene Linken
sind auch dazu verdammt, erneut autoritäre Wege zu betreten, die
nicht über den heutigen Kapitalismus und die in langen
geschichtlichen Kämpfen gegen Kapital und Staat erstrittenen
Freiheiten hinausführen, sondern dahinter zurückfallen.
Die bisherigen
„real-sozialistischen“ Verhältnisse haben sich als
anti-emanzipatorische Sackgassen erwiesen. Deshalb ist für die
Suche nach Alternativen zum Kapitalismus im 21. Jahrhundert eine
radikal emanzipatorische Neubestimmung von Theorie und Praxis
der antikapitalistischen Linken notwendig. Eine (selbst-)kritische
Auseinandersetzung mit den Fehlern und Irrtümern der eigenen
Geschichte ist dafür eine ebenso unverzichtbare Voraussetzung,
wie neue Antworten auf veränderte geschichtliche Bedingungen.
Diese
Erkenntnisse sollten den Ausgangspunkt jeder heutigen Debatte
über anti-kapitalistische Perspektiven bilden. Deshalb wollen
wir in drei zusammengehörenden Veranstaltungen darüber
diskutieren, ob und inwiefern eine Alternative zum Kapitalismus
für verschiedene emanzipatorische Strömungen der
anti-kapitalistischen Linken heute noch unter dem Leitstern
eines „Kommunismus“ stehen kann? Oder hat die geschichtliche
Praxis von Bolschewismus und Stalinismus Begriff und Idee so
verschlissen, dass sie durch andere Leitideen ersetzt werden
müssten?
In einer ersten
Veranstaltung unseres Zyklus wollen wir deshalb darüber
diskutieren, wie das Verhältnis verschiedener emanzipatorischer
Strömungen der antikapitalistischen Linken zum „real
existierenden Sozialismus“ war und ist. Dabei wollen wir mit
Lügen und Geschichtsmythen aufräumen.
Eng verbunden
damit soll in einer zweiten Veranstaltung dem Problem
nachgegangen werden, wie sozialistisch der „real existierende
Sozialismus“ jenseits aller Mythen überhaupt war? Damit sollen
die verschiedenen Strömungen, die wir eingeladen haben auch
bestimmen, was sie unter „Sozialismus“ überhaupt verstehen.
Ebenso wollen wir ausloten, worin die verschiedenen Strömungen
die Ursachen für die Fehlentwicklung des Ost-Blocks sehen und
wie sie den Charakter dieser Gesellschaften rückblickend
einschätzen.
In einer
dritten und letzten Veranstaltung wollen wir uns darüber
austauschen, welche emanzipatorischen Auswege aus dem
Kapitalismus sich nach dem Scheitern des „real existierenden
Sozialismus“ ergeben. Können diese gesellschaftlichen
Alternative(n) noch mit dem Begriff „Kommunismus“ assoziiert
werden?
Editorische Hinweise
Wir erhielten den
Text von der Autorin für diese Ausgabe.